missionarische Quellen
Selbstzensur und Selbstdarstellung:
Quartalsbericht: Kittel stellte in seinem Quartalsbericht seine Arbeit möglicherweise in einem übermäßig positiven Licht dar, um die Missionsleitung in Basel zu beeindrucken und Unterstützung für seine methodischen Ansätze zu gewinnen. Dies schränkt die Authentizität und Objektivität des Berichts ein, da kritische oder brisante Informationen eher zurückgehalten wurden.
Interner Brief: Der an den Inspektor gerichtete Brief, in dem Kittel seine methodischen Ansätze und die Kritiken an seiner Arbeit rechtfertigte, könnte ebenfalls durch die Notwendigkeit beeinflusst sein, sich zu verteidigen. Diese Situation könnte Kittel dazu veranlasst haben, seine Arbeit als umfangreicher und bedeutender darzustellen, als sie vielleicht tatsächlich war.
Widersprüche und Ablehnung der Missionsleitung:
Missionskomitee: Das Missionskomitee in Basel wies Kittels Vorschläge zur Verwendung indischer Volkslieder und Instrumentalmusik in der Mission zurück, da diese als zu nah am Heidentum angesehen wurden. Diese Ablehnung schränkte Kittels Möglichkeiten ein, seine Ideen zur Inkulturation umzusetzen und führte zu einem Fokus auf wissenschaftliche und weniger auf direkt missionarisch einsetzbare Methoden.
Mangelnde Berücksichtigung kultureller Nuancen:
Kritik an Kittels Vorschlägen: Die Kritik, die Kittel erfuhr, zeigte, dass seine Vorschläge nicht immer die kulturellen und religiösen Sensibilitäten der Missionsleitung berücksichtigten. Dies führte zu einem Widerstand gegen innovative Ansätze zur Anpassung der Mission an lokale Gegebenheiten.
Innovative Ansätze zur Inkulturation:
Literarisch-emotionale Methoden: Kittel versuchte, durch literarische und emotionale Methoden eine Verbindung zur indischen Bevölkerung herzustellen. Er sah die Notwendigkeit, indische Gefühle anzusprechen und wollte biblische Bilder und lokale literarische Traditionen nutzen, um die Mission relevanter und ansprechender zu gestalten.
Musikalische Integration: Kittel schlug vor, indische Volkslieder und lokale Musiktraditionen in die Mission einzubeziehen, um eine bessere Verbindung zur indischen Kultur herzustellen.
Wissenschaftliche Beiträge zur Mission:
Linguistische Studien und Wörterbuch: Kittel konzentrierte sich auf seine linguistischen Studien, die zu einem umfassenden Kannada-English-Dictionary führten. Dieses Werk wurde nicht nur als wissenschaftlicher Beitrag anerkannt, sondern trug auch zur Verbesserung des Ansehens der Mission bei, indem es die kulturelle und sprachliche Vielfalt der Region besser dokumentierte und verstand.
Akademische Anerkennung: Kittels wissenschaftliche Arbeit wurde in der akademischen Welt hoch anerkannt, was zu seiner Ehrendoktorwürde führte und somit auch das Image der Mission positiv beeinflusste.
Zugang zu kulturellem Wissen und Dialog:
Kulturelle Verständigung: Kittel bemühte sich, ein tiefes Verständnis der indischen Kultur zu erlangen, indem er enge Kontakte zu einheimischen Gelehrten pflegte und die Sprache und Literatur der Region studierte. Dies ermöglichte ihm eine differenziertere und respektvollere Annäherung an die lokale Kultur.
autobiografische Quellen inkl. Briefe und Selbstzeugnisse
Tagebücher und Memoiren: Persönliche Aufzeichnungen, die das tägliche Leben, wichtige Ereignisse und die Gedankenwelt der Verfasser*innen dokumentieren. Ein Beispiel ist das Tagebuch von Oladuah Equiano, einem ehemaligen Sklaven aus Westafrika, der über seine Entführung, Versklavung und späteres Leben als freier Mann schrieb.
Briefe: Korrespondenz zwischen Personen, die persönliche Erlebnisse und Gedanken zu bestimmten Ereignissen oder sozialen Umständen enthält. Briefe von Rammohun Roy, einem indischen Sozialreformer, enthalten wertvolle Informationen über seine Ansichten und das Leben in Indien während der britischen Kolonialzeit.
Autobiografien: Ausführlichere Schilderungen des eigenen Lebens, oft verfasst mit dem Ziel, eine umfassende Darstellung der eigenen Geschichte zu bieten. Ein bekanntes Beispiel ist die Autobiografie von Nelson Mandela, in der er über sein Leben und den Kampf gegen die Apartheid in Südafrika berichtet.
Reiseberichte: Aufzeichnungen von Personen, die durch andere Regionen gereist sind und ihre Eindrücke und Erfahrungen festgehalten haben. Dies könnte beispielsweise die Reiseberichte von Ibn Battuta, einem marokkanischen Gelehrten, umfassen, der im 14. Jahrhundert weite Teile der islamischen Welt und darüber hinaus bereiste.
Selbstzeugnisse von Herrschern oder politischen Führern: Diese Schriften bieten Einblicke in die politischen, sozialen und kulturellen Umstände der Zeit. Beispiele wären die Schriften von Gandhi, in denen er seine Philosophie des gewaltlosen Widerstands beschreibt, oder die Memoiren von Kwame Nkrumah, dem ersten Präsidenten von Ghana.
Bildquellen: Teilweise können sich auch autobiografische Elemente in Quellen finden, die primärer anderen Quellenarten zugeordnet sind wie bspw. Bildquellen. Betrachten man beispielsweise
Perspektive und Authentizität: Sie liefern authentische Perspektiven auf historische Ereignisse, die oft von den Stimmen der Betroffenen selbst stammen, im Gegensatz zu kolonialen oder europäischen Berichten, die die außereuropäische Geschichte oft durch eine westliche Linse darstellen.
Kulturelle Einblicke: Autobiografische Quellen bieten tiefe Einblicke in die kulturellen, religiösen und sozialen Strukturen und Werte der außereuropäischen Gesellschaften.
Alltagsgeschichte: Sie dokumentieren oft den Alltag und die Herausforderungen, die Menschen in diesen Gesellschaften gegenüberstanden, und tragen so zu einem besseren Verständnis der sozialen und wirtschaftlichen Realitäten der Zeit bei.
