Rechtfertigungsgründe
I. Rechtfertigungsgründe aus dem StGB
Notwehr (§ 32 StGB)
Rechtfertigender Notstand (§ 34 BGB)
Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB)
II. Rechtfertigungsgründe aus dem BGB
Defensivnotstand (§ 228 BGB)
Aggressivnotstand (§ 904 BGB)
Allgemeines Selbsthilferecht (§ 229 BGB)
Selbsthilferecht Besitzer (§ 859 BGB)
III. StPO
Festnahmerecht (§ 127 StPO)
IV. Nicht ausdrücklich geregelte Rechtfertigungsgründe
Einwilligung
Mutmaßliche Einwilligung
Pflichtenkollision (Unterlassungsdelikte)
Notwehr § 32 StGB: Aufbau
I. Notwehrlage
Angriff = jeden drohende Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen
Gegenwärtig = unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch andauert
Rechtswidrig = Angreifer seinerseits nicht gerechtfertigt
→ ggf. inzidente Prüfung der Rechtfertigung des Angreifers
II. Notwehrhandlung
Erforderlichkeit
a) Geeignetheit
b) Mildestes Mittel: Beachte Abstufung beim Schusswaffeneinsatz (Androhung, Warnschuss, Schuss auf ungefährliche Körperregion, Todesschuss)
Gebotenheit = nicht sozia-ethisch eingeschränkt
a) Krasses Missverhältnis zwischen Rechtsgütern (“Kirschbaum-Fall”)
b) Angriff erkennbar schuldlos Handelnde (Kinder, Geistesgestörter)
c) Familie/Ehegatten
d) Bagatellangriffe
e) Notwehrprovokation
→ Absichtsprovokation: Verteidigende schafft eine Notwehrsituation, um sich später unter dem Deckmantel der Notwehr verteidigen zu können
→ Fahrlässigkeitsprovokation: (P) Rechtsfolge
III. Notwehrwille
(P) Fehlen des Notwehrwillens
Notwehr: Gebotenheit
Problem: Fahrlässige Notwehrprovokation
Beispiel: A parkt regelwidrig auf Fahrradweg. B ist davon genervt und tritt gegen Beifahretür. Autofahren läuft hinterher um ihn zu würden. B hat kein milderes Mittel als ihn zu erschießen.
Handlung vorwerfbar in der Ursache (actio illicita in causa)
Rechtfertigung für vorsätzliche Tötung, aber fahrlässige Tötung aufgrund Vorverhalten (Tritt gegen Auto)
BGH: Einschränkung des Notwehrrechts
→ Ausweichen, Schutzwehr, Trutzwehr (aktive Verteidigung)
→ soweit B hier nicht mehr ausweichen und sich schützen kann, darf er A töten
(+), weil sachgerechte Beschränkung der Notwehr aus kriminalpolitischen Gründen
(+), weil ansonsten Wertung des § 32 StGB umgangen werden würde, wenn man FK bestraft
Rechtfertigender Notstand § 34 StGB: Aufbau
I. Notstandslage
Gefahr für ein Rechtsgut
Gegenwärtig (jederzeit in einen Schaden umschlagen)
Hier: Dauergefahr ausreichend (nicht bei § 32 StGB), z. B. monatelange Drangsalierung
II. Notstandshandlung
b) Mildestes Mittel
Interessenabwägung: Das geschützte Interesse muss das beinträchtigte Interesse wesentlich überwiegen
Angemessenheit (§ 34 S. 2 BGB) (A liegt im Krankenhaus mit seltener Blutgruppe. Im Nebenzimmer liegt B mit gleicher Blutgruppe, der sich weigert. A fesselt ihn und entnimmt Blut. Nicht angemessen, weil Verstoß Menschenwürde)
III. Notstandswille
Festnahmerecht § 127 StPO: Aufbau
A. Jedermannfestnahmerecht § 127 Abs. 1 StPO
I. Festnahmelage
Frische Tat
(P) Begriff frische “Tat”
Betroffen oder verfolgt
Festnahmegrund: Fluchtverdacht oder Feststellung Identität nicht möglich
II. Festnahmehandlung: nur Festhalten, keine erhöhte Gewaltanwendung
III. Festnahmewille
B. Festnahmerecht für Polizei und StA § 127 Abs. 2 StPO
Haft- oder Unterbringungsbefehl: §§ 112 ff., 126a StPO
Gefahr im Verzug (Festnahme in Folge der Verzögerung gefährdet)
II. Festnahmehandlung
Festnahmerecht § 127 StPO: Frische Tat
Problem: Was ist “Tat” i. S. d. § 127 Abs. 1 StPO?
