In welche zwei Arten lassen sich die Grundrechte im Grundgesetz einteilen?
Arten von Grundrechten im Grundgesetz:
Freiheitsgrundrechte
= Geben dem Einzelnen die Freiheit, etwas zu tun
Beispiel: Versammlungsfreiheit, Art. 8 GG gibt die Freiheit, auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren
Gleichheitsgrundrechte
= Garantieren Gleichheitbehandlung durch den Staat
Beispiel:
Wann liegt eine Grundrechtsverletzung vor?
= Ein Bürger ist immer dann in seinem Grundrecht verletzt, wenn in nicht gerechtfertigter Weise in den Schutzbereich des Grundrechts eingegriffen wird
Prüfungsschema:
In welchen drei Schritten prüft man die Verletzung eines Freiheitsgrundsrechts?
Verletzung eines Freiheitsgrundrechts:
I. Schutzbereich
-> “Fällt das Verhalten des Bürgers in den Schutzbereich eines Grundrechts?”
Persönlicher Schutzbereich
-> “Darf sich der Bürger auf das Grundrecht berufen?”
> Natürliche vs. juristische Person
> Jedermann-Grundrecht vs. Deutschen-Grundrecht
Sachlicher Schutzbereich
-> “Was ist der Schutzgegenstand des Grundrechts und welches Verhalten wird geschützt?”
> Abhängig vom jeweiligen Grundrecht
II. Eingriff
-> “Hat der Staat durch das Gesetz in den Schutzbereich des Grundrechts eingegriffen?”
> Klassischer vs. moderner Eingriffsbegriff
III. Rechtfertigung
Schranken des Grundrechts
-> “Wie kann das Grundrecht eingeschränkt werden?”
Schranken-Schranken
-> “Wurde die Schranke durch das Gesetz verfassungsgemäß konkretisiert?”
a) Formelle Verfassungsmäßigkeit
b) Verhältnismäßigkeit
c) Anforderungen des Art. 19 GG
Definiere Jedermann-Grundrechte!
Definiere Deutschen-Grundrechte!
Jedermann-Grundrechte
= Grundrechte, auf die sich jeder Grundrechtsträger berufen darf
Beispiel: Art. 2 I GG (“Jeder”)
Deutschen-Grundrechte
= Grundrechte, auf die sich nur Deutsche i.S.d. Art. 116 I GG berufen dürfen*
Beispiel: Art. 8 I GG (“Alle Deutschen”)
*Sowie EU-Ausländer wegen Diskriminierungsverbot aus Art. 18 AEUV
Wonach ist zu unterscheiden, wenn sich ein Ausländer (= Ohne Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit) auf ein Deutschen-Grundrecht beruft?
= Danach zu unterscheiden, ob es sich um einen
Nicht-EU-Ausländer oder
EU-Ausländer
Beispiel: Amerikaner
Beispiel: Spanier
-> Kann sich nicht auf Deutschen-Grundrechte berufen
-> Umstritten (vgl. Streit)
Ergebnis: Kann sich wegen des Diskriminierungsverbots aus Art. 18 AEUV auch auf Deutschen-Grundrechte berufen
handelt
Streit:
Kann sich ein EU-Ausländer auf Deutschen-Grundrechte berufen?
Nach Art. 18 AEUV darf kein Staatsbürger der EU aufgrund seiner Staatsangehörigkeit diskriminiert werden
-> Dürften sich EU-Ausländer nicht auf Deutschen-Grundrechte berufen (welche idR mehr schützen, als nur Art. 2 I GG), würde dies eine solche Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit darstellen
-> Daher Gleichstellung von EU-Bürgern notwendig, durch zwei Ansätze:
Ein Ansicht: Art. 2 I GG mit Schutzniveau von speziellem GR
=> Ja, ein EU-Ausländer kann sich auf Deutschen-Grundrechte berufen, indem Art. 2 I GG mit dem Schutzniveau von dem speziellen Deutschen-Grundrecht aufzuladen ist (Quasi durch Leihen der Schranke)
Andere Ansicht: Europarechtskonforme Auslegung (h.M.)
=> Ja, ein EU-Ausländer kann sich auf Deutschen-Grundrechte berufen, indem das Deutschen-Grundrecht europarechtskonform auszulegen ist, sodass es auch für EU-Ausländer gilt
Beide Ansichten gewährleisten das gleiche Schutzniveau, nur die dogmatische Herleitung unterscheidet sich
-> Deshalb kein Streitentscheid notwendig
Können sich juristische Personen auf Grundrechte berufen?
Juristische Personen des Priavtrechts
Juristische Personen des Öffentlichen Rechts
Ja, wenn die Voraussetzungen des Art. 119 III GG vorliegen
Grundsätzlich: Nein
Ausnahmen: Ausnahmentrias (dann auch wenn Voraussetzungen des Art. 119 III GG vorliegen)
Was sind die Voraussetzungen des Art. 119 III GG?