Einblick in Alltagsgeschichte und Wahrnehmungen: Autobiografische Quellen bieten authentische und direkte Einblicke in die Alltagsgeschichte, Denkweisen und Wahrnehmungen der Autor*innen. Sie erlauben es, individuelle Erlebnisse und persönliche Sichtweisen zu verstehen, die in anderen Quellengattungen oft weniger deutlich zum Ausdruck kommen.
Dokumentation persönlicher Erfahrungen: Briefe, Tagebücher und Lebenserinnerungen dokumentieren oft persönliche Erfahrungen, die in anderen Quellen nicht zu finden sind. Sie können helfen, die Auswirkungen historischer Ereignisse auf das individuelle Leben nachzuvollziehen.
Subjektive Authentizität: Die subjektive Perspektive dieser Quellen ermöglicht eine authentische Darstellung von Erlebnissen und Gefühlen, die schriftliche oder formelle Dokumente oft nicht vermitteln. Dies kann besonders wertvoll sein, um die emotionale und persönliche Dimension historischer Erfahrungen zu erfassen.
Vielfältige Perspektiven: Die Vielfalt an autobiografischen Quellen (von Gouverneuren über Soldaten bis zu Missionaren) ermöglicht es, ein breites Spektrum an Perspektiven und Erlebnissen zu erfassen, was zu einem tieferen Verständnis der historischen Kontexte beiträgt.
Subjektivität und Verzerrung: Die größte Herausforderung bei der Nutzung autobiografischer Quellen liegt in ihrer Subjektivität. Die individuelle Sichtweise des Autors/der Autorin ist stets von persönlichen Vorurteilen, kulturellen Prägungen und den jeweiligen gesellschaftlichen Zuschreibungen beeinflusst. Dies kann zu einer verzerrten Darstellung der Realität führen.
Intention und Öffentlichkeit: Viele autobiografische Texte wurden mit der Absicht verfasst, veröffentlicht zu werden. Dies bedeutet, dass die Autor*innen möglicherweise bewusst bestimmte Aspekte ihres Lebens oder ihrer Erfahrungen betont oder ausgelassen haben, um ein bestimmtes Bild zu vermitteln. Die Quellenkritik muss daher stets die Intention des Autors/der Autorin hinterfragen.
Bearbeitung und Veröffentlichung: Einige Tagebücher und Lebenserinnerungen wurden nachträglich bearbeitet oder gezielt für die Veröffentlichung überarbeitet. Dies kann die ursprüngliche Authentizität und Unmittelbarkeit der Quelle beeinträchtigen. Auch posthume Veröffentlichungen, bei denen Dritte in die Texte eingreifen, können die ursprüngliche Aussagekraft verändern.
Kulturelle Prägung: Autobiografische Quellen spiegeln nicht nur die persönlichen Erfahrungen wider, sondern auch die kulturellen und gesellschaftlichen Normen und Vorurteile der Zeit. Dies kann dazu führen, dass bestimmte Aspekte über- oder unterrepräsentiert sind, was die Interpretation der Quelle erschwert.
Persönliche Perspektiven: Autobiografische Quellen ermöglichen es Historikern, die subjektiven Erfahrungen von Individuen direkt kennenzulernen. Dies kann ein tieferes Verständnis für die sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Bedingungen schaffen, unter denen diese Menschen lebten. In Fällen wie dem zitierten Werk von Carlos Bulosan wird die Mentalität, Sichtweise und das Bestreben der philippinischen Migranten durch persönliche Erlebnisse vermittelt, was ein lebendiges Bild ihrer Realität zeichnet.
Authentizität und Identität: Diese Quellen sind besonders wertvoll, da sie Stimmen von Personen enthalten, die direkt von Migration, Diaspora und Diskriminierung betroffen waren. Sie bieten Authentizität, die in offiziellen Dokumenten oder Berichten Dritter oft fehlt. Der Text hebt hervor, wie Bulosans Erfahrungen in seinem literarischen Werk verdichtet wurden, was eine tiefere Verbindung zur historischen Realität der philippinischen Wanderarbeiter in den USA schafft.
Kulturelle und soziale Einblicke: Solche Quellen beleuchten oft kulturelle und soziale Dynamiken, die in anderen Quellen unerwähnt bleiben. Sie können Aufschluss über Gemeinschaften, Traditionen und die Bewältigungsstrategien der betroffenen Personen geben. Bulosans Darstellung der Diasporaerfahrung zeigt die Herausforderungen und Ambitionen der Filipinos in den USA und beleuchtet die Spannungen zwischen Anpassung und Identitätsbewahrung.
Subjektivität und Verzerrung: Eine der größten Herausforderungen bei autobiografischen Quellen ist ihre Subjektivität. Die Darstellung von Ereignissen kann durch persönliche Vorurteile, Erinnerungsverzerrungen oder die Intention des Autors beeinflusst sein. Der Text weist darauf hin, dass Bulosan, um seine Ziele zu erreichen, „mit deutlichen Kontrasten arbeiten, in grellen Farben malen und überspitzt formulieren“ musste. Dies bedeutet, dass solche Quellen nicht immer eine objektive Darstellung der Geschichte bieten.
Fiktionalisierung und Dramatisierung: Besonders bei literarischen Werken, die autobiografische Elemente enthalten, besteht die Gefahr der Fiktionalisierung. Der Roman von Bulosan enthält dramatisierte und möglicherweise fiktive Elemente, die das tatsächliche Leben und die Ereignisse überhöhen, um eine bestimmte Botschaft zu vermitteln. Historiker müssen daher vorsichtig sein und diese Quellen im Kontext anderer Beweise und Dokumente interpretieren.
Begrenzte Repräsentativität: Autobiografische Quellen repräsentieren oft nur die Perspektive eines Individuums oder einer kleinen Gruppe, was die Verallgemeinerung auf größere Bevölkerungsgruppen problematisch machen kann. Im Fall von Bulosan wird ein spezifisches Bild der philippinischen Migranten in den USA gezeichnet, das möglicherweise nicht alle Aspekte der Diasporaerfahrung umfasst.
Mangelnde Vielfalt der Stimmen: Besonders bei historischen Untersuchungen über marginalisierte Gruppen, wie Sklaven oder Kontraktarbeiter, gibt es oft nur wenige autobiografische Berichte, was die Vielfalt der Perspektiven einschränkt. Dies kann zu einem einseitigen Verständnis der historischen Realität führen, da viele Betroffene keine Möglichkeit hatten, ihre Geschichten schriftlich festzuhalten.
nicht-schriftliche Quellen
Artefakte: Werkzeuge, Keramik, Waffen, Schmuck und andere von Menschen hergestellte Objekte.
Bauten und Architektur: Tempel, Pyramiden, Wohnhäuser, Befestigungsanlagen und andere Bauwerke.
