o Vergleich nicht nur mit letzter Europawahl. Seitdem Covid-19, Ukraine, ...
o Große Regierungsparteien verlieren bei Europawahl (second order election) – Gegenbeispiel Georgia Meloni
o Abschneiden rechter Parteien in großen Mitgliedstaaten bestimmt Medien, aber viele Erfolge auch für Sozialdemokraten, Liberale.
o Front National größte Partei im Parlament, von den vier größten Gruppen sind zwei konservativ (CDU/CSU + PP) und zwei rechtspopulistisch-euroskeptisch (FN + FdI)
-Deutschland (AfD 15.9%): Erfolg getrieben von Ostdeutschland (Zugewinne von 10%), aber insgesamt weniger als erwartet (Umfragen teilweise bei 23% Ende letzten Jahres).
-Italien: Nationales Ergebnis bestätigt, Erfolg für Meloni. Frankreich: stärkste Kraft
-ABER:
o Rechtsextreme Bleiben in Belgien, Niederlande, Portugal, Spanien, und Ungarn hinter Erwartungen zurück
o Schwaches Ergebnis in Finland, Dänemark, Schweden und Polen
-Demokratische politische Systeme sind grundsätzlich auf ein Mindestmaß an Unterstützung durch Bürger angewiesen (Easton 1965)
-EU als politisches System: Unterstützung von großer Bedeutung – da EU eben auch sehr jung
-Diffuse Unterstützung: Akzeptanz der europäischen Integration insgesamt
-Spezifische Unterstützung: z.B. Legitimität des Institutionensystems, Zustimmung zu Sachentscheidungen in der EU
-1. Gründung der EU ein Projekt der nationalen Regierungen:
o Annahme: es gibt einen “permissiven Konsens” = schweigende Akzeptanz der Integration durch Bevölkerung
-2. Messung öffentlicher Meinung ab den 1970ern:
o Messung des Konsenses
o Fokus auf Unterschiede in der Zustimmung zu Europa (Eurobarometer)
-3. Fortschreitende Integration, zunehmende Politisierung der EU:
o Fokus auf Unterschiede in der Ablehnung von Europa (Europaskeptizimus)
o “Constraining dissensus” (Einschränkung weiterer Integrationsschritte durch teilweise skeptischere Bevölkerungen)
-Das Eurobarometer wird seit 1973 von der Europäischen Kommission in Auftrag gegeben.
o Erstmals 1973
o 2 mal pro Jahr, circa 1000 Befragte pro Staat
o In MS als auch in Kandidatenländern durchgeführt
o Häufig in Forschung und Medien verwendet
-Mehrmals im Jahr werden in jedem Mitgliedsland 1000-1500 Personen befragt (bei kleineren Staaten wird man öfter gefragt)
-Es enthält sowohl wiederkehrende Fragen als auch jeweils eine speziellen Themenfokus
-Nördliche Eurozone
o Österreich, Belgien, Irland, Finnland, Deutschland, Luxemburg, Niederlande
-Nördliche Nicht-Eurozone
o Dänemark, Schweden, Großbritannien
-Südeuropa
o Zypern, Frankreich, Italien, Griechenland, Malta, Portugal, Spanien
-Osteuropa
o Bulgarien, Kroatien, Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien
==> Südeuropa erhofft sich vor allem mehr Wirtschafts- und Sozialpolitik von der EU
-Annahme der “stillschweigenden Akzeptanz” widerlegt. Krisen beeinflussen Zustimmung.
-Bürger im Norden stimmen dem Integrationsprojekt als ganzes eher zu als Bürger im Süden und Osten der EU.
-Allerdings wünschen sich Bürger im Süden und Osten eher eine beschleunigte Integration (eine “andere EU”?)
-Vier Perspektiven, die sich auf unterschiedliche Aspekte beziehen (nach Hobolt und de Vries):
1) Sozioökonomischer Nutzen (utilitaristisch)
2) Kulturelle Identität
3) Hinweisreize (cuemtaking) durch Eliten, ideologische Motive
4) Leistungsvergleich zwischen Nation und Europa (Benchmarking)
-Nutzenbezogener Ansatz: EU als wirtschaftspolitisches Projekt / Kosten-Nutzen-Kalkulation – beim Utilitarismus ist der sozioökonomische Nutzen entscheidend
-Regulative Politik der EU betrifft Individuen auf unterschiedliche Weise – je nach Sektor, Lebensentwurf, etc.
