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Wissenskarten

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by Ann-kathrin L.

Kausalität

  1. Hypothetische Kausalität und Reserveursachen

    Reserveursachen bzw. hypothetische Kausalverläufe bleiben bei der Kausalitätsprüfung grds. unberücksichtigt. Es gilt das “Verbot des Hinzudenkens von Ersatzursachen”. Für die Ermittlung des Kausalzusammenhangs ist allein auf den Erfolg in seiner konkreten Gestalt abzustellen. Dass dieser später aufgrund anderer Umstände in anderer Weise eingetreten wäre, spiel für die Kausalität keine Rolle (Schuss ist auch kausal für Tod, wenn er später an Krebs/ Herzinfarkt gestorben wäre).

    Allerdings ist es nur verboten, Reserveursachen hinzuzudenken, die anstelle der wegzudenkenden Handlung den Erfolg herbeigeführt hätten. Dagegen sind solche Umstände hinzuzudenken, die den Erfolg verhindert hätten, wenn die Handlung des Täters nicht stattgefunden hätte, sog. “Gebot des Hinzudenkens von rettenden Kausalverläufen” (A ist am ertrinken, B schlägt den Rettungsschwimmer nieder, B macht sich wegen Totschlags an A strafbar).

  2. sog. alternative Kausalität (Doppelkausalität)

    In den Fällen der sog. alternativen Kausalität führen mehrere Handlungen den Erfolg gleichzeitig herbei, jede für sich hätte aber zur Erfolgsherbeiführung ausgereicht. Denkt man jetzt nur eine Handlung hinweg, so bleibt die andere allein kausal für den Erfolg. Man könnte daher annehmen, dass die einzelne Handlung folglich nicht kausal, weil hinwegdenkbar ist (A und B vergiften, jeweils in tödlicher Dosis, unabhängig voneinander die C).

    In diesen Fällen muss die Äuquivalenztheorie wie folgt ergänzt werden: “Von mehreren Handlungen, die zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele, ist jede für den Erfolg ursächlich”. (A und B wären beide wegen vollendeter Tötung zu bestrafen).

  3. sog. kumulative Kausalität

    Kausalität besteht auch, wenn mehrere, unabhängig voneinander vorgenommene Handlungen den Erfolg erst durch ihr Zusammenwirken herbeiführen (sog. kumulative Kausalität) (A und B vergiften C unabhängig voneinander, erst das Zusammenwirken beider Gifte führt zum Tod).

    Dieser Fall ist schon bei “einfacher” Anwendung der conditio-Formel lösbar: Wird nur ein Giftanteil hinweggedacht, so hätte C überlebt. Mithin sind beide Giftanteile kausal.

  4. sog. überholende - abgebrochene - fortwirkende Kausalität

    Diese sind nur scheinbar problematisch.

    1. Fortwirkende Kausalität

      Der Kausalzusammenhang wird nicht durch ein mitwirkendes Verschulden des Verletzten oder dadurch unterbrochen, dass ein Dritter fahrlässig oder vorsätzlich in den Geschehensablauf eingreift, sofern die früher gesetzte Bedingung (Handlung) bis zum Erfolgseintritt fortwirkt. Das ist immer dann der Fall, wenn der später Eingreifende an die vorausgehende Bedingung anknüpft, insbes. die dadurch geschaffene Lage ausnutzt.

    2. “abgebrochene” und “überholende” Kausalität

      Dagegen wird der Kausalzusammenhang durch ein nicht von der Ersthandlung abhängiges Zweitereignis unterbrochen, wenn dieses völlig unabhängig von der Handlung des (Erst-)Täters den Erfolg ohnehin allein verursacht.

    3. Atypische Kausalverläufe

      Die Kausalität ist auf der Basis der conditio-Formel auch dann gegeben, wenn der Erfolg auf ganz ungewöhnliche Weise eingetreten ist.

objektive Zurechnung

kein rechtlich missbilligtes (relevantes) Risiko liegt vor,

  1. wenn sich der Schadenseintritt außerhalb des menschlichen Beherrschungsvermögens vollzieht:

    Der Täter schafft keine rechtlich missbilligte Gefahr, wenn er das Risiko einer Rechtsgutsverletzung nicht in rechtlich beachtlicher Weise begründet hat (T schickt O bei aufkommenden Gewitter, mit der Absicht, dass er vom Blitz erschlagen wird, in den Wald. O wird tatsächlich vom Blitz erschlagen).

  2. bei sozialadäquatem Verhalten:

    Keine rechtlich missbilligte Gefahr schafft, wer sich im Rahmen des erlaubten Risikos hält, sog. “sozialadäquates Verhalten”. Unter dem erlaubten Risiko ist ein verhalten zu verstehen, das ein rechtlich relevantes Risiko schafft, aber generell erlaubt ist. Ein Unterfall des erlaubten Risikos ist der Vertrauensgrundsatz, wonach man in der Regel darauf vertrauen kann, dass andere keine vorsätzlichen Straftaten begehen (z.B. bei Verkauf von Messern; Tötung eines anderen Verkehrsteilnehmers bei verkehrsregelngetreuen Fahrer).

  3. bei Risikoverringerung:

    Der Täter schafft keine unerlaubte Gefahr, wenn er bei einem schon in Gang befindlichen Kausalverlauf die für das Opfer bereits bestehende Gefahr verringert, die Situation des Handlungsobjekts also verbessert. Voraussetzung für die fehlende Zurechenbarkeit auf der Tatbestandsebene ist aber immer, dass der Täter nicht zugleich eine eigenständige, andersartige Gefahr für das Opfer schafft. Dann kommt auf der Rechtswidrigkeitsebene allerdings eine Rechtfertigung z.B. nach § 34 oder eine mutmaßliche Einwilligung in Betracht.

kein Risikozusammenhang ist gegeben (das Risiko hat sich nicht im konkreten tatbestandlichen Erfolg realisiert),

  1. bei ganz ungewöhnlicher atypischer Schadensfolgen, d.h. außerhalb aller Lebenserfahrung liegenden Geschehensabläufen:

    Die vom Täter geschaffene Gefahr realisiert sich dann nicht im konkreten Erfolg, wenn dieser aufgrund einer anderen Gefahr (z.B. allg. Lebensrisiko) eingetreten ist, der Erfolg also auf einem atypsichen Kausalverlauf beruht. Mit anderen Worten: Die vom Täter geschaffene Gefahr hat sich dann nicht realisiert, wenn der Erfolg nicht als Auswirkung der geschaffenen Gefahr, sondern nur in zufälligem Zusammenhang mit ihr eingetreten ist (A schießt auf B, der deswegen ins Krankenhaus kommt und dort bei einem Feuer stirbt).

  2. wenn der Erfolg außerhalb des Schutzbereichs der verletzten haftungsbegründenden Verhaltensnorm liegt:

    Der verwirklichte Erfolg muss im Schutzbereich der verletzten Norm liegen, d.h. die Norm muss gerade die Verhinderung des stattgefundenen Geschehensablaufs bezwecken. Unter dem Begriff der Norm wird die sog. Verhaltensnorm (=Sorgfaltsnorm) verstanden (T fährt O an. Die Ehefrau des O erleidet deshalb einen Schock und verstirbt. Schockschäden sind nicht von Verkehrsregeln gedeckt).

  3. wenn ein Dritter, das Opfer oder der Täter selbst zwar an das gefährliche Vorverhalten anknüpft, aber einen völlig neuen eigenständigen Steuerungsprozess in Gang setzt:

    Der Erfolg ist nicht zurechenbar, wenn ein Dritter, der Täter oder das Opfer selbst (=eigenverantwortliche Selbstgefährdung oder Selbstverletzung) einen neuen, eigenständigen Steuerungsprozess in Gang setzt. Dabei überschneiden sich die Fallgruppen zunächst teilweise mit denen des Schutzbereichs des Norm, da ein außerhalb des Schutzbereiches liegender Erfolg immer auch ein “neuer” Erfolg ist. Erfasst werden aber auch Fallgruppen, bei denen der Erfolg im Schutzbereich der Norm liegt, gleichwohl aber auf einem neuen Risiko beruht (T schießt O ins Bein; Bein muss amputiert werden; aufgrund der Gehbehinderung stürzt er ein paar Jahre später und wird von einem LKW überrollt und stirbt).

    Gegenbispiel ist der Retterfall. Zwar handelt der Retter grds. autonom und tatherrschaftlich. Das Risiko als Retter verletzt zu werden ist gleichwohl kein “neues”, da es vom Schutzzweck der z.B. Brandstiftungsdelikte bereits mit erfasst worden ist.

    Völlig neue Risken sind regelmäßig dann gegeben, wenn ein Dritter an das Erstverhalten des Täters anknüpft. Häufig auch als “überholende” oder “durchbrechende” Kausalität behandelt.

    Neue Risiken können auch durch ein eigenverantwortliches Verhalten des Opfers begründet werden, sog. eigenverantwortliche Selbstgefährdung oder Selbstverletzung. Eine solche liegt nach h.M. vor, wenn das Opfer den Erfolg durch eine tatherrschaftliche Handlung in Kenntnis des Risikos aus autonomen Gründen selbst herbeiführt.

    Neues Risiko Dritter: Wenn Risiko Dritter auf einem Unterlassen beruht, entsteht kein neues Risiko! (Leitet die Rettungszentrale z.B. die Notruf nicht weiter, entsteht kein neues Risiko, sondern das Alte wird nur nicht beseitigt!; Keine Unterbrechung des bestehenden Riskozusammenhangs)

  4. wenn kein Pflichtwidrigkeitszusammenhang gegeben ist, d.h. der Erfolg auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre:

    Hätte der Täter den Erfolgseintritt auch dann nicht verhindern können, wenn er sich rechtmäßig verhalten hätte, so greift der Einwand des rechtmäßigen oder pflichtgemäßen Alternativverhaltens. Die Fälle des rechtmäßigen Alternativverhaltens sind regelmäßig nur bei fahrlässigen Erfolgsdelikten, konkreten Gefährdungsdelikten und Unterlassungsdelikten von Bedeutung.

Vorsatz

  1. Dolus directus 1. Grades - Absicht

    Absicht ist ein zielgerichtetes Erstreben des tatbestandsmäßigen Erfolges, zielgerichteter Erfolgswille. Diese stärkste Form des Vorsatzes ist immer dann erforderlich, wenn das Gesetz von “Absicht”, “beabsichtigt” , “um…zu” etc. spricht. Absicht liegt vor, wenn es dem Täter gerade darauf ankommt, den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges herbeizuführen oder die Umstände zu verwirklichen, für die das Gesetz absichtliches Handeln voraussetzt.

  2. Dolus directus 2. Grades - direkter Vorsatz

    Mit direktem Vorsatz handelt, wer den Erfolg zwar nicht erstrebt, aber als mit Sicherheit eintretend vorausgesehen hat. Erforderlich ist also ein sicheres Folgewissen. Handelt der Täter trotz dieser Kenntnis oder Voraussicht willentlich, nimmt er in seinen Verwirklichungswillen alles auf, was er sich als die notwendige und sichere (auch Neben-) Folge seines Verhaltens vorstellt, mag ihm die eine oder andere Auswirkung seines Tuns auch an sich unerwünscht sein. Direkter Vorsatz ist Tatbestandsvoraussetzung, wenn das Gesetz von “wissentlich” oder “wider besseren Wissens” spricht.

  3. Dolus eventualis - bedingter Vorsatz

    Eventualvorsatz ist gegeben, wenn der täter es ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat, dass sein Verhalten zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes führt. Kennzeichnen für den bedingten Vorsatz ist, dass der Täter zwar unbedingten Handlungswillen, aber nur bedingten Erfolgswillen hat. Dolus eventualis reicht für die Tatbestandserfüllung immer dann aus, wenn die verletzte Norm keine bestimmte Vorsatzform vorschreibt.

    Umstritten und problematisch ist allerdings die Abgrenzung des Eventualvorsatzes von der bewussten Fahrlässigkeit. Einigkeit besteht dabei nur insoweit, als zunächst zu fordern ist, dass der Täter sich der Möglichkeit des Erfolgseintritts bewusst gewesen sein muss, Rechnet er dagegen nicht einmal mit dem Erfolgseintritt, so kommt dolus eventualis nicht in Betracht. Unabdingbare Voraussetzung für die Annahme eines Eventualvorsatzes ist damit das vorliegen eines Wissenselementes.

    In weiteren ist die Abgrenzung allerdings heftig umstritten. Insbesondere ist streitig, ob ein Wollenselement zu verlangen ist bzw. welche Intensität das Wollen besitzen muss.