Beispiel: Eigentümer eines Porsches parkt diesen nachts um drei Uhr in Wohngebiet. Nach Kneipenbesuch stellt er fest, dass er Schlüssel verloren hat. Er versucht, Tür aufzubrechen. B sieht das, rennt zu A und packt ihn, um ihn festzuhalten.
BGH: Dringender Tatverdacht ausreichend (hohe Wahrscheinlichkeit): hier (+)
(+), weil keine Überforderung des Festnehmenden; ansonsten Gefahr, dass Festnehmender nicht mehr eingreift
(+), weil Wertung aus § 127 Abs. 2 StPO, weil dort erhöhte Anforderungen, die in Abs. 1 gerade nicht forgesehen sind
hL: Straftat: hier (–)
(+), weil Abschneiden von Rechtfertigungsgründen des anderen (hier PKW-Führer), der sich dann nicht verteidigen dürfte
(+), weil damit ETBI ausgeschlossen werden würde
Einwilligung (Überblick)
I. Tatbestandsausschließende Einverständnis
→ bei Delikten, die Verhalten gegen oder ohne den Willen voraussetzen (z. B. § 123, § 242, § 248b StGB)
II. Rechtfertigende Einwilligung
→ bei allen anderen Straftatbeständen
Rechtfertigende Einwilligung
Rechtfertigende Einwilligung: Aufbau
Disponibles Rechtsgut
(–) bei Straftatbeständen, die Allgemeinheit schützen (§§ 306a ff. BGB, §§ 315 ff. BGB)
(P) Sterbehilfe
Dispositionsbefugnis
Einwilligungsfähigkeit = Tragweite der Entscheidung überblicken; maßgebend Verstandesreife
Einwilligungserklärung vor der Tat
Keine Willensmängel (z. B. Täuschung, Drohung)
Keine Sittenwidrigkeit § 228 BGB (nur bei KV-Delikten)
Kenntnis von der Einwilligung
Rechtfertigende Einwilligung: Disponibles Rechtsgut
Problem: Sterbehilfe bei §§ 216, 211, 212 StGB
Grundsatz: Leben nicht disponibel wegen § 216 StGB
Ausnahme: Behandlungsabbruch
a) Lebensbedrohliche Erkrankung (oder von lebenserhaltenden Maßnahmen abhängige Person)
b) Tathandlung:
→ aktive Sterbehilfe (z. B. Schlauch durchtrennt)
→ passive Sterbehilfe (z. B. Einstellung der Ernährung)
→ indirekte Sterbehilfe (z. B. Verabreichung hochdosierter Schmerzmittel)
c) Durch einen Arzt, Betreuer oder Bevollmächtigten
d) Entspricht dem Willen des Getöteten gem. § 1901a f. BGB
e) Wille des Täters i. S. d. d) zu handeln
Rechtfertigungsgründe: Subjektives Element
Problem: Fehlendes subjektives Rechtfertigungselements (umgekehrter Erlaubnistatbestandsirrtum)
Beispiel: Auto parkt in Sonne, darin kleines Kind. T kommt am Auto vorbei und will dieses beschädigen. Er schlägt Scheibe ein. Von Kind keine Kenntnis. Sachverständiger stellt fest, dass Kind in Auto erstickt wäre, wenn nicht Scheibe eingeschlagen.
