Was ist “normal”? (A)
Psychische Störungen vs. psychische Krankheiten
VL 1
Psychopathologie klassifizieren:
Wo endet die Gesundheit, wo beginnt die psychische Störung?
Statistische Norm: +/- 1 Standardabweichung um den Mittelwert
Sozialnorm: gesellschaftlich definierte Verhaltensnormen
Subjektive Norm: Individuelle Definition
Funktionale Norm: Normal ist, wer bestimmte Funktionen erfüllt
Wichtig!
Abweichungen ohne persönliche Beeinträchtigungen ≠ psychische Störung
Begriff „Psychische Krankheit“
eher in Medizin benutzt
Suggeriert biologische statt psychosoziale Ursachen
Suggeriert biologische, nicht psychotherapeutische Behandlung
Begriff „Psychische Störung“ ist neutraler
Klinisch erkennbarer Komplex von Symptomen bzw. Verhaltensauffälligkeiten
Verbunden mit Belastung & Beeinträchtigung von Funktionen
Merkmale von psychischen Störungen (A)
Fazit: Kennzeichen psychischer Störungen (A)
Statistische Seltenheit
Verletzen von sozialen Normen
Persönliches Leid
Beeinträchtigung der Lebensführung
Unangemessenes Verhalten
Statistische Seltenheit – Gauß´sche Glockenkurve
Überragende sportliche Fähigkeiten: zwar selten, aber nicht gestört
Normverletzung = relativer Begriff
je nachdem welche kulturellen Normen vorherrschen, werden verschiedene Formen ungewöhnlichen Erlebens & Verhaltens toleriert
Fazit = sowohl zu eng als auch zu weit gefasst z. B. sozial Ängstliche
Verhalten und Erleben gelten als gestört, wenn die Betroffenen darunter leiden
Aber: es gibt auch Störungen, bei denen Betroffene nicht zwangsläufig leiden
Funktionseinschränkungen sind Bestandteil einiger, aber nicht aller psychischen Störungen
es gibt keine Definitionen, in welchen Beeinträchtigungen kennzeichnend für psychische Störungen sind
“gestört” = unangemessene Reaktionen und Handlungsweisen auf Belastungen aus der Umgebung
keiner der genannten Aspekte führt alleine zu einer zufriedenstellenden Definition
diese Kriterien können sich im Laufe der Zeit ändern
keine einheitliche Definition, die alle Aspekte psychischer Störungen abdeckt und auf alle Diagnosen anwendbar ist
Diagnostik
Ausschlussdiagnostik
Differentialdiagnostik
Phänomenologie
Epidemiologie
Ätiologie
Komorbiditätsprinzip
Diagnose durch Symptome, Syndrome & zusätzliche Kriterien
Zusatzkriterien
Zeitverlauf, Schweregrad oder Abgrenzung gegenüber anderen Diagnosen
ABER:
Es gibt klar Behandlungsbedürftige, auf die keine Diagnose passt!
substanzbedingte Ätiologie (Drogen, Pharmaka)
Simulation
Berücksichtigung von somatischen Differenzialdiagnosen z.B.
Abgrenzung zu anderen Störungen und zum Normalbereich
Unterscheidung einer Diagnose von einer anderen, die symptomatisch ähnlich ist
Zu beachten: alle Diagnosen, die alternativ als Erklärung für die erhobenen Symptome möglich sind
Psychische und Verhaltensstörungen ICD- 10
Psychische Störungen ICD-11
Komorbidität
Zusätzlich zur Grunderkrankung auftretendes, diagnostisch abgrenzbares Krankheitsbild oder Symptom
Psychische und Verhaltensstörungen: Kapitel F
6A00 – 6E8Z: Psychische, Verhaltens- und neurologische Entwicklungsstörungen
Buchstabe + Zahl nach „6“ gibt Kategorie der psychischen Störung an
Beispiel: alle Unterkategorien der Schizophrenie beginnen mit 6A2
-> 6A20-6A2Z
oder 6D1 für Persönlichkeitsstörungen und zugehörige Persönlichkeitsmerkmale
Anordnung
Gestrichene (Sub-) Kategorien
Neue Kategorien
Kapitel „mental disorders“
23 Subkapitel
In diesen gibt es neue Gruppen und es wurden bspw. einige spezifischere Kategorien des ICD-10 zu einem ganzen Subkapitel erweitert
von 6A00 (Psychische Störungen, Verhaltensstörungen oder neuronale Entwicklungsstörungen) bis 6E2Z (Sekundäre psychische oder Verhaltenssyndrome bei anderenorts klassifizierten Störungen oder Erkrankungen)
Unterkategorien der Schizophrenie
Statt Frühkindlicher Autismus, Atypischer Autismus und Asperger-Syndrom -> nur noch Autism Spectrum Disorder
Persönlichkeitsstörungen (nur noch eine Kategorie mit Subtypen)
Einige Diagnosen befinden sich nicht mehr unter bisher bekannten Kategorien (sind z.B. eigene Kategorie geworden, entfallen oder in einem anderen Kapitel vorzufinden)
Im ICD-10 umfassen einige Kategorien sehr unterschiedliche Störungen, im ICD-11 werden diese in mehrere Kategorien differenziert
Veränderte Diagnosekriterien
Betroffene Störungen sind:
Disruptives Verhalten oder dissoziale Störungen (6C90–6C9Z)
Persönlichkeitsstörungen und zugehörige Persönlichkeitsmerkmale (6D10– 6D11 )
Neurokognitive Störungen (6D70–6E0Z )
Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD)
Störung mit zwanghaftem Sexualverhalten
Affektive Störungen
Beispiel: Personality disorders and related traits, 6D10–6D11
keine narzisstische Persönlichkeitsstörung mehr, keine paranoide oder dissoziale Persönlichkeitsstörung
nur noch die allgemeine Diagnose „Persönlichkeitsstörung“
zwei Kriterien zur Beurteilung, ob Persönlichkeitsstörung vorliegt oder nicht:
„Selbst-Funktionsniveau” (Wie stabil ist das Selbstbild und Selbstwertgefühl?)
2. „zwischenmenschliche Funktionsniveau“
(+ zusätzlich Bestimmung des Schweregrades)
Einzelfallanalyse: fünf “Dimensionen”
negative Affektivität (wie stark denkt/fühlt eine Person negativ?)
Dissozialität (Selbstbezogenheit und Mangel an Einfühlungsvermögen)
soziale Distanziertheit
Hemmungsschwäche
Zwanghaftigkeit
Gestrichene und neue Störungsbilder
Zusammenfassung
Gestrichen:
Akute Belastungsreaktion
Störungen der Geschlechtsidentität
Induzierte wahnhafte Störung
Teils Manie
Neu:
Computerspielsucht
Anhaltende Trauerstörung
neue Art der Kodierung (Buchstabe + Zahl nach der „6“ als Indikator für die Störungsgruppe)
Vorsicht: einige Störungen gestrichen oder in anderen Kapiteln -> sind damit keine psychischen Störungen mehr
dafür sind einige neue Störungen / Diagnosen hinzugekommen
auch die Diagnosekriterien für einige bereits im ICD-10 beschriebene Störungen haben sich verändert (z.B. Mania oder PTSD)
Affektive Störungen (A)
ICD- 11 Eintelung: Mood Disorders (A)
VL 2/3
Veränderte Stimmung!
Depressive Episoden mit gedrückter Stimmung,
Manische Episoden mit gehobener oder gereizter Stimmung
Bipolare Störungen mit einem Wechsel oder einer Mischung dieser Stimmungen
→ Gemeinsamkeit = gehen mit einer Veränderung der Stimmung und des Aktivitätsniveaus einher
Seit ICD-11: Keine Manische Episoden mehr, nur unter Kodierung einer Bipolaren Störung.
ICD-11: 6A7 Depressive Episode (A)
Cluster und deren Symptome nach ICD-11 (A)
Je nach Ausprägung (Anzahl und Intensität) und zeitlichem Verlaufsmuster der Syndrome werden verschiedene depressive Störungen unterschieden
Das Erleben leichter und zeitlich begrenzter depressiver Symptome hat keinen Storungswert
Mindestens 5 Symptome aus den 3 Clustern (Affektives, Neurovegetatives, Kognititv- behaviorales Cluster)
Davon mindestens 1 Symptom des affektiven Clusters
Mindestzeitraum: 2 Wochen
Depressive Episoden werden als leicht (6A70.0), mittelgradig (6A70.1) und schwer (6A70.3) klassifiziert
Schwere depressiven Episode mit psychotischen Symptome wie z. B. Schuld-oder Verarmungswahn (6A70.4) aber seit ICD-11 auch moderate depressive Episode mit psychotischen Symptomen (6A70.2)
Affektives Cluster:
Depressive Stimmung
Interessensverlust (speziell bei Tätigkeiten die zuvor als spaßig empfunden wurden)
Neurovegetatives Cluster:
Beeinträchtigungen des Schlafes
Appetitsveränderung
Psychomotorische Agitiertheit
Verminderte Energie / Erschöpfung nach kleinster Anstrengung
Kognitiv-behaviorales Cluster:
Konzentrations-/Aufmerksamkeitsprobleme
Verringertes Selbstwertgefühl
Hoffnungslosigkeit gegenüber der Zukunft
Wiederkehrende Todesgedanken (mit oder ohne Suizidplanung/-handlung)
Einzelne depressive Episode (A)
Rezidivierende depressive Störung (A)
Dysthymia (A)
6A70 Einzelne depressive Episode
6A71 Rezidivierende depressive Störung
6A72 Dysthyme Störung
6A73 Gemischte Depressive- und Angststörung
6A7Y Andere spezifische Depressive Störungen
6A7Z Unspezifische Depressive Störungen
F33 Rezidivierende depressive Störung = mehr als eine depressive Episode
ICD-11 Update: 6A71
Diagnostik: Sobald eine zweite depressive Episode diagnostiziert werden kann (und keine hypomanischen oder manischen Episoden vorliegen), sind die Kriterien für eine rezidivierende depressive Störung erfüllt (F33)
kontinuierlicher Charakter
Ein leichtes depressives Syndrom über mehr als zwei Jahre mit höchstens leichten depressiven Episoden und höchstens mehreren Wochen ohne depressive Symptome
Dysthymia wird auch als neurotische Depression bezeichnet
Übersicht ICD-11 Depressive Störungen
Affektiven Störungen Abgrenzungen
Besonderheit bei Depressionen mit wahnhaften Symptomen:
Differentialdiagnostisch ist ein Ausschluss von organischen Störungen und Störungen durch psychotrope Substanzen (6C4) relevant
z.B. depressive Symptome bei Hypothyreose
z.B. Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose), Eisenmangel
Abgrenzung zu anderen affektiven Störungen:
Bipolare Störung
Zyklothymie, Dysthymie (Wie lange dauert die Verstimmung an?)
Anpassungsstörung (Genügen die Symptome für eine Depression?)
In der Diagnostik Unterscheidung nach Symptomen und Zeitkriterien
Zeitkriterien:
Depression > 2 Wochen
Manie (als Bipolar kodiert) > 1 Woche
Dysthymie > 2 Jahre
Rezidiv (Zwischenintervall): 2 Monate symptomfrei
Für einige Begriffe, die noch in Gebrauch sind, wie "Dysthyme Störung" oder "double depression", verwendet man inzwischen andere Begriffe
Dennoch werden diese Begriffe weiterhin von Kliniker:innen in ihrem Alltag genutzt und es ist sinnvoll, sie zu kennen und einordnen zu können.
→ Grafik veranschaulicht Änderungen im Sprachgebrauch auch innerhalb der Diagnosen;
Wo man teils von einer "chronischen Depression" gesprochen hat, verwendet man nun den Begriff der "persistierenden depressiven Störung mit persistierender Episode einer Major Depression, -> Statt von einer "Dysthymie" spricht man nun eher von einer "persistierenden Depressiven Störung mit reinem dysthymen Syndrom"
Abgrenzung zu anderen psychotischen Störungen
Auch die ersten Krankheitsanzeichen in der Prodromalphasen der Schizophrenie ähneln depressiven Symptomen
Unruhe, Angst, Denk- und Konzentrationsstörungen, Sorgen, mangelndes Selbstvertrauen, Verlangsamung, sozialer Rückzug
Epidemiologie (A)
Häufigste psychische Störung
Median: 6,9% der erwachsenen Allgemeinbevölkerung (Europa)
Ca. 18,4 Mio. Menschen/Jahr in Europa
Prävalenz im Alter von 18-29 Jahren dreimal größer als bei > 60 Jahren
Zwei Drittel aller Depressionen bleiben unbehandelt
in den letzten 50 Jahren steigt die Prävalenz kontinuierlich an
Bei ~25%: einzelne Episode
bei ~45%: rezidivierend
bei ~30 % chronisch
Im klinischen Sprachgebrauch haben sich einige Begriffe eingebürgert, die in der ICD-10/ICD-11 nicht genannt werden
Dysthymia und depressive Episoden, die länger als 2 Jahre andauern, werden gemeinsam als „chronische Depression" bezeichnet
Wenn sich zusätzlich zu einer Dysthymia noch eine depressive Episode entwickelt bzw. sich „aufpfropft", wird von einer „double depression" gesprochen
Bei depressiven Störungen (und auch bipolaren Störungen) können spezifische Symptome vorkommen, die dem somatischen Syndrom zugeordnet werden
Bei 77%: mindestens eine weitere Diagnose
Diagnostische Komorbidität mit Angststörungen (57,5-67%):
Panikstörung: 35 - 80%
Generalisierte Angststörung: 31-50%
Zwangsstörung: 3 - 30%
Alkohol- / Medikamentenmissbrauch: 30%
Ätiologie (A)
Psychodynamische Theorie der Depression
Psychodynamische Erklärungsansätze
Missglückte Trauerarbeit & gegen die eigenen Person gerichtete Aggression
Modell der erlernten Hilflosigkeit
Kognitive Theorie
Kognitive Schemata & dysfunktionale Kognitionen sowie Kognitive Triade und logische Denkfehler
Interpersonale Theorien
Verstärker-Verlust-Modell
Diathese-Stress-ModellI
= gegen die eigenen Person gerichtete Aggression
Befunde bestätigen Theorie nicht
Ableitung: wenn nur Aggression nach innen, dann kaum Aggression gegen andere
Depressive sind häufig feindselig gegenüber ihnen nahestehende Menschen
aber: psychodynamische Grundannahmen haben nach wie vor Einfluss
Depressive oft irrationale Überzeugungen
Depression kann von belastenden Lebenserfahrungen ausgelöst werden (Verluste)
Modell der erlernten Hilflosigkeit
Revision der Hilflosigkeitstheorie:
Interpretation: Hunde lernen, dass die Schocks unabhängig von ihrem eigenen Verhalten auftraten
führt zur Erwartung, dass auch in der Zukunft Konsequenzen unabhängig vom eigenen Verhalten sein werden (= Unkontrollierbarkeit)
Generalisierung
Take Home: wiederholte Erfahrung mangelnder Kontrolle über wichtige, aversive Umweltaspekte = Erwartung von Unkontrollierbarkeit
-> Durch Generalisierung kommt es zu den beobachteten emotionalen, motivationalen und kognitiven Defiziten
Rolle der Kausalattribution = Ursachenzuschreibung für ein bestimmtes negatives Ereignis (Erfolg/ Misserfolg)
Pessimistischer Attributionsstil:
Misserfolge haben internale, globale, stabile Ursachen → fördert Entstehung von Depressionen
eigene Erfolge = external, instabil und spezifisch
Negative Erwartungshaltung bezüglich der eigenen Hilflosigkeit
Hoffnungslosigkeitstheorie: Revision der Revision
Hoffnungslosigkeit = Erwartung dass wünschenswerte Ereignisse nicht eintreten oder sehr aversive Ereignisse eintreten werden
das Individuum keine Möglichkeit hat, diese Situation zu verändern (Hilflosigkeit)
negative Lebensereignisse (Stressoren) mit Diathesen integrieren → Zustand der Hilflosigkeit
Diathesen (u. a. Kausalattributionen & geringes Selbstwertgefühl)
Kausalattributionen global und stabil, intern/extern → Bedeutsamkeit von Ereignissen
instabiles oder geringes Selbstwertgefühl (negative Schlussfolgerungen)
Neigung aus negativen Lebensereignissen schwerwiegende Konsequenzen abzuleiten (global, stabil, bedeutsam)
Kognitive Theorie der Depression
Kognitive Prozesse beeinflussen das emotionale Verhalten entscheidend
Schematheorie (Aron Beck):
Schema = "Mini-Paradigmen" → bringen Ordnung in unser Leben
Schemata sind hier stabile kognitive Verarbeitungsmuster, die sich in der Kindheit und Jugend herausgebildet haben
Schemata werden aktiviert, wenn neue Situationen jenen ähneln unter denen die Schemata erlernt wurden
z.B. unangemessenes Schema kann zu der Erwartung führen, immer zu versagen → Selbstvorwurfsschema
Dysfunktionale Kognitionen:
Negative Schemata oder Überzeugungen steuern Wahrnehmung
negative Schemata führen zu Fehlschlüssen und diese bestätigen die Schemata
Verzerrungen der Realität
Negative Schemata oder Überzeugungen, die durch negative Lebenserfahrungen ausgelöst werden (z.B. Stresssituationen) steuern Wahrnehmung
Typische logische Denkfehler:
willkürliches Schlussfolgern = Schlüsse, die ohne hinreichende Beweise gezogen werden
selektives Abstrahieren = Misserfolge, Fehler und Schwächen werden selektiv verallgemeinert
Übergeneralisierung = ein umfassender Schluss auf der Grundlage eines einzelnen (trivialen)
Ereignisses:
Über- oder Untertreibung = grobe Fehleinschätzungen von Leistungen
Übertriebenes Verantwortungsgefühl = „Ich bin für jedes Problem verantwortlich."
Personalisierung = „Alles (Negative) hat mit mir zu tun."
