Allgemeine Einführung
Universelles Streben: Es wird festgestellt, dass alle Menschen, trotz unterschiedlicher Bedürfnisse, Interessen und Hoffnungen, das gemeinsame Ziel haben, glücklich zu werden.
Erwartungen an die Politik: Die Meinungen darüber, wie viel Einfluss die Politik auf das Glück der Menschen haben sollte, sind geteilt. Einige erwarten, dass die Politik eine zentrale Rolle dabei spielt, menschliches Glück zu ermöglichen.
Kritische Theorie: Beide Strömungen sehen die Politik als Mittel zur Förderung des menschlichen Glücks. Die Kritische Theorie, beispielsweise Vertreter wie Herbert Marcuse, fordert eine Veränderung der Gesellschaftsstrukturen im Namen des „wahren Glücks“.
Utilitarismus: Der Utilitarismus beurteilt eine Politik als sittlich unrechtmäßig, wenn sie nicht das Ziel verfolgt, das Glück aller Bürger zu maximieren.
Epikureische Tradition: Seit Epikur gibt es eine Tradition, die das Glück außerhalb der politischen Sphäre sucht. Diese Ansicht hat sich in jüngerer Zeit durch politische Enttäuschung verstärkt, was zu einer Rückzugstendenz und der Suche nach persönlichen, direkteren Wegen zum Glück geführt hat.
Philosophische Warnungen: Philosophen wie Immanuel Kant und Karl Popper warnen davor, dass es gefährlich sein kann, wenn die Politik versucht, direkt in das individuelle Glücksstreben einzugreifen. Sie befürchten, dass solche Eingriffe negative Folgen haben könnten.
Ambivalente Haltung: Viele junge Menschen, die sich von der offiziellen Politik distanzieren, haben dennoch hohe Erwartungen an sie. Diese Ambivalenz spiegelt ein komplexes Verhältnis zur politischen Sphäre wider, in dem Enttäuschung und Hoffnung eng beieinander liegen.
Zentrale Fragen: Die Kurseinheit, auf die sich der Text bezieht, greift folgende zentrale Fragen auf: „Was kann die Politik, was soll die Politik, was darf die Politik für das Glück der Menschen leisten?“ Diese Fragen sollen eine Reflexion über die angemessene Rolle der Politik im Hinblick auf das menschliche Glück ermöglichen.
Das natürliche Verlangen der Menschen nach Glück
Allgemeine Beobachtung: Es wird festgestellt, dass Menschen zu allen Zeiten und an allen Orten nach Glück streben. Dies wird als eine konstante menschliche Sehnsucht beschrieben, die nicht altert und eine allgemeine Tatsache zu sein scheint.
Suche nach Gründen: Die Philosophie ist nicht damit zufrieden, nur festzustellen, dass Menschen nach Glück streben. Sie fragt nach den Gründen dafür, warum dies so ist.
Conditio humana: Um die Gründe für das Streben nach Glück zu verstehen, muss man die „Conditio humana“, also die allgemeinen Bedingungen des Menschseins, untersuchen. Dazu gehört, dass Menschen Triebe, Bedürfnisse, Leidenschaften, Interessen, Sehnsüchte und Wünsche haben.
Natürliche und kulturelle Grundlagen: Es wird unterschieden zwischen Trieben und Bedürfnissen, die eine biologische Grundlage haben (z.B. Hunger, Durst), und solchen, die aus kulturellen, persönlichen, gesellschaftlichen und geschichtlichen Wurzeln entstehen. Viele Antriebskräfte sind ein Ergebnis eines Zusammenspiels natürlicher und kultureller Faktoren.
Gemeinsame Eigenschaften der Antriebskräfte: Unabhängig von ihrer Herkunft haben alle diese Antriebskräfte eine Gemeinsamkeit: Sie drängen nach Befriedigung oder Erfüllung. Diese Erfüllung wird als Glück bezeichnet.
Erfüllung der Bedürfnisse: Glück wird als das Erlebnis der Erfüllung von Trieben, Bedürfnissen und Interessen definiert. Dieses Streben nach Erfüllung ist ein grundlegender Aspekt des Menschseins.
