Was ist Klinische Psychologie?
Klinische Psychologie ist dasjenige Teilgebiet der Psychologie, das sich mit psychischen Störungen und psychischen Faktoren bei somatischen Erkrankungen in der Forschung, der Diagnostik und Therapie beschäftigt:
▪ Ätiologie und Bedingungsanalyse
▪ Klassifikation und Diagnostik
▪ Prävention, Psychotherapie und Rehabilitation
▪ Epidemiologie, Gesundheitsversorgung und Evaluation
Was ist Psychotherapie (als Teilgebiet der Klinischen Psychologie)?
Psychotherapie (als Teilgebiet der Klinischen Psychologie) ist...
... ein bewusster und geplanter Interaktionsprozess zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen und Leideszuständen... mit psychologischen Mitteln verbal und averbal, in Richtung auf ein definiertes Ziel (Symptom- Minimierung und/oder Strukturänderung der Persönlichkeit) mittels lehrbarer Techniken auf der Basis einer Theorie.“
Was ist das PsychThG zur Berufsausübung?
PsychThG §1, Absatz 2 und 3 (Berufsausübung): „Ausübung der Psychotherapie im Sinne dieses Gesetzes ist jede mittels wissenschaftlich geprüfter und anerkannter psychotherapeutischer Verfahren oder Methoden (...) zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist.“ „Zum Beruf der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten gehört neben der Psychotherapie auch die Beratung, Prävention und Rehabilitation zur Erhaltung, Förderung und Wiederherstellung der psychischen Gesundheit der Bevölkerung.“
Was ist Evidenzbasierung?
Evidenzbasierung [Evd.; engl. evidence-based auf Nachweise gegründet, nachweisorientiert], bezeichnet die Berücksichtigung und Nutzung der besten verfügbaren Informationen, wenn Entscheidungen getroffen oder Empfehlungen gegeben werden ... und fordert die systematische Begründung und Integration möglichst aller empirischer Befunde aus hochwertiger Forschung (höchste Evidenz), wenn eine definierte Fragestellung beantwortet werden soll. Im Kontrast zur klassischen Entscheidungsbegründung (insbes. durch Expertenmeinungen (despektierlich: «Eminenzbasierung») werden gezielt identifizierte empirische Nachweise als Grundlage von Entscheidungen eingefordert.
Psychotherapieforschung: Vergleich zwischen Psychodynamik und KVT
Was ist Klassifikation?
Definition: Einteilung oder Einordnung von Phänomenen, die durch bestimmte gemeinsame Merkmale charakterisiert sind, in ein nach Klassen geordnetes System. Spezifisch sind damit die Taxonomie (Systematische Ordnung nach festen Regeln) sowie die diagnostische Identifikation (Zuordnung von Merkmalen oder Individuen zu diagnostischen Klassen) angesprochen.
Ziele und Nutzen von Klassifikation
Beschreibung von psych. Störungen für klinische und
wissenschaftliche Zwecke
Erleichtern die (interdisziplinäre) Kommunikation
Nachvollziehbare und überprüfbare (reliable) Ableitung von Diagnosen
Prognose / Vorhersage
Institutionelle & Interventionszuweisung bis hin zur Ableitung spezifischen Interventionen
Klassifikation in der Geschichte
Altes Ägypten & Antikes Griechenland: Beschreibung verschiedener Störungsbilder, z.B. Melancholie, Hysterie, Senilität, Alkoholismus
Mittelalter: Klassifikation versch. Dämonen, die für das Auftreten psychischer Krankheiten verantwortlich gemacht wurden
Philippe Pinel (1745-1826): Beginn der formalen Klassifikation psychischer Störungen nach dem Vorbild der Biologie
Emil Kraepelin (1856-1926): Klassifikation der Störungen erfolgt anhand der Symptome (Grundlagen des heutigen Klassifikationssystems
Seit 1893: Erste Vorläufer unseres heutigen Klassifikationssystems (ICD-1) mittels Sterbeursachenstatistikregister
Welche aktuellen Klassifikationssysteme gibt es?