Katastrophisieren
Absolutes, dichotomes Denken „Es gibt nur gut oder schlecht, schwarz oder weiß”
Die Kognitive Triade (A)
Depressive interpretieren die Welt anderes als die meisten anderen Menschen
Beck: Depressive sind Opfer ihrer eigenen unlogischen Selbstbeurteilungen
Die negativen Gedankeninhalte betreffen:
das Selbst („Ich bin hässlich")
die Welt („Keiner liebt mich")
die Zukunft („Es wird so unerträglich bleiben")
Abwärts gerichtete Depressionsspirale
Verstärkerverlust
Depressive treiben durch ihr Verhalten andere Menschen von sich weg und tragen so selbst dazu bei, dass der Mangel an positiver Verstärkung größer wird
Mangelnde soziale Unterstützung:
weitmaschige Soziale Netze, die als wenig unterstützend wahrgenommen werden
kann die Fähigkeit einschränken, negative Lebensereignisse zu bewältigen → anfälliger für Depression
Unterschied interpersonelle Theorien und Psychoanalyse: im Mittelpunkt steht das gegenwärtige Leben des Patienten (soziale Beziehungen verbessern und interpersonale Probleme verstehen), nicht die Vergangenheit
Diathese-Stress-Modell
Diathesen/ Vulnerabilitäten
Erklärt menschliches Verhalten und Auftreten von psychischen Störungen als Interaktion biologischer, psychologischer und sozialer Variablen
Einschluss von entwicklungsbezogen Aspekten, wie z. B. entwicklungspsychologischer, - biologischer Art
Charakteristisch für integrative Modelle: alle Perspektiven spielen wichtige Rolle in Ausformung, Verlauf und Ausgang von psychischen Störungen
relative Bedeutung von jedem dieser Faktoren variiert über die Lebensspanne
Prädispositionen: genetische Vulnerabilitäten, Missbrauchserfahrungen in der Kindheit, chronischer Stress
Auslösende Bedingungen: akuter Stress, Traumata, Verlust und Trennungen
Aufrechterhaltende Faktoren: interne und externe Bedingungen, die zur Verhinderung des Abnehmens oder Verschwindens der Symptomatik führen → z. B. dysfunktionale Verhaltensweisen oder Kognitionen, Vermeidungsverhalten, anhaltende Belastungen
Zentrale Komponenten:
Vulnerabilität = Anfälligkeit: Reaktion auf psychologischer, biologischer und sozialer Ebene bei entsprechenden Anforderungssituationen
Stressoren / Exposition: Anforderungssituationen einer Person auf biologischer, sozialer und psychologischer Ebene, bei der die Person eine Anpassungsreaktion zeigen muss
-> z. B., um die Herausforderung traumatischer Ereignisse, oder Alltagssituationen zu bewältigen
Resilienz: Fähigkeit, auch in Gegenwart von extremen Belastungsfaktoren und ungünstigen Lebenseinflüssen adaptiv und proaktiv zu handeln
Coping: Ausmaß, in dem Personen mit Schwierigkeiten und stressreichen Lebensereignissen fertig werden und sie bewältigen
Alter, Geschlecht (weiblich)
genetische Veranlagung (z.B. Serotonintransportergen)
frühe Verlusterfahrungen oder Traumata, kritische Lebensereignisse: Vernachlässigung, Trennungs- und Verlusterlebnisse, schwere Erkrankungen
körperliche Krankheiten
Persönlichkeit (z. B. Verhaltensgehemmtes Temperament) soziale Schicht/Bildung, soziales Netz
Einstellungen/Normen
Geschlecht: Frauen haben ein doppelt so hohes Erkrankungsrisiko als Männer
Lebensalter: Frühere Studien: Ersterkrankungsgipfel zwischen 30. und 40. U vs. Neuere Studien: Ersterkrankungsgipfel zwischen 18. und 25. U
Sozioökonomische Faktoren: soziale Benachteiligung, Alleinleben
Belastende Lebensereignisse („Life-Events"): Treten oft im Vorfeld depressiver Episoden auf, Z.B. Tod eines Angehörigen, Scheidung
Familiäre Vorbelastung: Größter Risikofaktor bei den affektiven Störungen; Erkrankungsrisiko von 20%, wenn Angehöriger ersten Grades unipolar depressiv ist
Erziehungsstil: bestrafend, kritisch, autoritär, Fokus auf Schwächen statt Stärken des Kindes
Elterliche Disharmonie, desorganisierte Familie
negative Selbsteinschätzung
Familienstand (geschieden, getrennt lebend oder verwitwet)
Sozioökonomischer Status: geringer SÖS geht mit höheren Depressionsraten einher
Geographische Lage: Stadt, besonders wenn keine Grünflächen in der Nähe
Genetische Vulnerabilitäten: vor allem bei schwerer depressiver Störung: Hinweise auf genetische Faktoren → Risiko für Depressive Störung:
Allgemeinbevölkerung 16 - 20 %
Verwandte 1. Grades 10 - 25 %
eineiige Zwillinge 30 - 40 %
beide Elternteile betroffen 30 - 40 %
Auslösende Bedingungen = Stressoren
Aufrechterhaltende Bedingung
Lebensereignisse (Traumata, Jobverlust, Hochzeit)
Veränderungen (Verlusterlebnisse, Trennungen)
Nichterreichen von Zielen (Beruf, Freizeit, Familie)
Alltagsbelastungen (schwierige Arbeitsbedingungen, Lebensumstände)
Biografische Übergänge mit Krisen-Potenzial
= Pubertät, junges Erwachsenenalter, Ein- und Ausstieg in Beruf, Ruhestand, Auszug der Kinder, Ubergang in die Fragilität
Negative automatische Gedanken
Spezifischer Attributionsstil: internal, global, stabil (Misserfolge)
Selektive Fokussierung auf negative Ereignisse
Inadäquater Kommunikations- und Problemlösestil
Hoher interpersoneller Stress
Chronischer Stress
Aktivitätsmangel
Unipolare vs. bipolare affektive Störungen
6A60 & 61 - Bipolare Störungen (A)
Uni- und bipolare Verläufe: Trennung schwierig, möglicherweise erst nach einigen depressiven Episoden Auftreten manischer Phasen (10-30% Risiko, dass manische Phasen nach 3 depressiven Phasen auftreten)
6A6 Bipolare Störungen
6A60 Bipolar-I-Störung
6A61 Bipolar-II-Störung
6A62 Zyklothyme Störung
6A6Y Andere spezifische Bipolare oder verwandte Störungen
6A6Z Unspezifische Bipolare oder verwandte Störungen
Beide Symptome treten meist den gesamten Tag über auf für > 1 Woche:
Extreme Stimmung: Euphorie weicht deutlich von der normalen Stimmung ab
Mood lability: Die Erkrankten springen meist von Stimmung zu Stimmung
Erhöhter Aktivitätsdrang oder ein subjektives Erleben von erhöhter Energie, was sich signifikant zum "normalen" Energielevel unterscheidet
Außerdem mögliche weitere Nebensymptome:
Erhöhter Redebedarf Rasende Gedanken
Erhöhtes Selbstwertgefühl
-> übersteigertes Selbstwertgefühl = Überzeugung über besondere Talente, Kräfte und Fähigkeiten zu verfügen
Verminderter Schlafdrang
Erhöhte Ablenkbarkeit
Impulsives & waghalsiges Verhalten
-> leichtsinniges Verhalten = übermäßige Beteiligung an Aktivitäten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit unerwünschte Konsequenzen haben
Erhöhter Sexualtrieb
Differentialdiagnostik:
Halluzinationen oder Wahn dürfen bei der Bipolaren Störung mit manischer Episode ohne psychotische Symptome nicht vorkommen
psychotische Symptome, die für Schizophrenie nicht typisch sind (Stimmenhören, aber nicht kommentierend; Wahn, aber nicht bizarrer Natur)
Ausschluss einer Schizophrenie
Bipolare Störung Typ I (60)
Nach ICD-11 ist die Bipolar-I-Störung nun eine primär episodisch auftretende affektive Störung, die durch das Auftreten einer oder mehrerer manischer oder gemischter Episoden definiert wird
Seit ICD-11 keine manischen Episoden mehr, sondern Kodierung ausschließlich als bipolare Störung!
Unterteilt in momentan manische & momentan depressive Episode mit oder ohne psychotischen Symptomen
sehr deutlich gehobene oder gereizte Stimmung über die Dauer mindestens einer Woche
schweren psychosozialen Beeinträchtigungen (soziale Konflikte, Überschuldung, etc.)
Ideenflucht (=Denken wird ständig von spontanen Einfällen abgelenkt; formale Denkstörung)
Bipolare Störung Typ II (61)
ICD-11 describes bipolar Il disorder as an intermittent mood disorder with at least one hypomanic and one depressive episode (lasting at least 2 weeks, with features including 'significant' impairment of functioning, suicidality, and psychomotor agitation or retardation)
Identifikation maniformer Kognitionen
Differentialdiagnostik bipolarer Störungen (A)
Zyklothyme Störung
Oft wird gute Stimmung, mit Optimismus und Energie als angenehm und „ausgleichende Gerechtigkeit" für depressive Zustände erlebt
Geringe Krankheitseinsicht während der manischen Phase
Maniforme Gedanken können auch paranoid-misstrauische Inhalte annehmen
Veränderungen im Denken werden von Angehörigen schneller bemerkt und als problematischer bewertet
Jede manische Episode beginnt als hypomaner Zustand, Übergang kann individuell unterschiedlich schnell erfolgen
Bei 50% der bipolaren Störungen tritt zuerst eine depressive Episode auf
Abgrenzung zu 6A62 - Zyklothymia
Bei vielen Betroffenen wird die bipolare Störung erst nach mehreren Jahren diagnostiziert
6A62 Zyklothymia:
andauernde Instabilität der Stimmung mit zahlreichen Perioden von Depression und leicht gehobener Stimmung (Hypomanie), von denen aber keine ausreichend schwer und anhaltend genug ist, um die Kriterien für eine bipolare affektive Störung oder rezidivierende depressive Störung zu erfüllen → mindestens seit 2 Jahren
Diese Störung kommt häufig bei Verwandten von Patienten mit bipolarer affektiver Störung vor
Einige Patienten mit Zyklothymia entwickeln schließlich selbst eine bipolare affektive Störung
Mood disorders, 6A60-6A8Z (A)
Mood disorders - Bipolar disorder (A)
im ICD-10: Mood [affective] disorders (F30-F39)
fünf Unterkategorien:
zwei Hauptkategorien: "bipolar or related disorders" & "depressive disorders"
drei kleinere Kategorien
Neu: Manie als Einzeldiagnose existiert im ICD-11 nicht mehr!
In diesem Subkapitel wurde "mixed depressive and anxiety disorder" (6A73) in die Kategorie "Depressive Störung" verlegt (depressive disorders)
=> ist mit der Gruppe der "Neurotischen Störungen" assoziiert
Manie kann nur im Rahmen einer bipolaren Störung diagnostiziert werden
Für eine Diagnose reicht nun laut ICD-11 eine einmalig berichtete manische bzw. manisch-depressive Episode!
Angst (A)
Angststörung - Phänomenologie
VL 4/5
Vorhandensein von Angst ungleich Angststörung
Angst spielt auch eine große Rolle bei der Erforschung normalen menschlichen Erlebens und Verhaltens
Schutzfunktion:
evolutionär nützlich, da essenzielle Emotion
Alarmreaktion mit hohen Überlebenswert
schützt vor Gefahren und sichert somit unser überleben → "fight or flight"
Aber: rechtfertigt keine Störungsdiagnose
differenziert nicht zw. verschiedenen Angststörungen
hilft nicht bei der Abgrenzung zu anderen psychischen Störungen
Wann wird Angst zur Störung?
Wenn sie unangemessen stark oder anhaltend ist
Wenn sie ohne ausreichenden Grund auftritt
Wenn sie nicht mehr kontrolliert oder ausgehalten werden kann
Wenn sie Leid verursacht und das Leben einschränkt
Wenn typische Symptommuster vorliegen
z. B. Angst vor Spinnen → weniger problematisch in Grönland → große Einschränkung der Lebensqualität in Australien
Alle: Objektiv nicht / kaum begründete Angst
Verschiedene Erscheinungsformen je nach Störung:
Auslösende Stimuli, wie öffentliche Plätze, soziale Situationen, Tiere etc.
Freies, ständiges Angst-& Sorgegefühl
Plötzliche, unspezifische & intensive Angstattacken
Angst vor Unglück mit resultierendem Zwang
Hypervigilanz und sozialer Rückzug
Physiologie, Kognition, Verhalten
Epidemiologie der Angststörungen (A)
Physiologische Ebene
Erröten, Zittern, Schwitzen, Atemnot, Schwindel, Harn-Stuhldrang
Kognitive Ebene
Dysfunktionale Gedanken → negative Selbstbewertung, Perfektionismus in Bezug auf das Selbst → rigide Auffassungen über angemessenes Sozialverhalten
Verhaltensebene
Vermeidungs- und Fluchtverhalten, unbeholfenes Interaktionsverhalten & mangelnde Fähigkeit, das Verhalten den Situationen anzupassen
Einzelne Panikanfalle ohne voll erfüllte Diagnosekriterien viel
Frauen etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer
Zur Erklärung der Entstehung von Angststörungen wurden mehrere Atiologiekonzepte entwickelt:
Psychodynamische Modelle: nehmen an, dass eine Angststörung einen verdrängten Konflikt abwehrt
Neurobiologische Modelle: legen eine Beteiligung von unterschiedlichen Neurotransmittersystemen (v.a. serotonerges System) nahe, wobei bis dato keine endgültigen Schlüsse gezogen werden können
Kognitive Modell: die Beurteilungen und Interpretationen der Situation sind bei der Entstehung von Angst zentral z. B. die Interpretation harmloser körperlicher Funktionen als bedrohliche Krankheiten bei der Panikstörung
Konstrukt der angeborenen Lernbereitschaft (engl. preparedness)
erklärt, wieso Menschen Angst vor Spinnen entwickeln und nicht vor Waschmaschinen
Lerntheoretisches Modell: erklären die Entstehung pathologischer Angst mit der Konditionierung (klassische und operante) und dem Modelllernen auch: Kombination von klassischer & operanter Konditionierung = Zwei-Prozess- Theorie
ICD-11 Codes: Anxiety or fear-related disorders (A)
Phobie (A)
6B01 - Panic disorder (A)
6B00 Generalized Anxiety Disorder
6B01 Panic Disorder
6B02 Agoraphobia
6B03 Specific Phobia
6B04 Social Anxiety Disorder
6B05 Separation Anxiety Disorder
6B06 Selective Mutism
6BOY Other Specified Anxiety or Fear-Related Disorders
steht in keinem Verhältnis zur Gefahr, die vom vermiedenen Gegenstand bzw. der Situation ausgeht
Betroffenen erkennen Angst als grundlos
Gemeinsamkeiten Phobien
Vermeidung
Erwartungsangst
Körpersymptome
Beeinträchtigungen
Zentrale Befürchtungen bei Phobien:
Spezifische Phobie = Gefahr durch Objekt/ Situation
Soziale Phobie = Gefahr durch Bewertung anderer
Agoraphobie/ Panikstörung = Gefahr durch Angstsymptome
Kulturabhängig z.B. Kajakangst in Australien
Unvorhersehbare, plötzliche Panikattacken, die an keine bestimmte Situation / keinen konkreten Stimulus gebunden sind
Fokus ist die Panik vor Panikattacken ("Angst vor der Angst")
Nur wenn Panikattacken nicht reizgebunden, sondern situationsunabhängig auftreten, wird eine Panikstörung diagnostiziert!
Nur, weil eine Person Panikattacken hat, hat sie nicht aufomatisch eine Panikstörung (Panikattacken können auch bei anderen Störungen auftreten!)
Häufige Symptome:
Erhöhter Herzschlag
Schwitzen
Atemnot
Brustschmerz / Gefühl von Enge
Übelkeit
Schwindel
starkes Empfinden von Hitze / Kälte
"Ohnmachtsgefühl"
Angst zu Sterben
-> Diese Symptome müssen nicht zwangsläufig auftreten!
-> Es gibt zahlreiche weitere Symptome!
Panikattacke
Symtpome einer Panikattacke
Ätiologie der Panikstörung
Plötzliche und unerklärliche Anfälle (Attacken)
Symptomen: Atemnot, Herzrasen, Übelkeit, Schmerzen oder Beklemmungsgefühlen im Brustraum, Schwindel, Schwitzen und Zittern
Ferner: starke Besorgnis, starke Angst
auch Gefühl von Depersonalisation und Derealisation
der Furcht, die Kontrolle zu verlieren oder den Verstand zu verlieren
teilweise sogar Todesangst
Depersonalisation = Gefühl, sich selbst fremd zu sein
Derealisation = Wirklichkeitsverlust
Auftretenszeitpunkt der Panikstörung:
Wichtig: bei Frauen mehrheitlich ein früherer Beginn der Panikstörung
-> zumeist mit Erstmanifestation in den ersten drei Lebensdekaden
Bei Männern eine zweigipflige Erkrankungskurve
erster Gipfel ähnlich wie bei Frauen
zweiter Gipfel nach dem 40. Lebensjahr
Biologische Theorien:
durch eine Krankheit verursachte körperliche Empfindungen z. B. Mitralklappenprolaps-Syndrom (Starkes Herzklopfen)
Familiäre Häufung → genetische Diathese
Noradrenerge Aktivität:
Übermäßige Aktivität des noradrenergen Systems
Experimentelles Herbeiführen von Panikattacken z. B. Hyperventilieren, Kohlendioxid
trifft nur auf Personen zu, die Diagnose haben oder die vor eigenen körperlichen Empfindungen große Angst haben
Fazit: psychologische Reaktion ist entscheidend!