    • Die von der Rspr. und herrschenden Auffassung in der Literatur vertretene Einwilligungs- oder Billigungstheorie verlangt für den bedingten Vorsatz, dass der Täter den Eintritt des Erfolges ernstlich für möglich hält und diesen “billigend in Kauf nimmt” oder mit ihm “einverstanden” ist. Dabei kommt Billigung auch dann in Betracht, wenn der Erfolg dem Täter an sich unerwünscht ist, er aber an der Verfolgung seines unmittelbaren Zieles um jeden Preis festhält und sich mit dem Eintritt des tatbestandlichen Erfolges abfindet.

      • Eventualvorsatz ist danach gegeben, wenn der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und billigt.

      • Die Annahme von Billigung liegt nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz äußerster Gefährlichkeit durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können oder wenn er es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht.

      • --> “Na wenn schon”

    • Gegenauffassungen sind irrelevant

Garanten i.S.d. § 13

Beschützergarantenpflichten

  1. Rechtssatz

    Eine Beschützergarantenstellung kann sich zunächst unmittelbar aus Rechtssatz ergeben Gesetz, RechtsVO, Gewohnheitsrecht etc..

  2. Natürliche Verbundenheit

    Natürliche Verbundenhiet (vgl. zunächst § 11 I Nr. 1 StGB) erfasst vor allem die Verwandtschaft in “gerader Linie”. Erfasst sind auch Verwandtschaftsverhältnisse, soweit sich aus ihnen nach bürgerlichem Recht besondere Pflichten ergeben. Allgemein gilt: Je höher der Verwandtschaftsgrad, desto enger ist der Kreis der sich aus ihr ergebenden Pflichten.

    Umstritten ist, ob die natürliche Verbundenheit im Einzelfall ausreicht, eine Garantenstellung zu begründen, oder ob sie immer auch den Grad einer “engen Gemeinschaftsbeziehung” oder “tatsächlichen Gewährübernahme” erreichen muss (h.M.; Argument: Gleichbehandlung der Garantenstellung begründenden Fallgruppen und Anpasung an tatsächliche Lebensverhältnisse).

    Eine strafrechtliche Handlungspflicht aus persönlicher Verbundenheit kommt nur i.R.d. Familie in Betracht, weil diese als ein Gemeinschaftsverhltnis von Natur aus auf gegenseitigen Beistand ihrer Mitglieder angelegt ist. Liebesverhältnisse, Freundschaften und ähnliche Beziehungen begründen daher keine Garantenpflichten.

  3. (soziale) Nähe- oder Gemeinschaftsbeziehungen

    Tatsächliche (soziale) Nähe- oder Gemeinschaftsbeziehungen sind zunächst enge Verbindungen und Partnerschaften, Verlöbnis, eheähnliche Lebensgemeinschaften, vor allem soweit sich aus ihnen besondere bürgerlich rechtliche Pflichten ergeben können.

    • Ob dies auch für Schwägerschaft gitl, ist streitig. Z.T. wird auf den Begriff der nahe stehenden Person gem. § 35 abgestellt.

    • Erfasst sind auch Gefahrengemeinschaften (z.B. Extremsportlergemeinschaften) und Vertrauensgemeinschaften (z.B. sozialtherapeutische Wohngemeinschaft).

    • Nicht erfasst: Unglücksgemeinschaften (z.B. im Fahrstuhl Eingeschlossene); bloße faktische Zusammenschlüsse (typ. Fall: der gemeinsame Rauschmittelkonsum).

    • Bei häuslichen Wohngemeinschaften muss noch ein Verwandtschaftsverhältnis, Verlöbnis oder die Übernahme einer Schutzfunktion hinzukommen. Bloße “Zweck-WG” reicht nicht.

    • Enge, auf Treu und Glauben angelegte Geschäftsbeziehungen können Garantenstellung bei bestimmten Vermögensdelikten begründen. Ansonsten reichen Pflichten aus § 242 BGB nicht aus!

  4. tatsächliche Gewährübernahme

    Die tatsächliche Gewährübernahme kann durch tatsächliche oder rechtliche Akte (u.a. durch Vertrag) begründet werden, setzt aber im Ergebnis kein wirksames Rechts- oder Vertragsverhältnis voraus, sondern nur die erkennbare tatsächliche Bereitschaft zum Schutz eines Rechtsgutes, sodass der Begünstigte oder sonst Hilfswillige auf die Erfüllung der Obhutpflichten berechtigterweise vertrauen durfte. Die Gewährübernahme kann ebenso wie ihre Begründung faktisch aufgegeben werden. Erforderlich ist ein faktischer, erkennbarer und zulässiger Akt, der nicht “zur Unzeit” erfolgen darf.

    • Hierunter knnen auch Garantenstellungen aus “Beruf” fallen. Arzt -> aus Behandlungsvertrag (eine über die allg. Nothilfepflicht des § 323c hinausgehende Pflicht des Arztes zur Übernahme der Behandlung von Patienten außerhalb bestimmter Stellungen (z.B. Schiffsarzt, Truppenarzt, etc.) ist dagegen nicht anzuerkennen)

    • Tatsächliche Gewährübernahmen von Amtsträgern sind ebenfalls möglich, wobei deren Reichweite allerdings streitig ist.

      Während ein Teil der Literatur den Amtsträger für obhutspflichtig nur hinsichtlich der von ihm wahrzunehmenden dienstlichen Belange (also nur gegenüber seinem Dienstherrn), hält erstrecken Rspr. und h.L. die Obhutspflicht auch auf Rechtsgüter der Allgemeinheit und die zur öffentlichen Sicherheit zählenden Rechtsgüter des Einzelnen, soweit deren Schutz in den Zuständigkeitsbereich des Amtsträgers fällt und die Notwendigkeit der Hilfeleistung im Zusammenhang mit der Dienstausübung entsteht (Argument: Einheit der Rechtsordnung).

      Die h.L. verlangt darüber hinaus, dass auch eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung (gebundene Entscheidung, Ermessen auf “Null” reduziert) zum Einschreiten bestehen muss (Argument: Ultima-ratio-Prinzip des Strafrechts; wenn nach öffentlichem Recht ein Absehen vom Einschreiten, vor allem bei Ermessensentscheidungen, erlaubt ist, kann das Nichteinschreiten nicht strafbar sein).

Überwachungsgaranten

  1. Rechtssatz

    In Betracht kommen zunächst auch Garantenstellungen aus Rechtssatz: Gesetz, RechtsVO, etc.; insbes. Überwachungspflichtigkeit als Lehrer, Erziehungsberechtigter, etc.; hierher auch Pflichten der StVO

  2. Ingerenz

    Ingerenz bedeutet die Verantwortlichkeit für Gefahren, die sich aus eigenem Vorverhalten ergeben. Voraussetzung ist im einzelnen

    • ein Vorverhalten

    • im Sinne einer objektiven Pflichtverletzung (= objektive Sorgfaltspflichtverletzung i.S.e. fahrlässigen Erfolgsdelikts; h.M.), das in der Regel ein aktives Tun gewesen ist, aber auch in einem pflichtwidrigen Unterlassen seinerseits bestanden haben kann,

    • das gefahrbegründend oder -erhöhend war (“schadensnah”),

    • wobei nach h.M. eine objektive Zurechnung zwischen Vorverhalten und späterem Erfolg nicht erforderlich ist.

    Umstrittene Fälle:

    • Eine subjektiv vorwerfbare, schuldhafte Pflichtverletzung wird von der h.M. nicht vorausgesetzt.

    • z.T. wird eine Handlungspflicht auch an rechtmäßiges aber gefährdendes Vorverhalten geknüpft. Dagegen spricht mit der h.M., dass dies zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ausweitung der Garantenpflicht im Verhältnis der durch § 323c sanktionierten allgemeinen Hilfspflicht führt und selbst die Nichtbeseitigung einer durch Notwehr gem. § 32 geschaffenen Gefahrenlage als unechtes Unterlassungsdelikt zu ahnden wäre.

    • Die h.M. verzichtet auf die objektive Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens aber ausnahmsweise, wenn hierdurch in gerechtfertigter Weise eine dauernde Rechtsgutsverletzung geschaffen wurde und die rechtfertigenden Voraussetzungen später weggefallen sind oder die Schaffung der Gefahrenlage durch Agressivnotstand gerechtfertig war, ihre Aufrechterhaltung aber zur Abwendung des Schadens nicht mehr erforderlich ist.

  3. Überwachung bzw. Beherrschung einer Gefahrenquelle

    Eine Garantenstellung aus der Überwachung bzw. Beherrschung einer Gefahrenquelle kann sich insbes. ergeben bei Gefahren druch Handlungen Dritter und Sachgefahren.

    • Eine Verantwortung für das Handeln Dritter kann sich aus einem rechtlich begründeten Unterordnungsverhältnis des Dritten (Sorgeberechtigte, Lehrer, etc.) oder aus der Veranlassung des Handelns des Dritten ergeben.

      Beteiligt sich jemand an schweren körperlichen Misshandlungen eines anderen durch einen Dritten und schafft dadurch die Gefahr einer Eskalation derart, dass der Dritte den anderen totschlägt, so kann er verpflichtet sein, gegen die Tötungshandlung einzuschreiten.

    • Die Verantwortung für gefährdende Sachen ergibt sich i.d.R. nicht allein aus der Beherrschung der Gefahrenquelle. Diese ist Voraussetzung für die Möglichkeit der Erfolgsabwendung, begründet aber noch nicht die Pflicht zum Einschreiten. Die Verpflichtung zur Abwendung von Gefahren, die von Sachen drohen, lässt sich nur auf eine bes. rechtl. Verantwortung (z.B. als Halter von Tieren, Kraftfahrzeugen, etc.) oder die Schaffung der Gefahrenquelle zurückführen. Diese Fallgruppe ist mit der zivilrechtl. Verletzung von Verkehrssicherungspflichten oftmals deckungsgleich.

Merke:Derjenige, der selbst nicht Garant ist, erhält nicht schon durch den gemeinsam mit einem Garanten gefassten Entschluss zum Unterlassen von Rettungshandlungen eine eigene Garantenstellung. Dadurch würde letztlich die Garantenstellung als Voraussetzung für die Strafbarkeit beim unechten Unterlassungsdelikt gem. § 13 I aufgegeben und durch die Gemeinsamkeit des Tatentschlusses ersetzt. Demgemäß wird in der Lit. die Mittäterschaft durch Unterlassen regelmäßig nur auf das Zusammenwirken mehrerer Garanten bezogen.

Sonderfälle des unmittelbaren Ansetzens

  • Bei Unterlassungsdelikten: Verstreichenlassen von Rettungsmöglichkeiten, wobei umstritten ist, ob es auf die erste oder ggf. sogar letzte Rettungsmöglichkeit ankommen soll (str.); nach h.M. soll es ebenfalls auf die konkrete Rechtsgutgefährdung ankommen (h.M.), wobei einige diese immer schon mit dem Aufgeben der Einwirkungsmöglichkeit annehmen wollen.

  • Bei erfolgsqualifizierten Delikten: Gem. § 11 II gelten erfolgsqualifizierte Delikte als Vorsatzdelikte. Nach ganz h.M. kommt deshalb grds. auch eine Bestrafung aus Versuch in Betracht. Beim sog. erfolgsqualifizierten Versuch bleibt dabei das Grunddelikt im Versuchsstadium “hängen”, gleichwohl tritt die schwere Folge ein. Auch der Versuch der Erfolgsqualifikation ist nach h.M. möglich. Dabei will der Täter, dass eine schwere Folge eintritt, die aber objektiv ausbleibt.

  • Bei abgeschlossenen Täterhandeln: Nach h.M. soll das Entlassen des Kausalverlaufes jedenfalls dann den Tatansatz begründen, wenn das Hinzutreten des Opfers nach Vorstellung des Täters in “ob, wann und wie” hinreichend ebenso sicher ist, wie die mögliche Vornahme einer selbstschädigenden Handlung. Nach den Gegenauffassungensoll es allein auf die Gefährdung des Opfers (z.T.) oder die Aufgabe der Geschehensherrschaft (z.T.) ankommen.

  • Bei mittelbarer Täterschaft: Die Einwirkung auf das Werkzeug oder die Einwirkung des Werkzeugs auf das Opfer (str.); nach h.M. kommt es i.d.R. auf das Entlassen des Kausalverlaufes durch den Hintermann an, wenn das Werkzeug seinerseits unmittelbar auf das Opfer einwirken soll.

  • Bei Mittäterschaft: Umstritten ist, ob jeder Mittäter für sich alleine ansetzt (“Einzellösung”) oder der Ansatz eines Mittäters für alle wirkt (“Gesamtlösung”, h.M.). Je nachdem, auf welchen Mittäter danach abzustellen ist, gelten für diesen dann die o.g. Kriterien (die ihrerseits wieder str. sein können…).

