Transfer? Transformation?
Transfer= Überführung kultureller Güter in andere Kulturen
Transformation = die Anpassung des Transferierten bzw,. Veränderung bei den Rezipienten
“Normale” Geschichte oder “exotische” Teildisziplin
Geringe institutionelle Ausstattung:
Außereuropäische Geschichte ist in Deutschland institutionell unterrepräsentiert.
Es gibt nur wenige Professuren, die sich ganz der Überseegeschichte widmen.
Besetzung von Lehrstühlen:
Einige allgemeinhistorische Lehrstühle wurden mit Historikern besetzt, die auf außereuropäische Geschichte spezialisiert sind.
Beispiel: Jürgen Osterhammel, ein bedeutender Vertreter der außereuropäischen Geschichte, der bis 2018 eine Professur an der Universität Konstanz innehatte.
Aufkommendes Paradigma der Globalgeschichte:
In den letzten Jahren hat die Globalgeschichte an Bedeutung gewonnen.
Es gibt auch einige Lehrstühle mit regionalen Schwerpunkten, wie lateinamerikanische, afrikanische oder asiatische Geschichte.
Forschungseinrichtungen mit außereuropäischen Bezügen:
Diese sind oft gegenwartsbezogen und politikwissenschaftlich ausgerichtet.
Beispiel: Das Deutsche Archäologische Institut (DAI) mit Auslandsabteilungen in verschiedenen Städten.
Fehlende historische Einrichtungen:
Es gibt keine vergleichbaren historischen Einrichtungen wie das DAI für die außereuropäische Geschichte.
Die Deutschen Historischen Institute konzentrieren sich auf die Geschichte ihrer Gastländer und die europäischen Beziehungen dorthin.
Breitere institutionelle Vertretung im Ausland:
In ehemaligen Kolonialmächten und Ländern mit anderen geographischen Orientierungen (z.B. USA, Australien) ist die außereuropäische Geschichte besser institutionalisiert.
Beispiele: Londoner School of Oriental and African Studies, University of Michigan, Australian National University.
Deutschsprachige Einrichtungen:
Vergleichbare Einrichtungen in Deutschland sind das Zentrum Moderner Orient in Berlin und das Südasien-Institut an der Universität Heidelberg.
Zwei Zugänge zur Überseegeschichte:
Globalgeschichtliche Ausrichtung: Fokus auf übergreifende Prozesse und globale Verflechtungen.
Regionale Spezialisierung: Fokussierung auf spezifische Weltregionen, oft in interdisziplinären area studies.
Herausforderungen:
Sprachliche Barrieren und der Aufwand, ein Spezialist für eine nicht-westliche Kultur zu werden.
Europäische Perspektive oft notwendig, aber muss kritisch reflektiert werden.
Integration außereuropäischer Themen:
Internationale und transnationale Bezüge werden zunehmend in das Themenspektrum der Geschichtswissenschaft aufgenommen.
Außereuropäische Themen erscheinen in verschiedenen historischen Kontexten, wie Kirchenhistorie oder Sportgeschichte.
Normalisierung der Außereuropäischen Geschichte:
Außereuropäische Geschichte wird zunehmend als normaler Teil der Geschichtswissenschaft wahrgenommen.
Methodische Grundlagen wie Quellenkritik sind genauso relevant wie in anderen Teildisziplinen.
Deutschland, Europa, Übersee
Stellenwert in verschiedenen Ländern:
In Ländern wie Großbritannien, USA, Frankreich und den Niederlanden hat die Geschichte nicht-westlicher Regionen einen höheren Stellenwert als in Deutschland.
Diese Länder haben die außereuropäische Geschichte stärker in ihren allgemeinen geschichtswissenschaftlichen Kanon integriert.
Integration in den Geschichtskanon:
Die außereuropäische Geschichte ist in diesen Ländern kein separat behandeltes Thema, sondern inhaltlich und methodisch in die allgemeine Geschichtswissenschaft integriert.
Es gibt keine strengen Trennungslinien, und die außereuropäische Geschichte folgt den allgemeinen fachlichen Trends und Innovationen.
Kolonialzeit und Historismus:
Während der Kolonialzeit dominierte der Historismus die Geschichtsforschung, was oft zur Fokussierung auf politische und wirtschaftliche Geschichte führte.