Teufelskreis der Angst (A)
Angst vor der Angst: Agoraphobie nicht Angst vor freien Plätzen, sondern Angst vor einer Panikattacke in den Offentlichkeit
Zustand starker körperlicher Empfindungen:
Interpretation der ungewöhnlichen/ unerklärlichen Reaktionen des autonomen Nervensystems als Zeichen großer Gefahr oder drohenden Todes
Angst vor diesen Empfindungen verstärken die Empfindungen
Betroffene achten auf noch so geringe Anzeichen einer drohenden Panikattacke, was die Wahrscheinlich einer solchen Attacke erhöht
Bestätigung der Theorie durch Versuch von Telch & Harrington (2000) → Aussage: Co2 wirkt entweder entspannend oder ruft starke Symptome hervor → Teilnehmer, die große Angst vor Attacken hatten erlitten häufiger Attacken → besonders: Teilnehmer, die körperliche Empfindungen fürchten, Luft mit erhöhter CO2 Konzentrationen einatmen und nicht erwarten, dass diese zu Erregung führt
Teufelskreis der Panik: Furcht vor einer weitere Attacke führt zu erhöhter Aktivität des autonomen Systems, die dann als Katastrophe interpretiert wird → verstärkt die Angst und mündet schließlich in Panikattacke
Ebenfalls wichtig: Angst vor Kontrollverlust → Studie von Sanderson, Rapee & Barlow (1989)
Das psychophysiologische Modell
Grundlage: Aufschaukelungsprozess zwischen körperlichen und kognitiven Vorgängen: körperliche Symptomen assoziiert mit Gefahr → Angstreaktion (Psychophysiologischer Teufelskreis) → Positiver Rückkopplungsprozess steigert Angst weiter
Reduktion der Angst durch wahrgenommene Verfügbarkeit von Bewältigungsstrategien und automatisch einsetzende negative Rückkopplungsprozesse (Habituation, Ermüdung)
Prozess kann an jeder Stelle beginnen (bei Stressoren, zufälligen körperlichen Veränderungen, Atemnot, Gefahren-Gedanken)
Biologische und dispositionelle Diathese:
Reaktion auf Belastungen mit Erregungs-Anstieg und Hyperventilation → körperliche Veränderungen werden sensibel wahrgenommen
Situative Faktoren:
tragen zur Entstehung und Beschleunigung des Aufschaucklunsprozesses bei (Teufelskreises)
Zentrale psychologische Prozesse:
Wahrnehmung von Angstsymptomen, Attribution von Kontrollverlust & Gefahr, Flucht und Vermeidungsverhalten
Interpretation bias
= Neigung angst-relevante Reize als bedrohlich zu interpretieren
Attention bias
= Selektive Aufmerksamkeit auf bedrohliche Reize
Memory bias
= Fähigkeit bedrohliche Reize besser zu erinnern
Panikattacken können auftreten bei...
bei über 80 Prozent der Patienten wird noch eine andere Angststörung diagnostiziert → erleben von Panikattacken, jedoch nicht so häufig, dass Diagnose der Panikstörung gerechtfertigt ist
hoch komorbid mit Major Depression, generalsierter Angsströung, Phobien, Alkohollismus, Persönlichkeitsstörungen
Unspez. Symptome können sein: Gereiztheit, Erschrecktwerden, Konzentrationsschwierigkeiten, Einschlafstörungen
Behandlung der Panikstörung
Antidepressiva und Anxiolytika
Nachteile = muss unbegrenzt fortgesetzt werden, da beim Absetzen erneut Symptome auftreten
Psychologische Behandlungsverfahren:
Konfrontationsverfahren
Familientherapien
-> Einbezug des Partners → keine Rücksicht mehr auf Vermeidungsverhalten
Konfrontation mit auslösenden inneren Reizen
-> absichtliche Erzeugung von körperlichen Empfindungen und erfolgreiche Bewältigung mindern Unvorhersehbarkeit und ändern Bedeutung
Konfrontation mit auslösenden Reizen:
Inhalt: übermäßige Beunruhigung durch harmlose körperliche Empfindungen und folgende Überreaktionen
Entspannungstraining
Kognitive Interventionen
Konfrontation mit internen Reizen, die Panik auslösen
Exposition mit externen Reizen und Situationen
Konfrontation mit internen Reizen, die Panik auslösen:
-> Patient führt Verhaltensweisen aus, die mit Panik verbunden Gefühle auslösen können
schnelles Atmen, auf Drehstuhl drehen etc., Strohhalm atmen
körperlichen Empfindungen werden neu interpretier
Gefühle von Kontrollverlust wandeln sich um in harmlose Symptome, die mi Hilfe bestimmter Techniken kontrolliert werden können
Bedeutung von Sicherheitssignalen
Sicherheitssignale reduzieren Angst, ihre Abwesenheit wird jedoch wiederum zum Angstauslöser
Attribution der Angstreduktion auf externe Faktoren
-> z.B.: Medikamente, Sitzmöglichkeiten (bei Schwindel), Fluchtwege etc.
Identifikation dieser Sicherheitsverhaltensweisen in der Therapie wichtig!
6B02 - Agoraphobie
Gruppe von Ängsten vor weiten Plätzen und davor, keine Fluchtmöglichkeiten zu haben oder keine Hilfe zu erhalten, wenn man selbst behindert wird
→ Angst vor einer Attacke
agora= griech. Marktplatz
Meiden von Situationen, die blamabel seinen könnte oder bei denen die Panikattacke gefährlich sein könnte
wird Vermeidungsverhalten generalisiert = Agoraphobie mit Panikattacken
Agoraphobie ohne Panikattacken = Betroffene hat Paniksymptome jedoch keine "Attacken"
In ICD-11, Agoraphobia and Panic Disorder may be diagnosed separately or concurrently
The 'with panic attacks' qualifier should be used if panic attacks are restricted to agoraphobic situations -> gemeinsame Diagnose ist möglich
Im ICD-11 wird "Agoraphobia" aufgefasst als exzessive Angst vor / in Situationen, in denen die Flucht schwierig wäre oder keine Hilfe erreichbar sein könnte.
Fokus auch darauf, dass ein negatives Bild / eine peinliche, unangenehme Situation entstehen könnte
Resultat: Sitationen werden vermieden oder unter enormer Angst "ertragen" (nicht zwangläufiges Diagnosekriterium wie im ICD-10, kommt dennoch häufig vor)
bei Frauen deutlich häufiger als bei Männern
6B03 - Specific phobia (A)
6B04 - Social anxiety disorder (A)
Sind unbegründete Ängste, die durch spezifische Gegenstände oder Situationen bzw. deren Antizipation ausgelöst werden
Für eine eindeutige Diagnose sollten folgende Kriterien erfüllt sein:
Durch Angst ausgelöste psychische/vegetative Symptome, die nicht auf Wahn bzw. Zwangsgedanken beruhen
Begrenzung der Angst auf bestimmtes Objekt/Situation
Wenn möglich: Vermeidung der phobischen Situation
Diese Diagnose sollte nur dann gestellt warden, wenn die Angst starken Distress bei der Person auslöst
aktives Vermeidungsverhalten ist kein nötiges Diagnosekriterium; das Aushalten der Exposition unter starker Angst reicht auch
Wichtig: sozialen und kulturellen Kontext beachten
Phobien bspw.:
Gegenstände (z. B. Injektionsspritzen, Blut)
Situationen (z. B. Aufzugfahren, Aufenthalt in geschlossenen Räumen)
Tiere (z. B. Schlangen, Spinnen)
Umwelt (z. B. Höhnen, Wasser)
Angst ausgelöst durch spezifische Situationen/ Objekte → Was Gegenstand einer Phobie ist, kann sich von Kultur zu Kultur unterscheiden
die meisten Suchen trotz starker Einschränkungen keine Hilfe
DSM5: der Betroffene erkennt, dass Angst übertrieben und unbegründet ist → Dauer beträgt bei Personen unter 18 Jahren mindestens 6 Monate
Im ICD-11 ersetzt "Social Anxiety Disorder" die "Social phobias" des ICD-10
Charakterisiert durch starke Angst im sozialen Kontext (z.B. bei Beobachtung, Vorträgen, Vorführungen, ...)
Angst davor, dass das gezeigt Verhalten von den anderen Personen negativ bewertet wird
entsprechend zurückhaltendes, ängstliches Verhalten
Bei Kindern muss darauf geachtet werden, dass es nicht nur ein verhältnismäßiges schüchternes Verhalten ist, sondern tatsächlich extremer!
Differentialdiagnostik Soziale Phobie
Ätiologie der Phobien - Überblick
Abgrenzung zur unsicher-vermeidenden Persönlichkeitsstörung:
Soziale Phobie betrifft eher best. soziale Situationen = z.B. Öffentliches Essen/Sprechen → Betroffene haben oft gute soziale Beziehungen & weitgehend „normales" Leben
Persönlichkeitsstörungen meist engere Beziehungen betroffen = Symptomatik ist „tiefgreifender" & mehrere Bereiche betreffend z.B. Kognition, Affekt & soz. Beziehungen
Abgrenzung zu Depressionen:
bei Depressionen treten Ängste häufig verstärkt auf; Diagnosen können dabei in beide Richtungen fehlerhaft sein
Symptomatik zusammen mit Interessenverlust, Rückzug & erhöhter Anspannung
Psychodynamische Theorien
Abwehr verdrängter Triebimpulse
Phobie ermöglicht es Ich, eine Konfrontation mit wirklichem Problem (verdrängtem Kindheits-Konflikt) zu vermeiden
Lerntheoretische Ansätze
Modelllernen
Phobien = gelernte Reaktionen
Verhaltenstheroetiker = befassen sich weniger mit Inhalt als vielmehr mit der Funktion der Phobie
Phobische Reaktionen können durch unangenehme Erfahrung mit gefürchteten Gegenstand erworben werden
Vermeidungskonditionierung z. B. "kleiner Albert"
Kognitive Theorien
Kognitionen als Diathese & aufrechterhaltende Faktoren
Mehrdeutigkeit: Interpretation mehrdeutiger Information als bedrohlich → Glaube, dass negative Ereignisse sich in der Zukunft leicht wiederholen können
Aber: Phobische Ängste können durch Reize hervorgerufen werden, die sich dem Bewusstsein entziehen → Irrationalität der Angst
Fortdauer der Angst und Tatsache, dass sie den Betroffenen irrational erscheint = Angst durch frühe kognitive Prozesse ausgelöst, die sich dem Bewusstsein entziehen → Reiz wird vermieden und kann nicht vollständig verarbeitet werden, Angst wird nicht gelöscht
Biologische Theorien
Das autonome Nervensystem: unterschiedliche Erregbarkeit des autonomen Nervensystems → "autonome Labilität" (Lacey, 1967) = autonome Nervensystem springt leicht auf eine Vielzahl von Reizen an
Genetische Faktoren: bei sozialen und spezifischen Phobien ist Prävalenz bei Verwandten überdurchschnittlich hoch → erblicher Faktor (Zwillingsstudien)
aber: Familien können sich beobachten und beeinflussen → Modelllernen
Zwei-Faktoren-Theorie von Mowrer (A)
1. Faktor: Klassische Konditionierung (Entstehung)
Assoziation ursprünglich neutraler Reize mit einer physiologischen Angstreaktion (unkonditionierte Reaktion)
neutraler Reiz wird zu einem konditionierten Reiz
2. Faktor: Operante Konditionierung (Aufrechterhaltung)
Durch Vermeidung kann Reduktion des unangenehmen Zustandes (Angst) erreicht werden
Verstärkung der Vermeidung des Reizes
Problem: Viele Patienten erinnern sich nicht an angstauslösenden Zustand (schmerzhaftes oder erschreckende Ereignis) → unkonditionierte Reaktion → Explizites vs. implizites Gedächtnis
Problem: nicht alle Ängste werden auf diesem Weg erworben -> Phobien können so entstehen
jemand der sehr physiologisch erregt ist (unkonditionierte Reaktion), ohne zu wissen warum, kann fälschlicherweise darauf schließen, dass die Situation die Erregung der Angst verursacht → Entwicklung einer Phobie (auch ohne unkonditionierten Reiz, traumatisches Situation)
Wiederholung des Versuches von Watson & Rayner waren nicht erfolgreich
Ätiologie spezifischer Phobien (Die Preparedness-Annahme)
Three-Pathway Modell nach Rachman
-> Die Preparedness-Annahme (Seligman, 1971)
Bestimmte Reiz-Reaktionsverbindungen werden schneller gelernt als andere
Bestimmte Reize, wie Schlangen oder Spinnen sind somit - evolutionsbiologisch begründet - also leichter und schneller konditionierbar
Problem: 2 Faktoren-Theorie → mangelnden Äquipotentialität: Phobien nicht gleich auf alle Stimuli verteilt (z.B. Spinnen, Schlangen vs. Strom, Pistolen, Herdplatten)
bestimmte Reiz-Reaktions-Verbindungen biologisch vorbereitet („prepared"), evolutionäre Bedeutung
Preparedness bei Sozialer Phobie: Regulation des Zusammenlebens in Gruppen → Soziale Ängstlichkeit - Unterwürfigkeit - Vorsicht im Kontakt → sinnvolle Strategie gegenüber aggressiven, kritischen und ablehnenden Personen
Modelllernen (Nachahmung der Reaktion anderer):
Bsp: Bandura und Rosenthal (1966): Versuchsperson reagieren emotional auf harmlosen Reiz, obwohl sie keinen Kontakt zu dem schmerzhaften Geschehen hatten → allein aufgrund der beobachteten Reaktion des anderen Probanden (Modells)
Bsp.: Mineka et al. (1984): Rhesusaffen: erwerben durch Beobachtungslernen Angst vor Schlangen → Phobische Reaktionen können nicht nur durch direkte Beobachtung sondern auch verbale Mitteilungen von Modellen gelernt werden
Physiologische Bereitschaft spielt eine Rolle beim Erlernen von Furcht durch Beobachtung → nicht jeder beliebige Reiz kann Angst auslösen
LeDoux: Dual-Pathway-Model of Fear (A)
Zwei neuronale Schaltkreise
Thalamus-Amygdala
Reflexhafte Schreckreaktion
schneller Schaltkreis, Sofortreaktion, aber ungenau
Schneller Schaltkreis umgeht Kortex und kann daher Reaktionen hervorrufen, bevor angstauslösende Reize bewusst werden
Amygdala: Efferenzen an das autonome Nervensystem (Blutdruck- und Pulsanstieg, Atemfrequenz-Erhöhung, motorische Aktivierung → Hypothalamus-Hypophysen-Achsen und das autonome Nervensystem werden aktiviert)
bevor wir überhaupt bewusst wahrnehmen, passieren diese Prozesse bereits
Thalamus-Sehrinde
Amygdala
langsame, gründliche Verarbeitung (Gefahrensiration analysiert)
komplette Angstreaktion
langsamerer Senatkreis,
Neuronale Reaktionen in Gefahrensituationen: LeDoux
ohne Aktivierung der Amygdala sind Angst und phobische Reaktionen nicht möglich
Hippocampus= Reize werden mit Vorerfahrungen abgleichen und Gedächtnisspuren aktiviert
Diathesen
= genetische Basis & Verhaltensdispositionen (z. B. Verhaltensinhibition)
Weitere Faktoren
Umweltfaktoren
Lerngeschichte
Negative Lebensereignisse
Erziehungsstil
Aufrechterhaltende Faktoren
= negative Verstärkung des Vermeidungsverhaltens
Änderung der Aufmerksamkeit und Interpretation
Behandlungsansätze - Überblick
Wirkmechanismen der Konfrontationsbehandlung
Psychodynamisch-orientierte Behandlung
= Aufdecken der verdrängten Konflikte = korrektive emotionale Erfahrung = neuere Ansätze → der Angst stellen
Kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze
Flooding = die Patienten werden dem Auslöser ihrer Phobie in voller Stärke ausgesetzt → Reizüberflutung direkte Konfrontation
Systematische Desensibilisierung = im entspannten Zustand werden sich eine Reihe zunehmen beängstigender Szenen vorgestellt
Prüfen irrationaler Überzeugungen mittels sokratischen Dialog
Training sozialer Kompetenzen (Soziale Phobie)
Biologische Ansätze
Beruhigungsmittel → Benzodiazepine haben großes Abhänigkeitspotenzial und verstärken Sicherheitsverhalten
Extinktion:
zunächst starker Anstieg der physiologischen Angstreaktion allerdings langsames abklingen der Reaktion, körperliche Erregung lässt nach
Neubewertung des Stimulus:
Patient macht neue Erfahrungen, dass die Angst ihm nicht schadet, sondern vorrüber geht
dysfunktionale Annahmen werden geändert → über Konfrontation vermittelt
Aber: "Return of Fear" → wenn Kontext der Reize wechselt, ist return of fear wahrscheinlicher
6B05 - Separation anxiety disorder
6B00 - Generalised anxiety disorder (A)
Neu im ICD- 11
für Kinder & Erwachsene ist Diagnose möglich
Angst davor, sich von einer Bezugsperson o.A. zu trennen
Starke Angst (auch vor dauerhaftem Verlust der Person)
konkrete Manifestationen der Symptome variieren
Im ICD-11 sind mehr essenzielle Kriterien für GAS als im ICD-10
Hauptmerkmal: persistierende Ängstlichkeit in vielen Lebenssituationen, oft wegen Geringfügigkeiten, chronische, unkontrollierbare Sorge um alles mögliche
Generalisierte und anhaltende Angst an den meisten Tagen über mehrere Monate, nicht beschränkt auf bestimmte Situationen, also frei flottierend
GAS keine seltene Störung → häufiger als die Panikstörung → in der Praxis schwer zu diagnostizieren
Vorstellungsgründe in der Praxis in weniger als 20% psychische Beschwerden bei GAS im Vordergrund → somatische Präsentationsgründe
exzessive Sorgen über negative Events in mehreren Lebensbereichen
Sorgen müssen exzessiv und unverhältnismäßig stark ausgeprägt sein
auch Muskelanspannung & "autonomic overactivity" als Symptome
GAS kann gleichzeitig mit Depression auftreten (war im ICD-10 nicht möglich)
bei gleichzeitigem Auftreten der Symptome mit depressiven Symptomen ist das Betrachten der Auftretensdauer und -häufigkeit wichtig
Sorgen
Sorgen - GAS vs. Depression
Abgrenzung zu anderen Störungen (A)
Neu im ICD-11
Sorgenketten als kognitive Vermeidung
Springen von einer Sorge zur nächsten
Sorgen verhindern emotionale Verarbeitung von angstauslösendem Material
Konsequenz: Sorgen verringern kurzfristig Angstgefühle
aber: langfristig wird Angst aufrechterhalten
keine emotionale Verarbeitung, keine Habituation
Sorgen und begleitende physiologische Symptomatik auch bei vielen anderen psychischen Störungen
Abgrenzung zu „normalen" Sorgen
Intensität (mehr Themen)
Dauer (mehr Zeit)
Kontrollierbarkeit (weniger Kontrolle)
körperliche Begleitsymptome
Abgrenzung zu Zwang
Andere Inhalte (Kontamination, Kontrolle etc...)