DSM-V (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders)
ICD-10 und ICD-11 (International Classification of Diseases)
Vor und Nachteile kategorialer Diagnostik
Vorteile kategorialer Diagnostik
Nachteile kategorialer Diagnostik
Kategoriale Diagnostik -> Wichtig für die Therapie / Beziehung?
▪ Psychische Störungen (vgl. Heterogenität der Definition) sind keine Entitäten sondern Konstrukte!
▪ Kriterien und Diagnosen sind wissenschaftliche Konsensentscheidungen (und werden fortlaufend entsprechend des Wissenstandes angepasst/gestrichen oder neu hinzugefügt)
▪ Stigmata verbunden mit kategorialer Diagnostik sind insbesondere bei psychischen Störungen „ein Problem“
▪ Menschen sind nicht psychisch gestört, Menschen haben keine psychische Störung sondern sie erfüllen die Kriterien für eine psychische Störung!
aktuelles Beispiel: Homosexualität wurde erst 1987 aus dem DSM-III-R gestrichen und 1991 auch aus dem ICD-10!!
Menschen sind nicht psychisch gestört, Menschen haben keine psychische Störung sondern sie erfüllen die Kriterien für eine psychische Störung!
-> Wie hilft diese Ansicht in der Therapie?
—> Diese Ansicht ist auch in der Therapie hilfreich:
▪ Gesunde „Distanz“ zur Problematik
▪ Steigert (oder erhält) Selbstwert
▪ Induziert Optimismus und Hoffnung
▪ Fördert Veränderungsmotivation
Häufigkeit psych. Störungen in der EU (12-M-Präv)
Global Burden of Disease (WHO, 2002)
Was ist die Prävalenz, Prävelanzrate, Inzidenz, und verschiedene zeitliche Bezüge?
▪ Prävalenz: Häufigkeit einer Störung
▪ Prävalenzrate: Prozentsatz aller Krankheitsfälle in einer definierten Population zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. innerhalb einer bestimmten Zeitperiode
„Wahre“ Prävalenz: Häufigkeit von Erkrankungen möglichst repräsentativ anhand einer möglichst vollständigen Untersuchung der Gesamtbevölkerung
Behandlungsprävalenz: nur diejenigen, die auch in Kontakt mit Versorgungs- bzw. Behandlungseinrichtungen stehen
Administrative Prävalenz: beruht ausschließlich auf administrativen Routinestatistiken
▪ Inzidenz: Häufigkeit des Neuauftretens einer Erkrankung
▪ Zeitangaben: Prävalenz- und Inzidenzangaben haben einen zeitlichen Bezug
Punktprävalenz: Häufigkeit an einem bestimmten Stichtag
12-Monats-Prävalenz: Häufigkeit für das vergangene Jahr
Lebenszeitprävalenz: Häufigkeit über die (bisherige) Lebensspanne
Epidemiologie - Wichtige Kennwerte
▪ Risikofaktor: Variable, die das Auftreten einer Erkrankung begünstigt (z. B. frühkindliche Traumatisierung)
▪ Protektiver Faktor: Faktor, der bei gegebener Risikokonstellation das Auftreten einer Störung verhindert (z. B. soziale Unterstützung als stressmindernder Faktor)
▪ variabler Faktor: kann sich selbst verändern (z. B. Alter oder Körpergewicht) oder experimentell beeinflusst werden (z. B. Medikamenteneinnahme)
▪ fester Marker: ist unveränderlich (z. B. Geschlecht)
Psychodynamische Perspektive
▪ Psychodynamische Ansätze
▪ Franz Mesmer (1734-1815, Wien): Ursache ist biologisch „magnetische Allflut“, Hysterie und Hypnose
▪ Jean Charcot (1825-1983; Paris): Psychische Störungen und ZNS,„mental“ behandelbar mit Hypnose
▪ Josef Breuer (1842-1925, Wien): Lösung psychischer Spannungen durch kathartische Methode (Durchleben früherer Traumata, Entladen emotionaler Spannung), Behandlung mitHypnose/“Redekur“
▪ Siegmund Freud (1856-1939, Wien): Breuers Schüler und„Gründungsvater der Psychoanalyse“
Zentrale Annahme: Unbewusste innere Konflikte lösen psychische Störungen aus
Psychodynamische Perspektiven:
was ist aus Freuds Theorie weiter hervorgegangen?
