Interessensgruppe
• Was ist eine Interessengruppe?
➢ Vereinigung von Personen, die das Ziel verfolgt, politische Prozesse und Entscheidungen so zu beeinflussen, dass diese ihren Interessen entsprechen, und zwar ohne an Wahlen teilzunehmen.
• Wonach streben Interessengruppen also?
➢Policy-seeking
• Bindeglied zwischen Bürger*innen und Institutionen des Staates
• Lobbyist*in: Einzelperson, die versucht für eine Interessengruppe Einfluss auf politische Prozesse zu nehmen
• Lobbying in Brüssel: Ca. 49.000 Lobbyist*innen, ca. 12.500
Interessengruppen
(= Nichtregierungsorganisationen (größten Anteil), Firmen, Unternehmerverbände, Regierunsgsorganisationen, Non-Profit & andere Organisationen)
Transparenz in der EU
• Transparenzregister der EU:
➢ Freiwillige Teilnahme, Projekt des EP und der KOM; seit Ende 2020 auch vom Rat
➢ Anreize zu Registrierung von Lobbyist*innen: Vereinfachter Zugang zum EP-Gebäude, Teilnahme an Briefings und Veranstaltungen
➢ Enthält Angaben darüber, welche Interessen von wem und mit welchem finanziellen Aufwand verfolgt werden, Öffentliche Kontrolle
• Legislativer Fußabdruck:
➢ EP-Abgeordnete müssen ihre Treffen mit Lobbyist*innen öffentlich auflisten, wenn sie an der Gesetzgebung mitwirken.
Interessengruppen - Pluralismus
• In pluralistischen Systemen konkurrieren viele Interessen-
gruppen (ähnlich wie in einem Markt) um politischen
Einfluss.
• Beispiele: UK, USA
• Voraussetzung: Konkurrierende Interessen haben einen
vergleichbaren Zugang zum politischen Prozess.
• Beispiele: Umweltverbände, Industrieverbände
Problem des kollektiven Handelns oft bei Umwelt/Verbraucherschutz
Bsp: Ungarn = nimmt Geld der EU/blockiert aber auch Enstcheidungen oft = Trittbrettfahren
• Mancur Olson (1965): Logic of Collective Action
• Homogene/konzentrierte Interessen (kleine Gruppen) können sich besser organisieren als heterogene/diffuse Interessen (große Gruppen).
• Grund: Es gibt nur dann großen Anreiz Mitglied einer Gruppe zu werden, wenn die Gruppe einen hohen Nutzen für Gruppenmitglieder hat.
• Kollektivgut = Nicht ausschließbares Gut
• Bei Erreichen eines Kollektivguts, an dem viele ein Interesse haben, profitieren viele Verbraucher*innen davon, unabhängig davon, ob sie sich für die Umsetzung engagiert haben oder nicht.
→ Trittbrettfahrereffekt
• Auswirkung: Kein Anreiz sich effektiv zu organisieren, insbesondere für heterogene Interessen
Auswirkungen der Logik des kollektiven Handelns
• Keine gleichen Wettbewerbsvoraus- setzungen für Interessengruppen
• Offener Zugang zur politischen Entscheidungsebene bevorteilt konzentrierte und gut organisierte Interessengruppen.
• Möglicherweise Beeinflussung von Entscheidungen durch
Partikularinteressen auf Kosten der Gesellschaft als Ganzes
Kritik an Sichtweise
Der Fokus auf den Organisationsgrad vernachlässigt, dass Politiker*innen auf Informationen und Expertise im politischen Entscheidungsprozess angewiesen sind.
• Viele unterschiedliche Lobbystrategien
• Wenn die Beschaffung von Informationen kostspielig ist (z.B. Verbraucherinteressen), dann sollten solche Informationen
glaubwürdiger sein als „billige” Informationen von homogenen Interessen (z.B Chemieindustrie)
Interessengruppe
Korporatismus
• Wenige Gruppen haben einen privilegierten Zugang zum politischen Entscheidungsprozess.
➢ Beispiele: Österreich, Deutschland
• Wichtigste Form der Interessenvermittlung zwischen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen (Sozialpartnerschaft)
• Idee: Gesellschaftlicher Konsens, wenn der Staat, Unternehmen und Arbeiter*innen Entscheidungen mittragen
• Interessengruppen und Regierung arbeiten nicht gegeneinander, sondern miteinander!