Ritualisiert
Neutralisierung durch Zwangshandlungen
Abgrenzung zur Panikstörung
Gemeinsam: Angst nicht situations-/objektgebunden
Keine Panikanfälle bei GAS
Komorbide GAS-Diagnose, wenn Sorgen nicht auf Panikanfälle bezogen bleiben
Sorge bei GAS:
das Kardinalsymptom
bezogen auf die Zukunft
auf Bedrohung ausgerichtet
über alltägliche Themen
Abgrenzung:
Major Depression:
bezogen auf Vergangenheit
versagens- und verlustzentriert
Zwangsstörungen
Obsessive-compulsive or related disorders (A)
Im ICD-10 auch unter der Kategorie der Angststörungen geläufig
→ im ICD-11 eine eigene Kategorie: Obsessive-compulsive or related disorders (6B20 - 6B2Z)
6B20 Obsessive-compulsive disorder
6B21 Body dysmorphic disorder
6B22 Olfactory reference disorder
6B23 Hypochondriasis
6B24 Hoarding disorder
6B25 Body-focused repetitive behaviour disorders
6B2Y Other specified obsessive-compulsive or related disorders
6B2Z Obsessive-compulsive or related disorders, unspecified
= charakterisiert durch "Obsessions" oder "Compulsions"; meistens beides
"Obsessions" = sich ständig wiederholende Gedanken / Vorstellungen, die häufig Angst auslösen und die die Person versucht zu ignorieren, oder sie durch "Compulsions" zu neutra lisieren
"Compulsions" = sich wiederholende Verhaltensweisen (auch mental / psychische Vorgänge), um "Obsession" entgegenzuwirken / zu neutralisieren
für Diagnose müssen "Obsession" und "Compulsions" viel Zeit in Anspruch nehmen, den Alltag stark beeinflussen oder enormen Distress / Angst auslösen
Zwanghafte Gedanken
Zwangsgedanken vs. Zwangshandlungen (A)
Viele Menschen haben gelegentlich unerwünscht Vorstellungen, die Zwangsgedanken gleichen und sich bei Belastung verstärken -> gesunde Menschen können diese Gedanken allerdings tolerieren oder verdrängen
Wann werden diese Gedanken störungsrelevant?
das Bewusstsein wird von beständigen und unkontrollierbaren Gedanken überflutet
das Individuum fühlt sich dazu genötigt bestimmte Handlungen immer wieder auszuführen
geht mit großem Leid und Beeinträchtigung der Alltagsfähigkeiten einher
Häufiger Frauen als Männer
Männer häufiger Kontrollzwänge, Frauen häufiger Waschzwänge
Zwangsgedanken & Zwangshandlungen
-> angstauslösend (v.a. Gedanken) vs. angstreduzierend (Handlungen und Gedankenrituale)
Zwangsgedanken:
Sind sich immer wieder aufdrängende und sich wiederholende, jedoch als unsinnig erkannte Denkinhalte
kommen unaufgefordert in den Sinn und werden als unkontrollierbar, irrational erlebt
Ungewollt, häufig aggressive bzw. sexuelle Inhalte rufen inneren Widerstand hervor
Belastend, als inneren Ursprungs erkannt
als sinnlos erkannt (Einsicht)
ich-fremd (ich-dyston)
hängen mit Depressivität zusammen
Zwangshandlungen:
Verhaltensweisen oder geistige Handlungen, zu denen sich der Betroffene wieder und wieder gezwungen fühlt → um das durch Zwangsgedanken angenommene Unheil abzuwenden
Beim Versuch, die Handlungen zu unterlassen, treten massive innere Anspannung und Angst auf
Befürchtung: Schlimme Folgen, wenn Zwangshandlung unterlassen wird!
Wiederholtes, stereotypes Verhalten, das:
dessen innerer Ursprung erkannt wird
inneren Widerstand hervorruft
als sinnlos erkannt wird (Einsicht)
als ich-dyston wahrgenommen → ich-dyston = Zwangshandlung wird vom Betroffenen als seiner Persönlichkeit fremd gesehen → finden Rituale "ziemlich dumm oder absurd"
Typische Formen von Zwangshandlungen
Sauberkeitszwang (Waschzwang)
Kontrollzwang
Ordnungszwang
Sammelzwang (Horten)
Wiederhol- und Zählzwang
Ausführen wiederholter magischer Vorsichtsmaßnahmen
Zwanghafte Langsamkeit
-> Neu im ICD-11
Abgrenzung zu Schizophrenen Erkrankungen
„Zwanghafte" Persönlichkeitszüge
Ich-synton
Mangelnde Einsicht
Kein innerer Widerstand
Zwangsstörung = ich-dyston
→ Ich-dyston" sind demgegenüber diejenigen Gedanken und Handlungen, die ein Betroffener zwar ausüben bzw. denken muss, die er aber innerlich als "falsch" und "nicht-stimmig" erlebt
→ diese Gedanken und Impulse werden aber oftmals selbst als unstimmig und übertrieben sowie nicht zu ihrer eigenen Person passend, erlebt = also als "ich-dyston"
Abgrenzung zu Schizophrenen Erkrankungen die zudringlichen Ideen, Vorstellungen oder Impulse werden:
externen Kräften zugeschrieben werden (Gedanken werden "eingegeben")
nicht als sinnlos betrachtet (mangelnde Einsicht)
„Zwanghafte" Persönlichkeitszüge
zeigen größere Stabilität als Zwangssyndrome
sind ich-synton
verursachen selten Unbehagen
sind selten von einem Gefühl des Gezwungenseins begleitet
rufen selten Widerstand hervor
Ätiologie der Zwangsstörung
Psychodynamisch:
Ursache
von Zwangshandlungen/ -gedanken sind sexuelle oder aggressive Triebkräfte, die in folge eines übermäßigen Sauberkeitstrainings in der früher Sindheit nicht zu kontrollieren sino
Symptome
Wirken eines Abwehrmechanismus → Reaktionsbildung ermöglicht es einem auf der analen Stufe fixierten Menschen, seinem Drang, sich zu beschmutzen, zu widerstehen
Ergebnis eines Kampfes zwischen ES und Abwehrmechanismen → zwanghafter Tötungsgedanke = Kräfte des Es haben gesiegt
Alfred Adler
Gefühl der Inkompetenz Kinder entwickeln durch zu strenge oder zu nachgiebige Eltern einen Minderwertigkeitskomplex und unbewusst Zwangsrituale → Kontrollgefühl- und Kompetenzgefühl durch Rituale
Kognitiv-verhaltenstherapeutisch:
Erlerntes Verhalten, dass durch Angstreduzierung verstärkt wird
Gedächtnisschwäche:
die Unfähigkeit, sich an eine bestimmte Handlung genau zu erinnern oder zwischen realen und vorgestellten Verhalten (vtl. meine ich nur, dass ich die Herdplatte ausgeschaltet habe) zu unterscheiden, könnte zum ständigen Kontrollieren führen
Menschen mit F42 glauben sie haben ein schlechtes Gedächtnis
empirisch nicht bestätigt
aber: Menschen mit Zwangsstörung haben Schwierigkeiten, Reize zu ignorieren
z. B. zwanghafte Kontrollmaßnahmen reduzieren Angst vor einem Unglück
Gedankenunterdrückung: Effekt der Gedankenunterdrückung (paradoxer Effekt)
Versuch Gedanken zu unterdrücken, kann eine intensivere Beschäftigung damit auslösen
Assoziation zwischen Gedanken und negativer Emotion
paradoxer Effekt = Eigener et al. 1999 "nicht an weißen Eisbären denken"
intensive Beschäftigung führt zu starken negativen Emotionen und verfestigt die Assoziation zwischen unterdrücktem Gedanken und der Emotion → negative Emotionen (belastende Ereignisse) können zum Wiederauftreten von Gedanken und Verstärkung der Angst führen → Entwicklung Zwangsgedanke
Auftreten der Gedanken ist nicht das Problem, sondern vielmehr Bewertung & Interpretation
Überschätzung der Bedeutsamkeit
Notwendigkeit, die Gedanken zu kontrollieren
Perfektionismus und strenger Moral-/Verhaltenskodex
Erhöhte subjektive Verantwortung und Gefahrenüberschätzung
Unsicherheitsintoleranz
Rückkopplungsschleifen: Aufdringlicher Gedanke → Bedeutung → Diskomfort -> Neutralisieren
Merkzettel ICD- 11 Neuerungen (A)
Anxiety or fear-related disorders, 6B00-6B0Z
Trennung von Agoraphobie und Panikstörungen
Inklusion von zwei diagnostischen Kategorier "separation anxiety disorder" und "selective mutism", die vorher nur mit psychischen Störungen von Kindern und Jugendlichen assoziiert waren
ICD-10 - Neurotische, stress-related und somatoforme Störungen
Sieben spezifische Untergruppen von Störungen:
"generalized anxiety disorder" (6B00)
"panic disorder" (6B01)|
"agoraphobia" (6B02)
"specific phobia" (6B03)
"social anxiety disorder" (6B04)
"separation anxiety disorder" (6B05)
"selective mutism" (6B06)
Obsessive-compulsive or related disorders, 6B20-6B2Z
entspricht im ICD-10 zum Teil der Kategorie "Zwangstörungen" (F42)
neue Kategorie, die "obsessive-compulsive disorder", enthält:
"body dysmorphic disorder"
"olfactory reference disorder"
"hypochondriasis"
"hoarding disorder"
"body-focused repetitive behavior disorders"
Abgrenzung Trauma & Traumatisierung (A)
Klassifikation von Traumen (A)
Risiko für PTBS-Entwicklung nach Trauma-Typen (A)
VL 6
Trauma = notwendige aber nicht hinreichende Bedingun
Traumatische Ereignisse → Ursache der Störung: in erste Linie im Ereignis un weniger in der Person zu suchen
Symptome sind ‚normal' in den ersten Tagen/Wochen nach dem Trauma
eine bedeutende Minderheit entwickelt jedoch eine PTBS
Traumaexpostion ist nicht gleich Traumatisierung
Ca. 10-20% aller Trauma-Opfer entwickeln eine PTBS
Symptome bei Traumatisierung
Intrusives Wiedererleben des Traumas
Autonome Überregung
Vermeidung von Reizen, die an das Trauma erinnern
Dissoziative Zustände
Numbing
Typ I, akzidentell: Beruf: z.B. Polizei, Feuerwehr, Rettungskräfte; kurzdauernde Katastrophen: z.B. Brand, Wirbelsturm
Typ II, akzidentell: langdauernde Katastrophen: 2.B. Erdbeben, Überschwemmung; technische Katastrophen: z.B. Giftgaskatastrophen
Typ I, interpersonell: sexuelle Übergriffe: z.B. Vergewaltigung; ziviles Gewalterleben: z.B. Banküberfall
Typ ll, interpersonell: sexueller und körperlicher Missbrauch in Kindheit b vachsenenalter; politische Inhaftierung: z.B. KZ-t
Internationale (Lebenszeit-) Prävalenzen
Traumata & Störungshäufigkeit
Stark von Rahmenbedingungen und Lebensraum abhängig.
Die meisten Menschen erleben mindestens ein traumat. Erlebnis. 10 - 20%
Studie von Maercker et al.:
Bedingte Wahrscheinlichkeiten, nach Trauma PTBS zu entwickeln, sind in versch. Ländern etwa gleich
Deutschland, USA, Kanada, Australien, Mexiko
Die Mehrheit der Bevölkerung erlebt in ihrem Leben mindestens eine traumatische Situation (Männer: 61 - 81%, Frauen: 51 - 74%)
In speziellen Risikogruppen (Polizei, Feuerwehr, Militär):
1/3 Vollbild einer PTBS
1/3 Teilsymptome
bei Frauen doppelt so hoch wie bei Männern
Die Lebenszeitprävalenz:
8% angegeben
Liu et al. :
67,3% Lebenszeitprävalenz ein traumatisches Ereignis
In deutscher Stichprobe berichteten 21% der Personen, schon einmal ein traumatisches Ereignis erlebt zu haben
In absteigender Reihenfolge ergibt sich folgende Liste der drei Rathegensten Traumen:
Vergewaltigung (enge Definition, ohne sexuelle Belästigung)
Kriegsteilnahme (nicht nach Soldat/Zivilist unterschieden)
Misshandlungen und sexueller Missbrauch in der Kindheit
Deutsche Stichprobe Jugendlicher und Erwachsener (14-24 Jahre); (Frauen und Männer gemittelt)
Neuere Daten: 55% der Betroffenen sexueller Gewalterfahrung und 7% der Betroffenen von Unfällen entwickeln PTBS
ICD-11: Klassifikation: Disorders specifically associated with stress (A)
Kriterien für PTSD nach ICD-11 (A)
Disorders specifically associated with stress
6B40 Post traumatic stress disorder
6B41 Complex post traumatic stress disorder
6B42 Prolonged grief disorder
6B43 Adjustment disorder
6B44 Reactive attachment disorder
6B45 Disinhibited social engagement disorder
→ „Acute stress reaction" in anderem Kapitel (Z)!
Acute stress reaction: Gilt jetzt als Traumareaktion und nicht Traumafolgestörung → Aufgrund fehlender prädiktiver Validität; Veränderung der Zuordnung im ICD-11
"re-experiencing", z.B. in Form von Flashbacks, Intrusionen oder Träumen; einhergehend mit Angst bzw. Generell sehr starken Emotionen
Vermeidungsverhalten geb. ähnlichen Dingen / Situationen (wie Trauma)
dauerhafte Vigilanz, extreme Unruhe, Schreckhaftigkeit, ...
→ muss Person stark belasten und einschränken
es gibt noch weitere mögliche "additional clinical features"
Wiedererleben in der Gegenwart: bei dem Ereianisse nicht nur erinnert werden, so erfahren werden, als ob sie noch einmal geschehen (im Hier & Jetzt, oder in Albträumen)
Übererregung durch: erhöhte Wachsamkeit, gesteigerte Schreckreaktion durch die subjektive Wahrnehmung anhaltender Bedrohung
Voraussetzung: traumatische Erfahrung
Autonome Übererregung
Intrusives Wiedererleben
Allgemeine gesteigerte Erregung zeigt sich in:
Gereizt / aggressiv
Hohe Vigilanz
Starke Schreckreaktion
Konzentrationsschwierigkeiten
Schlafstörung
Ungewolltes Wiedererleben von Aspekten des Traumas, mit den gleichen sensorischen Eindrücken und körperlichen & gefühlsmäßigen Reaktionen wie während des Erlebnisses (DSM-5)
zentrales Merkmal der PTBS
wahrscheinlich Ausgangspunkt für übrige Symptomkategorien
Eindruck, als ob sich das Ereignis in diesem Augenblick wiederhole Während eines Flashbacks geht die zeitliche und örtliche Orientierung völlig verloren.
Teilaspekte des Traumas werden unabhängig voneinander erlebt und in »falscher« Reihenfolge erinnert
Manches wird gar nicht intentional erinnert (psychogene Amnesien)
Merkmale:
treten Plötzlich und unkontrolliert auf
Sensorische Impressionen, meist visuelle Erinnerungsfragmente
Hier-und-Jetzt-Qualität (Zeitperspektive fehlt)
werden als sehr belastend wahrgenommen
Oft von Stimuli ausgelöst, die im traumatischen Kontext vorhanden waren
Lösen starke emotionale Erregung aus
Dissoziative Zustände (A)
Neue Störungen dieser Kategorie (ICD-11)
Meiden der angstauslösenden Reize
Trauma assoziierten Gedanken oder Gefühlen
Traumaassoziierten externen Reizen
Allgemeine Verminderung der Reaktivität geht mit emotionaler Benommenheit einher
vermindertes Interesse an anderen
Gefühl der Entfremdung
Unfähigkeit etwas Angenehmes zu fühlen
Derealisation: Abgetrenntsein von Umgebung
Depersonalisation: Abgetrenntsein von Aspekten des Selbst
Complex PTSD (neue)
alle Kriterien für PTSD +
Probleme der Affektregulation +
Schuldgefühle, Gefühl von Wertlosigkeit +
Schwierigkeiten mit soziale Beziehungen
Prolonged grief disorder (aus anderem Kapitel)
Störung nach z.B. Tod eines Partners O.Ä.
Darauf folet eine starke Trauereatkion (Trauer, Ärger..)
> 6 Monate in unverhältnismäßigen Ausmaßen; von sozialer Norm als extrem abweichend und unnatürlich lang
Spezifisch für complexe PTSD: langandauernedel wiederholte traumatische Situation aus der Flucht nicht möglich ist, wie Folter, sexueller Missbrauch etc.