einflussreiche Erkenntnisse dieser Schulen?
Aus Freuds Psychoanalyse sind viele verschiedene Schulen hervorgetreten, z.B.
▪ Carl Gustav Jung => Analytische Psychologie
▪ Alfred Adler => Individualpsychologie
Eugen Bleuler (1857-1937) Begriff Tiefenpsychologie: fasst alle psychologischen und psychotherapeutischen Ansätze zusammen, die den unbewussten seelischen Vorgängen „unter der bewussten Oberfläche“ einen hohen Stellenwert für die Erklärung menschlichen Verhaltens und Erlebens beimessen.
Einflussreiche Erkenntnisse früher psychodynamischer Theorien:
Kindheitserfahrungen haben eine hohe Relevanz für die Persönlichkeitsbildung
Unser Verhalten wird von unbewussten Prozessen beeinflusst
Ursachen und Zweck menschlichen Verhaltens sind nicht immer offenkundig
Behavioristische Perspektive:
welche 3 Grundlagenexperimente gibt es?
▪ Pawlow (1849-1935) und seine Hunde: klassische Konditionierung (erste Experimente 1905)
Watson (1878-1958) und der kleine Albert
• Fokus auf beobachtbaren Verhalten (nicht auf Gedanken, lehnt Bewusstsein ab)
• Angst kann konditioniert werden
Skinner und seine Ratten
▪ formulierte das Gesetz der Wirkung um in das Verstärkungsprinzip, unterschied 2 Arten von Verstärkung:
▪ Positive Verstärkung ▪ Negative Verstärkung
Verhaltenstherapie seit den 50ern (Beginn)
1958 (Joseph Wolpe, 1915-1997), Therapie von Angststörungen
Systematische Desensibilisierung:
1. Muskelentspannung
2. ansteigende Exposition mit dem angstbesetzten Stimulus
Exposition mit Reaktionsverhinderung:
1. Konfrontation mit dem angstbesetzten Stimulus
2. Dauer der Konfrontation so lange, bis Habituation einsetzt, d.h. eine deutliche Abnahme der negativen Gefühle erfolgt
Kognitive Perspektive
▪ Ausschließlicher Fokus auf Verhalten nicht ausreichend (seit Beginn der 60er), „2. Welle“, Kognitive Wende
▪ Kognitionen/Bewertungen und Interpretation wichtig
▪ Kognitive Therapie: Psychische Störungen maßgeblich dadurch bestimmt, wie Personen sich selbst und ihre Umwelt wahrnehmen / bewerten / interpretieren.
Ellis: Rational-Emotive Therapie
Beck: Kognitive Therapie
Meichenbaum: Stressimpfungstraining
Emotionale Perspektive
▪ Emotionen & Achtsamkeit: Denken alleine reicht nicht aus,Emotionale Wende „3. Welle“
▪ Störungsübergreifende Therapien: Schematherapie (Young, 2003), Emotionsfokussierte Therapie (Greenberg, 2002,2005)
▪ Achtsamkeitsbasierte Therapien: Mindfulness-Based Stress- Reduction MBSR (Kabat-Zinn, 1990), Acceptance and Commitment Therapie ACT (Hayes, 1999)
Integrative Perspektive: das eine große Modell :))
Vulnerabilitäts-Stress-Modell
Integrative Perspektive: vereinfachtes Modell
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