Kritik am Korporatismus
• Vorteil für ausgewählte Interessengruppen
➢Welche Interessengruppen sind relevant genug, um am
Entscheidungsprozess mitzuwirken?
➢Kein Wettbewerb zwischen den Interessengruppen
• Informelle Absprachen zwischen Arbeitnehmern und
Arbeitgebern
➢Was wäre ein Beispiel hierfür?
—> Beispiel: Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber der deutschen Autoindustrie könnten Interesse daran haben, dass Emmissionsregeln abgeschwächt werden
Pluralismus oder Korporatismus in der EU
• Die EU folgt eher einem pluralistischen Modell.
• Förderung des Pluralismus durch die KOM
• Allerdings auch korporatistische Elemente:
• Wirtschafts- und Sozialausschuss
• Ausschuss der Regionen
Handlungsstrategien
Abbildung:
Inside Lobyying
• Inside = Lobbyismus findet innerhalb der jeweiligen Institution statt!
• Direkte Beeinflussung
• Politische Einflussnahme durch direkten Kontakt mit
Entscheidungsträger*innen:
o Gespräche
o Konsultation der Kommission
o Expertenausschuss
Bsp. VW, Nestle, Bayer
• „Put simply, they want to sit at the same table as the decision-
makers in order to affect their decisions”
Outside Lobbying
• Outside = Lobbyismus findet außerhalb der jeweiligen
Institution statt!
• Indirekte Beeinflussung
• Mobilisierung öffentlicher Meinung, um Entscheidungen zu
beeinflussen.
• Demonstrationen
• (Soziale) Medien
Bsp.Fridays for Future, Amnesty International
• „Interest groups hope to affect decision-makers by showing
how much public support they have”
Welche Strategien wählen Interessengruppen und
wann sind sie erfolgreich?
• Die Sichtbarkeit von Inside Lobbying ist geringer als von Outside Lobbying = Wahlkamf als Politiker beachten!!
• Auch abhängig von Zielgruppe, Organisationsgrad und Thema
➢ Zielgruppe: Gewählte Entscheidungsträger*innen oder Beamt*innen der EU
➢ Organisationsgrad: Netzwerk von Freiwilligen oder (finanzielle) Ressourcen
➢ Thema: Komplexität, Salienz
• Unternehmerverbände haben häufiger direkten Kontakt zu
Entscheidungsträger*innen/Politiker*innen:
• Sie nehmen an mehr Meetings teil.
• Sie setzen mehr Positionspapiere auf.
• Sie heuern öfter Berater*innen an.
• Sie sind weniger von Demonstrationen und Internetkampagnen abhängig.
→ Unternehmerverbände nutzen eher Inside Lobbying.
→ Bürger*innenvereinigungen nutzen eher Outside Lobbying.
Haben Wirtschaftsverbände
grundsätzlich mehr Einfluss als zivilgesellschaftliche Gruppen?
Einfluss von Wirtschaftsverbänden oftmals geringer als angenommen
• Untersuchung von 70 Gesetzesvorschlägen der Kommission und Positionen von 1000 Interessengruppen (Dür et al. 2015)
• Binnenmarkt als Status Quo. Agenda der Kommission hat sich mit Erreichen des Binnenmarktes verändert. Z.B. neue konsumentenfreundliche Regeln mit neuen Regulierungsmöglichkeiten für die Kommission, unterstützt durch das EP (Bsp. Mobilfunk)
• Wirtschaftsgruppen müssen Status Quo verteidigen, während zivilgesellschaftliche Gruppen gemeinsam mit Kommission und Parlament für Politikwandel argumentieren können.
Interessengruppen in der EU aus demokratietheoretischer Perspektive
• Inside Lobbying ist intransparent, Partikularinteressen können öffentliches Interesse überwiegen.
• Transparenzregister noch nicht verpflichtend, Anreizbasiert, und abgeschwächt im Rat, aber deutlich höhere Transparenz als in Deutschland.
• Qualität der Gesetzgebung abhängig von Expertise von Interessengruppen?
• Öffentliche Zustimmung zur EU und hohe Aktivität von zivilgesellschaftlichen Interessengruppen auf EU Ebene
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