Buffl

5. Psychodynamische Verfahren

ND
by Nipu D.

Psychodynamische Psychotherapien

Historischer und theoretischer Hintergrund


Weiterentwicklungen der Psychoanalyse

Ich-Psychologie (Anna Freud, Heinz Hartmann u.a.) :

▪ Fokus: Ich-Funktionen (nicht: Unbewusstes), Ich-Funktionen von Es

autonom, Anpassungsleistungen des Menschen an seine Umwelt

Autonome Ich-Funktionen:

Intention, Motorik, Denken, Realitätsprüfung, Anpassung, usw.

Ich-Funktionen zur Konfliktbewältigung:

Abwehrmechanismen z.B. Sublimierung, Projektion, Regression,

Reaktionsbildung, etc.


Objektbeziehungstheorie (Melanie Klein, Donald Winnicott u.a.):

▪ Fokus: Beziehungen als Zentrum des seelischen Erlebens

▪ Paradigmen-Wechsel vom Ein-Person-Modell der klassischen

Psychoanalyse zum Zwei-Personen-Modell des modernen

psychoanalytischen Denkens

▪ Das Objekt als das Gegenüber

▪ Psychische Strukturen entwickeln sich als Folge und Ergebnis von

internalisierten Objektbeziehungen:

− Jede reale Begegnung mit Objekt wird verinnerlicht

− Pathologisch verinnerlichte Objektbeziehungen

➢ seelische Störung


Selbstpsychologie (Heinz Kohut u.a.) :

▪ Fokus: Entwicklung der Struktur des Selbst (= selbstreflektierter

Teil des Ich), Entwicklung und Entfaltung des Selbst und seiner

Talente und Fertigkeiten

▪ Ziel: Narzisstische Homöostase (= stabiles Selbstwerterleben;

kohärentes, autonomes Grundgefühl vom eigenen Selbst &

dessen Wert)

▪ Mütterliche Empathie als Voraussetzung für die Entwicklung

eines gesunden Selbstgefühls


Integrativer Ansatz :

▪ Fasst diese verschiedenen Richtungen zusammen

(Kernberg, 1976)

▪ Bestimmt heute den Mainstream der Psychoanalyse

Psychodynamische Psychotherapien

▪ Formen psychoanalytisch begründeter

Therapieverfahren


Psychoanalyse

▪ Sitzungen: Frequenz, Dauer, Anzahl unbegrenzt

▪ Setting: im Liegen, zu Therapeut*in kein Blickkontakt

▪ Ziel: Veränderung der Persönlichkeitsstruktur von Patient*innen

▪ Basis: Aufbau von intensiver emotionaler Beziehung zwischen

Analysand und Analytiker*in

▪ Aktivierung, Wiedererleben und Korrektur vergangener

Beziehungserfahrungen und Konflikte durch die Beziehung zum

Analytiker*in („Übertragung“; „emotional korrigierende

Erfahrung“)


▪ Fokus: subjektives Realitätserleben von Patient*innen

▪ Regressionsprozess zentral (= zeitlich begrenzter Rückzug auf

frühere psychische Entwicklungsstufen)

▪ Funktion der Liegeposition:

➢ Abschirmung von Einflüssen des*r Analytiker*in

➢ Förderung der Regression durch Verringerung der Selbst- &

Fremdkontrolle


Psychoanalytische Techniken

▪ Freie Assoziation: Grundregel der psychoanalytischen Behandlung, d.h. kein Gedanke des

Analysanden soll unausgesprochen bleiben → ermöglicht unbewusste Motive auszudrücken

▪ Klären (= Klarifizieren): Nachfragen, Zusammenfassen und Ordnen des Materials, um Klarheit

über subjektiv erlebte Realität zu erhalten

▪ Konfrontieren: Hinweis auf widersprüchliche Aspekte, Widerstand, etc.

▪ Deuten: Übersetzung der Produktionen in unbewusste Vorläufer mit dem Ziel, Zusammenhang

zwischen manifestem Erleben und Verhalten und unbewussten Motiven, Wünschen usw.

herzustellen

▪ Übertragung: Wiedererleben vergangener Beziehungserfahrungen in der Beziehung zum*r