Complex PTSD
Traumafolgestörungen
Definition von "complex post-traumatic stress disorder" (PTSD) im ICD-11 besteht aus 3 Komponenten :
re-experiencing,
avoiding reminders
heightened sense of threat / arousal
dazu kommt: broader problems in emotion regulation, shame, guilt, & interpersonal conflict -> Ausmaß, das den Alltag beeinträchtiet
Früher: Anhaltende Persönlickeitsveränderung nach Extrembelastung
Anhaltende Problem des affektiven Funktionierens: Affektive Fehlregulation, erhöhte emotionale Reagibilität, gewalttätige Ausbrüche, Tendenz zu dissoziativen Zuständen unter Belastung
Anhaltende Probleme des Selbst: Überzeugung von sich selbst als schwach, zerbrochen, wertlos; generalisierte Gefühle von Scham und Schuld
Anhaltende Problem der Beziehungsfunktion: Schwierigkeiten Beziehungen aufrecht zu erhalten oder sich anderen nahe zu fühlen
Komorbide Störungen bei PTBS
Differentialdiagnostik (Anpassungsstörung)
-> bei ⅔ entstehen komorbide Störungen sekundär zur PTBS
Angststörungen
Depression
Suizidalität
Medikamenten-, Alkohol- und Drogenmissbrauch
Somatisierungsstörungen
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Akute Belastungsreaktion
Anpassungsstörung
Dissoziative Störungen
Complexe PTBS
Trauerreaktion
Organische Psvchosvndrome
Anpassungsstörung:
Zeitlich befristete Störung
Tritt meist innerhalb eines Montas nach der Belastung auf und bildet sich meistens innerhalb eines halben Jahrs zurück
Symptome:
Gedankliches Verhaftetsein: übermäßiges Grübeln, wiederkehrende und belastende Gedanken oder anhaltende Sorgen
Anpassungsschwiregekiten: Intressensverlust gau, Arbeit, Sozialleben, Beziehungen, und Freizeitaktivitäten; evtl. Konzentrations- und Schlafprobleme
Weitere klinische Merkmale: Angst, Vermeidung, Depressivität, Probleme der Impulskontrolle
Prototypische Verläufe nach Bonanno et al. (A)
Verlauf
Risiko- und Schutzfaktoren: Prätraumatisch
Symptome meist sofort nach traumatischem Erlebnis
Spontanremission im ersten Jahr: bis zu 30% (Kessler et al., 1995)
Verzögerter Beginn (> 6 Mon. nach Traumatisierung) bei 3-10%
Verzögerter Beginn: Eintritt Symptomatik >6 Monate nach Traumatisierung (chronischer Verlauf unabhängig von Psychotherapie)
Phänomen der spontanen Heilung:
Spontanremission im ersten Jahr: bis zu 30%
50% nach ca. 4 Jahren störungsfrei
10 Jahre nach traumatischem Ereignis nur noch 1/3 mit
Symptomatik
Personen, die Therapie erhielten:
50% nach 3 Jahren symptomfrei
Genannte Daten der Heilungsraten sind nichtspezifisch, da sie über alle möglichen verschiedenen Traumaarten gemittelt sind
Außerdem sind genannte Zahlen durch retrospektive Erhebung methodisch unsicher
Prätraumatisch
Geschlecht (Risikofaktor: weiblich)
Kognitive Verarbeitungskapazität
Vorhergehende psychische Erkrankungen
Kein Merkmal kann Entstehung hinreichend erklären
Wenige Längsschnittstudien (Prä- und Post Trauma)
Ergebnisse inkonsistent
Untersuchung, welche Faktoren das Risiko der Entwicklung einer posttraumatischenBelastungsstörung nach erlittener Traumatisierung beeinflussen.
Faktoren, die bereits vor der Traumatisierung bei den Betroffenen vorlagen:
geringe Intelligenz bzw. Bildung, weibliches Geschlecht (häufiger: wiederholter sexueller Missbrauch)
Kein Merkmal kann Entstehung hinreichend erklären, Ergebnisse inkonsistent
Peri- und Posttraumatische Ereignisse: Stärkeren Einfluss
Peri-traumatisches Erleben
Risiko- und Schutzfaktoren: Peri-traumatisch
Peri-traumatische Reaktion als Risiko- oder Schutzfaktor?
Intoxikation
Kognitive, emotionale und physiologische Reaktionen
Merkmale des Traumas
Faktoren, die die Betroffenen zum Zeitpunkt der Traumatisierung aufwiesen, also z. B. Intoxikation (z. B. während des Ereignisses alkoholisiert sein), emotionale und psychophysiologische Reaktionen sowie Merkmale des Traumas selbst
Die objektive Traumaschwere ist für die Ausprägung und den Verlauf der posttraumatischen Belastungsstörung weniger bedeutsam, als das sog. peritraumatische Erleben
Peritraumatische Erleben: z. B. das Erleben von Todesangst, das Sich-Aufgeben, negative Interpretationen des Traumas, der ersten Symptome und der Reaktionen anderer Menschen, der Verlust des Autonomiegefühls und Dissoziation
Wenn sich bei Opfern ein scharfer Gegenstand nähert, Hautverletzung bereits spürbar ist, Blut oder andere Körperflüssigkeiten austreten, ist sympathischer Alarm keine Überlebensstrategie mehr, wohl aber Dissoziation bis hin zur Ohnmacht
Forschung:
Schwere der PTB vorhersagbar durch Sich-Aufgeben, wahrgenommener Verlust jeglicher Autonomie (mental defeat) unabhängig von Hilflosigkeit oder Lebensbedrohung
Kognitiv-verhaltenstherapeutische Modelle
Emotionsverarbeitungstheorie nach Foa und Rothbaum (1998)
Phobien-Modell: 2- Faktoren-Modell nach Mowrer (siehe Angststörungen)
Die Emotionsverarbeitungstheorie nach Foa und Rothbaum
Kognitives Modell nach Ehlers und Clark
-> Kernthema: Vermeidungsverhalten verhindert korrigierende Erfahrungen
→ Verhindert Erfahrungen der Habituation an die Angst, die Löschung der Furchtreaktion und die Korrektur dysfunktionaler Bedrohungswahrnehmungen
-> Neubewertung des Traumas und seiner Konsequenzen kann nicht einsetzen
PTB-Symptome = Folge einer fehlenden emotionalen Verarbeitung des traumatischen Ereignisses
Furchtgedächtnis enthält:
Informationen über das erlebte Trauma → viele Stimuli mit Gefahrenbedeutung assoziiert
Reaktionen der betroffenen Person
Bedeutung der bedrohlichen Reize und der eigenen Reaktionen
Prätraumatisch bestehende dysfunktionale (rigide) Schemata und die negative Bewertung der neuen posttraumatischen Situation (wie z. B. Reaktionen der Umwelt) können zusätzlich die Entstehung von Symptomen begünstigen
Vermeidungsverhalten führt zwar zur kurzfristigen Reduktion bzw. dem völligen Ausbleiben von Angstreaktionen, aber nicht zu einer langfristigen Veränderung der Struktur z. B. durch Einbinden korrektiver Informationen
Furchtstruktur Foa und Rothbaum
Dieses Furchtgedächtnis enthält drei Arten von Informationen:
Informationen über das erlebte Trauma (also den gefürchteten Stimulus)
die Reaktionen der betroffenen Person
die Bedeutung der bedrohlichen Reize und der eigenen Reaktionen
Furchtstruktur unterscheidet sich bei Personen mit und ohne PTBS
Pathologische Furchtstruktur durch fehlerhafte Verbindungen zw. Stimulus-, Reaktions und Bedeutungselementen
z.B. ein neutraler Stimulus (z. B. ein Vorort, der der Traumaerinnerung ähnelt, wird direkt als gefährlich eingestuft)
-> Furchtstruktur nach einem abendlichen Überfall:
Furchtstruktur nach einer Therapie im Zusammenhang mit einer PTB, wobei man heute annimmt, dass beim Extinktionslernen keine »Löschung« alter Verbindungen in dem Sinne stattfindet
Ziel einer Konfrontationstherapie:
Alle Elemente der Furchtstruktur ansprechen, damit sie aktiviert und somit veränderbar sind
Vermeidungsverhalten unterbinden
-> Deaktivierte Furchtstruktur bei genesenem Patienten:
Merkzettel ICD- 11 Veränderungen
Bei PTBS Patienten ist Noradrenalinspiegel höher als bei Patienten mit Schizophrenie oder affektiven Störungen
Trauma aktiviert noradregenes System, was zum Anstieg des Noradrenalinspiegels führt
Betroffene werden schreckhafter und Emotionen stärker ausgedrückt
erhöhte Empfindlichkeit von noradrenergen Rezeptoren
Neue Störungen
Complex PTSD (neu):
+ Alle Kriterien für PTSD
+ Probleme der Affektregulation
+ Schuldgefühle, Gefühl von Wertlosigkeit
+ Schwierigkeiten mit soziale Beziehungen
Prolonged grief disorder = aus anderem Kapitel
Verschiebung
Acute Stress Reaction
6B40 - 6B4Z = eigene Kategorie und nicht mehr unter Neurotic, stress-related and somatoform disorders wie im ICD-10
Veränderung ICD-10 → ICD-11
ICD-11: Disorders due to addictive behaviours
VL 7
ICD-10:
Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
ICD-11:
„Disorders due to substance abuse" & „Disorders due to addictive behaviours”
-> Unter jedem Kapitel zur jeweiligen Substanz gehören jeweils noch Unterkategorien wie Intoxikation, Abhängigkeit, induziertes Delirium uvm.
-> Syndrome, charakterisiert durch Distress oder Einschränkungen im Alltag durch wiederholtes "Belohnungsverhalten" aufgrund von Abhängigkeit (ohne Zusammenhang zu Sexualverhalten oder Substanzkonsum)
-> also: Störungen, die Symptome von Addictive Behaviours aufweisen, die die Kriterien für eine andere Störung nicht erfüllen
6C40: ...due to use of alcohol
6C41: ...due to use of cannabis
6C42: ...due to use of synthetic cannabinoids
6C43: ...due to use of opioids
6C44: ...due to use of sedatives, hypnotics or anxiolytics
6C45: ...due to use of cocaine
6246: ... due to use or stimulants, including aphetamines, methamphetamines or methcathinone
6C47: ...due to use of synthetic cathinones
6C48: due to use of caffeine
6C49: ...due to use of hallucinogenes
6C4A: ...due to use of nicotine
6C4B: ...due to use of volatile inhalants
6C4C: ...due to use of MDMA or related drugs, including MDA
6C50: Gambling disorder
6C51: Gaming disorder
6C5Y: Other specified disorders due to addictive behaviours
6C5Z: Disorders due to addictive behaviours, unspecified
-> Unterscheidung in primär online oder primär offline
Psychotrope Substanzen (A)
= Chemische Stoffe
Wirken zentralnervös
Steigern oft subjektives Wohlbefinden
Hohe Wahrscheinlichkeit für kontinuierliche, zwanghafte Einnahme → trotz erlebter akuter & chronischer negativer Auswirkung
Tendenz zur Konsum-Eskalation
Ab hier B Folien:
Sedativa vs. Stimulanzien
Sedativa: = verlangsamen die Aktivität des Körpers und mindern Reaktionsbereitschaft
-> Opiate (Opium, Morphium, Heroin und Kodein)
-> synthetische Barbiturate und Tranquilizer (z. B. Diazepam)
Stimulanzien: = wirken auf das Gehirn und synaptische Nervensystem anregend und verstärken die Wachheit und die motorische Aktivität
-> Synthetische Stimulanzien (Amphetamine)
-> natürliche Stimulanzien (Kokain)
Halluzinogene
Bewusstseinserweiternd und verändernd
Haupteffekt = Erzeugung von Halluzinationen: starke Veränderung des Zeitgefühls, Verlust von Grenzen zwischen dem Selbst und der Umgebung labile Stimmung bis hin zur Panik
Erwartungen des Konsumenten/der Konsumentin haben Einfluss auf die Wirkung → Angst: sog. Horrortrips
Auch Wochen und Monate nach der Drogeneinnahme können Flashbacks auftreten
Cannabinoide
Am relevantesten: THC (δ-9-tetrahydrocannabinol)
Primär ZNS-hemmende Wirkung sowie typischerweise „Euphorie“
Mit vielen durch Drogen induzierten Störungen assoziiert
Alkohol
Sozial akzeptierte Droge
Alkoholische Getränke meist 1.5-60% Alkoholgehalt
Hemmt primär ZNS
Kann vielen weiteren Organen schwerwiegende Schäden zufügen
Unterschied zu vielen anderen Drogen: Abbau verläuft gleichmäßig (lineare Clearance)
Koffein
Im Vergleich zu anderen Substanzen "mild"
Am häufigsten konsumierte psychoaktive Substanz weltweit
Meistens keine extrem negativen Auswirkungen
dennoch: Intoxikation und Störungen sind möglich!
Nikotin
Konsum durch (E-) Zigaretten
auch: Kautabak, Schnupftabak, …
Nikotin ist der „abhängigmachende“ Teil
Hoch potent!
Platz 3 der am häufigsten konsumierten psychoaktiven Drogen nach Koffein & Alkohol
Diagnosekriterien (Disorders Due to Substance Use) (A)
Arten der Störungen (A)
Disorders Due to Substance Use
Störungen durch einmaligen oder mehrmaligen Konsum von Substanzen (psychoaktiv) und / oder Medikamente
Auswirkung auf Verhalten und Gesundheitsstatus!
psychische und physische Schädigung
auch: Schädlicher Gebrauch oder Abhängigkeit oder Intoxikation oder ...
genaue Kriterien variieren teils je Substanz
Schädlicher Konsum (Episode oder Verhaltensmuster)
Abhängigkeit (bestehend, episodisch, vollständige Remission, teilweise Remission, ...)
Induzierte Psychose
Induziertes Delirium
Entzugssymptome
Intoxikation
Schädlicher Gebrauch vs. Abhängigkeit (A)
Toleranzentwicklung
In Deutschland.. (alkoholabhängig/ rauchen)
Schädlicher Gebrauch:
Gebrauchsmuster mind. seit 1 Monat oder wiederholt in 12 Monaten
Substanzgebrauch verantwortlich für körperliche & psychische Schäden
Behinderung & negative Konsequenzen in zwischenmenschlichen Beziehungen
Schädigungsart sollte klar festgestellt & benannt werden können
Keine Kriterienerfüllung anderer psychischer oder Verhaltensstörung durch selbe Substanz zum gleichen Zeitpunkt
Schädigung der psychischen/physischen Gesundheit als Konsequenz des Konsums (gibt es als „Episode" und als „Pattern")
Abhängigkeit:
Abhängigkeit (mind. 3-4 Kriterien, meist 1 Jahr, oder bei aktuell bestehendem Konsum auch >3 Monate)
Starkes Verlangen zu konsumieren
Verminderte Kontrolle bzgl. Konsum
Körperliches Entzugssyndrom
Vernachlässigung anderer Interessen
Anhaltender Konsum trotz schädlicher Folgen
Dosissteigerung
Verminderte Wirkung bei gleicher Dosis
1,6 Mio. Menschen (18-65 Jahre) sind alkoholabhängig
6,7 Mio. konsumieren Alkohol in gesundheitlich riskanter Form
74.000 Todesfälle / Jahr
23,8% der Deutschen ab 18 Jahren rauchen
120.000 Todesfälle/ Jahr
Höchstes Risiko in der frühen Jugend bis zum 25. Lebensjahr
Komorbidität:
50-60% der von illegalen Drogen Abhängigen haben weitere psychische Störungen
Belastungs- und somatoforme Störungen
Affektive und neurotische Störungen
Schizophrene Erkrankungen
50% Persönlichkeitsstörungen
Unterscheidung in Ursache- und Folgestörung nicht immer möglich
2 Phasenwirkung von Alkohol
Ätiologie: Operante Konditionierung
Operanter Kreislauf
So lange der Blutalkohol steigt, wirkt er stimulierend
beginnt er zu sinken, überwiegen negative Emotionen → Alkohol wirkt sedierend
Selbstmedikation
Verbesserung des körperlichen und emotionalen Zustands
Positive Verstärkung
Positive Wirkung des Gebrauchs
Negative Verstärkung
Beendigung negativer emotionaler und sozialer Situationen
Negativ erlebte Situationen = Schul-/ Arbeitsprobleme, Probleme im Elternhaus, Beziehungsprobleme
Klassische Konditionierung:
Psychoaktive Substanz wird in bestimmtem Umfeld konsumiert
Ursprünglich neutraler Reiz (Orte, Gerüche, Personen) werden zu bedingtem Bedingter Reiz Hinweis für erneuten Konsum
Über Klassische Konditionierung kann Wirkung der Substanz erzeugt werden
"Needle freaks" Einstich einer Spritzennadel mit Placebosubstanz - Wirkung ähnlich einer psychoaktiven Substanz
Nutzung der Ergebnisse für psychotherapeutische Praxis schwierig, da die konditionierten Auslöser zu individuell sind
Substanzabhängigkeit - Neurobiologische Strukturen:
vor allem mesokortikelimbisches Belohnungs- und Verstärkersystem: mediales Vederhirnmündel mit dopaminergen Fasern
"erweiterte Amygdala": im Vorderhirn lokalisierte Makrostruktur
über kortikothalamostriale Schleifen ist das Belohungssystem mit dem Thalamus und dem Frontalhirn verbunden → Einfluss auf Handlungsplanung und Exekutionskontrolle → dopaminerge Fasern projizieren zum großen Teil zum Nucleus Accumbens und zum präfrontalen Kortex
ICD-11 Neuerungen Merkzettel
-> Disorders due to substance use or addictive behaviors, 6C40-6C5Z
korrespondierende Untergruppe in ICD-10: Psychische und Verhaltensstörungen durch
Neu: Inklusion von Störungen, die mit dem Konsum von neuen psychoaktiven Substanzen assoziiert sind
(Synthetische Cannabinoide, Methamphetamine, Methcathinone, Synthetische Cathinone, 3,4-Methyl Enedioxy Methamphetamine (MDMA) und Derivate, einschließend 3,4-Methylenedioxy Amphetamine (MDA), Ketamine, Phencyclidine und Substanzen ohne psychoaktive Eigenschaften)
Zusatz: "gambling disorder" (6C50) & "gaming disorder" (6C51)
Subtypen der Schizophrenie nach ICD-10
Paranoide Schizophrenie
Katatonie
VL 8
Im ICD-10: anders als bei vielen anderen Psychischen Störungen gibt es bei der Schizophrenie kein zentrales Symptom, das für eine Diagnose vorhanden sein müsste → Untertypen mit bestimmten Symptomkonstellationen
3 Wichtige Typen (Dominanz der Symptome entscheidend):
Paranoid = ausgeprägte Wahnvorstellungen
Desorganisiert/Hebephren = desorganisierte Sprache & Verhaltensweisen
Kataton = motorische Störungen
→ Weitere Untertypen = Versuch Störungsvielfalt gerecht zu werden
Im ICD-10
aus ICD-11 in dieser Form entfernt -> trotzdem wichtiges & interessantes Störungsbild
Diagnostizierbar, wenn:
Allgemeine Kriterien erfüllt
Wahnphänomene & Halluzinationen müssen vorherrschen
Klinisches Bild wird nicht von verflachtem/ inadäquatem Affekt, katatonen Symptomen oder Zerfahrenheit dominiert
Bei ICD-10 "Katatone Schizophrenie"
ICD-11 nicht mehr vorhanden
→ Psychomotorische (katatone) Symptome im Vordergrund
ICD-11: hier nichtmehr (nur) unter Schizophrenie diagnostizierbar, sondern eigene Störung
Lässt sich definieren als eine Störung der Motorik, die sich in einer unnatürlichen und stark verkrampften Haltung des Körpers äußert
Auch z.B, extreme Sprachverarmung / "Stummheit" - Patientinnen reden teilweise kaum / gar nicht
Subtypen der Schizophrenie nach ICD-11? (A)
ICD-11: Schizophrenia and other primary psychotic disorders (A)
Psychotische Episoden
Unterteilung in Subtypen wurde vollständig entfernt und durch eine einzige Kategorie ersetzt: „Schizophrenia"
laut WHO gibt es keinen merkbaren therapeutischen Nutzen dadurch, genauer aufzuteilen
Fokus auf: Verlauf und Ausprägung der Symptome (in der Kodierung vermerkt)
Catatonia 6A40 - 6A4Z: ist nun nicht mehr nur im Kontext von Schizophrenie diagnostizierbar
→ war vorher "Catatonic schizophrenia" - F20.2
Starke Veränderung der Definiton!