Unterschied zwischen "Glück" und "Glückhaben": Es wird unterschieden zwischen „Glück“ im Sinne von Glücklichsein (Eudaimonia, Felicitas, Happiness, Bonheur) und „Glückhaben“ (Eutychia, Fortuna, Luck, Fortune).
Unterschiedliche Bestimmungen von Glück: Die genaue Vorstellung davon, was Glück ist, kann sehr unterschiedlich sein. Manche Menschen finden Glück in Reichtum oder Macht, andere in Freundschaft oder Liebe, wieder andere in wissenschaftlicher Forschung, Kunst oder Meditation.
Gründe für unterschiedliche Vorstellungen von Glück: Diese Unterschiede sind nicht zufällig. Sie ergeben sich aus den unterschiedlichen Trieben, Bedürfnissen und Interessen der Menschen, die trotz einiger Gemeinsamkeiten auch große Unterschiede aufweisen. Diese Unterschiede können sowohl persönlich als auch geschichtlich-gesellschaftlich bedingt sein.
Verschiedene Vorstellungen von Glück:
Obwohl Menschen unterschiedliche Vorstellungen und Erwartungen in Bezug auf Glück haben, bleibt eine Gemeinsamkeit formaler Natur.
Aristoteles' Analyse des menschlichen Handelns:
Aristoteles betrachtet das menschliche Handeln als ein Streben (griechisch: orexis), das sich auf Ziele oder Zwecke richtet. Dieses Streben ist intrinsisch motiviert, d.h., Menschen handeln, weil sie bestimmte Ziele erreichen wollen, die sie als wertvoll oder erstrebenswert empfinden, nicht aufgrund äußerer Zwänge.
Ziel allen Handelns (1. Grundbestimmung):
Aristoteles fragt, ob es ein Ziel gibt, das allen menschlichen Handlungen zugrunde liegt. Er stellt fest, dass jede Handlung ein Ziel hat, das um seiner selbst willen erstrebt wird, wie z.B. Gesundheit in der Medizin oder Sieg in der Strategik.
Ohne es direkt zu nennen definiert er das Glück als Ziel allen Handelns.
Er sucht nach einem „Endziel“, das alle anderen Ziele übergreift und das letztlich das Ziel allen Handelns ist.
Glück als Endziel:
Aristoteles argumentiert, dass Glück (Eudaimonia) das Endziel allen menschlichen Handelns ist. Es ist das höchste Gut, das um seiner selbst willen erstrebt wird und nicht als Mittel zu einem anderen Zweck dient.
Und gäbe es mehrere Endziele so wäre das Glück das vollkommenste unter ihnen.
Der Maßstab für die Vollkommenheit liegt in der Frage, ob etwas nur seiner selbst willen erstrebt wird oder teils noch andere Ziele umfasst.
Andere Ziele wie Ehre, Lust, Verbunft und jede Tüchtigkeit wird teils für ihrer selbst willen, aber auch teils aufgrund der Glückseligkeit willen erstrebt.
Selbstgenügsamkeit (Autarkie):
Aristoteles definiert Glück auch durch das Konzept der Selbstgenügsamkeit. Glück ist das, was für sich allein das Leben wünschenswert und vollständig macht. Es bedeutet nicht, dass jemand wenig braucht, sondern dass er oder sie alles hat, was für ein erfülltes Leben nötig ist.
Sein Glücksbegriff ist also nicht restriktiv (einengend) sondern komprehensiv (umfassend). Er meint also das Glück des Überflusses, sodass dieses geteilt werden kann.
Relativ vs. absolut:
Glück ist kein relatives Ziel (etwas, das im Vergleich zu anderen Zielen wünschenswert ist), sondern ein absolutes Ziel (etwas, das für sich genommen das höchste Gut darstellt).
Es ist also nicht komparativ (auf Vergleichen beruhend), sondern ist ein superlativischer Begriff.
Es ist kein dominantes Ziel (die Spitze einer Hierarchie von Zielen), sondern ein inklusives Ziel, das alle anderen Ziele mit umfasst. Das bedeutet, dass alle anderen erstrebenswerten Dinge Teil des glücklichen Lebens sind, aber Glück selbst ist das Endziel.
Sehnsuchtsglück oder Strebensglück
Abstrakte Definition von Glück:
Der Autor stellt fest, dass es wenig hilfreich ist, zu wissen, dass Glück das höchste Ziel ist, wenn man nicht weiß, was dieses Ziel konkret beinhaltet. Es bleibt unklar, worauf genau man streben soll.