Gesellschafts- und Kulturgeschichte, die eurozentrische Perspektiven vermeiden könnten, waren selten.
Nachwirkungen der Dekolonisation:
Die Dekolonisation führte zu kritischen Betrachtungsweisen der Kolonialgeschichte, wobei der Fokus oft weiterhin auf politischen Aspekten lag.
Es entstanden neue Fragen zu den Hintergründen kolonialer Unterwerfung und imperialer Dominanz.
Sozial- und Alltagsgeschichte:
Neue Ansätze wie Sozial-, Alltags- und Mentalitätsgeschichte führten zu Studien, die die Betroffenen kolonialer Machtausübung in den Blick nahmen.
Diese Entwicklungen trugen dazu bei, die Perspektive der Kolonialgeschichte zu erweitern und zu diversifizieren.
Weiterentwicklung und Rückwirkung:
Methoden wie die oral history wurden von Afrikahistorikern entwickelt, die mit mündlichen Traditionen arbeiten mussten.
Die subaltern studies, eine Variante der „Geschichte von unten“, wurden von indischen Historikern propagiert und beeinflussten die europäische Sozialgeschichte.
Kulturhistorische Perspektive:
Postkoloniale Studien, die aus den Literaturwissenschaften stammen, thematisieren die Auswirkungen und Nachwirkungen kolonialer Dominanz.
Edward Said's Theorie der Konstruktion des Orients durch westliche Orientalisten war ein wichtiger Ausgangspunkt.
Rezeption und Entwicklung in Deutschland:
In Deutschland erfolgte die Rezeption postkolonialer Theorien verzögert, aber inzwischen gibt es mehr empirische Studien zu den kulturellen Bedingungen und Auswirkungen von Kolonialismus und Dekolonisation.
Es wurden auch Raum- und Weltsystemkonzepte modifiziert, um eurozentrische Modelle zu erweitern und zu hinterfragen.
Nicht-europäische Weltsysteme:
Janet Abu-Lughod beschreibt ein mittelalterliches Weltsystem mit Zentrum im arabischen Raum.
André Gunder Frank interpretiert die Weltgeschichte als Geschichte eines asienzentrischen Weltsystems.
Auch der Atlantik und der Indische Ozean wurden als Regionen mit großer integrativer Bedeutung beschrieben.
Region und Welt
Unterschiedliche Ansätze:
Area Studies konzentrieren sich auf spezifische Regionen, deren Sprache und kulturellen Besonderheiten. Sie sind oft interdisziplinär und haben viele Veröffentlichungen hervorgebracht.
World History betrachtet historische Entwicklungen in einem globalen Kontext, oft mit einem breiteren geografischen und thematischen Fokus.
Vielfalt der untersuchten Einheiten:
Die Größe der untersuchten Einheiten in den Area Studies kann stark variieren, von kleinen indischen Staaten und vorkolonialen afrikanischen Königreichen bis hin zu großen Regionen wie dem indischen Subkontinent oder Südamerika.
Es gibt umfassende Handbücher und Überblicksdarstellungen zu spezifischen Regionen, z.B. zum Indischen Ozean als eigenständigem historischen Raum.
Beispiele für umfassende Darstellungen:
Historiker wie Eric R. Wolf haben die Geschichte von Gesellschaften ohne schriftliche Geschichtstradition in den Vordergrund gestellt.
Es gibt auch große Überblicksdarstellungen, die ganze Kontinente oder große historische Räume abdecken, wie Arbeiten über Asien, Afrika und Lateinamerika.
Integration in die deutsche Forschung:
Die deutschsprachige Forschung zur außereuropäischen Geschichte hat sowohl eng begrenzte lokale Fallstudien als auch umfassendere Darstellungen hervorgebracht.
Es gibt Standardwerke und Handbücher, die die Geschichte bestimmter Regionen und Länder ausführlich behandeln.
Publikationen und Forschungseinrichtungen:
Deutschsprachige Publikationen wie das Jahrbuch für Geschichte Lateinamerikas und Zeitschriften wie Periplus und Dhau bieten ein Forum für die wissenschaftliche Diskussion über außereuropäische Geschichte.
Moderne Kolonialgeschichte:
Rudolf von Albertini forderte in den 1960er Jahren eine moderne Kolonialgeschichte, die die Emanzipations- und Dekolonisationsbewegungen berücksichtigt.
