Geschichte der Schematherapie
Entwicklung von Jeffrey Young (Ausbildung Joseph Wolpe und späterer Mitarbeiter bei Aaron Beck)
80er Jahre: Entwicklung des Schemabegriffs (vgl. Piaget) auf emotionale Anteile
90er Jahre: Entwicklung des ersten Schemamodells (Young, 1990)
Schema-Modus-Modell wurde 2003 veröffentlicht (Young, 2003)
Erweiterung der Verhaltenstherapie um strukturelle und persönlichkeitsbedingte Störungsanteile (die auch Achse-I Störungen beeinflussen) effektiver behandeln zu können
▪ Aber: Therapieschulen-übergreifender Ansatz
Welche Therapien und Konzepte haben auf die Schematherapie Einfluss genommen?
Grundlegendes zur Schematherapie
Schematherapie …
... wurde zur Behandlung von KVT-refraktären Patienten, insbesondere Persönlichkeitsstrukturen entwickelt
... ist eine Erweiterung der KVT, keine neue Therapieform
... berücksichtigt die Bedeutung von frühkindlichen Erfahrungen mit Frustrationen psychischer Grundbedürfnisse des Menschen im Entwicklungsverlauf
... integriert verschiedene erlebnisaktivierende Techniken
... orientiert sich recht stark an neurobiologischen Befunden
... verbindet emotionsfokussierte Klärung und Lösungs- /Veränderungsorientierung
... klärt und korrigiert frühe Beziehungserfahrungen
... arbeitet in und mit der therapeutischen Beziehung (z.B. begrenzte elterliche Fürsorge “limited parenting“)
... erfordert aktives, dabei aber flexibles Therapeutenverhalten
... bezieht sich auf eine klare, individualisierte Fallkonzeption & folgt einem weitgehend manualisiertem Ablauf
Was sind Emotionale Grundbedürfnisse?
Definition & Systematik nach J. Young (es gibt viele psychologische Modelle Grundbedürfnisse dazustellen)
Emotionale Grundbedürfnisse sind universell
Biologisch / phylogenetisch angelegt
Altersunabhängig
Sie sind keine konkreten Wünsche (Grundbedürfnisse vs. Wünsche)
Motivieren unser Handeln (z.B. Bezugspersonen anrufen bei „Einsamkeit“)
Befriedigung / Frustration führen zur Aktivierung basaler Emotionen
Welche 5 Grundbedürfnisse gibt es?
Sicher-affektive Bindung zu anderen Menschen
Autonomie, Selbstwirksamkeit, Kompetenzgefühl & Identitätsgefühl
Realistische Grenzen (Kontrolle & Orientierung nach innen)
Freiheit, Bedürfnisse und Emotionen zu äußern (Selbstwerterhöhung und –verwirklichung)
Spontanität & Spiel (Lusterhöhung / Unlustvermeidung)
aus Übung:
Sichere Bindung
Autonomie, Kompetenz & Identitätsgefühl
Realistische Grenzen und Selbstkontrolle
Freiheit im Ausdruck von Bedürfnissen und Emotionen
Spontaneität & Spiel
Welche 5 Basisemotionen gibt es und welche Funktion haben sie?
Forschung kulturunabhängiger emotionaler Ausdrücke
Fokus auf nonverbale Emotionsausdrücke, insbesondere Mimik
Funktion: Emotionen haben Signalcharakter (für uns selber & für andere)
▪ Angst (BINDUNG)
▪ Trauer (BINDUNG)
▪ Ekel (SELBSTBEHAUPTUNG)
▪ Ärger (SELBSTBEHAUPTUNG)
▪ Freude (ZUFRIEDENHEIT)
Was sind Schemata?
Unter einem Schema kann ein Konglomerat aus Erinnerungen, Kognitionen, Emotionen und physiologischen Reaktionen verstanden werden
durch frühe Lebenserfahrungen gebildete komplexe neuronale Muster , bzw. erweiterte und komplex-konditionierte „Reflexe“
Abdruck früherer Beziehungserfahrungen in uns („Schema-Fallen“)
beinhalten Emotionen, Einstellungen, Gedanken, Erinnerungen, Wahrnehmungen, Verhaltensweisen, interpersonelle Beziehungsmuster
organisieren zukünftige Erfahrungen und Interaktionsprozesse durch Erwartungshaltung, selektive Verarbeitungsprozesse, Interpretationen und Wahrnehmungen (Scheinwerfer / Brille)
18 maladaptive Schemata nach Young
Modell Entstehung von Schemata
Modell Aktivierung von Schemata
Emotionale Vernachlässigung, Unzulänglichkeit/Scham, Grandiosität
Elternverhalten
Entstehung/Bedürfnis
Gedanken/Glauben
Erdulden, Folgen
Vermeiden
Kompensieren, Angreifen
Was sind Modi? Welche 4 gibt es? Und Modell?
