Welche inhaltliche Wandlung hat der Begriff Nachhaltigkeit in den letzten
20 Jahren erfahren und worauf ist das zurückzuführen?
Drohender Klimawandel und Ressourcenerschöpfung führten zur Neuprägung des Begriffs. Nachhaltig zu handeln bedeutet nach UNO-Definition so zu handeln, dass die Möglichkeit künftiger Generationen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, nicht gefährdet wird.
Dem Begriff Nachhaltigkeit werden drei Komponenten zugeordnet. Welche
sind das, welche davon halten Sie für die wichtigste – und warum?
Nachhaltigkeit hat eine ökologische, eine soziokulturelle und eine ökonomische Dimension. Wenn man vom drohenden Klimawandel ausgeht, muss wohl der Reduzierung der CO2-Emission, also der ökologischen Komponente, gegenwärtig Priorität eingeräumt werden. Aber es geht um ein komplexes Optimierungsproblem, ökologischen Erfolg mit ökonomischen
und soziokulturellem Erfolg zu verbinden.
Was versteht man unter dem Lebenszyklus eines Gebäudes und was sind
Lebenszykluskosten?
Im engeren Sinne beginnt der Lebenszyklus bei der Planung und Errichtung der Gebäude, geht über die Nutzung als Hauptphase, die Instandhaltung und Modernisierung bis zu Abriss und Recycling. Lebenszykluskosten umfassen die Kosten in allen diesen Phasen. In der Nutzungsphase sind es vor allem die Betriebskosten der Gebäude. Im weiteren Sinne kommen zum Lebenszyklus noch die Vorstufen der Rohstoffgewinnung, Baustoff und Bauteilfertigung einschließlich Transport hinzu.
Wodurch zeichnet sich ein Green Building aus? Gibt es eine eindeutige
Definition?
Es gibt keine eindeutige Definition für Green Buildings. Alle Zertifizierungssysteme gehen jedoch von der Einheit von ökologischem, ökonomischem und soziokulturellem Nutzen aus. Die Energieeffizienz ist dabei eine der wichtigsten Eigenschaften, weil sie positiv auf alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit wirkt.
Nennen Sie die bekanntesten Zertifikate für Green Buildings, die in Europa
und in Deutschland Anwendung finden, sowie deren Ursprungsländer.
BREEAM (Großbritannien),
LEED (USA/Kanada),
HQE (Frankreich),
BNB (Deutschland), vormals Deutsches Gütesiegel für Nachhaltiges Bauen.
Das BNB-Gütesiegel ermittelt die Qualität einer Immobilie in sechs Themenfeldern.
Nennen Sie die Themenfelder. Gehen alle Themenfelder gleichwertig in die Zertifikatsbewertung ein?
ökologische Qualität,
ökonomische Qualität,
soziokulturelle und funktionale Qualität,
technische Qualität,
Prozessqualität und Standortqualität.
Gebäudequalität und Standortqualität werden getrennt ausgewiesen.
Von den fünf Themenfeldern der Gebäudequalität geht die Prozessqualität nur mit 10 % in die Gebäudebewertung ein, die übrigen vier gleichwertig mit 22,5 %.
Lassen sich heute schon Auswirkungen der Green-Building-Zertifikate auf den Immobilienmarkt erkennen?
Warum muss sich ein Sachverständiger für Wertermittlung mit der Frage beschäftigen, welche Nachhaltigkeitseigenschaften eine zu bewertende Immobilie besitzt?
Derzeit werden nur neue Gebäude zertifiziert. Zu erkennen ist jedoch schon, dass Green Buildings der Trend sind, sie besser vermietbar und verkäuflich sind. Heute werden Nachhaltigkeitseigenschaften in der Wertermittlung kaum berücksichtigt. Je deutlicher die Marktvorteile nachhaltiger Immobilien werden, desto wichtiger ist es, die Nachhaltigkeitseigenschaften zu bewertender Immobilien zu kennen.
Weshalb ist die Erhöhung der Energieeffizienz des Gebäudebestands ein erstrangiges Problem der Nachhaltigkeit?
Höhere Energieeffizienz bedeutet geringere CO2-Emission (ökologischen Erfolg), gleichzeitig sinken die Betriebskosten als wichtiger Bestandteil der LCC (ökonomischer Erfolg). Sie bedeutet aber auch eine höhere Behaglichkeit und gesündere Atmosphäre in den Räumen (soziokultureller/funktionaler Erfolg).
Erklären Sie die Unterschiede zwischen Primärenergie, Sekundärenergie, Endenergie und Nutzenergie.
– Nutzenergie = Energie für einen bestimmten Zweck wie Heizung, Warmwasserbereitung, Kühlung, Beleuchtung
– Endenergie = Summe der von außen bezogenen Energie in Gestalt bestimmter Energieträger (Sekundärenergie), wobei Endenergie = Summe der Nutzenergie × Anlagenverlustfaktor
– Primärenergie = Energie der natürlich vorkommenden Energiequellen, andererseits ist Primärenergie = Summe der Endenergie nach Energieträgern × Primärenergiefaktoren
Charakterisieren Sie die Rolle des Energieausweises für Gebäude und den Unterschied zwischen Bedarfs- und Verbrauchsausweis.
Um den Energieausweis als wichtige Informationsquelle zur Einschätzung der Energieeffizienz des Gebäudes nutzen zu können, müssen die Angaben vergleichbar sei. Das ist nur bei Bedarfsausweisen der Fall. Beim Bedarfsausweis wird der jährliche Energiebedarf auf der Grundlage von Berechnungsmodellen mit einheitlichen Rahmenbedingungen nach DIN V 18599
ermittelt. Beim Verbrauchsausweis erfolgt die Ermittlung des jährlichen Energieverbrauchs auf Basis der Messung des Verbrauchs an Energieträgern in den letzten drei Jahren. Trotz einiger Korrekturansätze ist ein hoher subjektiver Einfluss (z. B. Nutzerverhalten) gegeben.
Charakterisieren Sie die Eigenschaften von Niedrigenergie- und Passivhäusern.
Welchen Unterschied gibt es?
Niedrigenergie- und Passivhäuser haben gemeinsame konstruktive
Schwerpunkte zur Erzielung hoher energetischer Gebäudeeigenschaften
wie:
– eine hocheffiziente Wärmedämmung,
– die Vermeidung von Wärmebrücken,
– hohe Dichtheit der Gebäudehülle,
– ein Komfortlüftungssystem mit Wärmerückgewinnung,
– die Ausnutzung passiv-solarer Wärmegewinne, kompakte Baukörper.
Niedrigenergiehäuser haben Heizwärmebedarf von umgerechnet 3 bis
4 Liter Heizöl je Quadratmeter pro Jahr und Passivhäuser einen Ölverbrauch
von maximal 1,5 Liter je Quadratmeter pro Jahr.
Nennen Sie einige Möglichkeiten, wie man durch Nutzung erneuerbarer Energien die Energieeffizienz eines Gebäudes erhöhen kann.
– Solarthermische Anlagen als Flachkollektoren oder Vakuumröhrenkollektoren
zur Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung in
Verbindung mit Brennwerttechnik
– Wärmepumpen zur Nutzung der Wärme aus der Außenluft oder der
Abluft in Lüftungsanlagen, aus der Erdoberfläche mit Erdkollektoren,
aus dem Grundwasser mit Brunnenanlagen, aus Erdsonden (bis
200 m Tiefe)
– Nutzung von Pellets oder Biogas in Brennwertanlagen, Miniblockheizkraftwerken,
Brennstoffzellen
– Nutzung von Photovoltaikanlagen
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