Die Geschichte der Kolonien wird heute als Geschichte der jeweiligen ehemaligen Kolonien selbst verstanden, nicht nur als Geschichte der Kolonialmächte.
Deutschlands Kolonialgeschichte:
Die Geschichte der deutschen Kolonien in Afrika, China und Ozeanien wird umfassend erforscht, mit Standardwerken und zahlreichen Einzelstudien zu verschiedenen Aspekten wie Wirtschaft, Zwangsarbeit, Schulsystem und Mission.
Besonders die Aufstände gegen die deutsche Kolonialherrschaft, wie der Maji-Maji-Aufstand und der Krieg gegen die Nama und Herero, haben viel Aufmerksamkeit erhalten.
Debatten um Kolonialverbrechen:
Jürgen Zimmerer hat die These aufgestellt, dass der Genozid an den Herero als Vorbild für die nationalsozialistischen Verbrechen diente, was kontrovers diskutiert wird.
Diese Interpretation hat die aktuelle Forschung und öffentliche Wahrnehmung der deutschen Kolonialgeschichte stark beeinflusst.
Ursprünge und Ziele:
Die neuen welt- und globalhistorischen Ansätze stammen hauptsächlich aus den USA und zielen darauf ab, weltweite Zusammenhänge zu untersuchen. Diese Ansätze haben oft einen fachdidaktischen Hintergrund, um fortgeschrittenen Schülern und Studierenden eine geeignete Universalgeschichte zu bieten.
Diese Ansätze sind durch die weltweite Vernetzung unserer Zeit inspiriert und greifen auf ältere universalhistorische Vorstellungen zurück.
Unterschiedliche Auffassungen:
Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, ob Welt- und Globalgeschichte dasselbe sind. Osterhammel sieht Globalgeschichte als die Geschichte der Globalisierung, also als Suche nach den Anfängen und der Entwicklung der globalen Vernetzung.
Globalgeschichte kann jedoch auch als Untersuchung von Prozessen verstanden werden, bei denen ein größerer Erkenntnisgewinn erwartet wird, wenn sie auf globaler statt lokaler oder nationaler Ebene betrachtet werden.
Protagonisten und deren Ansätze:
Im deutschsprachigen Raum sind Friedrich Edelmayer und Peter Feldbauer (Wiener Kreis) sowie Matthias Middell (Leipzig) bedeutende Vertreter der neuen Weltgeschichte.
Edelmayer und Feldbauer setzen ihre Konzepte praktisch um, während Middell sich theoretisch-reflektierend damit auseinandersetzt.
Kritik an älteren Ansätzen:
Ältere weltgeschichtliche Arbeiten wurden oft aus einem eurozentrischen Blickwinkel geschrieben und blendeten viele Teile der Welt aus oder behandelten sie als Anhängsel Europas.
Die neue Weltgeschichte strebt an, den Eurozentrismus und die nationale Perspektive zu überwinden und eine vielfältige Sichtweise zu ermöglichen.
Edition Weltregionen:
Edelmayer und Feldbauer haben die „Edition Weltregionen“ herausgegeben, die mittlerweile 25 Bände umfasst und verschiedene Kontinente und Regionen behandelt.
Diese Bände sind Sammelwerke, zu denen verschiedene Autoren beitragen und die regionale Schwerpunkte setzen.
Herausforderungen der globalen Perspektive:
Es ist schwer, eine wirklich globale Perspektive zu realisieren, da Europa oft eine herausgehobene Rolle spielt, wenn mehr als nur unverbundene regionale Studien präsentiert werden sollen.
Das notwendige Wissen für eine umfassende Weltgeschichte ist von einer einzelnen Person kaum beherrschbar, daher sind Gemeinschaftsunternehmungen am ehesten in der Lage, übergreifende transnationale und -kulturelle Entwicklungen darzustellen.
Vergleich mit älteren Weltgeschichten:
Ältere Weltgeschichten wie die Propyläen-, Fischer- oder Saeculum-Weltgeschichte und die Cambridge Histories waren ebenfalls oft additiv-enzyklopädische Sammlungen von Regionalgeschichten.
Die Neue Fischer-Weltgeschichte und die WBG-Weltgeschichte versuchen, systematischere Zugänge zu bieten, wobei letztere einen globalen Eindruck historischer Entwicklung vermittelt.
