Buffl

Urteilsklausur

SP
by Sebastian P.

Kostenentscheidung (§§ 154 ff. VwGO): Beigeladener


Was ist bei der Kostenentscheidung bei einem Beigeladenen zu beachten?


Fall 1: Kläger N obsiegt. Beigeladener C beantragt Klageabweisung.


Fall 2: Kläger N obsiegt. Beigeladener C stellt keinen Antrag.


Fall 3: Kläger N unterliegt. Beigeladener C stellt keinen Antrag.


Fall 4: Kläger N unterliegt. Beigeladener C beantragt Klageabweisung.

Zu unterscheiden: Kostentragungspflicht (§ 154 Abs. 3 VwGO) und Kostenerstattungsanspruch (§ 162 Abs. 3 VwGO). Voraussetzung ist jeweils Antragsstellung.


Fall 1: Kläger N obsiegt. Beigeladener C beantragt Klageabweisung.

→ Beteiligung C wegen Antragstellung (§ 154 Abs. 3 VwGO); Aufteilung nach Kopfteilen (§ 159 S. 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO)

„Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagte und der Beigeladene jeweils zur Hälfte. Im Übrigen trägt jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Hinweis: Sofern Beigeladener nicht am Vorverfahren beteiligt ist, darf dieser nicht an dessen Kosten beteiligt werden, daher Ergänzung im Tenor: „Die Kosten des Vorverfahrens trägt die Beklagte“.


Fall 2: Kläger N obsiegt. Beigeladener C stellt keinen Antrag.

→ Keine Beteiligung C mangels Antragstellung (§ 154 Abs. 3 VwGO); keine Mehrheit von Kostenschuldnern i. S. d. § 159 S. 1 VwGO)

„Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte. Im Übrigen trägt jeder Beteiligt seine außergerichtlichen Kosten selbst.


Fall 3: Kläger N unterliegt. Beigeladener C stellt keinen Antrag.

→ Kein Kostenerstattungsanspruch des Beigeladenen C mangels Antrag (§ 162 Abs. 3 VwGO): Er trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. Beigeladener wird aber auch nicht an Gerichtskosten beteiligt (§ 153 Abs. 3 VwGO)

„Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten trägt der Kläger. Im Übrigen trägt jeder Beteiligt seine außergerichtlichen Kosten selbst.“


Fall 4: Kläger N unterliegt. Beigeladener C beantragt Klageabweisung.

→ Kostenerstattungsanspruch des Beigeladenen C wegen Antrag (§ 162 Abs. 3 VwGO); die übrigen Kosten trägt Kläger ohnehin

„Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt der Kläger“

Entscheidungsgründe: Vorprozessuale Fragen

Welche vorprozessualen Fragen sind ggf. vor der Zulässigkeit zu erörtern?

  1. Entscheidung durch Einzelrichter (§ 6 Abs. 1 VwGO)

    Das Gericht entscheidet durch den Berichterstatter als Einzelrichter, weil die Kammer ihm den Rechtsstreit durch Beschluss vom […] gem. § 6 Abs. 1 VwGO übertragen hat.

  2. Rubrumsberichtigung von Amts wegen

  3. Auslegung des Klagebegehrens/Umdeutung des Klageantrags (§ 88 VwGO)

    • entsprechende Anwendung von §§ 133, 157 BGB: nicht innere Wille, sondern wie prozessuale Erklärung objektiv zu verstehen ist.

    • großzügiger Maßstab wegen § 19 Abs. 4 GG: ausreichend Wille erkennbar, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen

    • zu Gunsten des Bürgers ist derjenige Rechtsbehelf anzunehmen, der den belangen einspricht und eingelegt werden muss, um den erkennbar angestrebten Erfolg zu erreichen

  4. Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO)

    Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht gem. § 102 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

  5. Entscheidung bei Ausbleiben von Beteiligten (§ 102 Abs. 2 VwGO)

    Das Gericht konnte in der Sache mündlichen verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Denn er wurde mit dem Hinweis auf diese Möglichkeit ordnungsgemäß zum Termin geladen (§ 102 Abs. 2 VwGO).