  • Bei Regelbeispielen: Mit Beginn oder der Verwirklichung eines Regelbeispiels ist nicht automatisch der Tatansatz zum Versuch des TB gegeben. Hier ist nach den Kriterien vielmehr zu prüfen, ob ohne wesentliche Zwischenakte auch mit der Verwirklichung des Regelbeispiels zu rechnen war.

  • Versuch bei actio libera in causa: In Fällen der sog. alic hängt der Tatansatz zunächst von der zu klärenden Vorfrage zur Herleitung der Rechtsfigur der alic ab. Folgt man mit der h.M. der sog. Vorverlegungstheorie, so ist die eigentliche Tathandlung im Falle der alic-Straftat die Rauschherbeiführung selbst. Konsequenterweise stellt dann der Rauschbeginn auch den Tatansatz dar, was allerdings dem Unmittelbarkeitserfordernis des § 22 widersprechen würde. Deshalb spricht viel dafür, auch hier mit der Gefährdungsformel oder der Zwischenakttheorie zu arbeiten.

Fallgruppen: Fehlschlag des Versuchs bei einem mehraktigen Geschehen oder bei zeitlichem Auseinanderfallen von Handlung(en) und Erfolg mit Lösung nach der Gesamtbetrachtungslehre

  • Kann Täter im unmittelbaren Fortgang des Geschehens den Erfolg nach seiner Vorstellung nicht mehr herbeiführen - Fehlschlag (+)

  • Kann Täter im unmittelbaren Fortgang des Geschehens den Erfolg nach seiner Vorstellung mit den bereits eingesetzten oder anderen, tatsächlich bereitstehenden Mitteln noch erreichen - Fehlschlag (-)

  • Der Täter kann zwar objektiv noch weiterhandeln, er erkennt diese Möglichkeit aber subjektiv nicht - Fehlschlag (+)

  • Nimmt der Täter zunächst irrig an, er könne nicht mehr weiterhandeln und fällt ihm dann im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang doch noch ein weiteres taugliches Mittel ein - Fehlschlag (-)

  • Hat der Täter seine außertatbestandlichen Ziele schon durch den Versuch des Delikts erreicht, macht das Weiterhandeln aus Sicht des Täters also keinen Sinn mehr, so ist auf der Basis der Gesamtbetrachtungslehre umstritten, ob dies zu einem Fehlschlag im Rechtssinne führt:

    • Nach h.L. verdient der Täter das Rücktrittsprivileg nicht, da er seine Ziele erreicht hat. Wer seine Ziele erreicht, kann nichts mehr aufgeben.

    • Die Rspr. ist anderer Ansicht. Es kommt nach der Rspr. grds. nicht auf außertatbestandliche Umstände an. Das Erreichen von außertatbestandlichen Zielen ist daher für den Fehlschag nicht relevant. Dieser liegt nur und erst dann vor, wenn der tatbestandliche Erfolg selbst nach Vorstellung des täters nicht mehr erreichbar wäre. Für diese Auffassung spricht, dass der Wortlaut von § 24 I von einer Tataufgabe spricht; außertatbestandliche Erfolge können daher keine Rolle spielen!

  • Gleiches gilt, wenn der außertatbestandliche Erfolg nicht mehr erreichbar ist, der Eintritt des tatbestandlichen Erfolges aber weiterhin möglich bleibt; die h.L. nimmt einen Fehlschalg an, für die Rspr. bleiben außertatbestandliche Ziele auch hier irrelevant.

  • Auf der Basis der h.M. ebenfalls umstritten sind die Fälle des “Fehlschlags bei enttäuschter Beuteerwartung”. Nach Auffassung der Rspr. liegt auch hier kein Fehlschlag vor. Allerdings ist die Freiwilligkeit der Abstandnahme fraglich.

Fallgruppen: Beendeter und unbeendeter Versuch

  • Korrektur des Rücktrittshorizonts: Auf Grundlage der herrschenden Gesamtbetrachtungslehre kommt wiederum eine “Umwandlung” vom beendeten in einen unbeendeten Versuch in Betracht, wenn der Täter seinen Rücktrittshorizont entsprechend korrigiert.

  • Nach aktueller Rspr. ist dies aber auch in die “andere Richtung” möglich, d.h. ein zunächst für unbeendet gehaltener Versuch wandelt sich in einen beendeten Versuch um. Folge: Der Täter muss nun aktive Rettungsmaßnahmen einleiten. Diese Korrektur des Rücktrittshorizonts erfolgt mithin zu Lasten des Täters. Ergreift der täter jetzt keine aktiven Rettungshandlungen, so scheidet ein Rücktritt aus.

  • Tataufgabe: Nach Auffassung der Rspr. setzt eine Tataufgabe nur das Aufgeben des konkreten Tatbestandes i.S.v. § 11 I Nr. 5 voraus; dass der Täter mit der Tat einhergehende andere Delikte aufgibt, ist nicht erforderlich (str.).

  • Auch ein zeitlicher Aufschub kann eine Tataufgabe sein, wenn die neue Tat nicht mehr in einem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der aufgegebenen steht (h.M.).

  • Rücktritt vom Versuch des unechten Unterlassungsdelikts: Nach h.M. erfolgt beim unechten Unterlassungsdelikt keine Differenzierung zwischen be- und unbeendeten Versuch, da der Unterlassungstäter nach seiner Vorstellung durch das Verstreichenlassen von Rettungsmöglichkeiten das Rechtsgut immer so gefährde, dass ein Rücktritt nur durch aktive Gegenmaßnahmen in Betrackt kommen kann. Es ist dhaer immer von einem beendeten Unterlassungsversuch auszugehen.

  • Rücktritt bei a.l.i.c.: Nach h.M. gelten hier die allgemeinen Regeln, so dass ein Rücktritt auch nach Eintritt des Rauschzustandes durch Tataufgabe oder -verhinderung möglich ist. Die Schulunfähigkeit beim Rücktritt ist für die Wirksamkeit des Rücktritts nicht relevant (h.M.). Gleiches gilt im Rahmen des § 323a: Bei Rücktritt von der Rauschtat entfällt auch die Bestrafung aus § 323a; § 24 greift inswoeit zumindest analog.

  • Ein Rücktritt vom Versuch einer Qualifikation ist nach Auffassung der Rspr. nicht möglich. Die Literatur trennt beide Tatbestände trotz materieller Tateinheit und lässt einen Teilrücktritt zu.

  • Rücktritt und Erfolgsqualifikation: Besonders klausurrelevant sind die Probleme des Rücktritts im Zusammenhang mit erfolgsqualifizierten Delikten. Zu unterscheiden sind 2 Fallgruppen:

    • Fallgruppe 1 (Versuch der Erfolgsqualifikation): Die schwere Folge ist nicht eingetreten, der Täter hatte aber insoweit Tatentschluss. Der Rücktritt ist nach den allg. Regeln nicht möglich.

    • Fallgruppe 2 (erfolgsqualifizierter Versuch): Die schwere Folge ist eingetreten, der GTB blieb aber nur versucht.

      Nach h.M. ist auch hier der Rücktritt noch möglich, da der Eintritt der schweren Folge die Abstandnahme von der Wegnahme nicht hindere. Grundtatbestand und erfolgsqualifiziertes Delikt seien 2 Taten im Sinne von § 11 I Nr. 5. Die schwere Folge sei aus der Sicht des Grundtatbestandes ein außertatbestandlicher Erfolg. Dieser könne problemlos über ein fahrlässiges Erfolgsdelikt (regelmäßig § 222) erfasst werden.

      Die Gegenauffassung lehnt dies wegen der bereits eingetretenen Teilverwirklichung des GesamtunrechtsTB ab und geht wertungsmäßig von einem vollendeten Gesamtunrechtstatbestand aus.

Unterbrechung des objektiven Zurechnungszusammenhangs (Fahrlässigkeitstat) aufgrund hypothtischem rechtmäßigen Alternativverhalten beim betrunkenen Fahrer (Unfall wäre auch bei Nüchternkeit des Fahrers passiert)

Nach der Vermeidbarkeitstheorie entfällt der Zurechnungszusammenhang, wenn der konkrete Verkehrsunfall für den Fahrzeugführer auch bei rechtmäßigem Verhalten unvermeidbar war. Ersetzt wird dabei grds. nur das konkret pfichtwidrige Verhalten, also die Trunkenheitsfahrt. Wäre der Unfall also auch nüchtern unvermeidbar gewesen, entfiele damit der Zurechnungszusammenhang.

Die Rspr. stellt allerdings nicht nur einen Zusammenhang zwischen dem Erfolgseintritt und der Trunkenheitsfahrt also solcher her, sondern sieht den betrunkenen Verkehrsteilnehmer zusätzlich in der Pflicht, die gefahrene Geschwindigkeit nicht nur den Verkehrsvorschriften, sondern auch seiner durch den Alkoholeinfluss herabgesetzten Reaktionfähigkeit anzupassen. Herangezogen wird hierfür § 3 I 2 StVO, wonach der Fahrzeugführer seine Geschwindigkeit auch an seine “persönlichen Fähigkeiten” anzupassen hat. Auf dieser Grundlage wird untersucht, bei welcher geringeren Geschwindigkeit der Fahrer - abgesehen davon ,dass er als Fahruntüchtiger überhaupt nicht am Verkehr teilnehmen darf - noch seiner durch den Alkoholeinfluss herabgesetzten Wahrnehmungs- und Reaktionfähigkeit bei Eintritt der kritischen Verkehrslage hätte Rechnung tragen können, und ob es auch bei dieser Geschwindigkeit zu dem Unfall gekommen wäre.

Diese Rspr. wird in der Lit. erheblich kritisiert. Gegen den BGH wird angeführt, dass es überhaupt keine an die Trunkenheit angepasste Geschwindigkeit geben könne, da es dem Fahrer im fahruntüchtigen Zustand schlechterdings untersagt sei, am Straßenverkehr teilzunehmen. Auf diese Weise werde nicht mehr auf ein rechtmäßiges, sondern ein weniger rechtswidriges Alternativverhalten abgestellt. Dies sei jedoch unzulässig, da immer derjenige Gesichtspunkt hinwegzudenken sei, der die Gefahr unerlaubt gemacht hat. Dies sei jedoch die Trunkenheit und nicht die Geschwindigkeit, da die Zurechnung bei einem nüchternen Fahrer mit gleicher Geschwindigkeit ausgeschlossen wäre. Darüber hinaus sei es auch nicht Sinn und Zweck des Verbots des Fahrens im alkoholisierten Zustand, dass durch Einhaltung einer geringeren Geschwindigkeit die alkoholbedingten Defizite soweit neutralisiert werden, dass der Fahrer noch die Leistung erbringen kann, die er bei nicht reduzierter Geschwindigkeit im nüchternen Zustand hätte erbringen können. Denn der Schutzzweck des Verbots besteht nicht in der Gewährleistung seiner Fortbewegung im Straßenverkehr, sondern darin, dass der Fahrer in kritischen Situationen das leisten kann, was er als nüchterner Fahrer leisten könnte.

Die Lit. stellt daher ausschließlich darauf ab, ob die Kollision für einen nüchternen Fahrer bei im Übrigen unverändertem Sachverhalt vermeidbar war oder nicht.

Stellungnahme:

Die Rspr. widerspricht bereits der Konzeption der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften. Diese sehen vor, dass Verkehrsteilnehmer bei Überschreitung der 0,5-Promille-Grenze aus § 24a StVO überhaupt nicht am Straßenverkehr teilnehmen dürften. Nach der Rspr. hingegen wäre die Teilnahme eines alkoholbedingt fahruntüchtigen Fahrzeugführers bei ausreichender Herabsetzung der Geschwindigkeit bei Verkehrsunfällen nicht sorgfaltspflichtwidrig. Es bleibe dann ausschließlich bei einer Strafbarkeit aus abstraktem Gefährdungdelikten.

Fallgruppen der mittelbaren Täterschaft, § 25 I, 2. Alt.

  1. Werkzeug handelt objektiv nicht tatbestandsmäßig

    Typischer Fall: Veranlassung einer für das Tatwerkzeug straflosen Tat oder einer bloß teilweisen Verwirklichung des objektiven Tatbestandes

    Umstritten sind die Fälle, in denen das Werkzeug grundsätzlich objektiv und subjektiv tatbestandsmäßig, aber ohne die erforderliche Täterqualifikation handelt (qualifikationslos-doloses Werkzeug; str.)

  2. Werkzeug handelt subjektiv nicht tatbestandsmäßig

    • Der “Normalfall” ist hier die Veranlassung eines gutgläubigen, sich in einem Tatbestandsirrtum befindlichen Werkzeuges. Der Hintermann hat dementsprechend “überlegenes Wissen”

    • Umstritten sind die Fälle, in denen das Werkzeug zwar vorsätzlich, aber ohne die besondere deliktsspezifische Absicht (z.B. Zueignungsabsicht bei § 242; sog. absichtlos-doloses Werkzeug) handelt.