Grabfunde: Sarkophage, Mumien, Grabbeigaben, Grabmalereien und Bestattungsrituale.
Legenden und Mythen: Geschichten, die mündlich über Generationen weitergegeben wurden, oft über die Schöpfung, Ahnen, Helden und Götter.
Erzählungen und Lieder: Traditionelle Lieder, Gedichte und Geschichten, die historische Ereignisse, kulturelle Praktiken oder soziale Normen beschreiben.
Kunstwerke: Skulpturen, Masken, Wandmalereien und andere visuelle Darstellungen, die Rückschlüsse auf die Kultur und Religion der Menschen geben.
Textilien und Kleidung: Traditionelle Kleidung, Webarbeiten und Muster, die soziale Hierarchien, kulturelle Identität und Handel widerspiegeln.
Paläobotanische Überreste: Pollen, Samen und andere pflanzliche Überreste, die Hinweise auf Landwirtschaft, Ernährung und Umweltbedingungen geben.
Geologische und klimatische Daten: Bodenproben, Sedimente und Eisbohrkerne, die Klimaveränderungen und Naturkatastrophen dokumentieren.
Skelette und menschliche Überreste: Untersuchungen von Knochen und Mumien können Informationen über Ernährung, Krankheiten, Lebensweise und Todesursachen liefern.
DNA-Analysen: Genetische Studien von menschlichen Überresten, die Abstammung, Migration und Populationen rekonstruieren.
Piktogramme und Petroglyphen: Felszeichnungen und -gravuren, die frühe Formen der Kommunikation und religiöse oder kulturelle Vorstellungen darstellen.
Rituelle Gegenstände: Gegenstände, die in religiösen oder spirituellen Zeremonien verwendet wurden und die kulturellen Praktiken und Glaubenssysteme verdeutlichen.
Ergänzung und Erweiterung schriftlicher Quellen:
In Kulturen, die keine oder nur wenige schriftliche Aufzeichnungen hinterlassen haben, können nicht-schriftliche Quellen oft die einzige Informationsquelle über vergangene Gesellschaften sein. Sie ergänzen oder ersetzen schriftliche Berichte und bieten ein umfassenderes Bild der Geschichte.
Einblick in Alltagskultur und soziale Strukturen:
Nicht-schriftliche Quellen wie Artefakte, Kleidung und Architektur liefern Informationen über das tägliche Leben, soziale Hierarchien und ökonomische Strukturen, die in schriftlichen Quellen oft nicht detailliert behandelt werden.
Rekonstruktion von Umwelteinflüssen:
Umweltbeweise und archäologische Funde helfen, die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt zu verstehen, z. B. wie sich Klimaveränderungen auf die Landwirtschaft und Siedlungsstrukturen auswirkten.
Erfassung von Glaubenssystemen und Ritualen:
Kunstwerke, Grabbeigaben und rituelle Objekte ermöglichen Einblicke in die religiösen und spirituellen Praktiken, die oft nicht in schriftlichen Quellen dokumentiert sind.
Mündliche Überlieferungen als kulturelles Gedächtnis:
Mündliche Traditionen bewahren Wissen über historische Ereignisse, Identitäten und kulturelle Werte, die über Generationen weitergegeben wurden und oft eine andere Perspektive als schriftliche Quellen bieten.
Interpretationsschwierigkeiten:
Nicht-schriftliche Quellen sind oft schwer zu interpretieren, da sie mehrdeutig sein können und den Kontext erfordern, um korrekt verstanden zu werden. Beispielsweise kann die Bedeutung von Symbolen, Ritualen oder Artefakten unklar sein, insbesondere wenn die kulturellen Hintergründe nicht vollständig bekannt sind.
Fehlende Chronologie:
Ohne schriftliche Aufzeichnungen ist es schwierig, eine genaue Chronologie von Ereignissen oder Entwicklungen zu erstellen. Die Datierung nicht-schriftlicher Quellen erfordert oft aufwendige wissenschaftliche Methoden, die nicht immer genaue Ergebnisse liefern.
Zerstörung und Verlust:
Viele nicht-schriftliche Quellen sind vergänglich und können durch Naturkatastrophen, Kriege oder einfach durch den Lauf der Zeit zerstört worden sein. Dies führt zu Lücken in der historischen Rekonstruktion.
Subjektivität in der Rekonstruktion:
Die Interpretation nicht-schriftlicher Quellen kann stark von den Vorannahmen und Perspektiven der Forscher beeinflusst sein, was zu unterschiedlichen und manchmal widersprüchlichen Rekonstruktionen führen kann.
Begrenzte Informationen über bestimmte Themen:
Während nicht-schriftliche Quellen oft reiche Details über bestimmte Aspekte wie Religion oder Alltag liefern, sind sie in anderen Bereichen, wie etwa in der politischen Geschichte oder in detaillierten biografischen Informationen, oft weniger aufschlussreich.
Probleme der Authentizität und Kontinuität:
Mündliche Überlieferungen können im Laufe der Zeit verändert oder romantisiert worden sein, wodurch die historische Genauigkeit leidet. Es ist oft schwierig, zwischen historischen Fakten und nachträglich hinzugefügten Elementen zu unterscheiden.
Ergänzung schriftlicher Quellen: Nicht-schriftliche Quellen, wie mündliche Überlieferungen, können wichtige Perspektiven bieten, die in schriftlichen Quellen fehlen oder verzerrt dargestellt sind. Beispiele sind arabische und europäische Berichte über Westafrika, die durch lokale mündliche Traditionen ergänzt werden.
Erhaltung des kulturellen Gedächtnisses: Mündliche Traditionen dienen als kulturelles Gedächtnis schriftloser Gesellschaften und bieten Einblicke in deren Selbstverständnis und historische Narrative, die in den Epen und Mythen dieser Kulturen verwurzelt sind.
Vielfalt der Überlieferung: Die Bandbreite an Überlieferungsformen, wie Erzählungen, Lieder und ritualisierte Schauspiele, ermöglicht es, unterschiedliche Aspekte der Geschichte und Kultur zu erfassen, die schriftliche Quellen möglicherweise übersehen oder missverstehen.
Perspektiven der indigenen Bevölkerung: Die Aufnahme mündlicher Überlieferungen kann die kolonial geprägte Geschichtsschreibung durch die Perspektive der indigenen Bevölkerung ergänzen und so zu einem umfassenderen Verständnis historischer Ereignisse führen.