  6. Klagerücknahme

    Das Verfahren war gem. § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO einzustellen, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat. Im Übrigen […]

  7. Teilweise übereinstimmende Erledigungserklärung

    Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Im Übrigen ist die Klage […]“

  8. Verfahren durch rechtskräftigen Prozessvergleich abgeschlossen

Achtungsklage: Isolierte Anfechtung von Nebenbestimmungen


In welchen Fällen ist eine isolierte Anfechtung von Nebenbestimmungen zulässig? Wie ist die Prüfung in einem solchen Fall aufzubauen?



Eine isolierte Anfechtung von Nebenstimmungen nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO („soweit“) ist zulässig, wenn diese von Hauptregelung logisch teilbar ist (sog. prozessuale Teilbarkeit).


I. Prozessuale Teilbarkeit (–):

Inhaltsbestimmungen: Angegriffener Teil bezieht sich auf den Inhalt und Umfang der eigentlichen Regelung, die nicht „neben“ die Hauptregelung tritt, sondern Bestandteil der Hauptregelung ist. Eine Inhaltsbestimmung stellt klar, wie weit die Hauptregelung reicht. Rechtsschutz: Verpflichtungsklage auf Erteilung des beantragten (umfassenden) VA (z. B. Genehmigung)

Hinweis: Sofern Kläger Anfechtung einer belastenden Nebenbestimmung beantragt, obwohl es sich um Inhaltsbestimmung/modifizierende Auflage handelt, ist in vorprozessualen Erwägungen der Klageantrag umzudeuten (§ 88 VwGO) in einen Antrag auf Verpflichtungsklage


II. Aufbau bei zulässiger isolierter Anfechtung von Nebenbestimmungen

1. Statthaftigkeit (Zulässigkeit)

„Die Klage ist als isolierte Anfechtungsklage gegen eine belastende Nebenbestimmung statthaft, da die Nebenbestimmung in prozessualer Hinsicht von der Hauptregelung teilbar ist. Der angegriffene Abschnitt des VA […] ist von der der Hauptregelung logisch teilbar, weil […]; es handelt sich demnach nicht um eine Inhaltsbestimmung des VA. Eine solche wäre nur dann anzunehmen, wenn sie untrennbar mit der begünstigenden Hauptregelung verknüpft wäre. Daran fehlt es hier, weil […]


2. Rechtmäßigkeit der Nebenbestimmung (Schritt 1 in Begründetheit)

→ zunächst spezialgesetzliche Vorschriften (z. B. § 33 Abs. 1 S. 3 GewO, § 69a Abs. 2 GewO, § 5 Abs. 1 GastG, § 12 Abs. 1 BImSchG, § 9 Abs. 2 WaffenG, § 12 Abs. 4 AufenthG), anschließend § 36 VwVfG; Verbot sachwidriger Kopplungen beachten (§ 36 Abs. 3 VwVfG)

→ Sofern Nebenbestimmung rechtmäßig: Anfechtungsklage unbegründet; sofern Nebenbestimmung rechtswidrig: Weiter mit Schritt 2


3. Materielle Teilbarkeit: Kann Rest-Va sinnvoller- und rechtmäßigerweise Bestand haben? (Schritt 2)

→ Gedanke: Behörde könnte ein nicht gewünschter Rest-VA aufgedrängt werden; sofern Rest-VA rechtswidrig, könnte Behörde diesen zwar nach §§ 48 ff. VwVfG aufheben, aber die „Mühlen der Behörde mahlen langsam“ (Skript 1. Examen: Rest-VA muss rechtmäßig sein)

→ Die Rechtmäßigkeit des Rest-Verwaltungsaktes – demnach die materielle Teilbarkeit – wird aber auch bei Ermessens-VA ganz regelmäßig bejaht

„Auch die weitere Voraussetzung für den Erfolg einer isolierten Anfechtungsklage, dass der ohne die Nebenbestimmung verbleibende Teil der Hauptregelung sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann, da anderenfalls ein rechtswidriger Gesamtzustand geschaffen würde, ist erfüllt. Denn […]“

Anfechtungsklage


In welchen Fällen kann ein Widerspruchsbescheid isoliert angefochten werden?