Rechtfertigung (+), weil objektive Rechtfertigung ausreichend
BGH: Vollendungslösung → § 303 (+)
(+), weil nicht sämtliche Voraussetzungen von § 32 StGB
Lehre: Versuchslösung → § 303, 22, 23 Abs. 1 (+)
(+), weil nur Erfolgsunrecht entfalle, nicht aber Handlungsunrecht
Irrtümer über Rechtfertigungsgründe (Überblick)
I. Erlaubnisirrtümer (Wertungsirrtümer): Sachverhalt richtig erfasst, aber falsche Wertung
Erlaubnisexistenzirrtum: RF-Grund, den es nicht gibt (z. B. Glaube an Züchtigungsrecht)
→ Verbotsirrtum (§ 17 StGB)
Erlaubnisgrenzirrtum: Täter kennt RF-Grund, überdehnt aber Grenzen (z. B. A glaubt, man darf eine Person nach § 127 StPO festhalten, wenn Ordnungswidrigkeit
II. Erlaubnistatbestandsirrtum (Sachverhaltsirrtum): Vorstellung Umstände, die ihn rechtfertigen würden
(P) Rechtsfolgen des ETBI
Irrtümer über Rechtfertigungsgründe
(P) Erlaubnistatbestandsirrtum
Beispiel: A sieht nach Jahren seinen alten Freund B wieder, erkennt ihn aber nicht. B kommt freudestrahlend auf A zugestürzt, A denkt er werde angegriffen und verteidigt sich.
I. Voraussetzungen ETBI
Hypothetische Prüfung: Wäre Täter nach seiner Vorstellung gerechtfertigt?
II. Rechtsfolge
Vorsatztheorie: Unrechtsbewusstsein gehört zum Vorsatz → § 16 Abs. 1 S. 1 StGB, Vorsatz (–)
Lehre von den negativen TBM: RF-Gründe Teil des Tatbestandes → § 16 Abs. 1 S. 1 StGB, Vorsatz (–)
Unrechtstheorie (Lehre vom Ausschluss des Vorsatzunrechts): Täter hat kein Vorsatzunrecht, deswegen § 16 Abs. 1 S. 1 StGB analog mit Entfallen der Rechtswidrigkeit
Eingeschränkte Schuldtheorie (BGH): Bei SV-Irrtümer lasseUnrechtsbewusstsein, was zur Schuld gehört, über § 16 Abs. 1 S. 1 StGB analog die Vorsatzschuld entfallen → Schuld (–)
Strenge Schuldtheorie: Verbotsirrtum § 17 StGB
Schuld: Notwehrexzess § 33 StGB
Angriff
Gegenwärtig
(P) Extensiver Notwehrexzess
Rechtswidrig
Überschreitung der Notwehr: Intensiver Notwehrexzess (Täter verteidigt sich bei bestehender Notwehrlage über das erforderliche Maß)
Gebotenheit
Verwirrung, Furcht oder Schrecken
Problem: Extensiver Notwehrexzess
Beispiel: A verteidigt sich gegen B im Rahmen der Notwehr, aber der Angriff ist nicht mehr/noch nicht gegenwärtig.
Extensiver Notwehrexzess erfasst
(+), weil “Grenzen” auch die zeitlichen Grenzen erfasse
BGH: Extensiver Notwehrexzess nicht erfasst
(+), weil “Überschreitung der Notwehr” bezieht sich nur auf das “Erforderliche” der Natur
(+), weil Gesetzgeber ausdrücklich nur intensiven, nicht extensiven Notwehrexzess von § 33 StGB erfassen
Schuld: Entschuldigender Notstand § 35 StGB: Aufbau
Gefahr
a) Bestimmtes Rechtsgut: Leben, Leib, Freiheit
b) Bestimmter Personenkreis: Sich, Angehörige, nahestehende Person
Gegenwärtig: auch Dauergefahr
Zumutbarkeit § 35 Abs. 1 S. 2 StGB
III. Notstandswille/Rettungswille
Schuld: Übergesetzlicher Notstand: Aufbau
Beispiel: Terroristen übernehmen Flugzeug und wollen es in ein Atomkraftwerk stürzen. Sollte dies gelingen, sterben 50.000 Menschen. Im Flugzeug sind 100 Menschen.