      • Innerhalb der Tatherrschaftlehre ist umstritten, ob eine deliktsspezifische “normative” Überlegenheit des Hintermannes ausreicht (normative Tatherrschaft) oder ob eine psychische Überlegenheit des Hintermannes, kraft derer er das Werkzeug beherrscht hinzukommen muss (psychologisierende Tatherrschaft). Gegen diese Auffassung spricht aber, dass der Wortlaut des Gesetzes die Begehung “durch einen anderen” nicht auf eine Wissensüberlegenheit beschränkt und auch in den Fällen des Täters hinter dem Täter der Vorsatz des Werkzeuges die Tatherrschaft des Hintermannes nicht entfallen lässt.

      • Die Rechtsprechung hat im Rhamen einer bloßen “Absichtsüberlegenheit” keine Probleme bei der Bejahung des Täterwillens.

      • Achtung: Das vorsätzlich handelnde aber absichtlose Werkzeug wird regelmäßig wegen Beihilfe zu bestrafen sein, da es “als Werkzeug” die Haupttat des Hintermannes fördert (sog. absichtlos-doloser Werkzeug-Gehilfe).

  3. Werkzeug handelt gerechtfertigt

    Beispiele:

    • Schaffung einer Situation, in der das Werkzeug entweder kraft öffentlich-rechtlicher Eingriffsbefugnis (z.B. § 127 II StPO) oder

    • das Werkzeug nach strafrechtlichen Rechtfertigungstatbeständen (insb. § 32 bei Schaffung einer Notwehrlage für den Tatmittler) gerechtferitgt ist.

  4. Werkzeug handelt schuldlos

    Beispiele:

    • Veranlassung der Tat durch Personen, die sich im Zustand der §§ 19, 20, 21 befinden;

    • Veranlassung eines Erlaubnistatbestands- oder unvermeidbaren Verbotsirrtums des Tatmittlers;

    • Veranlassung einer Notstandssituation i.S.v. § 35 beim Werkzeug

  5. Täter hinter dem Täter

    Besonders umstritten sind die Fallgruppen des sog. Täters hinter dem Täter, bei denen das Werkzeug zwar voll deliktisch handelt, der steuernde Einfluss des Hintermannes aber gleichwohl so stark ist, dass eine täterschaftliche, tatherrschaftliche Begehung auch durch den Hintermann nahe liegt.

    Fallgruppen hier:

    • Tatausführung unter Ausnutzung organisatorischer Machtapparate (Lösung über § 25 II oder § 25 I, 2. Alt.). Als Machtapparate kommen dabei nicht nur die “klassischen”, bereits kriminell handelnden Organisationen (Mafia, Bande, NS-Unrechtstaten, sonstiges staatliches Unrecht) in Betracht sondern auch solche, die grundsätzlich legal tätig sind, im Einzelfall die “legale” Machtstruktur aber für Straftaten ausnutzen (z.B. bei Weisungshierarchien im Krankenhaus, Wirtschaftsunternehmen, Behörden etc.)

    • Hervorrufen oder Ausnutzen eines Irrtums des Werkzeuges über den konkreten Handlungssinn durch

      • Irrtum des Werkzeuges über gesetzliche Qualifikationsmerkmale (Lösung über § 26 oder § 25 I, 2.Alt.)

      • Hervorrufen eines error in persona beim Werkzeug (Lösung über § 27, Nebentäterschaft oder § 25 I, 2. Alt.)

      • Bewirken eines vermeidbaren Verbotsirrtums des Werkzeuges (Lösung über § 27 oder § 25 I, 2. Alt.)

      • Bewirken eines Irrtums über Höhe und Umfang des angerichteten Schadens, sog. gradueller Tatbestandsirrtum (Lösung über §§ 26, 27 oder § 25 I, 2. Alt.)

  6. Sonderfallgruppe: Veranlassung strafloser Selbstschädigung

    Umstritten ist, unter welchen Voraussetzungen die Veranlassung einer für das Opfer straflosen Selbstschädigung eine Zurechnung gem. § 25 I, 2. Alt. für den Hintermann begründet (typisches Beispiel: Opfer wird über die Verabreichung einer giftigen Substanz in einem vom Opfer selbst getrunkenen Getränk getäuscht). Allein die Tatbestandslosigkeit des Opfers als “Werkzeug gegen sich selbst” reicht hier zur Annahme der mittelbaren Täterschaft des Hintermannes nicht aus.

    • Nach h.Lit. liegt Taherrschaft beim Veranlasser vor, wenn er das Opfer in einen Zustand von §§ 16, 17, 19, 20, 21, 35 oder 3 JGG “hineinmanipuliert” hat (“hypothetisches Verantwortungsprinzip”).

    • Die Gegenansicht legt bei der Prüfung der Verantwortlichkeit die Kriterien der Einwilligung (“Einwilligungstheorie”) zugrunde. Befand sich das Opfer in einem Zustand, der eine rechtfertigende Einwilligung hätte entfallen lassen, so liegt die Tatherrschaft beim Veranlasser.

    • Die Rechtsprechung beurteilt die Gesamtumstände ewrtend, wobei Kriterien von beiden Ansätzen Verwendung finden.

Besondere persönliche Merkmale, § 28 I, II

§ 28 regelt die folgen bei Unterschieden zwischen Beteiligten in Bezug auf persönliche (Tatbestands-)Merkmale. Das Gesetz selbst verweist zur Definition persönlicher Merkmale auf § 14 I. Danach sind besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände erfasst. Anerkannt ist indessen, dass dieser Verweis allein zur Klärung der Frage des Vorliegens eines persönlichen Merkmals nicht ausreicht.

  • Personenbezogen sind allgemein solche Merkmale, die eine besondere Einstellung zum geschützten Rechtsgut voraussetzen oder durch eine besondere Pflichtenstellung gekennzeichnet sind.

  • Tatbezogen sind hingegen Merkmale, die nur das sachliche Unrecht der Tat kennzeichnen, wobei es sich auch um subjektive TBM handeln kann. Eine Zurechnung dieser Merkmale erfolgt allein über den Vorsatz des Beteiligten, § 16.

Anwendbarkeit von § 28 allgemein

Liegt ein persönliches Merkmal vor?

  • Persönliche Eigenschaften sind körperliche, physische oder rechtliche Wesensmerkmale eines Menschen (z.B. Schwangerschaft, Mann, Schwachsinn)

  • Persönliche Verhältnisse sind Beziehungen des Menschen zu seiner Mitwelt, d.h. zu anderen Menschen, zum Staat, zu Sachen (z.B. Amtträgereigenschaft, Treueverhältnis, Richter, Bandenmitglied, Arzt, Garant)

  • Persönliche Umstände sind den Täter charakterisierende sonstige Gegebenheiten, die nicht Verhältnis oder Eigenschaft sind und dabei typischerweise eine subjektive Ausprägung haben (z.B. Gewerbsmäßigkeit, böswillig, Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe)

Handelt es sich bei dem festgestellten persönlichen Merkmal um ein Schuldmerkmal ist § 28 nur anzuwenden, wenn ein spezielles Schuldmerkmal (z.B. rücksichtslos) gegeben ist (h.M.; z.T. wird vertreten, dass auch hier § 29 greift). Bei allgemeinen Schuldmerkmalen (in § 20; Verbotsirrtum; entschuldigender Notstand) greift § 29.

§ 28 I: Das persönliche Merkmal ist strafbegründend

Ein persönliches Merkmal ist strafbegründend, wenn bei Wegfall des Merkmals eine Strafbarkeit aus einem Auffangdelikt (z.B. einem Grundtatbestand) nicht in Betracht kommt.

  1. § 28 I greift nur bei Teilnehmern, denn fehlt es an einem strafbegründenden persönlichen Merkmal bei einem (Mit-/mittelbaren) Täter, so scheidet dessen Bestrafung aus der jeweiligen Norm ohnehin aus.

  2. Stellt sich bei der Prüfung des Teilnehmers bereits heraus, dass dieser keine Kenntnis vom Vorliegen eines strafbegründenden persönlichen Merkmals des Täters hatte, so scheitert eine Bestrafung schon am Vorsatz, § 16 I.

  3. Liegen sämtliche Voraussetzungen der Teilnahme vor und liegt beim Teilnehmer nur das strafbegründende Merkmal des Haupttäters nicht vor, so greift § 28 I. Es kommt zu einer obligatorischen Strafmilderung nach § 49 I.

  4. Aufbau: Da es sich bei § 28 I um eine Frage der Strafzumessung handelt, ist der Punkt nach der allgemeinen Schuldprüfung abzuhandeln.

  5. Anmerkmung: Denkbar ist auch der umgekehrte Fall! Der (vermeintliche) Teilnehmer weit ein strafbegründendes persönliches Merkmal aus, das der (vermeintliche) Täter nicht hat. Diese Fälle sind nach h.M. über die Rechtsfigur des “qualifikationslosen Werkzeugs” i.R.d. mittelbaren Täterschaft über § 25 I, 2. Alt. zu lösen.

§ 28 II: Das persönliche Merkmal ist strafschärfend, -mildernd oder -ausschließend

Ein persönliches Merkmal ist

  • strafschärfend, wenn im Falle des Nichtvorliegens eine Bestrafung aus einem milderen Auffangtatbestand gleichwohl in Betracht kommt

  • strafmildernd, wenn es sich um eine Privilegierung handelt, bei deren Wegfall ein schärfer zu bestrafender Grundtatbestand gegeben ist

  • strafausschließend, wenn das Gesetz einen besonderen Grund für die Nichtbestrafung vorsieht, der außerhalb der Tatbestandsmäßigkeit liegt

  1. § 28 II gilt bei (Mit-)Tätern und Teilnehmern gleichermaßen.

  2. Fehlt bei einem Mittäter ein strafschärfendes (etc.) persönliches Merkmal, so ist dies bereits im Tatbestand festzustellen.

  3. Unabhängig vom Fehlen eines strafschärfenden (etc.) persönlichen Merkmals beim Teilnehmer, ist wie immer zunächst zu prüfen, ob der Teilnehmer das Vorliegen dieses Merkmals beim Haupttäter kannte. Fehlt es insoweit am doppelten Teilnehmervorsatz, greift bereits § 16.

  4. Handelte der Teilnehmer insgesamt vorsätzlich, so ist zu prüfen, ob das strafschärfende (etc.) persönliche Merkmal bei ihm selbst auch gegeben ist. Fehlt es, so ist er wegen Teilnahme aus der Vorschrift zu bestrafen, die nach Wegfall des persönlichen Merkmals vorläge (z.T. wird hier von einem hypothetischen Grundtatbestand gesprochen.

  5. Aufbau: Die Prüfung des § 28 II erfolgt zweckmäßiger Weise nach Prüfung und Bejahung des doppelten Teilnehmervorsatzes. Kommt es zu einer Tatbestandsverschiebung, so kann ein neuer Obersatz (“römische Ziffer”) gebildet werden. Prüfungsbedürftig sind dann aber nur noch Rechtswidrigkeit und Schuld, ggf. der Rücktriffoder Punkte zur Strafzumessung.

Schuld/ “actio libera in causa”

Schuldfähigkeit

-> Fähigkeit zu verstehen, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.

I. Strafmündigkeit, § 19

Kinder unter 14 J. sind gem. § 19 schuldunfähig -> unwiderlegbare Vermutung (Verfahrenshindernis)

II. Schuldfähigkeit Jugendlicher und Heranwachsender, §§ 3 und 105 JGG

14-18 J.: Schuldfähigkeit richtet sich gem. § 3 JGG nach ihrem Reifegrad aufgrund ihrer sittlichen und geitigen Entwicklung

18-21 J.: Schuldfähigkeit richtet sich nach Erwachsenenstrafrecht, da § 105 JGG nicht auf § 3 JGG verweist.

III. Ausschluss der Schuldfähigkeit Erwachsener gem. § 20

§ 20 StGB regelt die Voraussetzungen der Schuldunfähigkeit Erwachsener.

Es muss entweder die Fähigkeit ausgeschlossen sein, das Unrecht der Tat zu erkennen (Einsichtsfähigkeit), oder diejenige, sich nach dieser Einsicht zu richten (Steuerungsfähigkeit).