I. Erstmalige Beschwer (§ 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO): z. B. Aufhebung BauG im Widerspruchsbescheid nach Widerspruch Nachbarn

→ Anfechtungsklage, die im Erfolgsfall zur Aufhebung des Widerspruchbescheids führt (§§ 113, 115 VwGO) (Alpmann, Fall 7) → hier insbesondere auf § 115 VwGO achten!

→ Widerspruchsführer ist notwendig beizuladen (§ 65 Abs. 2 VwGO)


II. Zusätzliche selbständige Beschwer (§ 79 Abs. 2 S. 1 VwGO): „Reformatio in peius“

→ Gerichtlicher Rechtsschutz → Wahlrecht (siehe 1. und 2.)

1. Isolierte Anfechtungsklage gegen die Verböserung im Widerspruchsbescheid (§ 79 Abs. 2 S. 1 VwGO)

Klagegegner: Rechtsträger der Widerspruchsbehörde (§ 79 Abs. 2 S. 3, § 78 Abs. 2 VwGO); im Rubrum beachten!

Besonderes Rechtschutzbedürfnis, sofern als Verletzung einer Verfahrensvorschrift ein Verstoß gegen die Anhörungspflicht aus § 71 VwGO geltend gemacht wird: (+), wenn verletzte Vorschrift auf dem Schutz des Klägers dient und Verletzung kausal für Beschwer ist (bei Ermessens-VA [+])

Begründetheit: Zulässigkeit der „Reformatio in Peius“? Möglicherweise Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG, weil Bürger bei Verböserung von Rechtsbehelfen absehen könnte, aber gleichwohl zulässig, weil Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG), weil Sinn und Zweck auch Selbstkontrolle der Verwaltung, weil Vertrauensschutz nicht betroffen, weil Berechtigter durch Einlegung Widerspruch auf Stabilisierung seiner Rechtsposition mit formeller Bestandskraft verzichtet.


Begründetheit: Ermächtigungsgrundlage Ausgangsbescheid (nicht §§ 48, 49 VwVfG), weil Widerspruchsführer mit Widerspruch eine erneute Subsumtion am Maßstab der Ermächtigungsgrundlage erlangt

Begründetheit: Formelle Rechtmäßigkeit: Zuständigkeit (+), sofern Ausgangs- und Widerspruchsbehörde identisch (Fälle des § 73 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, beachte auch § 73 Abs. 1 S. 3 VwGO i. V. m. § 16a Abs. 4 S. 1 AGVwGO) oder Widerspruchsbehörde gegenüber Ausgangsbehörde weisungsbefugt ist; Verfahren § 71 VwGO (spezieller als § 28 VwVfG), Schriftform (§ 73 Abs. 1 und § 73 Abs. 3 S. 1 VwGO)

 

2. Einheitsklage (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO): Anfechtung von Ausgangs- und Widerspruchsbescheid als prozessuale Einheit im Wege einer Einheitsklage (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Diese umfasst auch die Überprüfung des verbösernden Widerspruchsbescheides.

 

Wichtig: Auslegung des Klagebegehren in vorprozessualer Vorfrage: Will der Kläger nur den Widerspruchsbescheid anfechten oder will er eine Überprüfung des gesamten Verwaltungsaktes im Rahmen der Erhebung der Einheitsklage?

 

Hinweis: Sofern bei Einheitsklage nur Widerspruchsbescheid rechtswidrig ist, wird wohl gleichwohl sowohl der Ausgangs- als auch der Widerspruchsbescheid aufgehoben. Argument: Prozessuale Einheit, die rechtliches Schicksal teil, zudem Anfechtungsklage so konzipiert, dass Ausgangsbehörde auch Fehler der Widerspruchsbehörde zu tragen hat (§ vgl. § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Eine isolierte Aufhebung ist aber möglich, wenn zugleich eine isolierte Anfechtung zulässig wäre, wenn demnach die Voraussetzunen von §79 Abs. 1 Nr. 2, § 79 Abs. 2 S. 1 oder § 79 Abs. 2 S. 2 VwGO vorlägen.