Vorläufer, Kontrastfolien, Anknüpfungspunkt
Kontinuitäten:
Die „neue“ Weltgeschichte baut auf älteren Traditionen auf. Einige Historiker betonen sogar ihre Verbindung zu früheren Ansätzen.
Der Kreis um die Zeitschrift Comparativ bezieht sich ausdrücklich auf Karl Lamprecht und das von ihm gegründete Leipziger Institut für Kultur- und Universalgeschichte. Lamprechts Ansatz beinhaltete bereits wichtige Konzepte wie Kulturtransfer, Kulturbegegnung und wirtschaftliche Austauschprozesse.
Frühere Pionierarbeit:
Hans Ferdinand Helmholt kombinierte Lamprechts Kulturgeschichte mit der Humangeografie von Friedrich Ratzel, der die Beziehung zwischen Mensch und Naturraum in die geografische Wissenschaft einführte. Helmholt gab zwischen 1899 und 1907 eine neunteilige Weltgeschichte heraus, die bereits viele heute als bahnbrechend geltende Punkte erfüllte.
Diese frühen Impulse für eine alternative Weltgeschichtsschreibung waren auch damals von den Wandlungsprozessen der Zeit beeinflusst, ähnlich wie es heute der Fall ist.
Gesellschaftliche Veränderungen:
Die damaligen Wandlungsprozesse, wie der Übergang zur Massengesellschaft, Urbanisierung, das Aufkommen neuer Medien und der Aufstieg neuer, außereuropäischer Mächte wie den USA und Japan, sind Strukturen, die denen der heutigen Zeit vergleichbar sind und in denen die „neue“ Weltgeschichte gründet.
Matthias Middell sieht in dieser Zeit eine Geschichte „einander begegnender Großräume“, in der Kulturtransfers, kulturelle Begegnungen und wirtschaftliche Austauschprozesse immer stärker reflektiert wurden.
Randständiges Phänomen:
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Weltgeschichtsschreibung in Deutschland zu einem randständigen Phänomen, verschwand aber nicht völlig.
Kurt Breysigs fünfbändige „Geschichte der Menschheit“, die bereits vor dem Zweiten Weltkrieg entstanden war, wurde 1955 in einer zweiten Auflage und 2001 als unveränderter Nachdruck herausgegeben.
Weitere wichtige Werke:
Eduard Meyers fünfbändige „Geschichte des Altertums“, die erstmals zwischen 1884 und 1902 erschien, wurde in immer neuen Auflagen veröffentlicht und bezog den Vorderen Orient und Ostasien mit ein, anstatt Nationen zu isolieren.
Alfred Heuß betrachtete nicht nur Europa als Kultur mit Welthaftigkeit, sondern auch Indien, China und die islamische Welt.
Zeitschrift Saeculum und andere Veröffentlichungen:
Die Zeitschrift Saeculum wurde 1949 als Zeitschrift für Universalgeschichte gegründet.
Ernst Schulin veröffentlichte 1974 in Köln eine Textauswahl zur Universalgeschichte, die bei Max Weber ansetzte und eher geschichtsphilosophisch als sachgeschichtlich-empirisch orientiert war.
Geoffrey Barraclough forderte in seinem Beitrag zu Schulins Band bereits eine Weltgeschichte, die eine Verbindung zwischen dem Westen und den Völkern Asiens und Afrikas sucht und dabei versucht, eine eurozentrische Perspektive zu vermeiden.
Bewusstsein für Eurozentrismus:
Das Bewusstsein für die Probleme einer eurozentrischen Historiografie ist nicht neu. Schon früher haben Historiker wie Geoffrey Barraclough auf die Notwendigkeit hingewiesen, eurozentrische Perspektiven zu vermeiden.
Die neue Weltgeschichte setzt sich kritisch mit der europäischen Expansionsgeschichte auseinander, obwohl sie dieser einiges zu verdanken hat.
Gefahr der Expansionsgeschichte:
Es besteht die Gefahr, die Geschichte der europäischen Expansion als eine einseitige Erzählung von Entdeckung, Erschließung und Veränderung fremder Regionen durch Europa darzustellen.
Ein ausgewogenerer Ansatz berücksichtigt das Gewicht indigener Akteure, wird jedoch trotzdem einen gewissen Eurozentrismus nicht ganz vermeiden können, wenn man eine kohärente globale Perspektive sucht.