Platonische Sicht auf das Glück:
Platon beschreibt in seinem Werk "Der Staat" eine ideale Gesellschaft, die von Frieden, Gesundheit und Harmonie geprägt ist. Diese Vorstellung einer „gesunden Polis“ repräsentiert ein idealisiertes, vollkommenes Glück, das als Zustand der völligen Erfüllung und Befriedung dargestellt wird. Es umfasst Frieden mit sich selbst, den Mitmenschen, den Göttern und möglicherweise auch mit der Natur.
Auf dieses Glück richtet sich die Sehnsucht jedes Menschen notwendigerweise, denn die Bedürfnisse und Interessen drängen auf Erfüllung. Platon vertritt also ein Versändnis des Glücks als Sehnsuchtsglück.
Unerreichbarkeit des idealisierten Glücks:
Das Konzept des „Sehnsuchtsglücks“ wird kritisch betrachtet, da es oft unrealistische Erwartungen weckt. Diese Form von Glück, die auf vollständiger Versöhnung und einem Leben ohne Konflikte basiert, ist in der Realität schwer erreichbar, was zu Enttäuschungen führen kann.
Pleonexia und menschliche Natur:
Die conditio humana umfasst die „Pleonexia“ (Unersättlichkeit). Teil der Weltoffenheit und Instinktentbundenheit ist eine Neigung zur Übersättigung. Diese Neigung steht im Widerspruch zu der Vorstellung eines vollkommenen Glücks, da sie ständig neue Konflikte erzeugt, sowohl innerlich als auch zwischenmenschlich.
Freuds Sicht auf Glück:
Auch Sigmund Freud war skeptisch gegenüber der Erreichbarkeit von Glück ist. Er erkennt jedoch an, dass Menschen nach Glück streben, da dies dem Lustprinzip entspricht, das das menschliche Verhalten leitet. Er beschrieb ebenfalls den Hang zur Übersättigung bspw. in Form der Sucht.
Zusammenfassung:
In dieser Welt wird nicht glücklich wer sich nur auf das Sehnsuchtsglück verlässt aufgrund der menschlichen “Bauart”.
sich widersprechende Bedürfnisse; Hang zur Übersättigung; Neid auf andere; Gefahr, dass einen Freunde verlassen; Gefahr, dass man alt und gebrechlich wird
Glücksdefizit des Sehnsuchtsglücks:
Die Lösung für das Problem des Sehnsuchtsglück liegt in realistischen Erwartungen an das Glück.
Ein Glücksdefizit entsteht durch die Differenz von Glückserwartung und Glückserfüllung.
Dies könnte durch eine eine Erhöhung des Glücksangebotes oder durch eine Reduktion der Glückserwartungen an die Realität. Die systemisch-primäre Voraussetzung, trotz unvollkommener Bedingungen ein glückliches Leben zu führen, ist die erste vom Menschen abhängige Bedingung für das Glück.
“medien again” als Gegenmittel der “pleonexia”:
Die griechische Maxime „meden agan“ (nichts im Übermaß) wird als Rat gegen die pleonexia (Übersättigung) genannt. Es wird empfohlen, eine Balance zu finden und eine „Sinnfrustrationstoleranz“ zu entwickeln, um mit den Unzulänglichkeiten des Lebens umzugehen.
Die Maxime richtet sich gegen die Hypris der Menschen. Das endgültige Heil ist die Sache Gottes und der Mensch sollte sich auch mit dem Zweitbesten zufrieden geben.
Unterscheidung zwischen „Werktagsglück“ und „Sonntagsglück“:
Unterschieden werden kann zwischen einem alltäglichen Glück („Werktagsglück“), das durch erfüllbare, tägliche Erfahrungen erreicht wird, und einem idealisierten Glück („Sonntagsglück“), das selten erreicht wird, aber als Inspiration dient. Ein zweite philosophischer Ratschlag empfiehlt eine Doppelstrategie: Zufriedenheit mit dem kleinere Glück, aber Offenheit für das größere Glück.
Die Erwartungsreserve geht mit einem Enttäuschungspotential einher, ermöglicht aber ein Glücklichsein über alltägliche hinaus.
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