§ 34 (–), weil keine Interessensabwägung bei Leben. § 35 (–), weil nicht Personenkreis.
Schuldfähigkeit
I. Schuldunfähigkeit des Kindes § 19 StGB
II. Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB
(P) Actio libera in causa (Alic)
Problem: Actio libera in causa
Beispiel: A betrinkt sich, um schuldunfähig Mord begehen zu können.
I. Anwendbarkeit
Keine Anwendung Alic
(+), weil Alic gesetzlich nicht geregelt = Verstoß Bestimmtheitsgrundsatz Art. 103 Abs. 2 GG
(+), weil § 323a StGB diesen Fall erfasst
Ausnahmemodell: Alic zulässig
(+), weil gewohnheitsrechtlich anerkannte Ausnahme zu § 20 StGB
Werkzeugmodell: Sofern mittelbare Täterschaft möglich, ist Alic möglich
(+), weil Täter sich selbst zum Werkzeug macht
Tatbestandsmodell (BGH): Anknüpfungspunkt auf Zeitpunkt des “Sich-Betrinkens” vorgelagert; aber nur, sofern nicht verhaltensgebundenes Delikt, sondern Erfolgsdelikt (z. B. § 223, § 212 StGB)
→ Verhaltensgebundendes Delikt: Handlung selbst bestraft, z. B. Führen Fahrzeug, Heimtücke
(+), weil Strafbarkeitslücke im Hinblick auf § 323a StGB (nur Strafrahmen von fünfs Jahren)
II. Voraussetzungen der Alic
Herbeiführung des Schuldunfähigkeitszustands (Betrinken)
Rechtswidrige Deliktsbegehung in diesem Zustand
Vorsatz hinsichtlich 1) und 2)
Hinweis: Bei Fahrlässigkeitsdelikten Alic nicht notwendig, da insoweit auch an Vorverhalten angeknüpft werden kann
Hinweis: Verwechselt Opfer im Zustand der Schuldunfähigkeit die Person, liegt eine aberratio ictus vor: §§ 212, 22, 23 Abs. 1 StGB i. V. m. Alic (+) durch “Sich-Betrinken” am anvisierten Objekt, § 222 StGB durch “Sich-Betrinken” an getroffenen OBjekt
Versuch: Aufbau
I. Vorprüfung
Nichtvollendung
Strafbarkeit des Versuchs (§ 23 Abs. 1 StGB)
a) Ausdrückliche Regelung (z. B. § 223 Abs. 2 StGB)
b) Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB)
II. Tatentschluss
Vorsatz bzgl. objektiver TBM
(P) Untauglicher Versuch und Abgrenzung Wahndelikt
Sonstige subjektive Merkmale (z. B. Zueignungsabsicht, Bereicherungsabsicht)
III. Unmittelbares Ansetzen
Keine wesentlichen Zwischenschritte
Rechtsgut konkret gefährdet
Tätersicht
(P) Sonderfälle § 25 Abs. 1 Alt. 2, § 25 Abs. 2, § 13 StGB und Regelbeispiele
IV. RW/Schuld
V. Kein Rücktritt § 24 StGB
Alleintäter § 24 Abs. 1 StGB
Mehrere Beteiligte § 24 Abs. 2 StGB
VI. Strafmilderung: Versuch aus grobem Unverstand (§ 23 Abs. 3 StGB)
z. B. Tötungsversuch mit Zucker
Versuch: Tatentschluss
Problem: Untauglicher Versuch und Abgrenzung zum Wahndelikt
I. Untaugliche Versuch
= Sachverhaltsirrtum (umgekehrter Tatbestandsirrtum): T stellt sich tatsächliche Umstände vor, die nicht vorliegen
Beispiel: A schießt mit Tötungsvorsatz auf B, obwohl Waffe nicht geladen war
→ strafbar, weil § 23 Abs. 3 StGB Milderungsmöglichkeit bei untauglichem Versuch vorsieht
II. Wahndelikt
= Wertungsirrtum (umgekehrter Verbotsirrtum): T hält sein straffreies Verhalten für strafbar
Beispiel: A denkt, Sex mit 16-Jähriger sei strafbar
→ strafloses Verhalten, weil nur falsche rechtliche Wertung
Versuch: Unmittelbares Ansetzen
Problem: Unmittelbares Ansetzen bei § 25 Abs. 2 StGB
Beispiel: A und B planen einen Totschlag an X. A soll Schütze sein, B soll in der Nähe des Tatorts aufpassen. A begibt sich an Tatort und gibt mit Tötungsvorsatz Schuss auf X ab, trifft ihn aber nicht. Hat auch B unmittelbar angesetzt?