Anfechtungsklage: Vorverfahren (§§ 68 ff. VwGO)


Ist eine Klage zulässig, wenn die Widerspruchsbehörde über einen unzulässigen Widerspruch entscheidet?


Gibt es eine Ausnahme? Und eine Rückausnahme?

Das Widerspruchsverfahren berührt nur das Verhältnis zwischen Behörde und Bürger. Vor diesem Hintergrund darf die Widerspruchsbehörde auch über einen verspäteten Widerspruch sachlich entscheiden und damit den Weg zur verwaltungsgerichtlichen Sachprüfung eröffnen. Die Widerspruchsfrist dient nämlich in derartigen Fällen vornehmlich dem Schutz der Behörde selbst. Ihr steht es deswegen frei, sich entweder mit dem Ergebnis der Unzulässigkeit des Widerspruchs auf die Fristversäumnis zu berufen oder aber unter Außerachtlassung der Fristversäumnis zur Sache selbst zu entscheiden. Auch das Widerspruchsverfahren ist ein Verwaltungsverfahren, in dem die Behörde Herrin über den Streitstoff bleit und daher die Voraussetzungen für den anschließenden Verwaltungsprozess schaffen kann.


Ausnahme: Dies gilt nicht für Drittwidersprüche wegen Vertrauensschutz des Adressaten: Bestandskraft vermittelt eine gesicherte Rechtsposition, die nur aufgrund einer besonderen Ermächtigungsnorm beseitigt werden kann. §§ 68 ff. VwGO sind dafür keine taugliche Ermächtigungsgrundlage.


Rückausnahme: Adressat des Ursprungsbescheides (Bauherr) hat ebenfalls Widerspruch eingelegt, weil er aufgrund seines eigenen Widerspruchs mit einer nach hM zulässigen Verböserung rechnen musste. Es fehlt also insofern ein Vertrauenstatbestand.

Anfechtungsklage: Klagefrist (§§ 74 VwGO)


Wann ist eine Rechtsbehelfsbelehrung fehlerfaft? Was sind typische Beispiele einer fehlerhaften Rbh-Belehrung?

Fehlerhaft ist eine Rechtsbehelfsbelehrung, wenn sie die in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend geforderten Mindestangaben nicht enthält oder wenn diesen Angaben ein unzutreffender oder irreführender Zusatz beigefügt ist, der sich generell eignet, die Einlegung des Rechtsbehelfs zu erschweren.


Typische Beispiele:

  • Soll-Bestandteile einer Klage (§ 82 Abs. 1 S. 3 VwGO) werden zu zwingenden Bestandteilen erklärt

  • “Klage ist schriftlich zu erheben”: Fehlender Hinweis auf die Möglichkeit, die Klage zur Niederschrift (§ 81 Abs. 1 S. 2 VwGO) zu erheben.

  • Kein Hinweis auf Einlegung in “elektronischer Form”:

    • Ausgangsbescheid: Fehlerhaft wegen § 70 Abs. 1 VwGO

    • Widerspruchsbescheid: Elektronisch Form zulässig (§ 55a VwGO), aber keine ausdrückliche Regelung wie in § 70 Abs. 1 VwGO. Nicht fehlerhaft, weil elektronisch Unterfall der Schriftlichkeit (BVerwG)

  • “Bekanntgabe” des Widerspruchsbescheides: Problematisch, weil Widerspruchsbescheid “zugestellt” werden muss. Nach BVerwG aber unschädlich, weil Bekanntgabe in der Zustellung besteht.

  • Widerspruchsbescheid: “Gegen diesen Bescheid”: Problematisch, weil nach dem Erlass eines Widerspruchsbescheides die Besonderheit besteht, dass es zwei Klagemöglichkeiten gibt: Zum einen die Klage gegen den ursprünglichen Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), und zum anderen die Klage isoliert gegen den Widerspruchsbescheid (§ 79 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwGO). Fehlerhaft (sehr str.), weil es das Wesen der RBH-Belehrung ist, dass sie über einen bestimmten Rechtsbehelf gegen eine bestimmte Entscheidung belehren will.


