-Diskussion im Zuge des zunehmenden Kompetenztransfers von nationalstaatlicher auf EU-Ebene.
o Aber: Defizitbegriff unscharf definiert.
o Nationale Regierungen entscheidend für Vertragsänderungen und daher ultimativ verantwortlich für ein “Defizit”.
-1. Zunehmende Exekutivmacht in der EU, insbesondere in Krisenzeiten.
-2. EP ist schwach im EU-Institutionengefüge
-3. Europawahl ist eine Sekundärwahl: nationale Nebenwahl
-4. EU ist zu komplex
-5. Politikergebnisse manchmal ohne Mehrheitsunterstützung der MS
o Doppelte Exekutive (Mitgliedsstaaten und Kommission) entscheidet, zunehmend Europäischer Rat (d.h. die europäischen Staatschefs). Geringe Kontrolle durch nationale Parlamente.
o Zwei Sichtweisen – Demokratiedefizit wird kleiner vs. Demokratiedefizit wird größer
§ Prinzip der Mehrheitsdemokratie wird gestärkt / Mehr politische Entscheidungen auf EU-Ebene möglich (Effizienz)
§ Prinzip der Konsensdemokratie wird geschwächt, d.h. Einzelpositionen werden einfacher überstimmbar / Nationales Veto steht für hohe Legitimität politischer Entscheidungen auf EU Ebene
o Kein formales Initiativrecht – kann die Kommission nur anregen (diese muss dan aber mittlerweile reagieren – siehe Entscheidung von der Leyen) - nur Co-Gesetzgeber
o Keine Regierungs-Oppositionslogik,
o Fragmentiertes Parteiensystem
§ ABER: Stärkung als Vetospieler mit jeder Vertragsänderung.
§ Parlament hat Möglichkeit, die Kommission zur Vorlage eines Gesetzes aufzufordern
§ Koordinationsproblem im EP: EP (noch nicht) willens Vorschläge der Mitgliedsstaaten für Kommissionspräsidentschaft abzulehnen - siehe Wahl von der Leyens
o Definition Sekundärwahl:
§ 27 separate Wahlen: nationale Themen dominieren.
§ Schwache Wahlkampagnen der Parteien (auf nationale Themen ausgelegt).
o Auswirkungen:
§ Hohe Distanz zwischen Abgeordneten und Bürger_innen.
§ Geringe Wahlbeteiligung
§ Gelegenheit nationale Regierungsparteien abzustrafen – so bezieht sich aber auch die Wahlwerbung kaum auf europäische Themen
ABER IN DEUTSCHLAND
ABER AUCH
==> je stärker die Parteien in der Regierung oder auch in der Opposition vertreten sind, desto mehr verlieren sie – kleine Parteien gewinnen
o Keine Regierungsbildung nach EP-Wahlen
o Parteien stellen Europa nicht zur Wahl
o Doppelte Exekutive
o Intransparenter Rat, Verhandlungen in Trilogen
o Regulativer, technischer Politikstil – zu wenig Transparenz?
ABER
o Sitzungen im Rat der EU für viele Bereiche öffentlich und online verfügbar.
§ Mitgliedsstaaten reagieren: Vertrag von Lissabon klärt Kompetenzen zwischen EU und Mitgliedstaaten.
§ Aber Versäumnis bei: Transparenz im Europäischen Rat (intergouvernementales Forum) / Rolle der Kommission als Hüterin der Verträge (wann werden Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet?)
o Beispiel: Sparpolitik -> Griechenland? / Klimaneutralität -> Polen? / Asylpolitik -> Ungarn?
o Lösungsansatz auf europäischer Ebene?
§ Hix: mehr politischer Wettbewerb über Richtung der EU (Spitzenkandidaten)
§ Ohne Wahlkampf gibt es wenig Anreize für Kommission oder Mitgliedsstaaten auf sich ändernde Präferenzen der Bürger zu reagieren
o Lösungsansatz auf nationaler Ebene?
§ Mehr Kontrolle des EU-Handelns nationaler Regierungen durch nationale Parlamente (mehr Einfluss) / Politischer Wettbewerb über Richtung der EU auf nationaler Ebene – dieser muss stärker gewichtet werden
o “The notion of a ‘democratic deficit’ is an ‘empty category’ that can be filled out by everyone who finds the way in which the EU works unsatisfactory” (Bang et al. 2015)
o “The EU does not suffer from a democratic deficit significantly greater than that of the most liberal democracies” (Zweifel 2002)
==> Argumente sind relativ, da es viele nationale Demokratien gibt, die die gleichen Probleme haben
o Demokratische Hürde muss gar nicht so hoch, da kein klassischer Staat und eher ein Regulierungssystem
o Regierungen sind selber gewählt, diese verhandeln, d.h. demokratische Legitimation
o elektorale Bindung - Ministerrat repräsentiert einzelnen MS
Die nationale Ebene
-Wie kann es sein, dass eine Union, die die Demokratie als Bedingung für die Mitgliedschaft festlegt, den Weg zur Autokratie eines oder mehrerer ihrer Mitgliedstaaten tolerieren würde? (Kelemen 2020) - Das größte Demokratiedefizit daher: Nichtumsetzung von EU-Recht durch Mitgliedsstaaten
==> Staaten sind jetzt weniger demokratisch, als bei ihrem Eintritt
-Aufnahme (Kopenhagener Kriterien)
o institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, Wahrung der Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von Minderheiten;
o eine funktionsfähige Marktwirtschaft und die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der EU standzuhalten;
o die Fähigkeit, die aus einer Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen zu erfüllen
-Kein Ausschluß (von eventuell unliebsamen Mitgliedsstaaten) möglich (nur eigenständiger Austritt). Es gibt lediglich Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen
-EU-Mitgliedschaft kann diese nämlich durchaus fördern
-1. Parteipolitik auf föderaler EU Ebene
o Wählerstimmen auf subföderaler (nationaler) Ebene für Erfolg einer föderalen Partei erforderlich. Abhängigkeit föderaler Parteien von nationalen.