Einzellösung: Nach Tatplan schon Tatbeitrag geleistet?
Hier: Wohl (+), weil er schon Schmiere gestanden hat. (–), wenn er noch einen Wagen hätte besorgen müssen.
(+), weil Wortlaut § 22 StGB: “nach seiner Vorstellung unmittelbar ansetzt”
Gesamtlösung: Zurechnung unmittelbares Ansetzen anderer Mittäter (BGH)
(+), weil Handlungen nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden können
Problem: Unmittelbares Ansetzen bei § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB
Beispiel: Arzt gibt Spritze mit Gift Krankenschwester, die von Gift keine Kenntnis hat. K soll P1 Gift geben, auf dem Weg rutscht sie aus und kommt nicht an.
Ausreichend Einwirken auf das Werkzeug (a. A.)
Hier: (+)
(+), weil Parallele zur Anstiftung
Unmittelbares Ansetzen des Werkzeugs (a. A.)
Hier: (–)
(+), weil Wortlaut “durch einen anderen”, daher Werkzeug maßgebend
Rechtsgutgefährdungstheorie (BGH): Unmittelbars Ansetzen wie bei Alleintäterschaft (§ 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB): Maßgebend, ob Hintermann den Geschehensablauf in einer Weise aus der Hand gibt, dass dieser ohne längere zeitliche Unterbrechung in die Tatbestandsverwirklichung münden soll und das Rechtsgut bereits konkret gefährdet ist. (+), wenn Werkzeug Machtbereich des Hintermanns verlässt
Hier: Hat Arzt sich weitere wesentliche Zwischenschritte vorgestellt? Tendenziell Unmittelbares Ansetzen (+)
(+), weil mittelbare Täterschaft strukturgleich zur Alleintäterschaft (beides Täterschaftsformen)
Exkurs “Stellen einer Falle”: Hier liegt Alleintäterschaft vor, nur vergleichbare Situation, weil noch Mitwirkungsakt des Opfers notwendig ist. Unmittelbares Ansetzen (+), wenn Täter alle erforderlichen Handlungen vorgenommen hat und Auslösen der Fall wahrscheinlich, weil dann Rechtsgut bereits gefährdet (Gefährdungstheorie). Spätestens (+), wenn Opfer im Wirkungskreis der Fall ist.
Problem: Unmittelbares Ansetzen bei § 13 StGB
Beispiel: Garant A steht an der Elbe und sieht wie B im Wasser davontreibt. A erkennt dies und macht nichts. B kann im letzten Moment gerettet werden.
Verstreichenlassen der ersten Rettungsmöglichkeit (a. A.)
Hier: §§ 212, 22, 23 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB (+)
(+), weil Handlungspflicht sofort beginnt
Verstreichenlassen der letzten Rettungsmöglichkeit (a. A.)