Voraussetzungen des Art. 19 III GG:
I. Juristische Person
= Jede rechtsfähige Personenmehrheit
II. Inländisch
= Der Hauptverwaltungssitz der juristischen Person liegt in Deutschland (bzw. bei ausländischen juristischen Personen in EU-Mitgliedsstaat wegen europarechtskonformer Auslegung des Art. 18 AUEV)
III. Wesensmäßige Anwendbarkeit des Grundrechts auf die juristische Person
= Liegt vor, wenn eine juristische Person in vergleichbarer Weise durch den Staat beeinträchtigt wird wie eine natürliche Person (Grundrechtstypische Gefährdungslage)
Was besagt das Konfusionsargument hinsichtlich juristischer Personen des öffentlichen Rechts?
Welche Ausnahmen gibt es vom Grundsatzfall des Konfusionsarguments?
Konfusionsargument
Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind grundrechtsgebunden (Art. 1 III GG)
-> Grundrechtsbindung und Grundrechtsträgerschaft schließen sich gegenseitig aus
Ausnahmen vom Grundsatz des Konfusionsarguments (Ausnahmetrias):
Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten (z.B. WDR; NDR) können sich auf die Runfunkfreiheit aus Art. 5 I 2 GG berufen
Universitäten können sich auf die Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 III GG berufen
Öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften können sich auf die Religionsfreiheit aus Art. 4 GG berufen
Warum gibt es die Ausnahmen vom Grundsatz des Konfusionsarguments?
Grund für die Ausnahmen: Grundrechtstypische Gefährdungslage
-> Die drei juristischen Personen der Ausnahmetrias führen alle eine Tätigkeit aus, die ganz eindeutig einem Grundrecht zugeordnet werden kann. Die Juristische Person gibt es in ihrem Bereich nur, damit der einzelne Bürger seine Grundrechte verwirklichen kann
Beispiel: Eine Universität schafft die Rahmenbedingungen für Menschen, die wissenschaftlich forschen wollen. Wenn jetzt der Staat ein Gesetz erlässt, um diese Strukturen anzugreifen, befindet sich die Universität in einer grundrechtstypischen Gefährdungslage. Sie steht dem Staat dann genau so gegenüber wie ein normaler Bürger. Deshalb muss sich die Universität trotz ihrer Eigenschaft als juristische Person des öffentlichen Rechts in diesem Bereich auf die Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 III GG berufen können
Was liegt ein Eingriff nach dem klassischen Eingriffsbegriff vor?
Klassischer Eingriffsbegriff
= Ein Eingriff ist jedes staatliche Handeln, welches final, unmittelbar, imperativ und durch Rechtsakt den Schutzbereich eines Grundrechtes verkürzt
Final
= Der Eingriff wird gezielt bezweckt und ist keine unbeabsichtigte Nebenfolge
Unmittelbar
= Es liegen keine weiteren Zwischenursachen vor
Imperativ
= Der Staat handelt mit einem Ge- oder Verbot
Rechtsakt
= z.B. Gesetz; Rechtsverordnung; Verwaltungsakt
Warum ist der klassische Eingriffsbegriff zu eng gefasst?
= Weil staatliche Maßnahmen, die nicht final, mittelbar, imperativ oder rechtsförmlich sind, nach dem klassischen Eingriffsbegriff keinen Eingriff darstellen würden, auch wenn die getroffenen Maßnahmen den Schutzbereiches eines Grundrechts eindeutig beeinträchtigen
Der Staat ist durch Art. 1 III GG bei jedem staatlichen Handeln an die Grundrechte gebunden und nicht nur bei finalen, mittelbaren, imperativen und rechtsförmlichen Maßnahmen!
Beispiele:
(1) Die Polizei verfolgt einen bewaffneten Täter. Um diesen zu stoppen, will ein Polizist dem Täter ins Bein schießen. Der Polizist schießt daneben und trifft dabei einen unbeteiligten Passanten. Der Passant wird in seinem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 II 1 GG beeinträchtigt
-> Dass der Schuss den Passanten trifft war nicht beabsichtigt und daher eine unbeabsichtigte Nebenfolge, sodass nach dem klassischen Eingriffsbegriff kein Eingriff vorliegen würde
(2) Die Bundesregierung gibt eine Studie zum Thema Gesundheit vo Bierkonsum in Auftrag. Das Ergebnis der Studie lautet, dass Bier krebserregend ist. Dieses Ergebnis veröffentlicht die Bundesregierung in einer Pressemitteilung. Daraufhin kaufen viel weniger Menschen Bier, sodass Bierbrauer und Landwirte pleite gehen und sich in ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 GG verletzt sehen.