Vielfältige Informationsquellen: Die Einbeziehung zahlreicher mündlicher Überlieferungen aus verschiedenen Regionen kann helfen, ein differenziertes Bild historischer Ereignisse zu zeichnen, das durch schriftliche Quellen allein nicht erfasst werden könnte.
Subjektivität und Wandelbarkeit: Mündliche Überlieferungen unterliegen einem ständigen Transformationsprozess. Dies bedeutet, dass die Informationen im Laufe der Zeit verändert, ergänzt oder verdrängt werden, was ihre historische Zuverlässigkeit beeinträchtigen kann.
Vielfältige und widersprüchliche Überlieferungen: Die Existenz mehrerer Versionen eines Ereignisses innerhalb einer Kultur erschwert es, eine "wahre" Geschichte zu rekonstruieren. Unterschiedliche lokale Überlieferungen können zu verschiedenen Interpretationen eines Ereignisses führen.
Einfluss von Forschenden auf die Überlieferung: Die Interviewsituation und die Rolle des Interviewenden können die überlieferten Informationen beeinflussen. Faktoren wie Sprachbarrieren, kulturelle Missverständnisse und die Umgebung des Interviews spielen eine Rolle bei der Verlässlichkeit der gewonnenen Daten.
Probleme der Chronologie und Exaktheit: In mündlichen Überlieferungen stehen oft Legitimationen oder soziale Bedürfnisse im Vordergrund, während die historische Exaktheit und Chronologie in den Hintergrund treten. Dies kann die Rekonstruktion eines genauen historischen Ablaufs erschweren.
Unterschiedliche Tiefe des historischen Bewusstseins: Innerhalb einer Region kann das historische Bewusstsein unterschiedlich tief ausgeprägt sein, was die Vergleichbarkeit und Konsistenz der überlieferten Informationen beeinträchtigt.
Notwendigkeit umfangreicher Quellenkritik: Wie bei schriftlichen Quellen ist auch bei mündlichen Überlieferungen eine gründliche Quellenkritik erforderlich. Besonderes Augenmerk muss auf die Interviewsituation, die Rolle des Interviewers und kulturelle Kontextfaktoren gelegt werden, um Verzerrungen zu vermeiden.
Möglichkeiten:
Rekonstruktion vergangener Kulturen: Bilder bieten wertvolle Einblicke, besonders wenn schriftliche Quellen fehlen. Sie können Informationen über ausgestorbene Kulturen und Lebensweisen liefern.
Einblicke in Fremdwahrnehmungen: Bilder reflektieren, wie europäische Künstler außereuropäische Kulturen wahrnahmen und darstellten. Dies bietet wichtige Erkenntnisse über koloniale Perspektiven und Vorurteile.
Stimmungen und Zeitgefühle: Bilder können unterschwellige Stimmungen und kulturelle Atmosphären transportieren, die in zeitgenössischen Texten oft fehlen.
Interdisziplinäre Analyse: Die Kunstgeschichte bietet methodische Ansätze (z.B. Panofskys Bildinterpretation), die helfen, die symbolische Bedeutung und die sozialen Kontexte von Bildern zu entschlüsseln.
Vielfalt der Quellen: Historische Bildquellen umfassen Druckgrafiken, Malerei und Fotografie, jede mit ihren eigenen Möglichkeiten zur Dokumentation und Darstellung von Realität und Fantasie.
Grenzen:
Subjektivität der Darstellung: Viele Bilder, insbesondere Gemälde und Druckgrafiken, basieren auf der subjektiven Interpretation und künstlerischen Freiheit des Künstlers. Sie stellen selten die Realität unverfälscht dar.
Inszenierung und Klischees: Insbesondere Fotografien und Darstellungen in der Malerei wurden oft inszeniert oder basieren auf kulturellen Klischees, die das tatsächliche Geschehen verfälschen.
Fehlende Authentizität: Selbst wenn Fotografien auf den ersten Blick authentisch wirken, sind sie oft inszeniert oder stark durch die Perspektive des Fotografen geprägt.
Begrenzter Aussagewert: Bilder sind oft nicht geeignet, um faktenbasierte Aussagen über die dargestellten Kulturen zu treffen, sondern eher, um etwas über die Wahrnehmung und Darstellung dieser Kulturen durch europäische Künstler auszusagen.
Doppelte Perspektive: Bei der Interpretation von Bildern, die außereuropäische Themen behandeln, muss sowohl die europäische Perspektive des Künstlers als auch die indigene Perspektive berücksichtigt werden, was die Analyse erschwert.
Spiegel der Weltkenntnis: Karten dokumentieren den geografischen Kenntnisstand ihrer jeweiligen Zeit und zeigen, wie sich das Wissen über die Welt in Europa durch die Expansion entwickelt hat.
Technologische Entwicklung: Die Quellen verdeutlichen die Fortschritte in der Vermessungstechnik und Kartografie, insbesondere ab dem 17. Jahrhundert, als genauere Messungen möglich wurden.
Thematische Karten: Ab dem 18. Jahrhundert boten Karten detaillierte Einblicke in wirtschaftliche, botanische, geologische und sprachliche Verhältnisse in den Kolonien, was die wissenschaftliche und koloniale Erfassung der Welt dokumentiert.
Kulturhistorische Informationen: Karten enthalten neben geografischen Daten auch kulturelle und soziale Informationen, beispielsweise durch Illustrationen von Bewohnern oder Tieren in den Randbereichen der Karten.
Interdisziplinäre Analyse: Karten bieten eine Grundlage für interdisziplinäre Untersuchungen, etwa durch die Verbindung von Kartografie und historischer Bildkunde.
Subjektivität und Perspektive: Viele Karten, insbesondere aus früheren Epochen, spiegeln europäische Sichtweisen und koloniale Perspektiven wider, was die Objektivität der Quellen einschränken kann.
Technische Limitierungen: Vor dem 17. Jahrhundert waren die Vermessungstechniken weniger präzise, wodurch Karten aus dieser Zeit weniger exakte Informationen liefern und oft mehr künstlerische als wissenschaftliche Elemente enthalten.
Erschließung außereuropäischer Karten: Karten aus nicht-europäischen Kulturen können schwer zugänglich sein, da sie oft andere Darstellungsformen und Symboliken verwenden, die für europäische Betrachter schwer zu interpretieren sind.
Beschränkung auf spezifische Zwecke: Viele Karten, insbesondere militärische oder koloniale Karten, wurden für bestimmte Zwecke erstellt und bieten daher nur eine eingeschränkte Perspektive auf die dargestellten Gebiete.
Lückenhafte Dokumentation: Trotz der großen Bedeutung von Karten kann die Quellenlage lückenhaft sein, insbesondere wenn es um Karten aus außereuropäischen Regionen geht, die weniger gut dokumentiert oder erhalten sind.