Anfechtungsklage: Klagefrist (§§ 74 VwGO)


Wann ist ist eine Fristversäumung im Rahmen eines Wiedereinsetzungsantrags verschuldet? Wann ist sie unverschuldet? Kann man ein Verschulden des Anwalts zurechnen?

Wonach richtet sich die Glaubhaftmachung?

  1. Verschuldet ist eine Fristversäumnis, wenn der Betroffene nicht die Sorgfalt hat walten lassen, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten geboten ist und ihm nach dem gesamten Umständen des konkreten Einzelfalles zumutbar ist. Im Hinblick auf die Gewährleistungen des Art. 19 Abs. 4 GG und des Art. 103 Abs. 1 GG dürften bei der Auslegung und Anwendung der für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand maßgeblichen Vorschriften die Anforderungen an das, was der Betroffene veranlasst haben muss, um eine Wiedereinsetzung zu erlangen, nicht überspannt werden.

  2. Unverschuldet ist eine Fristversäumnis, wenn der Beteiligte die Sorgfalt hat walten lassen, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten geboten und zumutbar war

    a) Krankheit, auch vorübergehender Urlaub, sofern Betroffener nicht aufgrund besonderer Umstände mit Zugang rechnen musste (ab sechs Wochen besondere Vorkehrungen erforderlich)

    b) Keine Kenntnis der deutschen Sprache (sofern Betroffener aber amtliches Schreiben erkennt, kann ihm zugemutet werden, sich Gewissheit zu verschaffen)

    c) Antrag auf PKH vor Fristablauf gestellt, aber erst nach Ablauf Frist beschieden: Kostenrisiko ist hier der Hinderungsgrund.

  3. Zurechnung Anwaltsverschulden nach § 173 S. 1 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO; Voraussetzung ist das Bestehen eines wirksamen Mandats im Innenverhältnis. Verschulden des Kanzleipersonals wird nicht zugerechnet, aber hier immer ansprechen, ob nicht ein eigenes Organisationsverschulden des Anwalts vorliegt, sofern Personal nicht ordnungsgemäß und überwacht

  4. Glaubhaftmachung (§ 60 Abs. 2 S. 2 VwGO, § 173 S. 1 VwGO i. V. m. § 294 ZPO)


Anfechtungsklage: Begründetheit (Formelle Rechtmäßigkeit)


Anhörung: Was ist eine Anhörung nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG ordnungsgemäß nachgeholt?

(+), wenn Betroffener ausreichend Gelegenheit zur schriftlichen oder mündlichen Stellungnahme; strittig, ob hierfür Erklärung im gerichtlichen Verfahren ausreicht oder ob parallel zum gerichtlichen Verfahren ein eigenständiges behördliches Verfahren geführt werden muss, und Behörde ein etwaiges Vorbringen zur Kenntnis nimmt und bei der Entscheidung berücksichtigt.

Zuständig bei gebundenen Entscheidungen sowie bei Identität von Ausgangs- und Widerspruchsbehörde sowohl Ausgangs- als auch Widerspruchsbehörde; nach h. M. kann Widerspruchsbehörde selbst dann Anhörungsmängel heilen, wenn nicht identisch, weil Widerspruchsbehörde uneingeschränkte Prüfungskompetenz hat und eine eigene Entscheidung trifft, so dass dem Kläger bei einer Nachholung durch die Widerspruchsbehörde keine eigenständige Ermessensebene genommen wird


Formulierung: Der angefochtene Bescheid ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Dem steht nicht entgegen, dass Gelegenheit zur Stellungnahme (–) und nach § 28 Abs. 1 VwVfG erforderlich. Auch § 28 Abs. 2 VwVfG (–), denn […]. Denn der Verfahrensfehler ist gem. § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG mit anfänglicher Wirkung geheilt worden. Hiernach ist […]. Nach ständiger Rechtsprechung reicht es aus, wenn eine Anhörung im Widerspruchsverfahren durchgeführt wird, sofern dem Betroffenen ausreiche Gelegenheit zur mündlichen oder schriftlichen Stellungnahme eingeräumt wird und die Behörde e etwaiges Vorbringen des Widerspruchsführers zur Kenntnis nimmt und bei der Entscheidung berücksichtigt. Nach diesen Maßstäben ist eine Heilung zu bejahen, denn [….]. Die Heilung erfolge auch rechtzeitig, da gem. § 45 Abs. 2 VwVfG die Heilung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich ist.