6A20 Schizophrenia
6A21 Schizoaffective disorder
6A22 Schizotypal disorder
6A23 Acute and transient psychotic disorder
6A24 Delusional disorder
6A25 Symptomatic manifestations of primary psychotic disorders
6A2Y Other specified primary psychotic disorder
6A2Z Schizophrenia or other primary psychotic disorders, unspecified
-> Auch: "Secondary psychotic syndrome" & "Substance-induced psychotic
tiefgreifende Veränderungen in Erleben & Verhalten
Sehr unterschiedliche mögliche Symptome
Resultat: Sehr heterogene klinische Erscheinungsbilder
Häufige Komorbiditäten
ca. 50 % leiden an min. einer somatischen Erkrankung
Suchterkrankungen
Gefühl/Gewissheit...:
nahezu unbegrenzter Leistungsfähigkeit
überragender Begabung als Künstler, Wissenschaftler, Techniker
von Gott oder den Menschen auserwählt zu sein
Angst/Gewissheit..:
beobachtet oder verfolgt zu werden (wie in dem anfangs gezeigten Video, "MI-5 verfolgt mich")
dass andere Menschen Gedanken lesen können
dass andere Menschen den eigenen Willen beeinflussen können
Kriterien nach ICD-11 (A)
Symptomklassen: Negativsymptomatik (A)
Symptomklassen: Positivsymptomatik (A)
Zeitkriterium weiterhin bei einem Monat
Eines der die Diagnose stützenden Symptome soll aus den folgenden ersten 4 Symptomkategorien a–d stammen:
a. persistierender Wahn,
b. persistierende Halluzinationen,
c. formale Denkstörungen,
d. Erlebnisse der Beeinflussung, Passivität oder Fremdkontrolle,
e. Negativsymptome,
f. grob desorganisiertes Verhalten, das sich in jeder Form von zielorientiertem Verhalten bemerkbar macht,
g. psychomotorische Störungen, wie katatone Unruhe oder Agitation, Haltungsstereotypien, wächserne Flexibilität, Negativismus, Mutismus oder Stupor.
-> Negativsymptomatik = Einschränkungen des normalen Erlebens
Psychomotorische Störungen
z.B. Bewegungsstereotypien, exzessiver Bewegungsdrang
Alogie (= Sprachverarmung)
Affektstörungen
Anhedonie = Unfähigkeit Freude zu erleben
oder flacher Affekt = kein Reiz löst mehr emotionale Reaktion aus: Patienten starren oft mit unbewegtem Gesicht und leerem Blick vor sich hin
Antriebsschwäche, Apathie
Weitere Symptome:
Katatonie (motorische Auffälligkeiten, z. B. katatoner Stupor) - im ICD-11 jetzt separate Störung, aber dennoch auch Symptom!
Inadäquater Affekte (emotionale Reaktionen sind den Ereignissen unangemessen)
→ Auch: ausgeprägte Beeinträchtigung bzw. Vernachlässigung der persönlichen Körperpflege
-> Positivsymptome = Übersteigerungen des normalen Erlebens
Wahn:
Überzeugung, an der trotz widersprüchlicher Belege festgehalten wird
Wahrnehmungsstörungen und Halluzinationen:
Sinneseindrücke, die von anderen nicht geteilt werden
Laut werdende Gedanken
Streitende oder kommentierende Stimmen
Desorganisiertes Denken & Sprechen (gelockerten Assoziationen bis „Wortsalat"):
lange Zeit als das wichtigste klinische Symptom angesehen
aber: manische Patienten weisen ebenso stark gelockerte Assoziation auf
Formale Denkstörungen
Störungen des Denkablaufes z. B. zerfahrenes Denken, Ideenflucht, Gedankenabreißen
Ich-Störungen
Differentialdiagnose Wahn
Differentialdiagnose Depression (A)
Abgrenzung zwischen dem Ich & der Umwelt wird als "fließend" wahrgenommen
Gedankenausbreitung, -eingebung, - entzug
Derealisation und Depersonalisierung
Positivsymptome treten in akuten psychotischen Krankheitsepisoden auf
Charakterisiert durch einzelnen Wahn/ mehrerer Wahninhalte, die lange, manchmal lebenslang, dauern
Wahninhalt sehr unterschiedlich
Keine anderen Positiv- bzw. Negativsymptome
Anhaltende, akustische Halluzinationen oder schizophrene Symptome nicht mit der Diagnose vereinbar!
Depressive Erkrankungen
Negativsymptome: Apathie, Anhedonie, flacher Affekt, Sozialer Rückzug, Aufmerksamkeitsprobleme
Keine Positivsymptomatik im Sinne einer Schizophrenie!
(Schizoaffektive Störungen:
Episodische Störungen, bei denen sowohl affektive als auch schizophrene Symptome auftreten, aber die weder die Kriterien für Schizophrenie noch für eine depressive oder manische Episode erfüllen)
-> Akute vorübergehende psychotische Störungen
erfüllen Kriterien einer Schizophrenie aber Symptome halten weniger als einen Monat an
Die Störung kann im Zusammenhang mit einer akuten Belastung stehen, definiert als belastendes Ereignis ein oder zwei Wochen vor Beginn der Störung (z.B. Trauer) Diagnose Schizophrenie: Symptome müssen seit mindestens 6 Monaten bestehen
"Mood Disorder" (affektive Störungen)
es können psychotische Symptome auftreten, diese erfüllen aber i.d.R. nicht die Kriterien für eine Schizophrenie (Dauer meist < 1 Monat)
Wenn das Zeit-Kriterium von > 1 Monat nicht erfüllt ist, so ist eine Diagnose als "Other Primary Psychotic Disorder" meist angemessen
Ätiologie der Schizophrenie
Prodromalphase → akute Phase → Residualphase
Familien- und Zwillingsstudien:
Verwandte von Schizophrenen auch erhöhtes Risiko an anderen Störungen zu erkranken
Enger Zusammenhang zwischen Schizophrenie eines leiblichen Elternteils & Risiko des Kindes
Unklar, auf welche Art Prädisposition übertragen wird
Erst durch Stress wird durch Prädisposition zur Störung
je näher der Verwandtschaftsgrad bzw. die Anzahl der geteilten Gene, desto höher ist das Erkrankungsrisiko
→ Konkordanzrate DZ Zwillinge = 12,08 % vs. Konkordanzrate MZ Zwillinge 43,3%
Genetische Faktoren
Studien: Eine Präposition für Schizophrenie wird genetisch weitergegeben
Positivsymptome
übermäßige Sensibilität der Dopaminrezeptoren im limbischen System
Dopaminagonisten (z.B. Kokain) können akute psychotische Symptome verursachen
wirksame Antipsychotika oft D2-Dopamin-Rezeptor-Antagonisten
Negativsymptome
zu geringe Dopaminaktivität im Präfrontalen Cortex
Soziale Schicht und Schizophrenie:
Häufung der Störung in untersten sozioökonomischen Schichten → vermehrte Stressoren (Soziogenese)
Social-Drift-Theory: Schizophrene "driften" im Laufe ihrer Erkrankung in ärmere Stadtteile ab
Behandlung
Prinzipien bei Behandlung
Vulnerabilit + Stress = Schizophrenie
Vulnerabilitätsindikatoren
Störungen von Aufmerksamkeit & Informationsverarbeitung, Dysfunktionen des autonomen Nervensystems
Stressfaktoren
Emotional belastendes Familienklima (HEE), Überstimulierende soziale Umgebung, Belastende Lebensereignisse
3 Säulen der Schizophrenie-Therapie:
somatisch-physiologische Behandlung (Neuroleptika) & psychoeduktive Aufklärung
Psychologisch-psychotherapeutische Therapie und Sozial- & Familientherapie
Sozialtherapie (Rehabilitativen Maßnahmen)
auch: Training sozialer Fertigkeiten (z. B. Rollenspiele)
Hohe Rückfallrate: 75% der Patientinnen werden innerhalb von 2 Jahren erneut in Klinik aufgenommen
Problem: mangelnde Krankheitseinsicht
z. B. paranoide Schizophrenie: Therapie wird als bedrohliche Einmischung feindlicher Kräfte angesehen
Möglichst frühe Intervention
Familie & Patientin umfassend informieren → z.B. über biologische Diathese & notwendige Medikamenteneinnahme
Familienorientierte Therapie, sodass es keine Belastung gibt durch:
Feindseligkeit
Zudringlichkeit
Kritik
Patient:innen sollen lernen, wie sie ihre Belastungsreaktion kontrollieren bevor es zu Fehlregulation kommt
Notfallkoffer: z. B. Step-by-Step Plan → wen kontaktiere ich wann, wenn ich bestimmte Symptome feststelle
Rezidivprophylaxe bei Schizophrenie
Psychotherapie oder Psychopharmaka?
Therapiekonzept mit 5 Behandlungselementen
Bearbeitung des Krankheitsverständnisses & des Behandlungskonzepts
Erkennen von Frühsymptomen & Krisenmanagement
Erkennen & Bewältigen von Belastungen
Umgang & Bewältigung andauernder Krankheitssymptome
Einbezug von Partnern & Familie
Indikationen einer Kombinationsbehandlung
60-70% der Betroffenen benötigen längerfristige, jahrelange Behandlung
Multifaktorielle Krankheitsursache braucht komplexe Behandlung
Medikamentöse/neuroleptische Therapien
Ergänzend psycho-, sozio- & familientherapeutischen Behandlung
Rehabilitativen Maßnahmen und Rezidivprophylaxe
Keine Heilung, sondern (nur) Linderung der Symptome durch Psychopharmaka
möglichst frühzeitige Intervention ist wichtig
Neuroleptika / Antipsychotika
Typische vs. Atypische Neuroleptika
Nebenwirkungen von Antipsychotika (A)
Rückfallprophylaxe
= Antipsychotisch, sedierend & psychomotorisch-dämpfend wirkende Medikamente
3 allgemeine Behandlungsziele
Reduzierung akuter Krankheitssymptome
Psychische Stabilisierung in postakuter Krankheitsphase
Aufrechterhaltung sozialer Funktionsfähigkeit, Wiederherstellung v. Lebensqualität & eventuelle Reduktion v. Negativsymptomen
Atypische Neuroleptika:
Wirkt auch gegen Negativsymptome & depressive Verstimmung
Typische Neuroleptika
Antagonismus an Dopamin D2-Rezeptoren
Unerwünschte Wirkungen
Extrapyramidal-motorisch
Vegetativ
Hormonell
Überempfindlichkeitsreaktionen
Wirkt v. a. gegen Positivsymptome
verschwommene Sicht
Ruhelosigkeit
Sexuelle Fehlfunktionen
Extrapyramidale Nebenwirkungen
Bei langfristiger Behandlung häufig tardive Dyskinesie
ICD-10 - Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen (F20-F29)
Diagnostische Kategorien ICD-11:
"schizophrenia" (6A20)
"schizoaffective disorder" (6A21)
"schizotypal disorder" (6A22)
"acute and transient psychotic disorder" (6A23)
"delusional disorder" (6A24) -> ersetzt "Sonstige anhaltende wahnhafte Störunge" aus ICD-10
Die Unterteilung von Schizophrenie in Subtypen (paranoid/hebephren/kataton, etc.) wurde gestrichen und durch das diagnostische Kriterium "Schizophrenie" ersetzt
Schizoaffektive Störung: die Unterteilung in Subtypen (manisch / depressiv / gemischt) wurde gestrichen, im ICD-11 können die dominanten Symptome (manisch / depressiv) benannt werden
im ICD-10 kein entsprechendes Kapitel
Im ICD-10 wurden motorische Störungen (Katatonie) entweder im Kontext organischer Störungen aufgeführt (F06.1 Organische katatone Störung) oder im Kontext von Schizophrenie als dominantes Symptom einer der Subtypen (F20.2 Katatone Schizophrenie)
Im ICD-11 kann Katatonie mit jeder anderen psychischen Störung assoziiert werden oder auch als Phänomen, das durch psychoaktive Substanzen ausgelöst wird Kategorie "secondary catatonic syndrome" (6E69), welche nicht Teil des Kapitels "Catatonia" ist, erlaubt es, verschiedene somatische Störungen (z.B. kardiovaskuläre Krankheiten oder Krebs) als Ursache von motorischen Störungen des katatonen Typs zu klassifizieren
Charakteristika von PS nach Sachsa
F60 - spezifische Persönlichkeitsstörungen
Allgemeine Kriterien nach ICD-10
VL 9
Ich-Syntonie: Wesentliche Aspekte der Störung werden nicht als problematisch, sondern als „zum Ich gehörig“ und als „Teil der eigenen Identität“ gesehen
Änderungsmotivation: Die Patient*innen erleben zwar Kosten, denken aber, dass diese von außen verursacht sind und hätten gerne, dass sich die Umwelt ändert
Beziehungsmotiviert: Pat. kommen häufig in Therapie, um bestimmte Motive befriedigt zu bekommen und dort eine bestimmte Art von Beziehung zu erhalten
Interaktionsspiele: d.h. Pat. Mit Persönlichkeitsstörung zeigen häufiger als andere manipulatives Verhalten
Tests: Verhaltensweisen, mit deren Hilfe der/die Klient*in feststellen will, ob ein*e Therapeut*in „echt“ ist, ob er Beziehungsangebot ernst meint, ob er/sie zuverlässig ist. z.B: wird der/die Therapeut*in kritisiert, um zu prüfen wie er darauf reagiert
F60.0 Paranoide Persönlichkeitsstörung
F60.1 Schizoide Persönlichkeitsstörung
F60.2 Dissoziale Persönlichkeitsstörung
F60.3 Emotional instabile Persönlichkeitsstörung
F60.4 Histrionische Persönlichkeitsstörung
F60.5 Anankastische Persönlichkeitsstörung
F60.6 Angstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung
F60.7 Abhängige Persönlichkeitsstörung
F60.8 Sonstige spezifische Persönlichkeitsstörung
-> Allgemeine Kriterien nach ICD-10, die für die Diagnosestellung jeder Persönlichkeitsstörung erfüllt sein müssen
Störung der charakterlichen Konstitution und des Verhaltens in mehreren Bereichen der Persönlichkeit - Für die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung müssen folgende Kriterien vorliegen:
Unausgeglichenheit von Einstellungen und Verhalten in mehreren Funktionsbereichen
Andauerndes und gleichförmiges Verhaltensmuster
Das Muster ist tiefgreifend und in vielen Situationen unpassend
Beginn in der Kindheit oder Jugend, gefolgt von dauerhafter Manifestation im
Erwachsenenalter
Subjektives
Einschränkungen der beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit
Persönlichkeitsstörungen im ICD-11 (A)
Probleme mit kategorialer Diagnostik im ICD-10/ DSM-IV/ DSM-5:
Willkürliche Kriterien für Diagnosestellung (z.B. 5 von 9 Kriterien müssen gegeben sein)
Starke Überschneidung zwischen Kategorien
Mangel an Evidenz für 10 distinkte Kategorien
Nicht ausreichender klinischer Nutzen
Dimensionale Diagnostik:
Globale Evaluation von interpersoneller Funktionalität der Persönlichkeit und Beeinträchtigungen des Patienten
Severity/ Schweregrad:
Für klinische Prognose und Intensität der Behandlung
Trait Domain qualifiers:
Vergleichbar mit Fünf-Faktoren Modell
für Fokus und Art der Behandlung relevant
Negative Affektivität Ablösung
Disinhibition
Unsoziales Verhalten
Anankastie/ Zwanghaftigkeit
-> Außerdem soll es möglich sein ein Borderline Muster festzustellen
ICD 11: 6D10-6D11 (A)
Rückblick: ICD-10 (A)
nur noch die allgemeine Diagnose „Persönlichkeitsstörung"
2 Beurteilungskriterien:
"Selbst-Funktionsniveau" (= Wie stabil ist das Selbstbild und Selbstwertgefühl)
"zwischenmenschliche Funktionsniveau"
keine narzisstische PS mehr, keine paranoide oder dissoziale Persönlichkeitsstörung
Einzelfallanalyse: 5 "Dimensionen"
negative Affektivität (wie stark denkt eine Person negativ?)