Einblick in kulturelle Vorstellungen: Realien wie Kunstwerke, Kunsthandwerk und Alltagsgegenstände bieten wertvolle Informationen über die kulturellen Vorstellungen und das Selbstverständnis sowohl europäischer als auch außereuropäischer Gesellschaften. Sie können zeigen, wie Kulturen fremde Einflüsse integriert und angepasst haben.
Rekonstruktion von Lebensverhältnissen: Gegenstände aus Museen oder archäologischen Funden können zur Rekonstruktion der Lebensverhältnisse außereuropäischer Gesellschaften beitragen, insbesondere wenn schriftliche Quellen fehlen. Beispiele sind Handelswaren und Zahlungsmittel, die über Handelsbeziehungen und wirtschaftliche Praktiken aufklären können.
Direkte und unvermittelte Aussagekraft: Realien besitzen eine unmittelbare Aussagekraft, die Schriftquellen oft fehlt, da sie nicht durch die Abstraktion eines Schreibprozesses vermittelt sind. Sie können daher authentischere Einblicke in die historische Realität geben.
Dokumentation von Kulturtransfer: Realien sind besonders geeignet, um den Kulturtransfer zwischen Europa und außereuropäischen Regionen zu dokumentieren. Sie zeigen, wie importierte Kulturelemente an neue kulturelle Rahmenbedingungen angepasst wurden und wie europäische Einflüsse in außereuropäischen Kunst- und Alltagsgegenständen sichtbar wurden.
Subjektivität der Darstellung: Viele Realien, insbesondere solche, die in europäischen Schatzkammern oder Kuriositätenkabinetten gesammelt wurden, spiegeln oft mehr die europäische Vorstellung und Fantasie über ferne Kulturen wider als deren tatsächliche Realität. Diese Darstellungen können somit stark verzerrt sein.
Interpretationsschwierigkeiten: Die Interpretation von Realien, insbesondere aus außereuropäischen Kulturen, kann schwierig sein, da das Verständnis der kulturellen Kontexte, in denen sie entstanden sind, oft begrenzt ist. Ein Beispiel dafür ist das unterschiedliche Kunstverständnis in Afrika, das europäische Konzepte von Kunst nicht immer widerspiegelt.
Unscharfe Abgrenzung zwischen Kunst und Kunsthandwerk: Die fließende Grenze zwischen Kunst und Kunsthandwerk, insbesondere in außereuropäischen Kontexten, kann die Einordnung und Bewertung von Realien erschweren. Dies kann zu Missverständnissen über die Funktion und Bedeutung der Objekte führen.
Fehlender Kontext: Ohne den richtigen Kontext, wie schriftliche Erklärungen oder historische Dokumentationen, können Realien allein schwer zu interpretieren sein. Ihr Informationsgehalt kann begrenzt sein, wenn sie aus ihrem ursprünglichen kulturellen und historischen Zusammenhang gerissen werden.
Reiseberichte
Einleitung:
Die ersten Begegnungen mit außereuropäischen Kulturen fanden durch Reisen, insbesondere durch Entdeckungsreisen statt. In diversen Reiseberichten wurden genau diese Begegnungen der europäischen Welt geschildert und bildeten somit zu einem großen Teil die Grundlage der Wahrnehmung außereuropäischer Gesellschaften.
Vorteile
Nachteile
Angehörige sämtlicher sozialer Gruppen
eineitige Beschreibung von europa aus
z. B. Reisenden im Dienst der Ostindienkompanie, welche im 17. 18. Jh. in Asien reisten und Erlebnisse in Reisberichten festhielten (vom einfachen Soldat wie Johann Verken = inhaltlich knapp, sprachlich schlicht, Tatsachenbericht; bis zum Kaufmann wie Wurffbain der ein fast literarischen Bericht verfasste; Gärtner Georg meister der sich insbesondere der botanischen Welt widmete)
z. B. wenn Hans Staden von “König” spricht; kann nicht davon ausgehen, dass es einen König gab
zu Beginn der Europäischen Expansion waren stationäre eruopäische Vertretungen in außereuropäischen Städten noch selten -> Gesandtschaftswesen aus Diplomaten, die ihre Erfahrungen an fremden Höfen wie bspw.
Publikumsorientierung: das was Leser lesen wollten, Gewinninteresse; ist bei Quellenkritik zu berücksichtigen bspw. Hans Staden Kanibalusmus
Beglaubigungsstrategien: Stil bis Schlussformel
Missionare, die ihren Orden und Gesellschaften Rechnung tragen mussten, wie bspw. Kittel
Unmittelbarkeit: nach einer kritischen Prüfung und einer Vorsortierung was Realität war und was Fiktion bleiben Beschreibungen übrig, die aus erster Hand kommen
Lassen sich durch ihren Schreibstil (schlicht vs. literarisch und alles dazwischen) bzw. auch durch den Verfasser (Diplomat, Forschungsreisender, Missionar) unterscheiden sie können auch anhand der Publikumsorientierung (für Veröffentlichung gedacht) unterschieden werden
Beschreibung: Die ersten Berichte Berichte von Entdeckern, die neue Länder, Routen oder Handelsmöglichkeiten suchten. Diese Berichte konzentrierten sich oft auf geographische Entdeckungen, Küstenlinien, Naturressourcen und die ersten Kontakte mit indigenen Völkern.
Beispiele: Die Berichte von Christoph Kolumbus über seine Reisen in die Neue Welt oder die Erzählungen von Vasco da Gama über seine Entdeckung des Seewegs nach Indien.
Merkmale: Fokus auf geografischen Entdeckungen, kartografische Beschreibungen, Begegnungen mit unbekannten Völkern, oft mit einem wirtschaftlichen oder kolonialen Interesse.
Beschreibung: Reiseberichte von Missionaren, die versuchten, das Christentum in außereuropäischen Regionen zu verbreiten. Diese Berichte dokumentierten ihre religiösen Aktivitäten sowie die Kultur und Religion der einheimischen Bevölkerung.
Beispiele: Die Briefe und Berichte der Jesuitenmissionare in Asien und Amerika, wie etwa die „Jesuit Relations“ aus Neufrankreich.
Merkmale: Detaillierte Beobachtungen zu religiösen Praktiken und Weltanschauungen, oft moralische und ethische Bewertungen, Fokus auf Bekehrungen und das Leben der einheimischen Bevölkerung.