Häufigster Anwendungsfall des § 20 ist die alkoholbedingte Schuldunfähigkeit. Der Zustand der Alkoholisierung kann sowohl als krankhafte seelische Störung (st. Rspr., h.L.) als auch als tiefgreifende Bewusstseinsstörung (z.T.) angesehen werden. Dem Grade nach kann, in Ermangelung anderer Umstände, unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes bereits bei 2.5 %o BAK ein Ausschluss der Schuldfähigkeit in Betracht kommen. Bei 3 %o BAK ist im Zweifel regelmäßig ein Fall des § 20 anzunehmen, wenn auch nicht zwingend. Bei schwerwiegenden Gewaltdelikten sind diese Grenzwert mit Rücksicht auf den besonderen Unrechtsgehalt jeweils um 10 % höher anzusetzen. Ist der sichere Bereich des § 21 erreicht und Schuldunfähigkeit nicht auszuschließen, ist nach h.M. ein Vollrausch gem. § 323a anzunehmen.

IV. Zeitpunkt der Schuldfähigkeit

Gem. §§ 19 und 20 StGB muss die Schuldfähigkeit bei Begehung der Tat gegeben gewesen sein. Dies ist gem. § 8 StGB der Zeitraum, in dem der Täter gehandelt hat und bei Unterlassungsdelikten derjenige, in dem er hätte handeln müssen.

Verliert der Täter seine Schuldfähigkeit während der Ausführung er Tat, so richten sich die Rechtsfolgen nach den Regeln über die Abweichung des Kausalverlaufs, wenn der Täter zumindest bei Beginn des Versuchs schuldfähig war. Stellt der weitere Verlauf der Tat keine wesentliche Abweichung von dem bei Tatbeginn vorgestellten Verlauf dar, so ist wegen vollendeter Begehung zu bestrafen. Im Falle einer wesentlichen Abweichung bleibt es bei der Strafbarkeit wegen bloßen Versuchs.

War der Täter schon bei Versuchsbeginn nicht schuldfähig, so scheidet eine Strafbarkeit gem. § 20 grds. aus.

V. Actio libera in causa (“a.l.i.c.”)

  1. Dogmatische Herleitung/ Zulässigkeit der a.l.i.c.:

    • z.T. sog. Ausnahmetheorie:

      Die a.l.i.c. ist eine ungeschriebene Ausnahme zu § 20, nach der die Berufung auf § 20 ausscheidet, wenn der Täter den Zustand der Schuldunfähigkeit seinerseits verschuldet hat.

      Argument dagegen: Art. 103 II GG verbietet die Annahme von “ungeschriebenen Ausnahmen” zu Lasten des Täters

    • z.T. sogl Ausdehnungstheorie:

      Das Merkmal “bei Begehung der Tat” ist im Rahmen der Schuldprüfung gem. § 20 auf den Zeitpunkt der Rauschherbeiführung auszudehnen, die Handlung gem. § 8 und § 16 I und der Tatansatz gem. § 22 bleiben aber die unmittelbar zur Erfolgsherbeiführung führenden Handlungen nach den allgemeinen Regeln. Auch § 17 bezieht sich auf den allgemeinen Handlungszeitpunkt.

      Argument dagegen: Der Begriff “bei Begehung der Tat” wird in den §§ 20 (21) und §§ 16, 17 unterschiedlich interpretiert

    • h.L. sog. Vorverlagerungstheorie (=Tatbestandsmodell):

      Die Tathandlung ist bereits die Herbeiführung des Rauschzustandes. Die Prüfung des subjektiven Tatbestandes und der Schuld werden folglich ebenfalls auf den Zeitpunkt der Herbeiführung des Tustandes der Schuldunfähigkeit vorverlagert (vgl. §§ 16 I, 8, 22).

      Argumente: Die Vorverlagerung von Handlungen ist dogmatisch haltbar, da diese im Strafrecht im Rahmen der Zurechenbarkeitsprüfung durchaus zulässig ist und dem Verbot des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens gerecht wird. Es ist dann zu prüfen, ob die Herbeiführung des Rausches bereits ein Risiko geschaffen hat, dass den Erfolg kausal und zurechenbar herbeigeführt hat.

    • z.T. sog. Werkzeugtheorie:

      Ähnlich wie das Tatbestandsmodell versucht auch die Werkzeugtheorie eine Lösung auf Tatbestandsebene, die bei § 25 I, 2.Alt. anknüpft und den Rauschtäter als Werkzeug seiner selbst begreift. Nach der Werkzeugtheorie lässt sich die a.l.i.c. bei eigenhändigen Delikten nicht herleiten.

      Argument dagegen: Wortlaut des § 25 I, 2. Alt. “durch einen anderen”

    • a.A.: die a.l.i.c. ist unzulässig

      Die Herleitung der a.l.i.c. verstößt gegen Art. 103 II GG; die h.M. setzt die Verursachung der späteren Tathandlung mit der Vornahme der Tathandlung gleich. Eine Lösung der “a.l.i.c.-Fälle” erfolgt über § 323a.

      Argumente: Streng genommen ist es zutreffend, dass die a.l.i.c. nicht im Gesetz geregelt ist und statt dessen § 323a greift. Dies würde aber zu erheblichen Strafbarkeitslücken und sachlich kaum haltbaren Ergebnissen führen, wenn der Zustand des § 20 z.B. zur Begehung eines § 211 herbeigeführt worden wäre und die Strafe dann gem. § 323a nur maximal 5 Jahre betragen würde.

    • hierzu die insgesamt differenzierte Rspr. des BGH:

      Grundsätzlich folgt der BGH der Vorverlagerungstheorie und wendet die a.l.i.c. bei vorsätzlichen Erfolgsdelikten durchgängig an. Aber:

      • Die a.l.i.c. ist bei den eigenhändigen Tätigkeitsdelikten der §§ 315c, 316 nicht herleitbar, da das sich Berauschen noch nicht der Beginn der strafrechtlichrelevanten Tätigkeit ist.

      • Bei Fahrlässigkeitsdelikten bedarf es eines Rückgriffs auf die a.l.i.c. nicht, da Gegenstand des strafrechtlichen Vorwurfs ohnehin jedes in Bezug auf den tatbestandlichen Erfolg vorgenommene sorgfaltswidrige Verhalten ist.

      Anmerkung: Die Rspr. ist nicht verallgemeinerungsfähig und enthält insbesondere keine Abschaffung der a.l.i.c. auch bei Erfolgsdelikten. Dies hat der BGH ausdrücklich klargestellt. Allerdings dürfte die Nichtanwendbarkeit der a.l.i.c. einheitlich für alle Tätigkeitsdelikte gelten, denen eine “Vorverlagerung” fremd ist. Auch Delikte mit einem besonderen Handlungsunwert (grausame Tötung etc.) dürften durch das “sich Berauschen” nicht begehbar sein.

  2. Mögliche Fallkonstellationen

    1. vorsätzliche a.l.i.c.

      Der Täter handelt zum Zeitpunkt der Herbeiführung des Rausches

      • vorsätzlich bzgl. des “sich Berauschens”

      • vorsätzliche bzgl. der im rausch begangenen Tat (Rspr: nur Erfolgsdelikt!)

      Merke: Zielgerichtetes Berauschen um sich zu enthemmen und um später im enthemmten Zustand die Tat begehen zu können, ist nicht erforderlich! Es reicht Eventualvorsatz bzgl. des Rausches bei gleichzeitigem “für-möglich-Halten” der späteren Tatbegehung (doppelter dolus eventualis).

    2. “fahrlässige a.l.i.c.”?

      Bei fahrlässigen Erfolgsdelikten erfolgt nach BGH/h.M. keine Lösung über a.l.i.c.! Handelt der Täter zum Zeitpunkt der Herbeiführung des Rausches (=Tathandlung)

      • fahrlässig entweder bzgl. des “sich Berauschens”

      • und/oder fahrlässig bzgl. der späteren Tat

      so ist wie folgt zu prüfen:

      • Die unmittelbare, den Erfolg herbeiführende Handlung (z.B. Schuss auf Opfer), erfüllt zwar den TB eines fahrlässigen Erfolgsdeliktes, zu diesem Zeitpunkt war der Täter aber bereits schuldunfähig. Eine Strafbarkeit kommt insoweit nicht in Betracht.

      • War die Herbeiführung des Rausches aber bereits selbst eine sorgfaltswidrige Ursache für den späteren Erfolg, so ist die Rauschherbeiführung Tathandlung. Der Täter ist “normal” aus dem jeweiligen Fahrlässigkeitstatbestand zu bestrafen, weil er zum Zeitpunkt des Berauschens sorgfaltswidrig verkannt hat, dass es in diesem Zustand zur Verletzungshandlung (z.B. Schuss auf Opfer) kommen kann. Dies gilt aber nur bei fahrlässigen Erfolgsdelikten, da eine Anwendung der a.l.i.c. bei reinen Tätigkeitsdelikten ausscheidet.

Der Prüfungsaufbau in “a.l.i.c.-Fällen”

I. “normale” Prüfung des Tatbestandes, z.B. § 212

  • bei Verneinung der Schuld wg. § 20 zunächst Feststellung, ob der Eintritt der Schuldunfähigkeit mglw. nach Überschreiten der Versuchsschwelle (unm. Tatansatz), dann ist die Schuldunfähigkeit ggf. als unwesentliche Abweichung vom Kausalverlauf unbeachtlich

  • Im Rahme der Schuldprüfung ist dann die Herleitung der Rechtsfigur der a.l.i.c. über die Ausdehnungs- oder Ausnahmetheorie zu untersuchen. Da beide Theorien keine neue Tathandlung des “sich Berauschens” sehen und stattdessen die Norm des § 20 anders auslegen, ist eine Erörterung unter dem Prüfungspunkt “Schuld” vorzugswürdig. Ausdehnungs- und Ausnahmetheorie sind inhaltlich allerding abzulehnen, da sie tatsächlich gegen Art. 103 II verstoßen. Unter II. sind dann nur noch die verlbeibenden Theorien anzusprechen.

II. neuer Prüfungsansatz: z.B. § 212 i.V.m. vorsätzlicher a.l.i.c.

  • hier ist zunächst streitig zu erörtern, ob die a.l.i.c. noch herleitbar ist. Es bleiben hier nur die Vorverlagerungs- und Werkzeugtheorie zu prüfen;

  • wenn die Herleitung möglich ist, sich der Vorsatz zur Verwirklichung des Erfolgen zum Zeitpunkt der Herbeiführung des Rauschzustandes aber nicht feststellen lässt; dann …

III. neuer Prüfungsansatz Fahrlässigkeit, wenn Erfolg unmittelbar fahrlässig herbeigeführt worden ist (z.B. § 222)

  • Handlung: unmittelbare Herbeiführung des Erfolges (z.B. Schuss auf Opfer)

  • zu diesem Zeitpunkt war der Täter doch wiederum schuldunfähig; deshalb …

IV. neuer Prüfungsansatz: z.B. § 222 (nach ganz h.M. nunmehr ohne a.l.i.c.)

  • Handlung nunmehr anders als III.: Herbeiführung des Rausches als sorgfaltswidrige Ursache eines späteren Erfolges

  • entfällt, wenn fahrlässige Begehung nicht strafbar ist oder bei fahrlässigem Tätigkeitsdelikt (z.B. § 316 II)

V. nach a.l.i.c. immer auch zu prüfen: § 323a Vollrausch

  • Achtung: Bei § 323a ist die Rauschtat objektive Bedingung der Strafbarkeit, d.h. sie muss nicht vom Vorsatz des Täters erfasst sein. Allerdings verlangt die aktuelle Rechtsprechung eine aus Tätersicht gegebene Voraussehbarkeit im Hinblick auf “irgendwelche Ausschreitungen strafbarer Art”

VI. Konkurrenzen

zwischen allen Delikten “im Rausch” sowie § 323a.

Achtung: Bei Unklarheit über das Bestehen eines Rauschzustandes i.S.v. § 323a keine Wahlfeststellung zwischen Vollrausch und Rauschtat

Merke: Die “a.l.i.c.-Tatbestände” sind objektive Strafbarkeitsbedingung i.R.v. § 323a -str.-, verdrängen aber auf Konkurrenzebene den Vollrausch. Folge: Keine Ideal- sondern Gesetzeskonkurrenz zwischen alic-Rauschtat und § 323a.

Sanktionrechtliche Auswirkungen der Blutalkoholkonzentration (BAK)

Irrtümer auf Tatbestands- und Schuldebene

Tatumstandsirrtum § 16 I -> schließt den Vorsatz aus

Begriff Tatumstand:

  • Täter braucht Tatbestand als solchen nicht zu kennen

  • Tatumstände sind geschriebene und ungeschriebene Tatbestandsmerkmale

  • Umstritten ist die Einordnung von Rechtsirrtuümern, die sich auf Tatbestandsmerkmale beziehen. Bei überwiegend deskriptiven TBM stellt sich die Frage von Rechtsirrtümern zwar selten, anders ist dies bei TBM, die von einer rechtlichen Bewertung abhängig sind; sog. normative TBM (z.B. Fremdheit einer Sache -> abhängig von BGB Vorfragen des Eigentums). Dabei stellt sich die Frage, ob der Vorsatz auch dann ausgeschlossen ist, wenn z.B.:

    • der Irrtum über die Fremdheit einer Sache auf einer Unkenntnis der BGB Vorfragen beruht,

    • wenn der Täter einen Menschen schon bei irreversiblem Bewusstseinsverlust für tot hält.