Modi sind keine (stabilen) „Unterpersonen“, sondern temporäre funktionelle Zustände ́. Die Arbeit mit Modi beginnt erst nach dem Verständnis der latent wirkender Schemata
Welche Kindmodi gibt es?
Kindmodi („unbewusst“)
Verletzbares Kind
Ärgerliches/Trotziges/wütendes Kind
Impulsiv-undiszipliniertes Kind
Glückliches Kind
treten auf, wenn intensive, belastende, unangenehme oder überwältigende Gefühle erlebt werden, deren Art oder Ausmaß nicht verhältnismäßig für die aktuelle Situation ist
-> mit Bewältigungsmodi mit den Gefühlen umgehen
Welche Elternmodi gibt es?
Elternmodi („unbewusst“)
Fordernde Eltern
Strafende Eltern
internalisierte soziale Rückmeldungen v. Eltern bzw. wichtigen Bezugspersonen in Kindheit/Jugend
strafende Elternmodi
korrespondierende Emotionen: Selbsthass (Selbstbestrafung), Schuld
fordernde oder kritische Elternmodi (Leistung, Perfektionismus, hohe Ansprüche)
korrespondierende Emotionen: Versagen, Scham
Welche Bewältigungsmodi gibt es?
Unterwerfung:
Person unterwirft sich anderen Menschen, als gäbe es ohnehin keine Alternativ zu dem Schema
Vermeidung:
Gefühle, die mit dem Schema zusammenhängen, werden vermieden, z. B. durch soziale Vermeidung, Dissoziation, Konsum beruhigender Substanzen
Überkompensation:
Person verhält sich, als sei das Gegenteil des Schema zutreffend
Unterkategorien von Bewältigungsmodi aus Übung
Beispiele für Bewältigungsmodi: Unterwerfung
Unterwerfung (Verteidigung, eher passiv, defensiv)
Passive und unterwürfige Haltung
„Ja-Sagen“ unter Vernachlässigung eigener Wünsche / Interessen
Selbstaufopferungstendenz: Andere proaktiv versorgen
Grundbedürfnis dahinter: Bindung (Angst vor Konflikten/Zurückweisung)
Beispiele für Bewältigungsmodi: Überkompensation
Überkompensation (Angriff, nicht übersehbar, nehmen Raum ein)
Im Vordergrund stehen Dominanz, Kontrolle/Manipulation, Übertreibung und Selbsterhöhung
Selbsterhöher
Einschüchterer
Zwanghafter Kontrolleur
Grundbedürfnis dahinter: Selbstbehauptung
Welche Gesunder Erwachsener Modi gibt es?