-Beispiel: Öffnung der Arbeitsmärkte
o EU-weiter Wettbewerb um Arbeitsplätze und Einkommen
o Neue Chance für hoch qualifizierte Arbeitskräfte – sie können überall arbeiten und unternehmerische Tätigkeiten ausüben (auch Gewinner der Globalisierung)
o Mindern möglicherweise Erwerbseinkommen geringer qualifizierter Arbeitnehmer – da durch die Öffnung der Märkte größerer Druck – kann negative Schicksale bewirken
-Empirische Untersuchungen auf individueller bestätigen Zusammenhang
-Profiteure der Integration haben positivere Einstellungen (Einkommen, Bildungsgrad, Qualifikationsgrad, Mobilitätsbereitschaft)
-Länder mit Nettoempfängerstatus aber nicht unbedingt europafreundlicher – Länder die am meisten zahlen, haben oft eine höhere Zustimmung
-Beispiel - Stimmenanteil für europaskeptische Parteien (2014)
==> diese Hypothese macht aber nicht durchgehend Sinn – siehe Dänemark oder Schweden (wirtschaftlich stark) oder Zypern (wirtschaftlich schwach) – deutet auf einen Zusammenhang auf individueller Ebene hin, nicht auf Länderebene allgemein
-EU ist mehr als nur Binnenmarkt -> eine politische Union
-Verlust nationaler Identität? Wie sehen sich die Bürger? Als Deutsche, Europäer, oder beides?
-Personen mit exklusiver nationaler Identität sind EU gegenüber negativer eingestellt
-Euroskeptizismus korreliert mit Ablehnung von anderen Kulturen – am Anfang war EU nur als wirtschaftspolitisches Projekt für Aufschwung gedacht
o Friedensaspekt nicht mit Schaffung einer europäischen Identität gleichzusetzen
==> auch diese Hypothese findet ihre Gegenbeispiele - Kein positiver linearer Zusammenhang auf Länderebene
-Komplexes Regelwerk in der EU: wenig Interesse, niedriger Wissensstand, keine emotionale Bindung
o Befolgung von Hinweisreizen vertrauenswürdiger Akteure: Medien, nationale Parteien und Politiker → Eliten
o Heuristik: Mithilfe begrenzter Informationen und Mutmaßungen meist praktikable Entscheidungen treffen, Fehler und Abweichungen möglich (bewusste oder unbewusste Entscheidungshilfe, “information short-cut” siehe Wahl-O-Mat – kann positiv oder negativ ausfallen, ohne sich selber zu detailliert zu informieren
-Medien:
o Darstellung von Europa hat moderaten Effekt auf Einstellung
-Nationale Parteien:
o Anhänger pro-europäischer Parteien sind integrationsfreundlicher eingestellt
o Linke europaskeptische Hinweisreize mobilisieren wirtschaftliche Bedenken gegen aktuelles Integrationsprojekt (z.B. Syriza)
o Rechte europaskeptische Hinweisreize mobilisieren Furcht vor kultureller Bedrohung (AfD, FPÖ) – kausale Gründe nicht immer einfach herauszufiltern
-Effekte empirisch schwer messbar:
o Selektionseffekte
o Richtung der Kausalität
o Notwendigkeit nationale und supranationale Einstellungen miteinander zu vergleichen
o Vergleich SQ (nationales Systzem) mit Alternative eines EU-Austritts
§ Situation im eigenen Land als Maßstab
§ Politisch oder Ökonomisch
§ Unzufriedenheit mit Leistung des eigenen Landes führt zu proeuropäischer Einstellung. → Mehr Integration
§ Zufriedenheit mit Leistung des eigenen Landes führt zu antieuropäischer Einstellung. → Weniger Integration
o Bürger vergleichen sowohl Sachentscheidungen als auch das politische System an sich (siehe auch wieder diffuse oder spezifische Unterstützung)
o Bürger, die mit politischen Sachentscheidungen der eigenen Nation unzufrieden sind, präferieren eher weiteren Transfer an Souveränität auf die europäische Ebene
o Bürger, die mit nationalen demokratischen Institutionen sehr zufrieden sind, haben niedrigere Zustimmungsraten zur EU unabhängig von der Bewertung der Wirtschaftsleistung
o Selbst bei günstigen wirtschaftlichen und politischen Bedingungen kann sich daher auch Europaskeptizismus entwickeln
§ Eigenes Nationales System kann aber auch besser gefunden werden
-Zustimmung hat sich über Zeit stark verändert, große Unterschiede innerhalb der EU
-Auf individueller Ebene bestimmen v.a. nutzenbezogene Erwägungen Einstellung zur EU (Bildung, Einkommen), aber auch Identität und Hinweisreize durch Parteien
-Jüngste Europaskepsis besser erklärbar mit Leistungsvergleichansatz
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