    Die überwiegende Meinung differenziert wie folgt:

    • Soweit die Tatbestandsmerkmale dekriptiver Art sind, ist die Faktenkenntnis für den Vorsatz erforderlich und ausreichend.

    • Soweit sie normativer Art sind, setzt der Vorsatz weiter voraus, dass der Täter auch die rechtlich-soziale Bedeutung der Tatsachen, soweit sie nach dem juristischen Sinngehalt der Strafnorm relevant ist, nach Laienart zutreffend erfasst hat (Parallelwertung in der Laiensphäre). Kennt der Täter die bestehende Strafnorm nicht, legt er sie falsch aus, verkennt aus anderen Gründen den strafrechtlichen Unrechtsgehalt seines Tuns oder verwechselt er die Norm mit einer anderen, so liegt kein Tatbestandsirrtum, sondern ein bloßer Subsumtionsirrtum, bei fehlendem Unrechtsbewusstsein ein Verbotsirrtum vor.

    Die vorgenannten Grundsätze gelten für den Irrtum über strafbegründende wie auch qualifizierende Tatbestandsmerkmale gleichermaßen.

    Es gibt aber auch privilegierende Tatumstände, deren Vorliegen die Strafe mildert. Deren irrige Annahme ist gesetzlich in § 16 II geregelt. Danach ist in diesen Fällen nur aus dem milderen Tatbestand zu bestrafen.

    Ungeregelt ist dagegen der umgekehrte Fall der Unkenntnis privilegierender Tatumstände. Der einzige relevante Fall hierfür ist heute der Irrtum über die strafmildernden Voraussetzungen des § 216. Nach h.M. entfällt hier die strafmildernde Wirkung dieser Umstände. Irrt der Täter in Kenntnis der Umstände jedoch nur über die strafmildernde Bedeutung der Umstände, so bleibt es bei der Strafbarkeit wegen § 216, weil die irrige Annahme, sich nach §§ 212 oder 211 strafbar zu machen eine solche Strafbarkeit noch nicht begründet (Wahndelikt).

Abgrenzung untauglicher Versuch und Wahndelikt

Die irrige Annahme, tatbestandsmäßig zu handeln, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt, jedoch aus §§ 22 u. 23 III ist zu entnehmen, dass dies als (untauglicher) Versuch strafbar sein kann. Die Strafbarkeit wg. Versuchs setzt allerding einen Tatentschluss voraus. Dieser entspricht dem subj. Tatbestand im Falle der Vollendung.

  • Da der Vorsatz sich aber nur auf die Umstände der Tat, soweit sie zum Tatbestand gehören, zu beziehen braucht, nicht aber auf deren rechtl. Bedeutung für die Strafbarkeit, liegt ein untauglicher Versuch nur im Falle eines umgekehrten Tatbestandsirrtums vor.

  • Die in Kenntnis der Umstände gegebene, auf einer Verkennung ihrer rechtlichen Bedeutung beruhende irrige Annahme, sich strafbar zu machen, begründet als keine Versuchsstrafbarkeit. Dafür hat sich der Begriff des Wahndelikts (oder auch: Putativdelikts) durchgesetzt. Dieses beruht auf einem umgekehrten Verbotsirrtum. Da die Strafbarkeit wegen Versuchs gem. § 22 die Vorstellung strafbarkeitsbegründender Umstände voraussetzt, für das Wahndelikt aber keine die Strafbarkeit begründenden Regeln bestehen, ist das Wahndelikt gem. § 103 II GG nicht strafbar.

Hiernach muss auch im Falle der irrigen Annahme tatbestandsmäßigen Handelns der zwischen dem (umgekehrten) Tatumstandsirrtum und dem (umgekehrten) Subsumtions- bzw. Verbotsirrtum abgegrenzt werden.

Nach h.M. gelten dafür die gleichen Grundsätze wie für die Abgrenzung von Tatbestands- und Verbotsirrtum, in diesem Zusammenhang - weil es um einen den Täter belastenden Irrtum geht - nur mit umgekehrten Vorzeichen:

  • Tatentschluss zu einem untauglichen Versuch hat also, wer sich tatsächliche Umstände vorstellt, bei deren Vorliegen das fragliche Delikt vollendet wäre. Tatentschluss hat ebenfalls, wer sich rechtliche Gegebenheiten irrig vorstellt, bei deren Vorliegen der zumindest laienmäßig richtig erkannte Tatbestand erfüllt wäre.

  • Ein Wahndelikt liegt dagegen vor, wenn der Täter aufgrund seines Rechtsirrtums den Tatbestand über seinen Anwendungsbereich hinaus überdehnt.

Diese Grundsätze gelten für strafbegründende und qualifizierende Umstände gleichermaßen.

Die irrige Annahme qualifizierender Umstände führt zur Strafbarkeit wegen des Versuchs des Qualifikationstatbestandes in Tateinheit mit vollendeter Begehung des Grunddelikts, soweit hierfür der Vorsatz gegeben ist.

Error in obiecto, aberratio ictus und Kausalabweichung

Error in persona vel in obiecto

Hierbei handelt es sich um den Irrtum über die Identität oder über Eigenschaften des Tatobjekts oder Tatopfers. Sind die Identität des Opfers oder seine Eigenschaften, auf die der Irrtum des Täters sich bezieht, fpr den gesetzlichen Tatbestand von Bedeutung, so ist der Vorsatz ausgeschlossen. Andernfalls bleibt der Vorsatz unberührt.

Liegt hiernach eine vorsätzliche Tat vor, da der Irrtum keinen für den Tatbestand wesentlichen Umstand betrifft, so stellt sich die weitere Frage, ob die Ausführung der Tat am “falschen” Objekt zugleich den Versuch am vermeintlichen Objekt enthält.

Gegen diese z.T. in der Lehre vertretene Auffassung spricht, dass dem Täter damit ein dolus cumulativus unterstellt würde, den er tatsächlich nicht hat. Mit der Annahme einer vorsätzlichen Vollendung am verletzten Objekt ist der bestehende Vorsatz rechtlich bereits berücksichtigt und kann nicht willkürlich verdoppelt werden. Zudem wäre die Annahme eines Versuchs nur auf der Basis der irrigen Tätervorstellung über die Identität des Objekts möglich. Die irrige Tätervorstellung stellt einen die Versuchsstrafbarkeit begründenden Tatentschluss jedoch nur im Falle eines umgekehrten Tatbestandsirrtums dar. Gegen dessen Vorliegen spricht aber gerade, dass die Vorstellung über die Identität des Objekts ohne Bedeutung für den Tatbestandsvorsatz ist. Die Mindermeinung kommt mithin zu einer systemwidrigen und der Struktur der §§ 16 I, 22 widersprechenden Lösung. Sie ist unvertretbar!

Aberratio ictus

Die Fallkonstellation des sog. aberratio ictus beschreibt ein Fehlgehen des Kausalverlaufs außerhalb der Herrschaftsphäre des Täters mit der Folge, dass ein anderes als das anvisierte Objekt verletzt wird.

Danach ist der Vorsatz nach § 16 I 1 unstreitig ausgeschlossen, wenn das verletzte Rechtsgut von einem anderen Tatbestand geschützt wird, als das anvisierte. In diesem Falle ist nur eine fahrlässige Vollendung in Tateinheit mit Versuch anzunehmen, wo dies mit Strafe bedroht ist.

Der Vorsatz ist auch anzunehmen, wenn die Verletzung des anderen Rechtsguts alternativ oder kumulativ vom bedingten Vorsatz des Täters umfasst war.

Umstritten ist die Beurteilung solcher Fällen, in denen ein tatbestandlich gleichwertiges Objekt objektiv zurechenbar verletzt wird, ohne dass der bedingt Vorsatz des Täters sich darauf erstreckt.

  • Nach h.M. in Lit. und Rspr. schließt die Konkretisierung des Vorsatzes auf ein bestimmtes Tatobjekt den Vorsatz aus, wenn stattdessen ein anderes verletzt wird (sog. Konkretisierungstheorie). Hiernach kommt es auf die tatbestandliche Gleichwertigkeit der Objekte, anders als in den Fällen des error in obiecto, nicht an. Der Täter wird wegen Versuchs hinsichtlich des gewollten Objekts in Tateinheit mit Fahrlässigkeit (soweit strafbar) hinsichtlich des erzielten Erfolges bestraft.

  • In der Literatur wird dementgegen die Ansicht vertreten, der Vorsatz brauche sich auf die Umstände der Tat nur ihren gattungsbestimmtenden Merkmalen nach zu erstrecken. Hiernach sind die Fälle der aberratio ictus nicht anders zu behandeln, als die Fälle des error in obiecto. Bei tatbestandlicher Gleichwertigkeit der Objekte ist daher Vorsatz anzunehmen (sog. Gleichwertigkeitstheorie).

  • Stellungnahme: Ein sog. aberratio ictus ist der Sache nach eine Fallgruppe der wesentlichen Abweichung vom Kausalverlauf, bei der der objektiv erzielte Erfolg dem Täter nach h.M. subjektiv nicht zugerechnet werden soll. Allerding ist nicht einzusehen, warum ein objektiv nicht außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit liegender Erfolg subjektiv eine wesentliche Abweichung begründen soll. Regelmäßig sind dem Täter nämlich die Umstände, die zu einem “Fehlgehen der Tat” führen können, bewusst. Damit liegt es auch aus Tätersich regelmäßig nicht “außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit”, dass seine Handlung ein anderes aber gleichwertiges Objekt triff. Lediglich in den Fällen, in denen sich der Vorsatz des Täters derart verengt, dass er die Umstände für ein Risiko des möglichen Fehlgehens nicht erkannt hat, ist im Ergenis der h.M. zu folgen.

Abgrenzung error in person/ aberratio ictus

Ein Identitätsirrtum liegt auch dann vor, wenn das Opfer nicht aufgrund eines unmittelbaren Wahrnehmungsfehler fehlidentifiziert wird, sondern wenn die Verwechslung darauf beruht, dass ein Gegenstand fälschlich als Identifikationskennzeichen des Opfers zugeordnet wird.

  • Der Täter glaubt, ein bestimmtes Auto gehöre dem Opfer O und installiert eine Bombe. Hierdurch wird der wahre Autobesitzer A getötet. = Error in persona

  • Aberratio ictus ist dagegen zu bejahen, wenn der Täter die Identifikation richtig vollzogen hat und dann aufgrund abweichender Umstände ein anderes Opfer betroffen wird. Beispiel: Im vorgenannten Beispiel hat der Täter das Auto des O mit der Bombe versehen. Unerwartet leiht sich X das Auto und wird getötet. = Aberratio ictus

Alle übrigen Kausalabweichungen sind nur dann vorsatzausschließend, wenn die Tat aufgrund der Abweichung eine andere Bewertung verdient. Ein Grund dafür liegt meistens darin, dass der Erfolg in völlig anderer Art oder Intensität eingetreten ist.

Mehrfachirrtümer

Kennt der Täter einen Umstand nicht, der die Tatbestandsmäßigkeit seiner Handlung begründet, stellt sich gleichwohl aber ein anderer, die Tatbestandsmäßigkeit begründenden Umstand vor, so wird - jedenfalls bei Tatbeständen, bei denen der Gesetzgeber dies durch eine Auffangklausel ermöglicht der begrifflich fehlende Vorsatz durch den gleichzeitig gegebenen gleichwertigen Tatentschluss ersetzt.

Irrtum unter Tatbeteiligten

I. Auswirkungen des errors in persona vel in obiecto des Tatnächsten auf andere Tatbeteiligte

  1. Mittäterschaft: Der unmittelbar handelnde Mittäter befindet sich in einem error in persona

    • Teilweise wird auf Grundlage der Konkretisierungtheorie vertreten, dass der error in persona des unmittelbar handelnden Mittäters eine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf (aberratio ictus) für den nicht unmittelbar handelnden Mittäter darstelle. Der Vorsatz der Mittäter habe sich auf Grundlage des Tatplanes auf eine bestimmte Person konkretisiert. Die Verwechslung sei damit ein Exzess fpr den nicht unmittelbar handelnden Mittäter. Bei einem Verbrechen komme es nur zu einer Bestrafung aus § 30 II; bei Vergehen scheide eine Bestrafung aus.

    • Nach (zutreffender) h.M. ist der error des unmittelbar Handelnden auch für den anderen Mittäter grundsätzlich unbeachtlich. Da die fragliche Handlung vom Tatplan erfasst ist bleibt die Objektverwechslung bedeutungslos, da alle Mittäter insoweit gleich zu behandeln sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Opfer der Personenverwechslung der betroffene Mittäter selbst ist.

