VL 8 Wahrnehmung Visuelle Vorstellung

Fähigkeit, in der Abwesenheit des adäquaten visuellen Reizes eine interne Repräsentation zu erzeugen, die statt des Reizes kognitiven Funktionen zur Verfügung steht

Erlaubt kognitive Flexibilität & intelligentes Verhalten, da er von dem Vorhandensein des adäquate Reizes für dessen Verarbeitung befreit

⇒ Planung, was-wäre-wenn-Fragen, Kreativität, Zugriff auf Information im Gedächtnis,…

Contra

Wir können (normalerweise) klar zwischen Vorstellung und Wahrnehmung unterscheiden (sonst wären es Halluzinationen)

Pro

Phänomenologisch ähnliches bewusstes Erleben („Sehen mit dem inneren Auge“, “vage Version eines Seheindrucks“)

Aufgabe: Visueller Abgleich zweier Bilder (gleich, ungleich)

Beobachtung: Die Zeit für den Abgleich von zwei bildlichen Objekten hängt linear vom Rotationswinkel ab

Interpretation: Mentale Rotation entspricht der Wahrnehmung einer Rotation

Aufgabe: Mental eine (gelernte) Landkarte vorstellen, und auf dieser verschiedene Strecken zwischen Orten zurücklegen

Beobachtung: Zeit für das mentale “Wandern“ ist proportional zur Entfernung der Orte auf der Karte

Interpretation: Mentale Vorstellung funktioniert wie Wahrnehmung auf Basis einer bildlichen Repräsentation

Idee: Wenn visuelle Wahrnehmung und mentale Vorstellung ähnlich sind, sollten mentale Vorstellungen mit Wahrnehmungen interagieren, als wären sie Wahrnehmungen

Beispielstudie: Pearson, Clifford & Tong (2008) Benutzt Paradigma der binokularen Rivalität

Beobachtung: Grad perzeptueller Stabilität (gleiches Perzept vor und nach der Intervention) hängt von der mentalen Vorstellung ab.

Interpretation: Visuelle Vorstellung und Wahrnehmung interagieren über ähnliche Repräsentationen

Idee: Wenn visuelle Wahrnehmung und mentale Vorstellung auf ähnlichen Mechanismen beruhen, sollten sie sich gegenseitig stören können

Beispielstudie: Baddeley & Andrade (2000) Benutzt Paradigma der Doppelaufgabe

Abhängige Variable: Bewertung der Lebendigkeit der Vorstellung in Aufgabe 1

Beobachtung: Lebendigkeit der Vorstellung im Gedächtnis nimmt spezifisch ab, wenn die Zweitaufgabe ähnliche Prozesse in Anspruch nimmt

Interpretation: Visuelle Vorstellung und Wahrnehmung interagieren über ähnliche Repräsentationen

Idee: Wenn visuelle Wahrnehmung und mentale Vorstellung ähnlich sind, sollten mentale Vorstellungen mit Wahrnehmungen ähnliche Gehirnaktivierung generieren

Beispielstudie: O‘Craven & Kanwisher (2000)

Beobachtung: Bei Wahrnehmung wie visuelle Vorstellung sind spezifisch ähnliche Regionen aktiv

Gesichter => FFA = fusiform face area

Szenen => PPA = parahippocampal place area

Interpretation: Visuelle Wahrnehmung und mentale Vorstellung benutzen dieselben neuronalen (und kognitive) Prozesse

Visuelle Vorstellung ist nicht so detailreich und scharf wie Wahrnehmung

• Vergleich mit unscharfen Fotos

• Vorstellungen enthalten oft einfache Figuren, denen wichtige Details fehlen.

Informationen in der Vorstellung werden anders verarbeitet

• Beispiel: Mentale Rotation führt nicht zur Re-Interpretation ambiger Bilder wie in der Wahrnehmung

Neuropsychologie: Dissoziation von Defiziten in Wahrnehmung und mentaler Vorstellung

Kognitive Neurowissenschaften: Große Zahl an Unterschieden in Aktivität und Konnektivität von Gehirnregionen

Erwartungstheorie

Dieselben Prozesse aktiv bei visueller Vorstellung und Erwartung

Hauptthesen:

• Visuelle Wahrnehmung beinhaltet bildhafte Repräsentationen

• Dieselben kognitiven und neuronalen Module werden benutzt

Propositionale Theorie

Visuelle Vorstellung ist nicht bildlich, sondern propositional (logische Formalisierung der Sprache)

Hauptthese:

• Vorstellung beruht auf propositionalem Wissen, wie die Welt aussehen würde, wenn die Tatsachen so wären, wie wir sie uns vorstellen

⇒ Die Debatte ist eingestellt, da die Theorien keine unterscheidbaren Vorhersagen machen.