Wolfgang Reinhard:
Reinhard ist ein prominenter deutscher Vertreter der Geschichte der europäischen Expansion. Seine vierbändige Arbeit wurde ein Standardwerk und erschien später als einbändige Globalgeschichte unter dem Titel „Die Unterwerfung der Welt“.
Reinhard baut auf den Grundlagen von Historikern wie Rudolf von Albertini und Urs Bitterli auf. Seine Arbeit befasst sich nicht nur mit den europäischen Interessen und Methoden, sondern auch mit den Rückwirkungen auf Europa und die wechselseitigen Wahrnehmungen des „Fremden“.
Er untersucht, wie Menschen in Afrika, Asien, Amerika und Australien mit den europäischen Anregungen und Herausforderungen umgingen.
Kritik an Reinhard:
Reinhards Darstellung wird manchmal als theoriefern kritisiert und des Eurozentrismus beschuldigt. Die neue Weltgeschichte erhebt diesen Vorwurf, weil sie der Ansicht ist, dass die Expansionsgeschichte Asien, Afrika und Amerika als Anhängsel der europäischen Geschichte behandelt.
Reinhard behauptet jedoch nicht, Globalgeschichte zu schreiben, sondern konzentriert sich auf die europäische Expansion und ihre transkontinentalen Einflüsse.
Andere Historiker:
Horst Gründer untersuchte die Expansion aus missionsgeschichtlicher Perspektive und präsentierte eine visuell vermittelte Einführung in die europäische Expansion.
Dietmar Henze erstellte eine umfassende Sammlung der Biografien europäischer Entdecker und Forscher.
Eberhard Schmitt begann mit der Herausgabe von Dokumenten zur europäischen Expansion und gründete das Jahrbuch für Europäische Überseegeschichte.
Relevanz der Expansionsgeschichte:
Die Geschichte der europäischen Expansion behandelt bereits viele Themen und Fragestellungen, die die neue Weltgeschichtsschreibung für sich beansprucht, wie Interaktionsräume, kulturelle Begegnungen, Kontakte und Konflikte.
Aspekte des Kulturtransfers spielen eine wichtige Rolle in der Expansionsgeschichte.
Fernand Braudel:
Braudel entwickelte das Konzept der „économie-monde“ (Weltwirtschaft) am Beispiel des Mittelmeerraums. In diesem Modell gruppieren sich verschiedene Regionen in unterschiedlichen Graden der ökonomischen Abhängigkeit und Spezialisierung um ein ökonomisches Zentrum.
Diese geschlossenen Wirtschaftssysteme sind marktorientiert und dynamisch, wodurch sie weitere Gebiete integrieren können.
Braudels Ansatz der „histoire totale“ (Gesamtgeschichte) betont Interaktionen und umfasst globale Perspektiven.
Immanuel Wallerstein:
Wallerstein erweiterte Braudels Konzept zum „world system“ (Weltsystem). Hier bezieht sich „world“ nicht auf den gesamten Erdball, sondern auf die Geschlossenheit des Systems.
Mehrere Weltsysteme können nebeneinander existieren. Das moderne europäische Weltsystem, das Wallerstein kapitalistisch nennt, entstand seit dem späten 15. Jahrhundert und erweiterte sich durch die Einbindung anderer Regionen.
Wallersteins Thesen führten zu einer lebhaften Diskussion über die Ursprünge des kapitalistischen Weltsystems, insbesondere im Zusammenhang mit der atlantischen Expansion des 16. Jahrhunderts.
Engagement mit Wallersteins Konzept:
Hans-Heinrich Nolte beschäftigte sich intensiv mit Wallersteins Konzept und versuchte, es in Deutschland bekannt zu machen und weiterzuentwickeln.
Nolte initiierte 1992 den Verein für die Geschichte des Weltsystems und gibt seit 2000 die Zeitschrift für Weltgeschichte heraus, die als Forum für Forschungsergebnisse und Debatten über die Geschichte des Weltsystems dient.
Noltes Werke:
Nolte veröffentlichte eine umfassende und gut lesbare Weltgeschichte, die sich durch starke außereuropäische Akzente und intensive Vergleiche auszeichnet.
Seine Werke zeigen, dass eine global konzipierte Geschichte des Weltsystems, ähnlich wie die Globalgeschichte, vor der Herausforderung steht, die Stofffülle zu beherrschen.