  2. Anstiftung (gilt auch für Beihilfe): Der Täter befindet sich in einem error in persona

    • Teilweise wird wiederum vertreten, dass der error des Täters für den Anstifter eine wesentliche Kausalabweichung darstellt (aberratio ictus). Begründet wird dies auch hier mit der Konkretisierung des Vorsatzes.

    • Nach (auch hier zutreffender) h.M. ist der Anstifter auch insoweit “gleich dem Täter”) (vgl. Wortlaut von § 26) zu behandeln, als der error des einen auch für den anderen (=Anstifter; gleiches gilt für den Gehilfen gem. § 27 I) unbeachtlich ist. Begründung: Der Irrtum des Täters ist für den Anstifter keine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf, weil Objektverwechselungen des unmittelbar Handelnden nicht unwahrscheinlich sind. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn der Anstifter die Individualisierung des Opfers selbst übernommen hat und der Täter von den Individualisierungsvorgaben des Anstifters abweicht.

  3. mittelbare Täterschaft: Das unmittelbar handelnde Werkzeug befindet sich in einem error in persona

    • Nach früher h.M. wurde vertreten, dass der error des Werkzeuges für den Hintermann eine wesentliche Kausalabweichung begründet (aberratio ictus). Begründet wird dies mit der Konkretisierung des Vorsatzes. Der Einsatz eines “menschlichen Werkzeugs” entspreche dem des Einsatzes eines mechanischen Werkzeuges.

    • Nach (zutreffender) im Vordringen befindlicher Auffassung ist der error der Werkzeuges für den Hintermann ebenfalls grundsätzlich unbeachtlich. Begründung: Die Objektverwechslungen des unmittelbar Handelnden - der sich regelmäßig in einem die Strafbarkeit ausschließenden Mangel befindet - ist nicht nur nicht unwahrscheinlich, sondern wegen des Mangels oftmals sogar typisch. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn der Hintermann die Individualisierung des Opfers selbst unmittelbar übernommen hat und das Werkzeug von den Individualisierungsvorgaben des Hintermanns abweicht.

II. Irrtum über die eigene Tatrolle eines Beteiligten

  1. vermeintliche Mittäterschaft: Der Täter glaubt irrig, eine weitere Person beteilige sich als Mittäter an der Tat. Tatsächlich handelt der Täter aber als Alleintäter.

    • Eine Bestrafung aus objektiv vollendeter, mittäterschaftlicher Tat scheidet aus, da es zu keiner mittäterschaftlichen Begehung kommt (sog. Scheinmittäterschaft).

  2. vermeintliche mittelbare Täterschaft: Der Täter glaubt irrig, der unmittelbar Handelnde sei sein gutgläubiges Werkzeug.

    • Objektiv handelt es sich um einen Fall der Anstiftung, da der unmittelbar Handelnde bösgläubig und vorsätzlich handelt. Dem Hintermann fehlt aber der doppelte Anstiftervorsatz, da er den anderen für gutgläubig hält.

    • Gegeben ist nach h.M. ein Fall der versuchten mittelbaren Täterschaft.

    • Etwas anderes gilt nach h.M. aber dann, wenn der Versuch des jeweiligen Tatbestandes nicht strafbar ist. In diesem Fall soll aus vollendeter Anstiftung zu bestrafen sein, da der Wille zur Anstiftung im Willen zur - schwereren - mittelbaren Täterschaft als Minus enthalten sein soll.

  3. vermeintliche Anstiftung: Der Täter glaubt irrig, der unmittelbar Handelnde sei “sein” angestifteter Täter, tatsächlich bleibt er sein “gutgläubiges Werkzeug”.

    • Objektiv handelt es sich um einen Fall der mittelbaren Täterschaft, da der unmittelbar Handelnde gutgläubig und damit unvorsätzlich gehandelt hat. Dem Hintermann fehlt aber das Tatherrschaftsbewusstsein, da er den anderen für bösgläubig hält.

    • Gegeben ist nach h.M. ein Fall der versuchten Anstiftung, die nur in den Fällen des § 20 I 1 Mod. strafbar ist.

Irrtum/ Unkenntnis über das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen

I. Erfordernis eines subjektiven Rechtfertigungselements

Nach ganz h.M. ist ein subjektives Rechtfertigungselement stets erforderlich, abhängig von der jeweiligen Rechtfertigungsnorm.

Mindestvoraussetzung ist stets, dass der Täter die objektiven Element der Rechtfertigung kennt. Dies ist dann nach Auffassung der hL ausreichend.

Nach Auffassung der Rspr. kommt hinzu, dass der Täter den je nach Rechtfertigungsnorm erforderlichen “Verteidigungswillen” haben muss. Unschädlich ist es, wenn der Täter neben dem Willen zur Rechtfertigung noch andere Ziele verfolgt. Der Rechtfertigungswille darf nur nicht ganz in den Hintergrund gedrängt werden.

II. Fehlen des subjektiven Rechtfertigungselements

Fehlt das subjetive Rechtfertigungselement, so sind die Folgen des Fehlens strittig:

  • z.T.: Bestrafung wegen vollendeten Delikts, da Rechtfertigung entfällt.

  • nunmehr h.M.: Das Unrecht einer tatbestandsmäßigen Handlung umfasst sowohl das Handlungsunrecht als auch das Erfolgsunrecht. Beides wird durch eine objektiv und subjektiv gerechtfertigte Handlung beseitigt. Handelt der Täter aber nur objektiv gerechtfertigt, also ohne Rechtfertigungswillen, so wird nur das Erfolgsunrecht einer Tat eliminiert, denn der vom Täter herbeigeführte Erfolg steht letztlich im Einklang mit der Rechtsordnung. Es verbleibt lediglich das Handlungsunrecht.

    • Liegt dieses Handlungsunrecht in einer Vorsatztat, so ist der Täter, da ihm der Deliktserfolg nicht als rechtswidrig zugerechnet wird, nur nach den Regeln des Versuchs strafbar (str. ob direkt oder analog §§ 22 ff.).

    • Liegt das Handlungsunrecht nur in einer bewussten oder unbewussten Sorgfaltswidrigkeit, so kommt - da es einen Versuch der Fahrlässigkeitstat nicht gibt - überhaupt keine Bestrafung in Frage.

III. Irrige Annahme der Rechtfertigung

Nimmt der Täter irrig an, gerechtfertigt zu handeln, so stellt sich zunächst die grundsätzliche Frage, welche Norm das StGB für eine solche Irrtumskonstellation vorgesehen hat.

  1. Vorsatztheorie (z.T.):

    • Nach der überkommenen - strengen - Vorsatztheorie ist das Unrechtsbewusstsein ein Vorsatzmerkmal. Diese Theorie ist nach Einfügung des § 17 in das StGB in der jetzigen Form nicht mehr vertretbar (nicht ansprechen in der Klausur)

    • modifizierte Vorsatztheorie: Das “materielle Unrechtsbewusstsein” - das Bewusstsein der Sozialschädlichkeit - gehört zum Vorsatz. Es entfällt bei einem Rechtfertigungsirrtum, und letzterer wirkt vorsatzausschließend. § 17 erfasst dagegen nur das Fehlen “formellen Unrechtsbewusstseins” - also die Vorstellung, ein bei Strafe verbotenes Verhalten zu verwirklichen.

    • Stellungnahme: Beide Varianten der Vorsatztheorie sind nicht oder nur schwer mit § 17 in Einklang zu bringen.

  2. Schuldtheorie (h.M.):

    Wegen der Nichtvereinbarkeit mit dem Wortlaut des § 17 ist die Schuldtheorie heute ganz vorherrschend.

    • strenge Schuldtheorie (z.T.):

      Das Fehlen des Unrechtsbewusstseins berührt in keinen Fall den Vorsatz. Ganz gleich aus welchem Grund das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit fehlt, es liegt immer ein den Vorsatz unberührt lassender Verbotsirrtum vor (= strenge Schuldtheorie). Folge: Es ist ausnahmslos § 17 anzuwenden.

      Stellungnahme: Die strenge Schuldtheorie erkennt die Rechtsähnlichkeit zwischen einem Irrtum über die sachlichen Voraussetzungen eines Tatbestandsmerkmals und dem Irrtum über die sachlichen Voraussetzungen eines Erlaubnistatbestandsmerkmals nicht. Sie lässt unberücksichtigt, dass der Täter, der nach seiner Vorstellung den objektiven Tatbestand nicht verwirklicht hat (und daher subjektiv den Boden der Rechtsordnung nicht verlassen hat, § 16 I 1), wertungsmäßig demjenigen gleichstehen, der durch irrige Annahme des Vorliegens von Rechtfertigungsmerkmalen (= Annahme der objektiven Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes) den Boden der Rechtsordnung subjektiv ebenfalls nicht verlassen hat.

    • eingeschränkte Schuldtheorie (h.M.):

      Es ist zu differenzieren zwischen dem Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes und dem Irrtum über den Umfang und die Existenz eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes:

      • Nimmt der Täter irrig (tatsächliche oder rechtliche) Umstände auf Voraussetzungsseite eines Erlaubnissatzes an, bei deren Vorliegen die Tat gerechtfertigt wäre (Erlaubnistatbestandsirrtum), so kann nicht wegen Vorsatztat bestraft werden. Beruht der Irrtum auf Fahrlässigkeit, so wird der Täter wegen fahrlässiger Begehung bestraft, falls die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist.

      • Irrt der Täter lediglich über die rechtlichen Grenzen eines anerkannten Rechtsfertigungsgrundes oder nimmt er einen Rechtfertigungsgrund an, den die Rechtsordnung nicht kennt so finden ausschließlich die Grundsätze des Verbotsirrtums Anwendung (Erlaubnisirrtum). War dieser Verbotsirrtum bei gehöriger Anspannung aller Erkenntniskräfte vermeidbar, so ist wegen Vorsatztat (mit Milderungsmöglichkeit) zu bestrafen.

      Umstritten unter den Anhängern der eingeschränkten Schuldtheorie ist, ob bei einem Erlaubnistatbestandsirrtum, der die Bestrafung wegen Vorsatztat ausschließt, noch eine teilnahmefähige, d.h. vorsätzliche Haupttat, angenommen werden kann.

      • Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen (z.T.): Die positiven Merkmale des gesetzlichen Deliktstatbestandes und das Nichtvorliegen eines rechtfertigenden Sachverhalts - die “negativen Tatbestandsmerkmale” - bilden den “Gesamten-Unrechtstatbestand”. Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit werden also zu einer einheitlichen Wertungsstufe verbunden. Damit ist ein Irrtum über einen rechtfertigenden Sachverhalt ein Irrtum über ein “negatives Merkmal des Tatbestandes”. § 16 ist deshalb unmittelbar anwendbar.

        Stellungnahme: Dass der Gesetzgeber von einem ungeschriebenen TBM der Rechtswidrigkeit ausgeht findet an keiner Stelle eine Stütze im Gesetz. Im Gegenteil: Selbst wo “rechtswidrig, zu Unrecht, widerrechtlich” etc. im Wortlaut eines TB genannt sind, handelt es sich nicht immer um TBM. Der Gesetzgeber ist sogar dazu übergegangen, diese bloßen Hinweise auf das allgemeine Verbrechensmerkmal der Rechtswidrigkeit aus dem Wortlaut zu streichen. Die Lehre von den negativen TBM verkennt dies und ist daher abzulehnen.

      • Theorie vom Ausschluss des Vorsatzunrechts (z.T.): Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld sind selbstständige Verbrechensstufen, sodass § 16 keine direkte Aussage über den Rechtsfertigungsirrtum trifft. Der Irrtum auf Rechtswidrigkeitsebene kann daher auch nicht unmittelbar den Tatbestandsvorsatz berühren. Da aber zwischen Tatbestandsirrtum und Erlaubnistatbestandsirrtum kein qualitativer Unterschied besteht, ist das Merkmal “Umstand des gesetzlichen Tatbestandes” des § 16 auf Rechtfertigungs-Umstände zu erweitern. Analog § 16 entfällt damit erst das auf Rechtswidrigkeitsebene zu ermittelnde Vorsatzunrecht.

        Umstritten ist innerhalb dieser Meinungsgruppe, ob wegen analoger Anwendung des § 16 auch das Vorsatzunrecht, d.h. im Deliktsaufbau die Rechtswidrigkeit und damit eine teilnahmefähige Haupttat, entfällt.

        • Geht es um die Bestrafung des Teilnehmers, so liegt eine vorsätzliche Haupttat i.S.d. §§ 26, 27 vor, weil diese Vorschriften nur verlangen, dass der Täter hinsichtlich der unrechtstypischen Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes vorsätzlich gehandelt hat (sog. Unrechtstheorie).