Gesunder Erwachsener Modus („bewusst“: rationale, dialogvermittelnde Spannungsreduktion)
Regulierende Funktion (Regisseur)
Integrativer Modus
Kennt eigene Bedürfnisse und Wünschen, ebenso wie Grenzen
Integriert Emotion, Kognition und Handlungstendenz
Beobachter-Funktion
Achtsame Wahrnehmung und Selbstreflexion
Fähigkeit, sich von emotionalen, kognitiven und Handlungstendenzen zu lösen
Perspektivenübernahme
Exekutive Funktion
Selbstmitgefühl und Akzeptanz
Verhaltensregulation: Probleme und Konflikte lösen, langfristige Perspektive einnehmen, Frustration aushalten
bewusst
„Dirigent“ „Regisseur“ der Modi
beobachtend: nimmt Emotionen, Bedürfnisse und kognitive Anteile wahr
integrierend: integriert Emotion, Kognition und Handlungstendenz
exekutiv: Versorgen eigener Gefühle und Bedürfnisse im Einklang mit den Bedürfnissen anderer Menschen, reguliert Bewältigungs-Modi und setzt diese ggf. bewusst und gezielt ein (statt „im Autopilot“)
Maladaptive Schemata & Modi
(müssen wir nicht lernen)
Grundmodule der Schematherapie
Individualisierte Fallkonzeption (Psychoedukation, kognitive Klärung, Beziehungsaufbau)
->Ressourcenaktivierung
Emotionale Schema-/Modusaktivierung / emotionale Exposition in der therapeutischen Beziehung (Imagination, Therapiebeziehung)
-> Problemaktualisierung
Korrigierende innere Dialoge (Schema- Memo, Dialoge auf mehreren Stühlen)
-> Problemklärung
Aufbau von Selbstregulationsfähigkeit (Selbstinstruktionen, Schema-Tagebuch, Training)
-> Problembewältigung
Aspekte, Ziele & Module der Schematherapie
Affektgeleitete Identifikation von Schemata
Innere Konflikte zulassen, benennen und „aufteilen“
Bewältigungsmodi benennen, hemmen, umgehen
Kind-Modi (primäre emotionale Reaktionen) erreichen, Grundbedürfnisse entdecken und befriedigen
Innere-Eltern-Modi (aktivierte Bewertungen) demaskieren und entmachten
Deaktualisierung von maladaptiven Schemaaktivierungen / Aussteigen aus belastenden Lebensmustern ermöglichen / Lebensfallen erkennen lernen
Wechsel in eine selbstfürsorgende, achtsame Haltung des „gesunden Erwachsenen“ trainieren / Ressourcen aktivieren: Grundbedürfnisse mit den Ressourcen des „Gesunden Erwachsenen“ bzw. „Glücklichen Kindes“ befriedigen
Dialogtechnik
dem Psychodrama / der Gestalttherapie entlehnt
fruchtbares Element zur Konfliktklärung
erlauben emotionale Bearbeitung von Konflikten
bewirken bessere Differenzierung des zunächst oft diffusen Innenlebens
ermöglichen das Vordringen und Herausarbeiten von den beobachtbaren Bewältigungsmodi zu den innerlich aktivierten Kind- und Eltern-Modi
ermöglichen Dialoge zwischen verschiedenen Modi und einer gesunden Sichtweise auf unterschiedlichen Stühlen
schaffen stabilere und komplexere neuronale Repräsentanz
ermöglichen die Loslösung der Innere-Eltern-Modi von Entscheidungs-bildung und Verhaltenssteuerung
Dialogtechnik: Vorgehen bei Stuhl-Dialogen
Klare Zuordnung der Modi zu den betreffenden Stühlen gemäß der Fallkonzeption
Beibehaltung der Stuhlanordnung unabhängig von der Anzahl der Stühle (Aufbau mentaler Repräsentanzen im Gehirn)
Konsequenter Wechsel auf den Stuhl, für den gerade gesprochen wird: keine Eltern-Sätze auf dem Kind-Stuhl dulden!
Auf dem Eltern-Stuhl nicht in der „Ich“-Form sondern in der „Du“-Form sprechen
Funktionale Haltungen der Elternintrojekte in die Funktion des Gesunden Erwachsenen integrieren; dysfunktionale Eltern-Modi demaskieren, entmachten, heraus setzen
Beispiel Imaginationsübung:
Prozess und Vorgehen (nach Leokadia Brüderl)
Entspannungsinduktion, ggfs. mit Bild des „sicheren Ortes“
Aktualisierung und Vertiefung einer aktuell negativen, belastenden Emotion
Affektbrücke: in der aktualisierten, vertieften Emotion verbleibend die aktuelle Situation verlassen und eine emotional belastendeKindheitserinnerung bildhaft assoziativ aufrufen
Erläuterung der Kindheitssituation mit beteiligten Personen und Beschreibung der Problematik mit Fokus auf Gefühle und Bedürfnisse des Kindes
Einführung einer helfenden Person, die die Bedürfnisse des Kindes befriedigt und die Situation so verändert, dass sich das Kind sicher und gebunden an die Hilfsperson fühlt
Vertiefung der Gefühle von Sicherheit und Bindung
Optional: Übertragung der emotionalen Lösung aus der Kindheitsimagination in die aktuelle Ausgangspunktsituation der Imagination
Beispiel Imaginationsübung:
Auswahl der Hilfsperson beim imaginativen Überschreiben
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