Welche zwei Ziele verbinden sich mit dem Begriff der »Sozialpolitik«?
• Verteilungsziel: Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Stellung von wirtschaftlich oder sozial benachteiligten Personen und Gruppen.
• Versicherungsziel: Absicherung der wirtschaftlichen Lage bei existenzgefährdenden Risiken.
Was ist der Ursprung des Begriffs der »Sozialpolitik« und welche Problematik sollte im ausgehenden 19. Jahrhundert mit ihr gelöst werden?
• Geprägt durch die Historische Schule und den Verein für Socialpolitik.
• Ziel: Lösung der „Sozialen Frage“.
• Wissenschaft wollte Realität aktiv verbessern, nicht nur Theorien entwickeln.
Erläutern Sie kurz zwei Perspektiven, die davon ausgehen, dass sozialpolitische Maßnahmen nicht bzw. nicht mehr notwendig seien.
1. Perspektive:
- Libertäre Sichtweise: Diese Richtung ist grundsätzlich gegen staatliche Ausgleichspolitik und glaubt, dass eine gerechtere Verteilung und ein effizienter Markt für soziale Sicherung ohne staatliche Eingriffe entstehen können.
2. Perspektive:
- Diese Ansicht vertritt die Überzeugung, dass das derzeitige sozialpolitische Versorgungsniveau ausreichend ist. Die Arbeiterfrage sei gelöst, da Sozialversicherungen etabliert und der Arbeitnehmerschutz verfassungsrechtlich gesichert sind. Zudem gibt es zahlreiche Förderungen und Unterstützung für diejenigen, die sich nicht selbst versorgen können, was eine weitere Sozialpolitik überflüssig mache.
Warum könnte Sozialpolitik eine notwendige Bedingung für die wirtschaftliche Entwicklung sein?
Der Wohlstand steigt insgesamt, jedoch leiden einige wenige deutlich unter den Entwicklungsprozessen. Um Effizienzgewinne nicht zu gefährden, braucht es:
- Soziale Sicherungssysteme, die individuelle Anpassungslasten mindern.
- Umverteilungsmaßnahmen, um diese Lasten fairer auf die Bevölkerung zu verteilen.
Nennen Sie drei Missstände, die sich auf die »Arbeiterfrage« des 19. Jahrhunderts bezogen.
- Kinderarbeit
- Lange Arbeitszeiten
- Willkürliche Kündigungen
Was war die in der Frühmoderne verbreitete »Hausindustrie« und warum stand sie ab dem frühen 19. Jahrhundert zunehmend unter Druck?
- Zu Beginn existierte neben den Manufakturen eine weit verbreitete Hausindustrie, in der Arbeiten in den Stuben von Bauern oder Bürgern erledigt wurden. Der Vertrieb erfolgte über sogenannte „Verleger“, die die Produkte abholten und verkauften. Viele Industriearbeiter stammten aus der Hausindustrie oder waren Handwerker (meist Gesellen), die der Konkurrenz der effizienteren Fabriken nicht standhalten konnten
Auf welchen zwei sozialpolitischen Feldern betätigte sich die neu gegründete Bundesrepublik Deutschland in ihren ersten Jahren im Besonderen?
Die erste Phase bis zur Einführung des Kindergelds 1954 war geprägt vom Wiederaufbau einer neuen Sozialordnung, orientiert an den Rechtsordnungen der Weimarer Republik. Im Fokus stand zunächst die Bewältigung der Kriegsfolgen und Flüchtlingsströme. 1952 wurde das Lastenausgleichsgesetz verabschiedet, das für Kriegsschäden einen Ausgleich vorsah.
- Die zweite Phase, bekannt als „sozialpolitische Expansion“, begann 1954 mit der Einführung des Kindergelds für Familien mit drei oder mehr Kindern. Dieses orientierte sich an der „Kinderbeihilfe“ aus der Zeit des Nationalsozialismus, jedoch mit einem deutlich erweiterten Kreis anspruchsberechtigter Familien. Die Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs rückten zunehmend in den Hintergrund
Welche drei Faktoren übten vor der Einführung der SPV ab 1995 einen zunehmenden Kostendruck auf die Krankenkassen aus?
. Demografischer Wandel
. Zunahme chronischer Erkrankungen
. Technischer Fortschritt
Unterscheiden sie positive von normativen Theorien und geben Sie jeweils ein sozialpolitisches Beispiel.
Positive Theorie:
Beschreiben, wie und warum Sozialpolitik entsteht und sich entwickelt.
Hinterfragen, warum moderne Sozialpolitik erst mit der Industrialisierung aufkam.
Analysieren, warum die heutige Sozialpolitik bestimmte Entwicklungspfade gewählt hat und länderspezifisch unterschiedlich ist.
Beispiel: Determinantensystem der sozialpolitischen Entwicklung.
- Normative Theorie:
Rechtfertigen die Notwendigkeit sozialpolitischer Maßnahmen.
Prüfen, ob und wann Sozialpolitik bestehen sollte.
Ökonomische Perspektive: Soziale Eingriffe des Staates sind nur gerechtfertigt, wenn sie die Markteffizienz steigern und Staatsversagen vermeiden.