        • Verneint man beim Erlaubnistatbestandsirrtum das Vorsatzunrecht, so ist eine teilnahmefähige Haupttat nicht gegeben. Die sich hieraus ergebenden geringfügigen Strafbarkeitslücken bei Sonderdelikten sind hinzunehmen.

        Nach der letztgenannten Ansicht liegt somit schon keine teilnahmefähige Haupttat vor.

        Stellungnahme: Die Unrechtstheorie ist insgesamt abzulehnen, weil diese Lehre - ähnlich der Lehre von den negativen TBM - den noch verbleibenden Unterschied zwischen Tatbestands- und Erlaubnistatbestandsirrtum einebnet: Derjenige, der sich im Tatbestandsirrtum befindet, weiß nämlich schon nicht, dass er eine Strafnorm verletzt, während der im Erlaubnistatbestandsirrtum Handelnde den konkreten Normappell kennt.

      • Rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheorie (h.M.): Im Falle eines Erlaubnistatbestandsirrtums fehlt es an dem für Vorsatzdelikte typischen Abfallen von den Wertvorstellungen der Rechtsgemeinschaft. Es besteht jedoch ein Unterschied gegenber dem Tatbestandsirrtum, da der Täter den Tatbestand und dessen Appellfunktion kennt. Analog § 16 I 1 entfällt nur die Vorsatzschuld und die Vorsatzstrafe, sodass der Erlaubnistatbestandsirrtum lediglich in seinen Rechtsfolgen einem Tatbestandsirrtum gleichgestellt wird.

Konkurrenzen

I. Arten und Bedeutung der Konkurrenzen

  1. Arten der Konkurrenzen

    • Gesetzeskonkurrenz (z.T. auch Gesetzeseinheit genannt)

      Verwirklichung einer Mehrzahl von Normen, die aber nicht alle aus Klarstellungsgründen im Ergebnis aufgeführt werden müssen, da eine der Normen das Unrecht einer anderen mit enthält. Hier wird eine Gesetzesverletzung durch eine andere im Wege der Gesetzeskonkurrenz, d.h. wegen Spezialität, Subsidiarität oder Konsumtion bzw. als mitbestrafte Vor- oder Nachtat verdrängt. Die verdrängte Norm wird im Schuldspruch nicht aufgeführt. Auch die Teilnahmefähigkeit der Tat wird durch ihr Zurücktreten nicht berührt. Anstiftung und Beihilfe sind daher möglich.

    • Tateinheit (Idealkonkurrenz)

      Im Falle der Verwirklichung mehrerer Gesetzesverletzungen durch dieselbe Handlung wird gemäß § 52 I nur auf eine Strafe erkannt. Man unterscheidet

      • gleichartige Idealkonkurrenz, d.h. die mehrfache Verletzung desselben Gesetzes durch dieselbe Handlung, und

      • ungleichartige Idealkonkurrenz, d.h. die Verletzung mehrerer Strafgesetze durch dieselbe Handlung. Bei ungleichartiger Idealkonkurrenz wird gem. § 52 II die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Diese darf aber nicht milder sein, als es die anderen Gesetze zulassen (eingeschränktes Absorptionsprinzip).

    • Tatmehrheit (Realkonkurrenz)

      Bei der Begehung mehrerer Gesetzesverletzungen durch mehrere Handlungen, wird gem. § 53 I eine Gesamtstrafe gebildet. Hierzu sind zunächst für alle begangenen Gesetzesverletzungen Einzelstrafen zu bilden. Ist eine davon eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird auf diese als Gesamtstrafe erkannt. Dies gilt auch, wenn der Täter mehrfach lebenslange Freiheitsstrafe verwirkt hat. Im Übrigen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der höchsten verwirkten Strafe (Asperationsprinzip) bis zur Höchstgrenze gem. § 38 II unter nochmaliger zusammenfassender Gesamtwürdigung gebildet. Dabei darf die Summe der Einzelstraftaten nicht erreicht werden, § 54 I und II. Es wird also nicht einfach “addiert”. Gem. §§ 52 III, 53 II 2, III kann neben Freiheitsstrafe auch Geldstrafeverhängt werden (Kumulationsprinzip).

      Gem. § 55 gelten die Grundsätze der Gesamtstrafenbildung auch dann, wenn der Angeklagte wegen einer Straftat verurteilt wird, die er vor einer früheren rechtskräftigen Verurteilung begangen hat, und die dabei gegen ihn erkannte Strafe noch nicht vollstreckt, verjährt oder erlassen ist (nachträgliche Gesamtstrafenbildung).

  2. Bedeutung von Konkurrenzen

    • Inhalt des Schuldspruchs -> Bereinigungs- und Klarstellungsfunktion

    • Strafzumessung

II. Prüfungsreihenfolge

  1. Vor der eigentlichen Konkurrenzprüfung ist bereits i.R.d. Prüfung des jeweiligen Delikts zu untersuchen, ob ggf. nur eine scheinbare Mehrheit von Gesetzesverletzungen vorliegt.

  2. Regelmäßig wird in einer Klausur aber eine Mehrheit von Gesetzesverletzungen vorliegen. Die Prüfung in der Klausur erfoglt demnach immer in Richtung Tateinheit, also Idealkonkurrenz:

    Tateinheit ergibt sich von selbst, wenn man sich an der gesetzlichen Regelung des § 52 orientiert und folgendermaßen vorgeht:

    • Zunächst ist zu prüfen, ob die verschiedenen Gesetzesverletzungen eine zumindest teilweise identische Ausführungshandlung zugrunde liegt, oder ob sie durch mehrere Handlungen im natürlichen Sinne begangen wurden.

    • Ist letzteres der Fall, so ist zu prüfen, ob Tateinheit nach den Regeln der natürlichen oder juristischen Handlungseinheit vorliegen.

    • Ist auch eine natürliche oder juristische Handlungseinheit nicht gegeben, so liegt folglich eine Handlungsmehrheit vor.

    a) Handlungseinheit/ Handlungsmehrheit

    • Handlung im natürlichen Sinn

      Eine identische Ausführungshandlung liegt zunächst dann vor, wenn die Gesetzesverletzung durch dieselbe Handlung im natürlichen Sinne begangen wurden. Darunter versteht man die Betätigung eines Handlungsentschlusses durch eine Körperbewegung.

    • Natürliche Handlungseinheit

      Daneben erkennen Rspr. und Lit. eine natürliche Handlungseinheit an, wenn mehrere gleichartige natürliche Handlungen auf der Grundlage desselben Tatentschlusses in engem räumlichen und zeitlichem Zusammenhang vorgenommen werden, so dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise für einen objektiven Dritten als einheitliches zusammengehöriges Tun erscheinen.

      Die Lit. beschränkt die natürliche Handlungseinheit auf die Fälle der sukzessiven (= schrittweisen) oder iterativen (= wiederholten) Verwirklichung desselben Tatbestandes (tatbestandliche Handlungseinheit im weiteren Sinne). Dies begründet nach h.L. nicht nur die Einheitlichkeit der Handlung, sondern das Vorliegen einer einheitlichen Gesetzesverletzung. Dagegen erkennt die Rspr. eine natürliche Handlungseinheit grds. auch bei der Erfüllung unterschiedlicher Tatbestände an.

    • juristische (rechtliche) Handlungseinheit

      Schließlich können mehrere natürliche Handlungen auch aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu demselben Delikt zu einer rechtlichen Handlungseinheit verbunden sein. Dies gilt zunächst für mehraktige und zusammengesetzte Delikte wie auch für Dauerdelikte. Man spricht insoweit auch von tatbestandlicher Handlungseinheit. Auch alle anderen Fälle, bei denen die bloße Wiederholung oder unselbstständige Vertiefung derselben Verletzung einer Strafvorschrift nur eine einzige tatbestandliche Bewertungseinheit bilden, sind zugleich eine juristische Handlungseinheit.

      Eine Klammerwirkung kann entstehen, wenn zwei Delikte, die durch mehrere natürliche Handlungen begangen wurden, in ihrer Ausführungshandlung jeweils teilidentisch mit einem dritten Delikt sind, dem eine tatbestandliche Handlungseinheit zugrunde liegt. Voraussetzung der Klammerwirkung ist jedoch, dass das klammernde Delikt bei konkreter Betrachtung eine annähernde Wertgleichheit mit den zu verklammernden Delikten besitzt, da sonst derjenige, der das Unrecht des klammernden Delikts begeht, besser stünde, als derjenige, der die anderen Delikte ohne gleichzeitige Verwirklichung des dritten Delikts.

      Verteidigt der Täter eines Einbruchdiebstahls die Beute auf der Flucht mit Gewalt, so stehen der Hausfriedensbruch, der zum Zwecke des Diebstahls begangen wurde, die Körperverletzung, die zur Beutesicherung verübt wurde, in Tateinheit. Dies folgt daraus, dass der gesamte Vorgang als räuberischer Diebstahl gem. § 252 zu beurteilen ist.

    b) Gesetzeskonkurrenz

    Im nächsten Prüfungsschritt ist festzustellen, ob einzelne Gesetzesverletzungen hinter anderen aus Gründen der Gesetzeskonkurrenz zurücktreten.

    Der Sache nach liegt Gesetzeskonkurrenz vor, wenn der Unrechtsgehalt einer Handlung durch einen von mehreren, dem Wortlaut nach anwendbaren Straftatbeständen erschöpfend erfasst wird. Der Gesetzeskonkurrenzprüfung kommt mithin eine “Bereinigungsfunktion” im Hinblick auf die im Schuldspruch zu nennenden Vorschriften zu. Maßgebend i.R.d. Gesetzeskonkurrenzprüfung sind die Rechtsgüter, gegen die sich der Angriff des Täters richtet, und die Tatbestände, die das Gesetz zu ihrem Schutz aufstellt. Die Verletzung des durch den einen Straftatbestand geschützten Rechtsgutes muss eine - wenn nicht notwendige, so doch regelmäßige - Erscheinungsform des anderen Tatbestandes sein. Eine gesetzliche Regelung dieses Bereichs besteht nur für die formelle Subsidiarität. Die weiteren Einzelheiten sind daher regelmäßig umstritten.

    Eine Annahme von Gesetzeskonkurrenz kommt sowohl bei der Bejahung von Handlungseinheit als auch von Handlungsmehrheit in Betracht.

    • Gesetzeskonkurrenz bei Handlungseinheit

      • Spezialität:

        Spezialität liegt vor, wenn ein Tatbestand sämtliche Merkmale eines anderen sowie mindestens ein weiteres enthält oder die begrifflichen Merkmale des anderen Tatbestandes verengt werden. Das spezieller Delikt für eine Tat verdrängt dann das allgemeinere.

      • Subsidiarität:

        Von Subsidiarität spricht man, wenn ein Tatbestand neben einem anderen nur hilfsweise anwendbar ist. Dies kann gesetzlich geregelt sein (formelle Subsidiarität) oder sich aus dem materiellen Gehalt der Norm, nämlich Schutzzweck, Charakter und Begehungsweise, ergeben (materielle Subsidiarität). Subsidiarität kommt sowohl bei Handlungseinheit als auch bei Handlungsmehrheit in Betracht. Letzterenfalls spricht man von mitbestrafter Vortat oder Nachtat.

        In jedem vollendeten Vorsatzdelikt steckt ein Versuch. Dessen Zurücktreten hinter der Vollendungsstrafbarkeit ist so selbstverständlich, dass er nicht besonders geprüft wird.

      • Konsumption:

        Ein Fall der Konsumption liegt vor, wenn ein Delikt zwar nicht notwendigerweise, wohl aber typischerweise vor, neben oder nach anderen Delikten begangen wird und die von ihm erfasste Rechtsgutverletzung bereits durch die Bestrafung wegen des anderen Delikts abgegolten wird.

    • Gesetzeskonkurrenz bei Handlungsmehrheit

      Auch bei Handlungsmehrheit gibt es Gesetzeskonkurrenz. Man spricht dann von mitbestrafter Vortat oder Nachtat.

    c) Ideal- und Realkonkurrenz

    Nach Abschluss der Prüfung der Gesetzeskonkurrenz gibt es wiederum mehrere Möglichkeiten:

    • Bleibt nur noch eine Vorschrift übrig, so ist aus dieser zu bestrafen.

    • Bleiben mehrere handlungseinheitlich begangene Vorschriften übrig, so stehen diese in Idealkonkurrenz (oder Tateinheit); es greift § 52.

    • Bleiben mehrere handlungsmehrheitlich begangene Vorschriften übrig, so stehen sie in Realkonkurrenz (oder Tatmehrheit); es greift § 53.

    • Denkbar ist auch, dass sowohl § 52 als auch § 53 greift.

Author

Ann-kathrin L.

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