Hier: §§ 212, 22, 23 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB (–), weil B noch gerettet werden konnte
(+), weil erst wenn letzte Rettungsmöglichkeit verstrichen ist beginnt Vollendung, vorher noch Versuch
Parallele zum Begehungsdelikt: Keiner wesentliche Zwischenschritte + Rechtsgutgefährdung (BGH)
Hier: §§ 212, 22, 23 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB (+)/(–), je nachdem, wie stark sich Gefahr bereits verdichtet hat
(+), weil Wortlaut dem “Begehen zu entsprechen hat” (§ 13 StGB), daher Parallel zu behandeln
Problem: Unmittelbares Ansetzen bei Regelbeispielen
Beispiel: A möchte Möhre aus Auto entwenden. Er ist dabei, mit Schraubenzieher Tür aufzuhebeln. Dabei wird er festgenommen.
Strafbarkeit Versuch des Diebstahls oder in einem besonderes schweren Fall?
Versuch von Regelbeispielen nicht möglich, nur Versuch § 242 StGB (hL)
(+), weil nach Wortlaut § 22 StGB nur zur Verwirklichung von TBM angesetzt werden kann, nicht zu Regelbeispielen
Versuch von Regelbeispielen möglich (BGH)
(+), weil Regelbeispiele strukturähnlich zu Tatbestandsmerkmalen sind
Anm: Sofern TB im Versuch stecken bleibt, Regelbeispiel aber vollendet (wenn er also erfolgreich aufgebrochen hätte): Dann unproblematisch §§ 242 Abs. 1, 243, 22, 23 Abs. 1 StGB (+)
Versuch: Rücktritt
Rücktritt vom Versuch aus grobem Unverstand
I. Rücktritt vom Versuch (§ 24 StGB)
Alleintäter (§ 24 Abs. 1 StGB)
a) Kein Fehlschlag (Erfolg nicht mehr ohne zeitliche Zäsur erreichbar)
(P) Mehraktiver Versuch
b) Rücktrittsanforderungen/Rücktrittshandlung: Unbeendeter oder beendeter Versuch
(P) Außertatbestandliche Zielerreichung (“Denkzettel”)
(P) Halbherziger Rücktritt
c) Freiwilligkeit (autonome, nicht heteronome Gründe)
Mehrere Beteiligte (§ 24 Abs. 2 StGB)
a) § 24 Abs. 1 S. 1 StGB: Tat nicht vollendet und dies beruht auf Zutun des Beteiligten
b) § 24 Abs. 2 S. 2 Alt. 1 StGB: Tat nicht vollendet und dies beruht nicht auf Zutun des Beteiligten + freiwilliges und ernsthaftes Bemühen
c) § 24 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 StGB: Tat vollendet + unabhängig von früherem Tatbeitrag
II. Versuch aus grobem Unverstand (§ 23 Abs. 3 StGB) (“besonders untauglicher Versuch”)
Problem: Mehraktiver Versuch
Beispiel: A würgt mit Tötungsvorsatz Frau B. Das klappt nicht, deswegen schmeißt er sie vom Balkon. Auch das ist nicht erfolgreich, deshalb schlägt er Kopf auf Steinplatte. Nachdem er feststellt, dass auch das nicht erfolgreich war, hört er auf.
I. Einzelakttheorie (a. A.): Zeitpunkt des jeweiligen Aktes
hier: Nach Würgen bereits fehlgeschlagen
(+), weil sonst der intelligente Täter, der sich weitere Möglichkeiten offen hält, wird bevorzugt
(+), weil Opfer leidet über nennenswerten Zeitraum, das muss sanktioniert werden
II. Gesamtbetrachtungslehre (BGH): Zeiträume zusammenzufassen, soweit sie räumlich und zeitlich zusammenhängen: Es wird auf den Zeitpunkt des letzten Aktes abgestellt.
Hier: Bei letztem Zeitpunkt nach Kopf auf Stienpltte erkennt Täter, dass Versuch noch nicht fehlgeschlagen, weil er Erfolg (Tod) noch herbeiführen könnte. Rücktritt (+)
(+), weil Täter- und Opferfreundlich. Denn sofern Täter nicht mehr zurücktreten kann, könnte er aus seiner Sicht auch dem Opfer den “Rest geben”. Rücktritt bietet Anreiz aufzuhören.