Beschreibung: Berichte von Händlern und Wirtschaftsreisenden, die die Handelsmöglichkeiten und wirtschaftlichen Bedingungen in den bereisten Ländern dokumentierten. Diese Berichte waren oft für Handelsgesellschaften oder Regierungen bestimmt.
Beispiele: Die Berichte der Kaufleute der Britischen Ostindien-Kompanie oder der niederländischen VOC (Vereenigde Oostindische Compagnie).
Merkmale: Detaillierte Informationen über lokale Märkte, Handelsgüter, wirtschaftliche Bedingungen und politische Strukturen, oft pragmatisch und nüchtern.
Beschreibung: Berichte von Diplomaten, die im Auftrag europäischer Staaten in außereuropäischen Ländern unterwegs waren. Diese Berichte beschrieben politische Verhältnisse, Machtstrukturen und diplomatische Beziehungen.
Beispiele: Die Reiseberichte von Botenvoyagen nach China oder das Osmanische Reich.
Merkmale: Fokus auf politischen Strukturen, Herrschaftssystemen, interkulturellen Verhandlungen und diplomatischen Beziehungen, oft mit einem politischen Ziel verfasst.
Beschreibung: Reiseberichte von Wissenschaftlern, Naturforschern und Gelehrten, die zur Erforschung der Natur, der Ethnologie oder anderer wissenschaftlicher Themen reisten. Diese Berichte trugen oft zur Erweiterung des Wissens in Europa bei.
Beispiele: Alexander von Humboldts „Reise in die Äquinoktial-Gegenden“ oder James Cooks wissenschaftliche Expeditionen.
Merkmale: Detaillierte Beobachtungen zur Flora, Fauna, Geologie, Ethnologie, oft systematisch und mit wissenschaftlicher Methodik verfasst.
Beschreibung: Diese Berichte richteten sich an ein breites Publikum und erzählten oft abenteuerliche oder exotische Geschichten aus fernen Ländern. Sie sollten unterhalten und das Fernweh wecken. Hierrunter finden sich auch Gefangenen- und Überlebensberichte wie Hans Stadens Bericht über seine Erfahrungen und Beobachtungen während seiner Gefangennahme in Brasilien durch die Tupinambá.
Beispiele: Die Reiseberichte von Marco Polo (obwohl vor der eigentlichen europäischen Expansion verfasst, stark rezipiert) oder die Erzählungen von Sir Walter Raleigh.
Merkmale: Dramatische, oft ausgeschmückte Darstellungen, Fokus auf das Außergewöhnliche und Exotische, manchmal mit literarischem Anspruch.
Beschreibung: Berichte von Künstlern, Schriftstellern oder Intellektuellen, die auf Reisen gingen, um Inspiration zu finden und kulturelle Eindrücke zu sammeln. Diese Berichte waren oft stilistisch anspruchsvoll und reflektierten die subjektiven Erfahrungen des Autors.
Beispiele: Johann Wolfgang von Goethes „Italienische Reise“ oder die Reisenotizen von Lord Byron.
Merkmale: Subjektive Eindrücke, literarischer Stil, Fokus auf künstlerische und kulturelle Erfahrungen.
Reisetagebuch (Itinerarium)
Landeskundliche Beobachtungen
romanhafte Darstellungen
in Versen oder Briefsammlungen
wissenschaftliche Reiseliteratur im Laufe des 18. Jh.
bspw. James Cook Reisen oder Georg Forster der mit Vater Cook auf dessen zweiter Reise begleitete
hatte auch Auswirkungen auf Missionare und Kaufleute, die sich auch wissenschaftlich orientierten
Jürgen Osterhammel: Zeitalter der wissenschaftlich geprägten Reisliteratur zwischen etwa 1670 bis 1820
drei Gemeinsamkeiten: Ergebnis direkter Landeskenntnis, Verfasser ausnahmslos gelehrte und gebildete Männer; waren Gattungskonventionen verschrieben und nutzten bestimmte Deutungs- und Darstellungsschemata
veränderte Rahmenbedingungen unter denen Reiseberichte geschrieben wurden
Nachwirkungen:
Sammlungen von allen Reisebrichten einer Region
Enzklopädien die auf gesammelten Reisberichten entstanden
ohne je da gewesen zu sein
Möglichkeiten von Reiseberichten als Quellen:
Unmittelbare Beobachtungen: Reiseberichte bieten oft direkte Einblicke in fremde Kulturen und Orte aus der Perspektive des Reisenden. Sie können wertvolle Informationen über die Gesellschaften, mit denen der Autor interagiert hat, liefern, einschließlich Bräuchen, geografischen Gegebenheiten und interkulturellen Begegnungen.
Rezeptionsgeschichte: Die verschiedenen Ausgaben und Übersetzungen von Reiseberichten über die Zeit hinweg bieten eine reiche Quelle für die Untersuchung der Rezeptionsgeschichte. Sie zeigen, wie sich das Interesse an bestimmten Themen, wie beispielsweise Kannibalismus, entwickelt hat und wie diese Themen in verschiedenen Epochen und kulturellen Kontexten verarbeitet wurden.
Ergänzende Quellen: Reiseberichte können durch den Vergleich mit anderen zeitgenössischen Quellen nützliche zusätzliche Informationen liefern, insbesondere in Bezug auf Ereignisse oder kulturelle Praktiken, die in anderen Quellen möglicherweise nicht dokumentiert sind.
Grenzen von Reiseberichten als Quellen:
Subjektivität und Verzerrungen: Reiseberichte spiegeln häufig die subjektive Wahrnehmung und die persönlichen Erfahrungen des Autors wider. Dies kann zu Verzerrungen führen, insbesondere wenn der Autor mit einer eurozentrischen oder kolonialistischen Perspektive schreibt, wie es im Fall von Hans Staden der Fall sein könnte.
Sprachliche und kulturelle Übersetzungsprobleme: Die Interpretation fremder Kulturen durch den Autor kann problematisch sein, insbesondere wenn er Begriffe und Konzepte verwendet, die in der Kultur des Zielpublikums besser verstanden werden als in der Kultur, die beschrieben wird. Begriffe wie „König“ können europäische Vorstellungen widerspiegeln, die nicht unbedingt der Realität der beschriebenen Kultur entsprechen.
Überlieferung und Änderungen: Im Laufe der Zeit können Reiseberichte durch verschiedene Ausgaben, Nachdrucke und sprachliche Anpassungen verändert werden. Diese Veränderungen können den ursprünglichen Inhalt verfälschen und stellen den Historiker vor Herausforderungen in Bezug auf die Quellenkritik.