Vergleichende Perspektiven:
Historiografien, die weltweite Entwicklungen in den Mittelpunkt stellen, nutzen oft vergleichende Perspektiven.
Ein Geschichtsverständnis, das zeitversetzte Entwicklungen unterschiedlicher Gesellschaften auf ein gemeinsames Ziel hin untersucht, setzt diese Gesellschaften zwangsläufig in komparativen Bezug zueinander.
Kulturtheoretische und wirtschaftshistorische Theorien:
Kulturtheoretische Betrachtungen von Johann Gottfried von Herder und Friedrich Schiller sowie wirtschaftshistorische Modernisierungstheorien (z.B. von Alexander Gerschenkron und Walt W. Rostow) basieren auf vergleichenden Perspektiven.
Auch die Vorstellung eines „clash of cultures“ (Samuel P. Huntington) erfordert komparative Analysen, um die Unterschiede zwischen Kulturen zu identifizieren.
Problematik der Vergleichenden Ansätze:
Vergleichende Analysen können problematisch sein, da sie oft auf europäischen Erfahrungswelten basieren und außereuropäische Phänomene aus dieser Perspektive untersuchen.
Die spezifischen Bedingungen in außereuropäischen Gesellschaften werden dabei häufig in den Hintergrund gedrängt.
Beispiel Feudalismus:
Otto Hintze untersuchte den Feudalismus im internationalen Vergleich und kam zu dem Ergebnis, dass Feudalismus eine Reaktion auf äußere Einwirkungen und weltgeschichtliche Entwicklungen ist.
Hintze identifizierte drei Hauptmerkmale des Feudalismus: die militärische Bedeutung einer Ritterschaft, die sozioökonomische Bedeutung der Grundherrschaft und die Etablierung eines Kriegeradels.
Max Webers Idealtypus:
Max Weber führte die idealtypische Begriffsbildung in die Soziologie ein und nutzte kontrastierende Vergleiche, um europäische Phänomene zu erklären.
Seine Vergleiche, z.B. mit der islamischen Welt, wurden kritisiert, da sie außereuropäische Phänomene oft als minderwertige Entwicklungen darstellten.
Vergleichende Analysen zur europäischen Dominanz:
Die Frage, warum Europa zur vorherrschenden Region der modernen Welt wurde, fordert weiterhin vergleichende Analysen heraus, wie z.B. in Kenneth Pommeranz' Studie, die Europa und China vergleicht.
Neue Perspektiven und Konzepte
Definition Kolonie
J. Osterhammel definiert Kolonialismus als eine Herrschaftsbeziehung, bei der die wichtigsten Entscheidungen über das Leben der Kolonisierten von einer kulturell unterschiedlichen und wenig anpassungswilligen Minderheit der Kolonialherren getroffen werden. Diese Entscheidungen berücksichtigen hauptsächlich die Interessen der Kolonialherren. Der Vorteil dieser Definition liegt darin, dass sie die Beziehung zwischen Gruppen betont und nicht nur auf moderne Vorstellungen von Staatlichkeit beschränkt ist. Ein Beispiel dafür ist die Machtpolitik der Ostindienkompanien im heutigen Indonesien oder an der indischen Küste im 17. und 18. Jahrhundert. Obwohl es dort keinen Staat im eigentlichen Sinne gab, wurde dennoch koloniale Macht ausgeübt, zum Beispiel in Hafenstädten. Diese Definition ist auch nützlich, weil sie nicht zu allgemein ist und somit analytisch klar bleibt (vgl. Nagel, J. G., Wendt R. „Transfer und Transformation: Eine Einführung in die außereuropäische Geschichte“ KE 1. S. 45.).
W. Reinhard definiert eine Kolonie als ein Herrschaftsgebiet, das räumlich vom Mutterland getrennt ist, besonders wenn es in Übersee liegt. Eine Kolonie muss entweder eine Siedlung oder ein Herrschaftsgebiet sein. Kolonialismus versteht er als die Kontrolle eines Volkes über ein anderes zur wirtschaftlichen, politischen und ideologischen Ausnutzung. Andere Definitionen beschränken sich auf Siedlungskolonialismus und übersehen dadurch viele Formen der Fremdherrschaft während der Europäischen Expansion (15. bis 19. Jh.).
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