Problem: Außertatbestandliche Zielerreichung (“Denkzettelfall”) bei unbeendetem Versuch
Beispiel: A möchte B einen Denkzettel verpassen. Er nimmt sich Messer und steckt dies in Bauch des B. Nachdem er das getan hat, geht er davon aus, dass B überleben wird, wenn er nicht weiter macht. Er hört aber auf, weil er sein Ziel (Denkzettel) erreicht hat.
Keine Aufgabe der Ausführung der Tat (a. A.)
(+), weil nach ratio des § 24 StGB hat er alles erreicht, was er wollte; daher kein Grund, Weg zur Legalität zu schaffen
Aufgabe der Tat (+) (BGH) → Rücktritt (+)
(+), weil Wortlaut des § 24 Abs. 1 StGB “Aufgeben der Tat”. Mit Tat kann nur Tatbestand gemeint sein, nicht Denkzettel
(+), weil sonst Absichtstäter privilegiert wird: Derjenige, der absichtlich mit Tötungsvorsatz ohne Denkzettel gehandelt hat, könnte zurücktreten, während Denkzetteltäter dies nicht könnte (unbillig)
Problem: Halbherziger Rücktritt bei § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB (Beendeter Versuch)
Beispiel: A sticht mit Messer auf B ein. Er verletzt ihn so schwer, dass er sterben würde und was A auch erkannt. Er bekommt schlechtes Gewissen und legt ihn 200m entfernt vom Krankenhaus ab. Dort wird er zufällig gefunden und gerettet.
Kein Rücktritt nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB
(+), weil Opferperspektive
Rücktritt nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB (+) (BGH)
(+), weil Täter eine Kausalkette eröffnet hat, die dafür ursächlich war, dass Opfer gerettet wurde
(+), weil Wortlaut “Vollendung verhindern” → bestmögliche Verhinderung nicht vorausgesetzt
Versuch
Problem: Versuch bei erfolgsqualifizierten Delikten
Beispiel Erfolgsqualifizierter Versuch: A versucht O Handtasche zu entreißen, was nicht klappt. O stürzt dabei und stirbt.
Beispiel Versucht der Erfolgsqualifikation: A will O Handtasche entwenden und nimmt dabei billigend in Kauf, dass sie sterben kann. Er entreißt ihr die Handtasche und sie stürzt, stirbt aber nicht.
A. Erfolgsqualifizierter Versuch: Grunddelikt Versuch + Schwere Folge eingetreten
Hier: Schwerer Raub mit Todesfolge
II. Tatbestand des Grundtatbestandes
Tatentschluss
Unmittelbares Ansetzen
III. Erfolgsqualifikation
Eintritt der schweren Folge
Kausalität
Gefahrspezifische Zusammenhang
Fahrlässigkeit im Hinblick auf 1) (§ 18 StGB)
IV. Rechtswidrigkeit/Schuld
Anm.: Nach BGH trotz Eintritt schwere Folge Rücktritt vom Grunddelikt noch möglich.
Anm.: Erfolgsqualifizierter Versuch nur möglich, wenn sich die spezifische Gefährlichkeit aus der Tathandlung des Grunddelikts ergibt. Unproblematisch bei § 251 StGB, bei § 227 StGB (+), wenn man Handlungstheorie (BGH) folgt. Nach dieser kann sich der spezifische Zusammenhang nicht nur aus dem Körperverletzungserfolg und dem Todeseintritt, sondern auch aus der Körperverletzungshandlung und dem Todeseintritt ergeben. Dafür spricht der Wortlaut “durch die Körperverletzung” in § 223 StGB.
B. Versuch der Erfolgsqualifikation: Grunddelikt vollendet oder Versuch+ Schwere Folge Versuch
I. Tatbestand
Grundtatbestand: Vollendungs- oder Versuchstatbestand
Versuch der Erfolgsqualifikation: Strafbar, weil nach § 11 Abs. 2 StGB Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination als Vorsatztat gilt
a) Tatentschluss
b) Unmittelbares Ansetzen
II. RW/Schuld
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