-> Es wird durch die Bundesregierung nicht verboten, Bier zu verkaufen, sondern nur darauf hingewiesen, dass Bier krebserregend ist. Dies stellt keinen unmittelbaren, sondern lediglich einen mittelbaren Eingriff dar, sodass nach dem klassischen Eingriffsbegriff kein Eingriff vorliegen würde
(3) Der Staat hört das Telefon eines Bürgers ohne Ermächtigungsgrundlage ab. Dieser sieht sich in seinem Grundrecht aus Art. 10 GG verletzt
-> Dabei handelt es sich nicht um eine imperative Maßnahme (Kein Ge- oder Verbot), sodass nach dem klassischen Eingriffsbegriff kein Eingriff vorliegen würde
(4) Ein Straßenmusiker musiziert in der Fußgängerzone. Die Polizei kommt vorbei, findet die Musik störend und ein Polizist schlägt dem Straßenmusiker mit dem Schlagstock. Der Straßenmusiker wird dadurch in seinem Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 II 1 GG verletzt
-> Bei dem Schlagen mit dem Schlagstock handelt es sich nicht um einen Rechtsakt (z.B. Gesetz; Rechtsverordnung; Verwaltungsakt), sondern um einen Realakt, sodass nach dem klassischen Eingriffsbegriff kein Eingriff vorliegen würde
Wann liegt ein Eingriff nach dem modernen Eingriffsbegriff vor?
Moderner Eingriffsbegriff
= Ein Eingriff ist jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, das dem Schutzbereich unterfällt, ganz oder teilweise unmöglich macht oder zumindest wesentlich erschwert
Grundsätzlich kann jedes Grundrecht eingeschränkt werden. Welche drei möglichen Schranken eines Grundrechts gibt es?
Mögliche Schranken eines Grundrechts:
Einfacher Gesetzesvorbehalt
= Liegt vor, wenn der Wortlaut des Gesetzes nur verlangt, dass der Eingriff “durch” oder “aufgrund eines Gesetzes” erfolgt
Beispiel: Art. 8 II GG
Qualifizierter Gesetzesvorbehalt
= Liegt vor, wenn das Grundgesetz besondere Anforderungen an das einschränkende Gesetz stellt
Beispiel: Art. 5 II GG
Kollidierendes Verfassungsrecht
= Vorbehaltslos gewährleistete Grundrechte (= haben weder einen einfachen, noch einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt) können nur durch verfassungsimmanente Schranken (= Schranken ergeben sich aus der Verfassung selbts) eingeschränkt werden
Beispiel: Art. 5 III GG
Was prüft man, wenn die Schranke des Grundrechts ein einfacher Gesetzesvorbehalt ist?
Prüfung: Schranke ist einfacher Gesetzesvorbehalt:
Bei III. Rechtfertigung
a) Einfacher Gesetzesvorbehalt
> Schranke des Grundrechts ist einfacher Gesetzesvorbehalt
b) Konkretisierung
> Hat der Gesetzgeber durch Erlass des Gesetzes von der Schranke Gebrauch gemacht? (= Ist Grundrecht dadurch beschränkt?)
Was prüft man, wenn die Schranke des Grundrechts ein qualifizierter Gesetzesvorbehalt ist?
Prüfung: Schranke ist qualifizierter Gesetzesvorbehalt:
a) Qualifizierter Gesetzesvorbehalt
> Schranke des Grundrechts ist qualifizierter Gesetzesvorbehalt
> Erfüllt das erlassene Gesetz die Anforderungen des qualifizierten Gesetzesvorbehalts?
Was prüft man, wenn die Schranke des Grundrechts kollidierendes Verfassungsrecht ist?
Prüfung: Schranke ist kollidierendes Verfassungsrecht:
a) Kollidierendes Verfassungsrecht
> Schranke des Grundrechts ist kollidierendes Verfassungsrecht
> Durch welches kollidierende Verfassungsrecht (z.B. Grundrechte Dritter; Sonstige Güter von Verfassungsrang, wie Staatsstrukturprinzipien) wird das Grundrecht im konkreten Fall eingeschränkt?
In welchen vier Schritten prüft man die Verhältnismäßigkeit?
Prüfung der Verhältnismäßigkeit:
Legitimer Zweck
-> Das Gesetz muss einen legitimen Zweck verfolgen
= Grundsätzlich ist jeder sachlich nachvollziehbare Grund ein legitimer Zweck
Ausnahme: Für vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte muss der legitime Zweck kollidierendes Verfassungsrecht sein
Geeignetheit des Mittels
-> Das Gesetz muss geeignet sein, diesen legitimen Zweck zu erreichen
= Ein Mittel ist geeignet, wenn es die Erreichung des legitimen Zwecks zumindest fördert
Erforderlichkeit
= Das Mittel ist erforderlich, wenn kein milderes aber ebenso wirksames Mittel zur Verfügung steht
Angemessenheit
= Die Angemessenheit ist gewahrt, wenn das Mittel (Der Eingriff in das Grundrecht) nicht außer Verhältnis zum verfolgten legitimen Zweck steht
a) Prüfungsmaßstab
> Welche Abwägungsgüter stehen sich gegenüber? (Legitimer Zweck vs. Eingriff in das Grundrecht)
b) Abstrakte Gewichtung von Zweck und Mittel
> Wie wichtig sind Zweck und Grundrecht losgelöst vom Fall? (Verfassungsrang?; GR = wichtiges GR/vorbehaltlos gewährleistet GR?)
c) Eingriffsintensität
> Wie hart wird in das Grundrecht eingegriffen? (Ausnahmen; Übergangsregelungen; Ab wann gilt das Gesetz)
d) Abwägung von Zweck und Mittel
> Stehen Zweck und Mittel in einem angemessenen Verhältnis zu einander?
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