Analytiker*in

▪ Gegenübertragung: bewusste und unbewusste Reaktionen des*r Analytiker*in auf

Analysanden und dessen Übertragung

Psychodynamische Psychotherapien

▪ Empirischer Stand

Psychodynamische Schulen begegneten empirischer Effektivitätsforschung lange Zeit

mit Skepsis

▪ Ausmaß der durch Therapie ausgelösten psychischen Vorgänge zu komplex, um

sie mit verfügbaren Instrumenten zu erfassen

▪ Diese Einschätzung ändert sich zunehmend → Annäherung an empirische

Wirksamkeitsprüfung

▪ Zunehmende Entwicklung manualisierter, störungsbezogener, psychodynamischer

Therapieprogramme


Kaum empirische Forschung zu psychodynamischer Langzeittherapie:

▪ Studien berichten bedeutsame und stabile Effekte (z.B. Knekt et al., 2008; Leichsenring

et al. 2008)

▪ Quantifizierung der Effekte in einer Metaanalyse von Leichsenring und Rabung

(2008; 11 RCT und 12 Beobachtungsstudien) mit Prä-Post-Effektstärken von d = .96

▪ Kritik an der methodischen Qualität dieser Studie und der Validität der

Schlussfolgerungen (z.B. Rief & Hofmann, 2009; Roseborough, 2010)


▪ Metaanalyse (DeMaat et al. 2009)

− d = 0.87 für Prä-Post-Veränderungen und zusätzlicher Anstieg zum

Follow-Up-Zeitpunkt (d=1.18)

− Abermals: Hinweis der Autoren auf unbefriedigende methodische

Qualität einbezogener Studien

▪ Metaanalyse der Cochrane Collaboration (Malmberg et al. 2010) zur

Wirksamkeit Psychodynamischer PT bei Schizophrenie

− Befunde sprechen deutlich gegen Anwendung von Psychodynamischer

PT im stationären Bereich bei Schizophrenie


Psychodynamische Kurzzeittherapie am besten empirisch untersuchte Form:

▪ Metaanalyse (Cochrane Collaboration, 2009)

▪ Einbezug von 23 RCTs: Signifikante Verbesserung bzgl. verschiedener Symptome und

Erkrankungen (Depressionen, Angststörung, interpersonelle Beschwerden usw.) im

Vergleich zu verschiedenen Kontrollgruppen, Effekte langfristig stabil

▪ Aber: Kritik der Autoren:

➢ Große Heterogenität der Studienqualität

➢ Subsummierung einer Vielzahl unterschiedlicher therapeutischer Vorgehensweisen

unter dem Label Psychodynamische Kurzzeittherapie

▪ Metaanalyse (Driessen et al., 2010)

▪ Effektivität Psychodynamischer Kurzzeittherapie zeigt große Effekte (d = 1.34) im Prä-Post-

Vergleich (CAVE: Spontanremission) bei Depressionsbehandlung

Psychodynamische Psychotherapien

▪ Erfahrungsberichte


Erfahrungsberichte aus 2. Hand


Hintergrund: persönlicher Austausch mit befreundeten Kolleginnen (61J., 50J. und 39J) alle

als tiefenpsychologisch fundiert arbeitende Psychotherapeutinnen niedergelassen (1x PP, 2x

KJP)

Frage: „Warum haben Sie sich damals für TP und nicht für VT entschieden?“

Antworten:

„Damals mehr Zeitgeist“

„Stärkere Faszination dafür“

„Alle Verfahren sind interessant und ergänzen sich einander. PA/ TP erschien mir dabei

komplexer, daher wollte ich mich in der intensiven Ausbildung lieber damit beschäftigen.

VT Aspekte erschienen mir später leichter zu ergänzen.“


Frage: „Worin sehen Sie die Vorteile der PA/ TP gegenüber der VT?“

Antworten:

• „Mittlerweile zielen die einzelnen therapeutischen Verfahren ja mehr auf gegenseitiges

Ergänzen und Synergien, als auf voneinander abgrenzen und ausschließen. Das ist eine

wertvolle Entwicklung“

„Ich gehe davon aus, dass TP den Patienten nachhaltiger und langfristiger helfen kann“

„Arbeit an der Wurzel des Problems“


Frage: „Worin sehen Sie spezifische Herausforderungen in der Arbeit als PA/ TP im Gegensatz zu

VT?“

Antworten:

• „Weniger strukturiertes Vorgehen/ Manuale, dadurch evtl. mehr Unsicherheit/

Selbstzweifel; Stunden orientieren sich sehr stark an dem was der Patient mitbringt, daher

teils schwer vorzubereiten“

„Für Patienten teils schwer nachvollziehbar, etwas „abgespacter“ Ruf“

„Umgang mit Widerständen, ständiges Hypothesenbilden und prüfen, lesen zwischen den

Zeilen.“

Author

Nipu D.

Information

Last changed