soziale Distanziertheit
Paranoide PS
Schizoide PS
Dissoziale PS
Histrionische PS
Anankastische PS
Ängstlich-vermeidende PS
Abhängige PS
Sonstige spezifische Persönlichkeitsstörungen
Paranoide PS
Schizoide PS
-> Kriterien für spezifische Persönlichkeitsstörung F60 müssen erfüllt sein
Mindestens 4 der folgenden Eigenschaften/ Verhaltensweisen:
a. Übertriebene Empfindlichkeit auf Rückschläge und Zurückweisung
b. Neigung, dauerhaft Groll zu hegen
Das heißt Beleidigung, Verletzung, Missachtung werden nicht vergeber
c. Misstrauen und anhaltende Tendenz, Erlebtes zu verdrehen
Indem neutrale oder freundliche Handlungen anderer als feindlich о. verächtlich missdeutet werden
d. Streitsüchtiges und beharrliches, situationsunangemessenes Bestehen auf eigenen Rechten
e. Häufig ungerechtfertigtes Misstrauen gegenüber sexueller Treue des Ehe-/ Sexualpartners
f. Ständige Selbstbezogenheit, besonders in Verbindung mit starker Überheblichkeit
g. Häufige Beschäftigung mit unbegründeten Gedanken an „Verschwörungen"
Verschwörungen als Erklärungen für Ereignisse in der näheren Umgebung des Patienten oder der Welt allgemein
-> Kriterien für spezifische Persönlichkeitsstörung F60 müssen erfüllt sein
a. Wenn überhaupt, bereiten nur wenige Tätigkeiten Freude
b. Emotionale Kühle, Distanziertheit o. abgeflachter Affekt
c. Reduzierte Fähigkeit, warme, zärtliche Gefühle für andere oder Ärger auszudrücken
d. Erscheint gleichgültig und indifferent gegenüber Lob oder Kritik von anderen
e. Wenig Interesse an sexuellen Erfahrungen mit einem anderen Menschen
f. Fast immer Bevorzugung von Aktivitäten, die alleine durchzuführen sind
g. Übermäßige Inanspruchnahme durch Fantasien und Introvertiertheit
h. Keine oder wünscht keine engen Freunde oder vertrauensvolle Beziehungen (Oder maximal eine)
i. Deutlich mangelhaftes Gespür für geltende soziale Normen und Konventionen (Wenn sie nicht befolgt werden, geschieht das unabsichtlich)
Dissoziale PS
Histrionische PS
Mindestens 3 der folgenden Eigenschaften/ Verhaltensweisen:
a. Herzloses Unbeteiligt sein gegenüber Gefühlen von anderen
b. Deutliche u. andauernde verantwortungslose Haltung und Missachtung sozialer Normen, Regeln und Verpflichtungen
c. Unfähigkeit zur Aufrechterhaltung dauerhafter Beziehungen (Obwohl keine Schwierigkeit besteht, Beziehungen einzugehen)
d. Sehr niedrige Frustrationstoleranz und niedrige Schwelle für Aggression und Gewalt
e. Fehlendes Schuldbewusstsein oder Unfähigkeit, aus negativer Erfahrung zu lernen (Negative Erfahrung: insbesondere Bestrafung)
f. Deutliche Neigung andere zu beschuldigen oder plausible Rationalisierung für Verhalten, das zu Konflikt mit Gesellschaft geführt hat
a. Dramatische Selbstdarstellung, theatralisches Auftreten oder übertriebener Ausdruck von Gefühlen
b. Suggestibilität, leichte Beeinflussbarkeit durch andere Personen oder äußere Umstände
c. Oberflächliche, labile Affekte
d. Ständige Suche nach aufregenden Erlebnissen und Aktivitäten, in denen die Person im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht
e. Unangemessen verführerisch in Erscheinung und Verhalten
f. Übermäßige Beschäftigung damit, äußerlich attraktiv zu erscheinen
Anankastische PS
Angstlich-vermeidende PS
Mindestens 4 der folgenden Eigenschaften/Verhaltensweisen:
a. Starke Zweifel und übermäßige Vorsicht
b. Ständige Beschäftigung mit Details, Regeln, Listen, Ordnung, Organisation oder Plänen
c. Perfektionismus, der Fertigstellung von Aufgaben behindert
d. Übermäßige Gewissenhaftigkeit und Skrupelhaftigkeit
e. Unverhältnismäßige Leistungsbezogenheit (unter Vernachlässigung o. bis zum Verzicht auf Vergnügen und zwischenmenschlichen Beziehunge)
f. Übertriebene Pedanterie und Befolgung sozialer Konventionen
g. Rigidität und Eigensinn
h. nbegründetes Bestehen darauf, dass andere sich exakt den eigenen Gewohnheiten unterordnen (Oder unbegründete Abneigung dagegen, andere etwas machen zu lassen)
a. Andauernde und umfassende Gefühle von Anspannung und Besorgtheit
b. Uberzeugung, sozial unbeholfen, unattraktiv oder minderwertig zu sein (Im Vergleich zu anderen)
c. Übertriebene Sorge, in sozialen Situationen kritisiert oder abgelehnt zu werden
d. Persönliche Kontakte nur, wenn Sicherheit besteht, gemocht zu werden
e. Eingeschränkter Lebensstil wegen des Bedürfnisses nach körperlicher Sicherheit
f. Vermeidung beruflicher oder sozialer Aktivitäten, mit intensivem zwischenmenschlichen Kontakt, aus Furcht vor Kritik, Missbilligung oder Ablehnung
g. Kriterien für spezifische Persönlichkeitsstörung F60 müssen erfüllt sein
Abhängige PS
Sonstige spezifische Persönlichkeitsstörungen
a. Ermunterung oder Erlaubnis an andere, die meisten wichtigen Entscheidungen für das eigene Leben zu treffen
b. Unter und dient Bedarfe angr die an ge eser den dieren Abhängigkeit
c. Mangelnde Bereitschaft zur Außerung selbst angemessener Ansprüche gegenüber Personen, zu denen Abhängigkeit besteht
d. Unbehagliches Gefühl oder Hilflosigkeit, wenn die Betroffenen alleine sind, aus übertriebener Angst, nicht für sich alleine sorgen zu können
e. Häufiges Beschäftigen mit der Furcht verlassen zu werden und auf sich selbst angewiesen zu sein
f. Eingeschränkte Fähigkeit, Alltagsentscheidungen zu treffen, ohne Ratschläge und Bestätigung von anderen
exzentrisch
haltlos
narzisstisch
passiv-aggressiv
psychoneurotisch
unreif
Prävalenzen PS
Genetische Einflüsse
Belastende und traumatische Erfahrungen:
Normalbevölkerung: 5-15%
Klinische Population: 40-60%
Patienten, die sich bereits wegen einer psychischen Erkrankung in Behandlung befinden
Am häufigsten ängstlich-vermeidend 15,2%
Am seltensten schizoide 1,8%
Hohe Komorbidität: Angststörungen & Affektive Störungen
Mehr als eine Persönlichkeitsstörung bei 60,4% der Patient:innen mit Persönlichkeitsstörungen
Insbesondere hoher Zusammenhang zwischen paranoider und schizotypischer PS
Mehr als eine PS diagnostizierba
Beginn: Kindheit / Adoleszenz / frühes Erwachsenenalter
stabiler zeitlicher Verlauf
Stabilität der Persönlichkeitsstörungsdiagnose: 40%
Prävalenz sinkt mit zunehmendem Alter
bedeutsame Unterschiede zw. Persönlichkeitsstörungen hinsichtlich Remissionsraten
Borderline → relativ gute Remissionrate
Schizotypische → eher geringe Remissionsrate
Hohes Suizidrisiko: 2-6%
Höchste Suizidrate bei Borderline
Im Vergleich: Suizidrate bei unterschiedlichen psychischen Erkrankungen: 0,5-2%
Adoptivstudien: Erbeinflüsse nicht auszuschließen
nur für schizoide und dissoziale Persönlichkeitsstörung
Befunde nicht verallgemeinerbar
Familien und Zwillingsstudien: eher Persönlichkeitsstile, als Persönlichkeitsstörungen
bei Störungen kaum Unterschiede zwischen mono- und dizygoten Paaren hinsichtlich der Konkordanz von PS
Fazit: von Persönlichkeitsstilen kann eher auf genetische Hintergründe zurückgeschlossen werden, jedoch nicht in gleicher Weise wie bei Persönlichkeitsstörungen
Traumatische Erfahrungen: bei Patienten mit dissozialer, selbstunsicher-vermeidender, schizotypischer und Borderline-PS häufiger als bei Menschen ohne Störung
Aber: Zusammenhang auch bei anderen psychischen Störungen bei über 50% keine traumatischen Erfahrungen
Psychologische Einflüsse auf die Sozialisation
Annahme: Wechselwirkungen zwischen..
-> Elterlichem Erziehungsstil, Kompetenzen des Kindes, Temperament des Kindes
Einfluss von Bindung
Patienten mit selbstunsicher-vermeidender, Borderline oder dissozialer PS berichten häufiger ablehnend feindselig getönte Bindungsstile der Eltern
Da auch bei anderen psy. Störungen (z.B. Depression, Alkohol- und Drogenprobleme) von ablehnend-feindseliger Bindung zu Eltern berichtet wird, sind Bindungsstile der Eltern eher unspezifische Faktoren
Deren Wirkung, zusammen mit Einflüssen aus Kindergarten, Schule und dem Hereinwachsen in Subkulturen, kann erst in Prospektiv- und Verlaufsstudien genauer bestimmt werden
Wechselwirkung: Kindheitserfahrungen, Eltern-Kind-Beziehung → vermutlich wichtigste Risikofaktoren für Störungsentwicklung
Jedoch z.B. bei Kindern aus gleichen Familien teils erhebliche Unterschiede in Persönlichkeitseigenschaften und -stilen (deswegen scheint Kompetenz des Kindes eine Rolle zu spielen)
Wenig bekannt über Wirksamkeit einer Therapie für verschiedene PS
Behandlungsmethoden
Psychopharmaka
Psychodynamische Behandlungen (Versuch die Einstellung zu den zugrundeliegenden Kindheitsproblemen zu ändern)
Kognitive Verhaltenstherapie (z.B. Training sozialer Fertigkeiten bei selbstunsicheren Personen)
Probleme
Kaum kontrollierte Studien: Meistens Einzelfallberichte
hohe Komorbidität der einzelnen Störungen
Herausforderungen für die Therapie (A)
Allgemeine Therapieziele
Patienten kommen mit Stabilisierungs- nicht Änderungsmotivation
Es gibt also wenig Motivation, an der Veränderung von Zielen, Annahmen, Motiven mitzuarbeiten.
Motive und Beziehungsprobleme von Patienten mit PS sind häufig nicht sofort erkennbar.
Wichtig: Nicht PS selbst behandeln, sondern die sich daraus ergebenden...
Komplexen Interaktionsstörungen
Störungen des emotionalen Erlebens
Störungen der Realitätswahrnehmung oder Selbstwahrnehmenung oder der Selbstdarstellung
Störungen der Impulskotrolle
Ziel: Auflösung zwischenmenschlicher Konflikte und Kriesen → Entwicklung alternativer Handlungsmuster unter Behalt und Nutzung der persönlichen Eigenarten
Nicht immer liegen Störungen vor → maladaptiv eingesetzte Persönlichkeitsstile
Emotional-instabile PS
Impulsiver Typus nach ICD-10
-> Allgemeine Kriterien (F60) müssen erfüllt sein
Impulsiver Typus
Emotionale Instabilität
Mangel an Impulskotrolle
Gewalttätige oder bedrohliche Verhaltensausbrüche bei Kritik
Borderline-Typus
Unklarheiten oder Störungen von Selbstbild. Zielen und inneren Präferenzen
Chronische innere Leere
Intensive aber unbeständige Beziehunger
Können auch emotionale Krisen nach sich zieher
Gekennzeichnet durch: übertriebene Bemühungen nicht verlassen zu werden, Selbstmorddrohungen oder selbstschädigendes Verhalten
-> Mind. 3 folgender Kriterien:
Deutliche Tendenz, unerwartet und ohne Berücksichtigung der Konsequenzen zu handeln
Deutliche Tendenz zu Streitereien u. Konflikten mit anderen, v.a. dann, wenn impulsive Handlungen unterbunden o. getadelt werden
Neigung zu Ausbrüchen von Wut oder Gewalt mit Unfähigkeit zur Kontrolle explosiven Verhaltens Schwierigkeiten in der Beibehaltung von Handlungen, die nicht unmittelbar belohnt werden
Unbeständige und launische Stimmung
Borderline Typus nach ICD-10
-> Mind. 2 folgender Kriterien:
Störungen und Unsicherheit bezüglich Selbstbild, Zielen und „inneren Präferenzen" (einschließlich sexueller)
Neigung sich auf intensive aber instabile Beziehungen einzulassen, oft mit der Folge von emotionalen Krisen
Ubertriebene Bemühungen, das Verlassenwerden zu vermeiden
Wiederholt Drohungen oder Handlungen mit Selbstschädigung
Anhaltende Gefühle von Leere
Kennzeichen:
Instabiles Selbstwertgefühl
Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung fehlt ein klares und kohärentes Selbstgefühl
Unsicherheit bzgl. ihrer Werte, Loyalitäten, beruflichen Entscheidungen
ertragen es nicht, alleine zu sein: Angst verlassen zu werden & Einfordern von Aufmerksamkeit
Ständiges Gefühl von Depression und Leere führt zu suizidalen & selbstverstümmelnden Handlungen
Unter Stress: paranoide Vorstellungen & dissoziative Symptome
96% Depression
88,5% Angststörung
65% PTBS
Beeinträchtigungen am höchsten bis Ende 3. Lebensjahrzehnt
Borderline-Störung reduziert sich im Laufe des Lebens
Suizidrate: 5-10%
Günstige Faktoren
Mutterschaft
Stabile Partnerschaft
Kompensation Krankheitssymptome & besserer Umgang mit heftigen Stress-Reaktionen
Stabilisierung ab ca. 30. Lebensjahr
Ätiologie Modelle
Grundsätzlich 4 Komponenten:
Psychodynamische Modelle: Objektbeziehungstheorie
Kind entwickelt unsicheres Ego aufgrund von widersprüchlicher Liebe und Aufmerksamkeit von seinen Eltern
Entwicklung von Spaltung als Abwehrmechanismus ® Objekte werden in gut und böse getrennt E Positive und negative Seiten einer Person werden nicht
integrier
Diathesis-Stress-Theorie (Linehan)
Emotionale Fehlregulierung des Kindes
Große Anforderungen an die Familie
Entwertung durch die Eltern durch Bestrafung oder durch Ignorieren der Bedürfnisse
Emotionale Ausbrüche des Kindes, auf die die Eltern reagieren
Neurobehaviorales Entstehungsmodell
Genetische Komponente
Traumatische Erfahrungen
Dysfunktionale Lernprozesse
Dysfunktionale Verhaltensmuster
Behandlungsverfahren
Neuroleptika
Angst
Suizidalität
Psychotische Symptome
Vorsicht geboten wegen des hohen Substanzmissbrauchs und der Suizidalität
Objektbeziehungs-Psychotherapie (Kernberg)
Stärken des schwachen Egos des Patienten /der Patientin, damit er/sie nicht mehr mit Spaltung reagieren muss
Dialektisch-behaviorale Therapie (Linehan)
Akzeptanz des Patienten / der Patientin
Kognitiv-verhaltenstherapeutischer Schwerpunkt (KVT: Veränderung der Gedanken, Emotionen und des Verhaltens)
Symptome = verständliche Reaktionen im Sinne nicht optimaler Lösungsstrategien
Anamnese
Fokus auf bisherige Beziehungsgestaltung
„Vertrag"
Lernen Gefühlsschwankungen zu erkennen und zu akzeptieren
Bearbeitung des Erlebens großer Wut
Abbau selbstgefährdenden Verhaltens und
Skill-Training in der DBT (A)
= Fertigkeiten im Umgang mit Mitmenschen, belastenden Situationen odermAnspannungssituationen
Training sozialer Kompetenzen:
Lernen angemessener Reaktionen in Konfliktsituationen
Voraussetzungen: rechtzeitiges Erkennen der Gefühle & Einordnung der richtigen Reaktionsweise
Emotionstraining:
Problem: Vermischen widersprüchlicher Gefühle (z.B. Wunsch nach Nähe und Angst vor Verlassenwerden)
Erkennen und Erleben grundlegender Gefühle: Ärger, Schuld, Trauer vs. Heiterkeit, Freude, Liebe
Ziel: Emotionen besser einordnen und von einander trennen können verbesserte Wahrnehmung der Gefühle
Training der Stressbewältigung:
Ziel: Erkennen bedeutender Stressfaktoren
Häufig führt vermehrter Stress bei Borderline-Patient*innen zu selbstverletzendem Verhalten
Frage: Was sind mögliche Ablenkungsstrategien?-> Beispielsweise: können Verhaltensweisen erlernt werden, sich (statt Selbstverletzung) einen Reiz zuzufügen, der keinen Schaden hinterlässt (z.B. Gummiband am Handgelenk)
Entspannungstraining: -> Übungen zur „inneren Achtsamkeit“ -> Ziel: Gespür entwickeln, wann innere Anspannung wächst & Betroffene:r soll Übungen in besonders belastenden Situationen anwenden können
Therapeutische Beziehungsgestaltung: Grundannahmen
Pharmakotherapie
Wichtig:
Authentizität statt nur „technischer Neutralität"
Erreichbarkeit in Krisensituatione
Vertrauensbasis
Wohlwollende Nähe als Verstärker
Grundannahmen:
Borderline-Patient*innen wollen sich verbessern und aktiv an Veränderungen arbeiten.
Sie müssen oft mehr Einsatz zeigen als andere – eine ungerechte Belastung.
Probleme sind meist nicht selbst verschuldet, müssen aber eigenständig gelöst werden.
Suizidale Patient*innen empfinden ihr Leben oft als unerträglich.
Neues Verhalten muss im passenden Kontext erlernt werden.
In der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) gibt es kein Versagen.
Therapeut*innen brauchen Unterstützung in der Arbeit mit Borderline-Patient*innen.
Wohlwollende Nähe und Aufmerksamkeit des Therapeuten als Verstärker:
Aufbau funktionalen Verhaltens sowie Abbau dysfunktionalen Verhaltens
Therapeut muss authentisch auftreten, da Borderline-Patienten ein sehr feines Gespür für Rollenspiele haben
Während der Therapie wird man oftmals zur zentralen Bezugsperson für Borderline-Patienten (über Jahre)
Der Patient kann eine Abhängigkeit entwickeln, wenn dem nicht Vorschub geleistet wird
Diese Abhängigkeit kann dazu führen, dass der Patient voller Neid den Kontakt des Therapeuten mit anderen Patienten oder dessen Privatleben beobachten
Rückzug von Seiten des Therapeuts kann zur Aggravierung des Verhaltens führen!