Anfechtungsklage: Begründetheit


Welches ist der maßgebliche Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der Anfechtungsklage? Welche Ausnahme ist bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung zu berücksichtigen?

1. Zeitpunkt der letzten Behördenhandlung (h. M.) = i.d.R. Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids

(+), weil Gegenstand der Kontrolle durch das Gericht der VA in der Form ist, wie er von der Behörde erlassen worden ist. Behördliche Erwägung bauen nur auf Umständen auf, die im Zeitpunkt Erlass vorlagen

(+) , weil ein rechtmäßig erlassener VA ebenso ein rechtswidriger VA werden kann wie umgekehrt

(+), weil nachträgliche Änderung über §§ 48, 49 HVwVfG berücksichtigt werden können


2. Ausnahme: Bei Dauer-VA oder noch nicht vollzogener VA (Abrissverfügung) = Zeitpunkt mündliche Verhandlung

Grundsatz: Auslegung des materiellen Rechts, ob Gesetzgeber eine zeitabschnittsweise Prüfung wollte oder auf den Zeitpunkt des Erlasses abstellen wollte.

→ Bei einem Dauer-VA wird dies ergeben, dass eine ständige Überprüfung gewollt ist, so dass es auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ankommt. Ein Dauer-VA wird zwar zu einem bestimmten Zeitpunkt von der Behörde erlassen, seine Wirkung bleibt jedoch dauerhaft bestehen und aktualisiert sich ständig neu, z. B. Verkehrszeichen, Fahrtenbuch, Gewerbeuntersagung. Er muss für seinen gesamte Geltungsdauer wirksam sein.

→ etwas anderes ergibt die Auslegung bei § 35 Abs. 6 GewO (Rückausnahme): Obwohl ein Dauer-VA vorliegt, ist Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgebend, weil in § 35 Abs. 6 GewO klare Trennung zwischen Untersagungsverfahren und Widergestattungsverfahren.


Sonderfall: Verwaltungsakte mit Doppelwirkung (baurechtlicher Nachbarstreit): Sofern Rechtsposition vermittelt wird, kann diese im Fall der Drittanfechtung dem Begünstigten nicht wieder entzogen werden. Daher Zeitpunkt der Bekanntgabe der Genehmigung entscheidend. Selbst im Widerspruchsverfahren eintretende Veränderungen bleiben außer Betracht.


Anfechtungsklage: Begründetheit


Sind unbestimmte Rechtsbegriffe vom Verwaltungsgericht überprüfbar? Welche Ausnahmen gibt es?

1.Grundsatz: Sowohl in tatsächlicher als auch in rechtliche Hinsicht gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar. Dies folgt aus Gesetzesvorbehalt, der Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) und Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG).


Formulierung: „Es liegt auch eine besondere Härte im Sinne von § […] vor. Bei diesem Begriff handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der – wie im vorliegenden Fall – mangels nicht überprüfbaren behördlichen Beurteilungsspielraum einer uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist.“


2. Ausnahme: Eingeschränkte gerichtliche Kontrolle bei Beurteilungsspielräumen der Behörde: Wertende Entschiedungen, die vom Gericht nicht oder nur eingeschränkt nachholbar sind

Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle darauf, ob Verfahrensvorschrift verletzt, Entscheidung auf unzutreffenden Sachverhalt beruht, willkürliche oder sachfremde Erwägungen herangezogen wurden, allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe missachtet wurden oder die Grundsätze der Chancengleichheit verletzt wurden.