Fehlende Primärquellen: Oftmals fehlen handschriftliche Aufzeichnungen oder Entwürfe des Autors, was es schwierig macht, nachzuvollziehen, was im Druckprozess verändert wurde. Dies ist ein bedeutendes Problem bei der Beurteilung der Authentizität und Genauigkeit des Berichts.
Adressatenkreis: Der Reisebericht wurde oft für ein breites Publikum verfasst, was zu Vereinfachungen und Sensationalismus führen kann. Dies kann die historische Genauigkeit beeinträchtigen, da der Bericht darauf abzielt, die Interessen und Erwartungen der Leserschaft zu bedienen, anstatt eine objektive Darstellung zu liefern.
Detaillierte Darstellung von Praktiken:
Kannibalismus: Stadens Bericht liefert detaillierte Informationen zur Zubereitung und Konsumation menschlichen Fleisches bei den Tupinambá. Dies ermöglicht ein relativ umfassendes Bild der kannibalistischen Praktiken in der Tupinambá-Gesellschaft, insbesondere weil zu dieser Zeit nur wenige andere Quellen existierten.
Sklaverei: Der Bericht zeigt die Art und Weise, wie die Tupinambá Gefangene behandelten, einschließlich der Unterscheidung zwischen denen, die als Sklaven gehalten wurden und denen, die zum Verzehr bestimmt waren.
Einblick in die soziale Struktur:
Sklavenhaltung: Stadens Beschreibung gibt Aufschluss über die Rolle von Gefangenen und Sklaven in der Tupinambá-Gesellschaft. Die Gefangenen lebten weitgehend integriert in die Gemeinschaft, waren aber unfreie Sklaven, was eine andere Perspektive auf Sklaverei als die in den europäischen Kolonien bietet.
Persönliche Perspektive und Überlebensstrategien:
Stadens Erfahrungen: Die Darstellung von Stadens Überlebensstrategien und seine Versuche, seine Situation durch religiöse Drohungen zu beeinflussen, bieten Einblicke in seine persönliche Perspektive und seine Strategie, sich in einer bedrohlichen Situation zu behaupten.
Religiöse und kulturelle Dimensionen:
Glaubensbezüge: Stadens religiöse Bezüge und sein Protestantismus beeinflussen möglicherweise seine Darstellung der Ereignisse und bieten Einblick in seine Glaubenswelt und seine Motivation, die Ereignisse zu dokumentieren.
Subjektivität und Verzerrung:
Persönliche Motivation: Stadens Bericht ist stark durch seine persönlichen Überzeugungen und seine Rolle als Feind der Tupinambá geprägt. Dies kann seine Darstellung der Ereignisse und seiner eigenen Situation beeinflussen und zu Verzerrungen führen.
Glaubwürdigkeitsstrategien: Staden verwendet religiöse und moralische Argumente, um seine Glaubwürdigkeit zu unterstreichen, was die Objektivität des Berichts in Frage stellt.
Kritische Edition und Quellenkritik:
Rezeption und Bearbeitung: Die Vielzahl von Ausgaben und die spätere Bearbeitung des Berichts können zu Veränderungen und Verzerrungen des Originals geführt haben. Die wissenschaftliche Edition von 2007 wird als verlässlich angesehen, aber es gibt Bedenken, dass sie auch eine Rechtfertigung für Staden darstellt.
Autorenschaft: Die Theorie, dass der Marburger Medizinprofessor Dryander möglicherweise der wahre Autor war, wirft Fragen zur Authentizität und zum Bildungsgrad des Berichts auf. Dies könnte die Zuverlässigkeit der Darstellung beeinträchtigen.
Fehlende Parallelen und Kontext:
Fehlende Quellengleichheit: Die begrenzte Anzahl an zeitgenössischen Quellen über die Tupinambá und ihre Praktiken erschwert einen umfassenden Abgleich und eine Validierung der Informationen, die Staden liefert.
Topoi und literarische Einflüsse: Stadens Bericht enthält zahlreiche literarische Topoi und Erzählstrukturen, die möglicherweise von anderen Quellen und nicht nur aus persönlicher Erfahrung stammen. Dies könnte die Authentizität der Beschreibungen beeinträchtigen.
Forschungsstand und Interpretation:
Eingrenzung des Aussagebereichs: Der Bericht muss im Kontext anderer zeitgenössischer Quellen interpretiert werden. Die Arbeit von Annerose Menninger, die die Rezeptionsgeschichte und die literarischen Einflüsse beleuchtet, ist entscheidend, um den Bericht kritisch einzuordnen.
Reiseberichte Möglichkeiten und Grenzen chat gpt
Unmittelbare Quellen: Reiseberichte bieten oft direkte Beobachtungen und Eindrücke aus erster Hand. Sie geben Einblicke in die damalige Kultur, Gesellschaft und Geographie, die sonst schwer zugänglich wären, insbesondere aus einer Zeit, in der andere Formen der Dokumentation selten waren.
Vielfältige Perspektiven: Reiseberichte wurden von Menschen verschiedener sozialer Schichten und Hintergründe verfasst, was zu einer Vielfalt an Perspektiven führte. Diese Vielfalt ermöglicht es Historikern, ein umfassenderes Bild der außereuropäischen Kulturen zu rekonstruieren.
Wissenschaftliche Beiträge: Einige Reiseberichte, insbesondere aus dem 18. und 19. Jahrhundert, hatten einen wissenschaftlichen Anspruch und trugen wesentlich zur Erfassung und Systematisierung von Wissen über außereuropäische Kulturen bei. Beispiele sind Berichte über Flora, Fauna und die ethnographischen Beobachtungen der Reisenden.
Kultureller Austausch: Reiseberichte ermöglichten den kulturellen Austausch, indem sie Wissen und Erfahrungen aus fernen Ländern nach Europa brachten. Dies förderte nicht nur die Neugier, sondern auch das Verständnis für fremde Kulturen.
Reichhaltige literarische Quellen: Reiseberichte sind oft reich an literarischen Beschreibungen, die Historikern eine tiefere Einsicht in die subjektiven Erfahrungen der Reisenden und ihre Wahrnehmung der bereisten Kulturen geben.
Subjektivität und Verzerrung: Reiseberichte sind stark von den persönlichen Ansichten, Vorurteilen und dem Bildungsstand des Autors geprägt. Diese Subjektivität kann zu einer verzerrten Darstellung der außereuropäischen Kulturen führen.
Eurozentrische Perspektive: Viele Reiseberichte spiegeln die eurozentrische Sichtweise der Autoren wider, die häufig andere Kulturen aus einer Position der Überlegenheit und mit einem kolonialen Blickwinkel betrachteten. Dies kann zu einer falschen oder stereotypen Darstellung führen.