Vergleich von Allokationen (Markt- vs. Staatsallokation), um die "am wenigsten schlechte" Option zu wählen
Beispiel: Gleichheits- und Gerechtigkeitstheorie
Was meint Esping-Andersen mit der Kommodifizierung von Arbeitskraft und wie soll diese »dekommodifiziert« werden?
Kommodifizierung:
Arbeit im 19. Jahr hundert mehr und mehr zu einem handelbaren Gut wie jedes andere wurde. Absicherungen und Verbindlichkeiten, die in der feudalistischen Gesellschaft noch bestanden, gingen verloren. Mit der Entlohnung war der Unternehmer von weiteren Pflichten gegenüber den Arbeitern befreit.
- Dekommodifizierung:
Sozialpolitische Maßnahmen sollen den Produktionsfaktor Arbeit von der Eigenschaft einer Ware lösen, indem sie Arbeit über den marktkonformen Lohn hinaus belohnen
Was ist schwacher Paternalismus und wie unterscheidet sich dieser vom harten Paternalismus? Geben Sie ein Beispiel aus der Sozialpolitik.
Schwacher Paternalismus:
o Im Bereich der Rentenversicherung beispielsweise die Opt-Out-Regelung im Bereich der geringfügigen Beschäftigung. Wenn man nicht in die GRV einzahlen möchte, muss man sich davon ausdrücklich befreien. Tut man dies nicht, zahlt man automatisch in die Rentenkasse ein
- Harter Paternalismus:
o Zwangsabgaben in die GRV
Erläutern Sie das Phänomen der adversen Selektion in privaten Versicherungsmärkten. Was ist die Folgerung aus der Negativselektion für die Sozialpolitik?
Versicherer kennen nur die Verteilung der Risiken, nicht jedoch, ob ein Versicherter ein gutes oder schlechtes Risiko darstellt. Da die Prämie auf dem Erwartungswert basiert, ist sie für gute Risiken zu hoch, was dazu führt, dass diese die Versicherung kündigen. Übrig bleiben die schlechten Risiken, für die die Prämie vorteilhaft war. Aus ökonomischer Sicht spricht daher vieles für die Einführung einer gesetzlichen Sozialversicherung bei asymmetrischer Informationsverteilung.
Nennen Sie die drei Primärdeterminanten im Determinantensystem staatlicher Sozialpolitik.
1. Primärdeterminante 1: Problemlösungsdringlichkeit
2. Primärdeterminante 2: Problemlösungsfähigkeit
3. Primärdeterminante 3: Problemlösungsbereitschaft
Welches Verlustrisiko tragen – neben den Unternehmern – auch die Arbeitnehmer? Welche Maßnahme schlägt die Arbeitsmarktordnungspolitik vor?
- Arbeitnehmer profitieren nicht direkt von Unternehmensgewinnen, obwohl sie im Falle von Verlusten durch Einkommensausfälle oder Arbeitslosigkeit betroffen sind
Ansatz: Institutionen wie die betriebliche Mitbestimmung können Arbeitnehmern eine Stimme bei Unternehmensentscheidungen geben.
Warum kann aus keynesianischer Sicht ein höherer Mindestlohn sogar zu weniger Arbeitslosigkeit führen?
Löhne auch als Teil der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Wenn im unteren Einkommensbereich die Löhne steigen, hat dies hohe Nachfra geeffekte, da die unteren Einkommensgruppen den größten Teil wieder verkonsumieren. Die höhere Nachfrage führt in Folge zu einer höheren Beschäftigung
Wer zahlt das Kindergeld aus? Wie heißt die Vorsitzende dieser Institution?
- Das Kindergeld wird von der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit ausgezahlt. Die Vorsitzende der Bundesagentur für Arbeit ist derzeit
Dr. Andrea Nahles. Sie wurde 2022 zur Vorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit ernannt
Unterscheiden Sie das Geldleistungs- vom Sachleistungsprinzip. Geben Sie eine sozialpolitische Maßnahme als Beispiel für die Anwendung des Sachleistungsprinzips.
Geldleistungsprinzip:
• Monetäre Zahlungen (z. B. Arbeitslosengeld, Kindergeld).
• Vorteil: Empfänger können das Geld nach eigenen Präferenzen ausgeben und ihren Nutzen maximieren.
Sachleistungsprinzip:
• Vergabe von Gütern oder Dienstleistungen zu ermäßigten Preisen oder unentgeltlich (z. B. Gesundheitsversorgung).
• Vorteil: Die Mittel werden gezielt für den vorgegebenen Zweck verwendet
Beispiel: GKV
Was ist das Ziel des Nachhaltigkeitsfaktors in der Gesetzlichen Rentenversicherung? Was macht der Nachholfaktor?
- Ziel: Automatische Anpassung des Rentenniveaus an demografische Veränderungen, insbesondere den Anstieg des Rentnerquotienten (𝑅𝑄).
Nachholfaktor:
- Wenn Kürzungen ausgesetzt werden (z. B. durch Nullrunden), erfolgt eine verzögerte Kompensation durch geringere Rentenerhöhungen in den Folgejahren.
Last changed2 days ago