Beispiele:

  • Prüfungs- und prüfungsähnliche Entscheidungen: Beachte, dass Beurteilungsspielraum nur hinsichtlich prüfungsspezifischer Wertungen, nicht aber hinsichtlich fachlicher Beurteilung (ggf. Einholung Sachverständigengutachten)

  • Beamtenrechtliche Beurteilungen (beachte hier häufig Kopplungsvorschriften [unbestimmter Rechtsbegriff und Ermessen]; sprachlich beide Ebenen trennen)

  • Entscheidungen wertender Art, die gesetzlich Sachverständigen oder einem pluralistisch besetzten Gremium anvertraut sind

  • Prognoseentscheidungen, z. B. bei Drittanfechtung einer Entscheidung im PBefG, wo die Rechtsprechung der Behörde einen Beurteilungsspielraum einräumt, ob durch Zulassung weiter Bewerber die Funktionsfähigkeit des örtlichen Taxengewerbes gefährdet wird


Feststellungsklage: Statthaftigkeit


Was ist der Hintegrund der Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 S. 1 VwGO)? Welche Ausnahme gibt es von der Subsidiarität?

Die Feststellungsklage ist unzulässig, soweit der Kläger seine Rechte auch durch Gestaltungsklage (AK) oder Leistungsklage (VK und allgemeine LK) geltend machen kann. Denn diese Klagen sind infolge ihrer Gestaltungswirkung bzw. durch die Verschaffung eines vollstreckungsfähigen Titels rechtschutzintensiver. Außerdem sollen die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen einer AK und VK nicht unterlaufen werden und eine doppelte Inanspruchnahme der Gerichte verhindert werden.


Ausnahmen:

  1. Feststellungsklage ist rechtsschutzintensiver

    Beispiel: A braucht Genehmigung der Tierschutzbehörde zum betäubungslosen Schächten von Tieren. Er sieht darin einer Verletzung seiner Religionsfreiheit und begehrt die Feststellung das Nichtbestehen der Genehmigungspflicht gerichtet. Verpflichtungsklage auf Erlass Genehmigung rechtsschutzintensiver? (–), weil durch Feststellungsklage eine Vielzahl von Leistungs- und Verpflichtungsklagen vermieden werden können. Feststellungsklage ist rechtsschutzintensiver und prozessökonomischer.

  2. Anfechtungsklage eines nichtigen Verwaltungsakt (§ 43 Abs. 3 S. 2 VwGO)

  3. Klagen gegen Hoheitsträger/juristische Personen des öffentlichen Rechts (str.)

    → Gedanke: Keine Gefahr, dass Hoheitsträger Feststellungsurteil nicht vollzieht, daher keine Gefahr der doppelten Inanspruchnahme der Gerichte, daher nach Rspr. keine Subsidiarität (a. A. Kopp/Schenke, § 43 Rn. 28)

  4. Vorbeugende Unterlassungsklagen

    → Gedanke: Keine Gefahr der doppelten Inanspruchnahme


Fortsetzungsfeststellungsklage: Fortsetzungsfeststellungsinteresse


Welche Fallgruppen gibt es?

1. Rehabilitationsinteresse

Ein Rehabilitationsinteresse liegt vor, wenn von einem VA eine diskriminierende Wirkung ausgeht, die nach der Erledigung fortwirkt.

→ behördliche Maßnahme muss geeignet sein, das Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld im Sinne einer Stigmatisierung herabzusetzen.

 

2. Wiederholungsgefahr

Eine Wiederholungsgefahr ist die hinreichend bestimmte Gefahr, dass in absehbarer Zeit unter im Wesentlichen gleichartigen Umständen ein gleichartiger VA ergehen wird.

→ (–), wenn Behörde verbindlich erklärt, künftig nicht mehr an umstrittener Verwaltungspraxis festhalten zu wollen (in Sitzungsniederschrift häufig enthalten!); dann prüfen, ob Feststellungsinteresse möglicherweise aus Präjudizinteresse folgt; ferner (–), wenn grundlegende Rechtsänderungen den Erlass eines vergleichbaren Verwaltungsaktes ausschließen.