Fabulierung und Übertreibung: Um das Interesse des Publikums zu wecken oder die eigene Bedeutung zu erhöhen, neigten einige Autoren dazu, ihre Berichte zu übertreiben oder zu dramatisieren. Dies erschwert die historische Genauigkeit der Berichte.
Mangelnde Verifizierbarkeit: Da viele Berichte aus einer Zeit stammen, in der es kaum Möglichkeiten zur Überprüfung von Fakten gab, ist es oft schwierig, die Authentizität der beschriebenen Ereignisse und Beobachtungen zu bestätigen.
Selektive Berichterstattung: Die Auswahl dessen, was in den Berichten beschrieben wurde, unterliegt oft bewusster oder unbewusster Selektion. Autoren konzentrierten sich häufig auf das Exotische und Außergewöhnliche, während Alltägliches oder weniger Spektakuläres vernachlässigt wurde.
Fehlende Repräsentativität: Nicht alle Teile einer Kultur oder Gesellschaft wurden in Reiseberichten gleich behandelt. Oft lag der Fokus auf bestimmten Aspekten, wie den Eliten oder spektakulären Bräuchen, während andere wichtige Bereiche unbeachtet blieben.
Kulturelle Missverständnisse: Reisende, die oft nur kurzzeitig in Kontakt mit fremden Kulturen kamen, missverstanden oder falsch interpretierten häufig Bräuche und Traditionen, was zu fehlerhaften Darstellungen führte.
Verwaltungsakten
Umfassende Dokumentation von Vorgängen:
Breite der Informationen: Verwaltungsakten versammeln alle Schriftstücke zu einem bestimmten Vorgang, einschließlich Schriftwechsel, Erlassen, Beschlüssen und Protokollen. Dies ermöglicht eine detaillierte Nachverfolgung und Analyse von Verwaltungsprozessen und -entscheidungen, sowohl in Europa als auch in den Kolonien.
Einblick in Verwaltung und Institutionen:
Strukturen und Abläufe: Verwaltungsakten geben Aufschluss über die Funktionsweise und Organisation von Institutionen, sei es in europäischen Verwaltungen, Handelskompanien oder kolonialen Verwaltungen. Sie bieten Informationen über administrative Strukturen und Entscheidungsprozesse.
Parallelüberlieferungen und Vergleich:
Vergleichende Analyse: Da viele Verwaltungsakte sowohl in den Kolonien als auch in den europäischen Mutterländern aufbewahrt wurden, können Historiker diese Parallelüberlieferungen nutzen, um die Verwaltungspraxis und -perspektiven beider Seiten zu vergleichen.
Realistische Einschätzungen:
Nüchternheit und Genauigkeit: Interne Berichte und Dokumente in Verwaltungsakten sind oft nüchterner und weniger von externen Einflüssen oder Überlegenheitsdünkel geprägt als andere Quellen wie Reiseberichte. Dies kann zu realistischeren Einschätzungen der indigenen Gesellschaften und ihrer Wirtschaftsformen führen.
Forschung zu spezifischen Themen:
Zielgerichtete Forschung: Verwaltungsakten sind nützlich für die Forschung zu spezifischen Themen, wie der Sozialgeschichte, dem Widerstand oder der Verwaltungspraxis. Sie können helfen, detaillierte Informationen über Einzelpersonen, Ereignisse oder Institutionen zu gewinnen.
Subjektive Auswahl und Kassation:
Fehlende Vollständigkeit: Die Auswahl und Aufbewahrung von Dokumenten hängt von den Entscheidungen der Beteiligten und Archivare ab. Viele Dokumente können nicht erhalten bleiben oder wurden absichtlich ausgesondert (Kassation), was zu einer Lücke in den historischen Aufzeichnungen führen kann.
Europäische Perspektive:
Einseitige Sichtweise: Auch wenn Verwaltungsakten oft nüchtern sind, sind sie immer noch aus der Perspektive der europäischen Verwaltung verfasst. Sie spiegeln oft europäische Interessen, Vorurteile oder administrative Prioritäten wider und bieten möglicherweise keine vollständige Darstellung der indigenen Perspektiven oder sozialen Dynamiken.
Fehlen privater und informeller Informationen:
Eingeschränkter Aussagebereich: Verwaltungsakten enthalten nur Informationen, die für den Verwaltungsakt relevant waren. Private, nicht-amtliche oder informelle Aspekte, die für die vollständige historische Darstellung wichtig sein könnten, fehlen möglicherweise.
Schwierigkeiten bei der Übertragung und Lagerung:
Verlust und Überführung: Dokumente, die ursprünglich in Übersee erstellt wurden, können während der Überführung nach Europa oder aufgrund von Kriegen und anderen Störungen verloren gegangen sein. Auch Dokumente, die in ehemaligen Kolonien verblieben sind, könnten beschädigt oder unvollständig sein.
Mangel an Parallelüberlieferungen in speziellen Bereichen:
Speziellere Institutionen: Einige Institutionen, wie koloniale Gerichte oder private Wirtschaftsunternehmen, erzeugen möglicherweise keine umfangreichen Parallelüberlieferungen. Ihre Akten sind oft isoliert und bieten weniger umfassende Informationen im Vergleich zu großen Verwaltungsstrukturen.
allgemeines zu außereuropäischen Quellen
Sprachlichkeit
Übersetzungen sind bereits Interpretationen des Originaltextes
denn jede Sprache übermittelt ihre eigene Kultur
Gefahr, Quellen nach europaspezifischen Mustern zu beurteilen
islamische oder buddhistische, hinduistische oder konfuzianische Kategorien, statt christliche
Symbole müssen kulturimmanent gedeutet werden, was Kenntnisse über Kultur voraussetzt
Bsp: Um Texte aus dem islamischen Orient sinnvoll lesen zu können, benötigen Sie unverzichtbar Grundkenntnisse in den Glaubensaussagen und Riten des Islams sowie zu den gängigen Darstellungsstrukturen der betreffenden muslimischen Gesellschaft.
Schriftlichkeit häufig in sog. Hochkulturen. Diese werden mit Schriftlichkeit in Verbindung gebracht, welche jedoch nicht jeden Lebensbereich betrafen. somit nur ganz bestimmt Quellen wie bspw. im religiösen Kontext
Handel im asiatischen Raum häufig durch mündl Absprachen; selbst wenn Problem der Archive in Übersee
mit Europäischer Expansion stieg Anzahl der Schriftzeugnisse, welche jedoch auch häufig in europäischen Sprachen abgedruckt war
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