o Zunehmende Demokratisierung auf föderaler Ebene (Stärkung des EP) kann dazu beitragen, autoritäre Strukturen auf staatlicher Ebene zu etablieren (EVP und Tolerierung Fidesz).
-2. EU-Zahlungen aus dem Haushalt (Kohäsionspolitik, Corona-Hilfen der EU?)
o Kann nationale Korruptions- und Klientelpolitik unterstützen
-3. Personenfreizügigkeit und Emigration kritischer Bürgerbwas die demokratische Opposition in einem MS schwächen kann.
-Es gibt nicht genügend parteipolitische Maßnahmen auf EU-Ebene, um lokale demokratische Oppositionen zu unterstützen ➢ Angst vor einer „Einmischung in nationale Angelegenheiten”
==> Siehe Orban in Ungarn
o Verlust des Stimmrechts (Artikel 7 EU-Vertrag)
§ Verlust des Stimmrechts in beiden Räten, wenn alle anderen Mitgliedsstaaten zustimmen, mit dem Vertrag von Amsterdam 1997 eingeführt
§ Die Maßnahmen in Artikel 7 sind dafür gedacht, den Mitgliedstaat zurück zur Rechtstaatlichkeit zu führen.
§ Ungarn: Einleitung 2018 (EP): Sorge wegen Wahlen, Freiheiten, Gleichheit / Unterstützt von S&D, Grünen, Linken und ALDE, gemischt in der EPP
§ Polen: Einleitung 2017 (Kommission): Sorge um richterliche Unabhängigkeit und Medienfreiheit
§ ABER: Prozess benötigt Einstimmigkeit und Polen und Ungarn schützen sich gegenseitig!
§ Schwaches Artikel 7 Verfahren = größtes Versäumnis im Zuge der Vertragsänderungen
o Verlust von EU-Fördermitteln (Rechtsstaatskonditionalität)
§ Alternative: Nicht-Einhaltung der Rechtstaatlichkeit wird als Bedrohung für den EU-Haushalt angesehen (Veruntreuung von EU-Mitteln)
§ Wenn ein solches Vergehen festgestellt wird, kann der Europäische Rat seit 2021 auf Empfehlung der Kommission mit Qual. Mehrheit den Bezug von EU Geldern einfrieren.
o Politische Parteien sind auf Dauer angelegte Zusammenschlüsse gleichgesinnter Bürger, um politische Entscheidungen zu beeinflussen (policy seeking) indem sie politische Ämter anstreben (office seeking), die sie vor allem durch Teilnahme an Wahlen erhalten können (vote seeking).
-Europäische Parteien werden in den Verträgen erwähnt:
o “Politische Parteien auf europäischer Ebene tragen zur Herausbildung eines europäischen politischen Bewusstseins und zum Ausdruck des Willens der Bürgerinnen und Bürger der Union bei.”
-16 Parteien erhalten aktuell Finanzierung aus dem EU-Haushalt
-Aber: europäische Parteien treten nur indirekt bei Wahlen an (Spitzenkandidaten, aber keine transnationalen Listen)
-Europa als Wahlkampfthema
o Theorie des Themenwettbewerbs (issue competition): Betonung von Themen, von denen sich Parteien einen Vorteil in der Wählergunst versprechen (Wahlkampf, der auf eigene Schwerpunkte zugeschnitten ist)
o Neue Herausforderer (challenger parties ohne Regierungserfahrung) gegen etablierte Parteien (mainstream parties mit Regierungserfahrung) - neue Themen setzen, bei denen die anderen Parteien wenig Schwerpunkte haben, nehmen oft extreme Positionen ein
o Erfolg, wenn elektorale Nischen besetzt werden können, die etablierte Parteien hinterlassen. Herausforderer politisieren neue Themen und nehmen oftmals extreme Positionen ein.
-Partei lehnt das Integrationsprojekt ab und argumentiert für Austritt (harter Europaskeptizismus)
-Oftmals lehnt eine Partei Integration nicht als Ganzes ab (weicher Europaskeptizismus)
o Gegen Wirtschaftsintegration
o Gegen Erweiterung
o Gegen kulturelle Integration
o Gegen weitergehende Integrationsschritte
==> Früher bildete dies den Unterschied zwischen der ID- und der ERC-Fraktion – dieser verschwimmt heute
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