Formulierung: „Wiederholungsgefahr (+). Dies zeigt sich schon daran, dass die Beklagte mit der Klageerwiderung hinreicht zum Ausdruck gebracht hat, auch zukünftig in gleich gelagerten Fällen an ihrer Praxis festhalten zu wollen.“

 

3. Präjudizinteresse

Ein Präjudizinteresse liegt bei einem beabsichtigten Schadens- oder Entschädigungsprozess vor den Zivilgerichten vor, soweit dieser anhängig ist oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anhängig wird, die Erledigung nach Klageerhebung eingetreten ist und nicht offensichtlich aussichtslos ist

→ Gedanke: Wegen Rechtskraftwirkung (§ 121 ZPO) Entscheidung des VG auch für Zivilprozess bedeutend

→ Offensichtliche Erfolglosigkeit nur, wenn ohne Weiteres erkennbar ist, dass behauptete unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt besteht

 

4. Erheblicher Grundrechtseingriff, der sich typischerweise schnell erledigt

→ insbesondere im Polizei- und Ordnungsrecht: Hausdurchsuchung, Auflösung einer Versammlung

→ denn hier muss Rechtsschutz Art. 19 IV GG gewährleistet sein, weil diese Hoheitsakte sich typischerweise schnell erledigen

Hinweis: Wird im Kaiserskript eher unter Rehabilitationsinteresse erfasst

Klagerücknahme: Klausurkonstellationen


Konstellation II: Fehlende Voraussetzungen der Rücknahmefiktion

Tenor: Aufhebung des nach § 92 Abs. 2 S. 4 VwGO ergangenen Einstellungsbeschlusses, danach normale Entscheidung zur Sache je nach Erfolg (z. B. Aufhebung eines Bescheides, Klageabweisung)

„Unter Aufhebung des Beschluss vom […] wird die Klage abgewiesen.“


Tatbestand:

„Mit gerichtlicher Verfügung vom […] hat der Berichterstatter den Kläger aufgefordert, die Klage zu begründen und Beweismittel zu benennen, die das Klagebegehren stützen. Nach der Kläger untätig gebliebe ist, hat der Berichterstatter ihn mit Betreibensaufforderung vom […], zugestellt am […], angemahnt, zur Förderung des Verfahrens den gerichtlichen Verfügungen nachzukommen. Wegen des Inhalts der Aufforderung wird auf Bl. […] der Gerichtsakten Bezug genommen. Mit Beschluss vom […] hat der Berichterstatter das Verfahren unter Hinweis auf § 92 Abs. 2 VwGO eingestellt.

Unter dem […] hat der Kläger erklärt, die Betreibensaufforderung sei zu Unrecht ergangen. Das Rechtsschutzbedürfnis sei nicht entfallen, da […].

Der Kläger beantragt, das Verfahren fortzuführen und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom […] zu verpflichtet, […].

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.


Entscheidungsgründe:

Prozessuale Vorfragen: „Der Beschluss vom […] ist aufzuheben, da die Rechtshängigkeit der Klage (§ 90 VwGO) nicht aufgrund der mit Beschluss vom […] festgestellten Klagerücknahme entfallen ist. [Darstellen, weshalb Voraussetzungen der Rücknahmefiktion nach § 92 Abs. 2 VwGO [–]]

Übereinstimmende Erledigungserklärung

Tenor in der Hauptsache: deklaratorische Einstellung entsprechend § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO

„Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen […]“

Kostentenor: „Hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils trägt der Kläger die Kosten des Verfahrens. Im Übrigen trägt […]“

Tenor zur vorläufigen Vollstreckbarkeit: betrifft nur streitig entschiedenen Teil, weil hinsichtlich des übereinstimmend für erledigten Teils wird unanfechtbar entschieden (§ 158 Abs. 2 VwGO)

„Das Urteil ist im Umfang des streitig entschiedenen Teils der Klage wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar […]“


Tatbestand: „Im Hinblick auf […] haben die Beteiligt den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Im Übrigen beantragt der Kläger […]“


Entscheidungsgründe

„Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmen für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechend Anwendung des § 92 Abs. 3 S. 1 VwGo einzustellen. Im Übrigen ist die Klage […]“


Nebenentscheidungen: „Die Kostenentscheidung beruht bezüglich des entschiedenen Teils der Klage auf […]. Soweit die Beteiligt das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, beruht die Kostenentscheidung auf § 161 Abs. 2 VwGO. Insoweit entsprach es billigem Ermessen, dem Kläger die Kosten aufzuerlegen. Nach bisherigem Sach- und Streitstand wäre dieser mit seiner Klage erfolglos geblieben. Denn […].

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Sebastian P.

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