Erreichbarkeit: Therapeut sollte in Krisensituationen schnell erreichbar sein
Nähe und Aufmerksamkeit als Verstärker:
Als Therapeut ganz bewusst seine Aufmerksamkeit steuern
Bemüht sich der Patient: steigern der Zuwendung
Verweigert er die Mitarbeit: etwas distanzieren
ABER: aversive Konsequenzen gefährden immer potenziell die Beziehung, daher sollten diese grundsätzlich auf das Verhalten und nicht auf die Person bezogen werden
Kein spezifisches „Anti-Borderline-Medikament"
Wirksam hinsichtlich bestimmter Bereiche der Psychopathologie:
SSRIs
Stimmungsstabilisatoren
Atypische Neuroleptika (z.B. Olanzapin, Aripiprazol)
-> Nur begründet und kurzfristig: Benzodiazepine
Was können Psychopharmaka bei der Behandlung von Borderline leisten? Antwort: Symptomreduktion
Emotionen besser regulierbar machen
Störung der Impulskontrolle mildern
Ängste und Depressionen reduzieren
Stimmung stabilisieren
Hilfreich bei psychotischen Symptomen (Fehlwahrnehmung der Wirklichkeit)
Benzodiazepine: Besonders bei Borderline-Patienten
Abnormes Verhalten nach Steinhausen (A)
Beeinträchtigungen (A)
VL 10
altersunangemessen ist, wie z. B. Trennungsängste im Schulalter
zeitstabil ist, d. h. persistierend über einen längeren Zeitraum wie z. B. Schulverweigerung (vs. Schulunlust)
syndromal ist, d. h. nicht nur als isoliertes Symptom auftritt, sondern in Kombination mit mehreren Symptomen (Syndrom)
entwicklungsperturbierend ist, d. h. wenn es sich um ein Symptom handelt, das tief in die Entwicklung und das Leben eines Kindes eingreift wie z. B. gestörte soziale Beziehungen zu Gleichaltrigen
eine ausgeprägte Schwere und Häufigkeit aufweist
situationsübergreifend
Neben Schwere und Häufigkeit der Symptome sind auch die damit verbundenen Beeinträchtigungen des Kindes oder Jugendlichen ein
Kriterium für psychische Störungen:
1. Der Grad sozialer Einengung, d. h. die Verringerung sozialer Aktivitäten im Freizeitbereich;
2. Der Grad der Minderung sozialer Funktionen wie de Aufbau von Freundschaften, die Ablösung von den Eltern
3. Der Grad der Verzögerung altersangemessener kognitiver und emotionaler Entwicklungsschritte.
Klinische Kinder- und Jugendpsychotherapie
Diagnostik von Kindern und Jugendlichen
Multiaxiales Klassifikationsschema (MAS) (A)
Untersuchung von Ursachen, Entwicklung und Verlauf psychischer Störungen.
Bedeutung von Risiko- und Schutzfaktoren.
Diagnostik und Bewertung psychischer Störungen und psychosozialer Belastungen.
Behandlung psychischer Störungen und psychosozialer Folgen körperlicher Erkrankungen.
Interventionen zur Prävention, Minderung oder Heilung psychischer Beeinträchtigungen.
Berücksichtigung der Bedürfnisse von Kindern und Familien.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen.
-> 2 – 6 probatorische Sitzungen
Therapiemotivation überprüfen
Beziehungsaufbau
Psychoedukation
Zeit für eine ausführliche diagnostische Abklärung und Anamnese, multimodal
Klärung, Therapieziele und welche Therapieverfahren am besten geeignet wären
In Ergänzung zur ICD-10 wurde von der WHO das speziell für die Kinder- und Jugendpsychiatrie entwickelte »Multiaxiale Klassifikationsschema« (MAS) herausgegeben
6A02 Autismus-Spektrum-Störung
6A02.Z Frühkindlicher Autismus
-> Störungen mit einer schweren qualitativen Abweichung vom normalen Entwicklungsverlauf, die zu keinem Alterszeitpunkt normal ist
Hauptmerkmale:
qualitative Beeinträchtigungen in der sozialen Kommunikation und Interaktion über verschiedene Kontexte hinweg,
eingeschränkte, repetitive Verhaltensmuster, Interessen oder Aktivitäten,
Auftreten der Symptomatik seit frühester Kindheit sowie
qualitative Beeinträchtigung der verbalen und/oder nonverbalen Kommunikation
Im ICD-11 nicht näher bezeichnet.
Zusammenführung der Diagnosen Frühkindliche Autismus (6A02.Z), Asperger- Syndrom (6A02.0) und Atypischer Autismus (6A02.Y) zur Autismus-Spektrum- Störung (6A02).
Unterscheidung in mit/ohne Intelligenzminderung/Störung der Sprache
Das ICD-10 benennt unter F84.0 (Frühkindlicher Autismus) folgende Hauptmerkmale:
Vorhandensein einer abnormalen und/oder gestörten Entwicklung
Manifestation vor dem 3. Lebensjahr
Funktionsstörung in allen drei Bereichen der sozialen Interaktion, der Kommunikation und des eingeschränkten, sich wiederholenden Verhaltens
6A05 Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (A)
Verhaltens- und emotionale Störungen: Disruptives Verhalten oder dissoziale Störungen (A)
Drei Kardinalsymptome:
Unaufmerksamkeit z.B. Frühzeitiges Abbrechen von Aufgaben o. fehlende Konzentration
Überaktivität (desorganisierte, mangelhaft regulierte und überschießende motorische Aktivität)
Impulsivität (plötzliches Handeln, ohne zu überlegen, Unfähigkeit abzuwarten und Bedürfnisse aufzuschieben)
Gekennzeichnet von Unaufmerksamkeit und/oder Hyperaktivität- Impulsivität, das sich unmittelbar negativ auf die schulischen, beruflichen oder sozialen Leistungen auswirkt.
Symptome treten typischerweise in der frühen bis mittleren Kindheit auf, obwohl einige Personen erst später klinisch auffallen können.
Die Symptome der Unaufmerksamkeit und/oder der Hyperaktivität- Impulsivität müssen in verschiedenen Situationen oder Umgebungen (z.B. zu Hause, in der Schule, am Arbeitsplatz, bei Freunden oder Verwandten) zu beobachten sein
6C90 Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigem Verhalten
Anhaltendes Muster von ausgeprägtem trotzigem, ungehorsamem, provozierendem oder gehässigem Verhalten.
Führt zu erheblichen Beeinträchtigungen in persönlichen, familiären, sozialen, schulischen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.
6C91 Störung des Sozialverhaltens mit dissozialem Verhalten
Verhaltensstörungen
Wiederholtes und anhaltendes Verhaltensmuster, bei dem die grundlegenden Rechte anderer oder wichtige altersgemäße gesellschaftliche Normen, Regeln oder Gesetze verletzt werden, sind durch ein sich wiederholendes und anhaltendes Muster
Verhaltensmuster muss über einen längeren Zeitraum andauern (z. B. zwölf
6B05 Trennungsangststörung
Vorliegen eines wiederholten, persistierenden Verhaltensmuster
Grundrechte anderer verletzend
Wichtige altersentsprechende soziale Normen oder Gesetze verletzend
u.a. häufige Wutausbrüche, häufiges Streiten mit Erwachsenen, Hinwegsetzen über
Regeln, häufiges, offensichtlich wohlüberlegtes Handeln, das andere ärgert, häufige Gehässigkeit oder Rachsucht, häufige Tierquälerei, Schule schwänzen, Stehlen von Wertgegenständen, Kriminalität
Exzessive und unrealistische Angst vor Trennung von Hauptbezugsperson
Trennungsschwierigkeiten, u.a. gekennzeichnet durch:
anhaltende Abneigung oder Weigerung, ohne die Bezugsperson schlafen zu gehen oder auswärts zu schlafen
wiederholte Albträume zu Trennungsthemen
wiederholtes Auftreten somatischer Symptome bei Trennung von Hauptbezugsperson (Bauch- und Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen)
Beginn vor sechstem Lebensjahr
Dauer mindestens vier Wochen
6A05 Ticstörungen (A)
F98 Andere Verhaltens- und emotionale Störungen (A)
Ein sensorisches Phänomen, das als Anspannung oder innere Unruhe beschrieben wird → Tic (vokal o. motorisch) löst Anspannung
Inter- und intraindividuelle erhebliche Variation motorischer als auch vokaler Tics in ihrer Art, Häufigkeit, Intensität und Komplexität
Extremste Ausprägung beim Tourette-Syndrom (seltene chronische, behindernde Störung)
3x häufiger bei Jungen als bei Mädchen
Tics können (für kurze Zeit) unterdrückt werden, Belastungen verstärken, während des Schlafs verschwinden sie
motorische als auch vokale Tics können in ihrer Art, Häufigkeit, Intensität und Komplexität und inter- und intraindividuell erheblich variieren
ein sensorisches Phänomen geht voraus, das als Anspannung oder innere Unruhe beschrieben wird
Beispiele: Räuspern - Grunzen - obszöne Worte – gestische Echopraxie – Blinzeln – Kopfwerfen - Grimassieren – Sich selbst schlagen – Hüpfen
6C00.2 Enuresis nocturna et diurna:
Unwillkürliche Urinabgabe, bei Tag oder bei Nacht, der im Verhältnis zum geistigen Entwicklungsstand der betroffenen Person abnorm und nicht Folge einer mangelnden Blasenkontrolle, aufgrund einer neurologischen Krankheit, epileptischen Anfälle oder einer strukturellen Anomalie der ableitenden Harnwege ist.
6C01 Enkopresis ohne Obstipation oder Überlaufinkontinenz:
Wiederholtes willkürliches oder unwillkürliches Absetzen von Faeces normaler oder fast normaler Konsistenz an Stellen, die im soziokulturellen Milieu des betroftenen Kindes datur nicht vorgesehen sind.
Besonderheiten der Kinder- und Jugendtherapie (A)
Diagnostik von Kindern und Jugendlichen (A)
1. Schwierigkeit: Konkrete und zuverlässige Angaben von Kindern erhalten
2. Schwierigkeit: Mangelnde Übereinstimmung von Eltern und Kindern im Symptombericht
3. Schwierigkeit: Problemverhalten häufig nicht generell, sondern situationsspezifisch Schwierigkeit: Abgrenzung des Verhaltens von entwicklungsphasentypischen Phänomenen
Besondere Anforderung: Integration der Berichte aus verschiedenen Quellen
Lösung: Multiaxiale und multimodale Diagnostik
Zwei bis sechs probatorische Sitzungen zum Eingewöhnen und Entscheidung für oder gegen Therapie sind nach den Psychotherapie-Richtlinien (2017) vorgesehen
Zeit für eine ausführliche diagnostische Abklärung
Klärung, welche Therapieverfahren am besten geeignet wären
Zentrale Fragen:
Liegt eine psychische Störung vor, und wenn ja, welche Diagnose kann gestellt werden?
Welche intrapsychischen, familiären, soziokulturellen und biologisch physiologischen Faktoren sind an der Entstehung und Entwicklung der Störung in welchem Ausmaß beteiligt?
Welche Faktoren erhalten die Störung aufrecht?
Über welche personalen, familiären und sozialen Ressourcen verfügen das Kind und seine Familie?
Wie ist die Prognose der Störung ohne Intervention? Ist eine Intervention notwendig?
Welche Intervention ist am besten geeignet?
Feeding or eating disorders ICD-11
6B80 Anorexia Nervosa (A)
VL 11
6B80 Anorexia Nervosa
6B80.0 Anorexia Nervosa with significantly low body weight
6B80.1 Anorexia Nervosa with dangerously low body weight
6B80.2 Anorexia Nervosa in recovery with normal body weight
6B81 Bulimia Nervosa
6B82 Binge eating disorder
6B83 Avoidant-restrictive food intake disorder
6B84 Pica
6B85 Rumination-regurgitation disorder
6B8Y Other specified feeding or eating disorders
6B8Z Feeding or eating disorders, unspecified
Sehr niedriges Körpergewicht
Schneller und starker Gewichtsverlust (>20% des Körpergewichts innerhalb von 6 Monaten)
Essens-/ Verhaltensmuster, abgestimmt auf Gewichtsreduktion oder den Erhalt des niedrigen Gewichts; ausgeprägte Angst vor Gewichtszunahme
z.B. Fasten, nur niedrigkalorisches Essen konsumieren,...
ggf. "purging behaviour", z.B. Abführmittel zu sich nehmen
Versuch, möglichst viele Kalorien zu verbrennen (z.B. durch Medikation, exzessiven Sport, ...)
Unverhältnismäßig starkes Auseinandersetzen mit dem eigenen Körper, Aussehen, Gewicht, ...
Ständiges Wiegen, andauernd in den Spiegel schauen und den Körper "untersuchen",...
auch: oft weite Kleidung tragen und enge Kleidung meiden
Hierbei handelt es sich um Charakteristika und Diagnosekriterien für eine Anorexia Nervosa. Diese wird noch weiter unterteilt, u.A. je nach Gewicht des:der Patient:innen. Entsprechend variieren dort die Kriterien ein wenig!
Wichtig: Niedriges Gewicht nicht aufgrund anderer Krankheit oder der allgemeinen Abstinenz von Essen
Epidemiologie und Verlauf
6B81 Bulimia Nervosa (A)
Anorexia nervosa
Lebenszeitprävalenz: 1,7%
Beginn: 14,5 - 18 Jahre
Mortalitätsrate: 5,86%
Prognose: 47% langfristig Remission; 33% teilweise remittiert; 20% chronisch
Geschlecht: Frauen sind häufiger betroffen!
Anorexie: Verhältnis 10:1
Bulimie: Verhältnis 20:1
Binge-Eating Störung: Verhältnis 3:2
Anorexie (Appetitlosigkeit)
Günstigerer Verlauf bei adoleszenten Patient:innen: 70-75% erfüllen langfristig nicht die Kriterien der Störung
Höchste Mortalitätsrate psychischer Erkrankungen
Tod in Folge der Unterernährung (z.B. Herzstillstand o. Infektionen), Suizid, sowie alkoholbedingte Erkrankungen
Diagnostische Kriterien:
„Binge-Eating"-Episoden, z.B. 1/Woche oder auch über einen längeren Zeitraum
wahrgenommen als Kontrollverlust
maladaptives Verhalten, um Gewichtszunahme zu verhindern
Ständiges Wiegen, andauernd in den Spiegel schauen und den Körper "untersuchen", ...
Distress, ausgelöst durch das gezeigte Verhalten
Symptome eindeutig nicht der Anorexie zuzuordnen
maladaptives Verhalten, um Gewichtszunahme zu verhindern (kompensatorisch aufgrund der Binge-Episoden, z.B. gezieltes Übergeben, extremes Fasten, Abführmittel nutzen, ...)
Craving entsteht durch:
Abführmittel, Hungerperioden, Appetitzügler, Schilddrüsenpräparate, Diuretika, krankhafte Angst, dick zu werden
Vergleich zum ICD-10
6B82 Binge eating disorder (A)
Anorexia Nervosa
Gewichtsverlust (Gewicht 15% unter Normalgewicht) → BMI bis 17,5
Gewichtsverlust selbst herbeigeführt (Vermeidung fett machender Speisen)
Selbstwahrnehmung als zu fett / Furcht dick zu werden Körperschemastörung
Endokrine Störung der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse
Kriterien A und B der Bulimia nervosa (F50.2) nicht erfüllt
Bulimia Nervosa
Häufige Fressattacken (3 Monate mind. 2 mal/Woche)
Andauernde Beschäftigung mit Essen
Gewichtszunahme entgegensteuernde Maßnahmen
Selbstwahrnehmung als zu fett/ Furcht dick zu werden → verzerrtescKörperbild
Diagnostische Kriterien
regelmäßige, sich wiederholende Episoden von Essanfällen mit dem Gefühl eines „Kontrollverlusts"
Deutliches Leiden wegen Essanfällen
Keine unangemessenen kompensatorischen Verhaltensweisen
Die meisten Patienten mit Binge-Eating Disorder sind übergewichtig
Kein Gewichtsverlust wie bei Anorexie, keine gegensteuernden Maßnahmen wie bei Bulimie
= Betroffene konsumieren ungenießbare & schädliche Dinge
z.B. Metall, Kreide, Plastik, ...
-> sehr riskant und sollte nicht unterschätzt werden!
Bulimia nervosa
Lebenszeitprävalenz: 1%
Beginn: 18-19 Jahre
Prognose: 50-75% langfristig Remission
ca. 30% teilweise remittiert; 20-30% erfüllen Störungskriterien
25-30% hatten Anorexie-Diagnose in Vorgeschichte
Binge-Eating-Störung
Lebenszeitpravalenz: 3-5%
Beginn: 17-25 Jahre
Prognose: 60-80% Remission
Erste Essanfälle häufig mit 11/ 12 Jahren
Kriterien vollständig erfüllt zw. 17 und 25 Jahren
Prognose: Patienten sprechen gut auf Therapie an → 1 Jahr nach Therapie-Ende: 60-80%
Symptome, die auch bei anderen psychischen Erkrankungen auftreten
Gewichtsverlust, Erbrechen, Veränderung Essverhalten und Appetit
Bedeutsamkeit von Gewicht und Figur für Selbstwertgefühl
Gewichtsverlust bei anderen Störungen eher ungewollt
Appetitlosigkeit
Übelkeit o. Schmerz
Andere Befürchtungen
Unrealistische Angst zu dick zu werden tritt außer bei Essstörungen nur bei Körperdysmorphen Störungen (selten) auf
Ätiologie der Essstörungen
Das kognitiv-verhaltenstherapeutische Störungsmodell
Störungsmodell Binge-Eating Störung
Soziokulturelle Faktoren
= Schlankheitsideal → in Industrieländern sozialer Druck schlank zu sein
Psychodynamisch
= Eltern-Kind-Beziehung & Persönlichkeitsmerkmale
Kognitiv-verhaltenstherapeutisch
Gewichtsverlust = Verstärker: Angstreduktion
Angst vor Dickwerden & verzerrte Körperwahrnehmung machen Gewichtsverlust zu wirksamem Verstärker
bei Bulimie: negative Emotionen lösen Fressanfälle aus → führt zu Angst → Angstreduktion durch Entleerungsmaßnahmen
Nahrungsrestriktion = Entstehung & Aufrechterhaltung
Anorexie: strikte Selbstkontrolle orientiert an niedrigem Gewichtsideal
Bulimie: Verletzung strenger Regeln aufgrund emotionaler Belastungen
Aufrechterhaltende Faktoren: Perfektionismus, Affektregulationsdefizit etc.
Essanfälle als Versuch, negativen Affekt zu bewältigen
Basierend auf transdiagnostischem Modell:
Erweiterung des kognitiv-behavioralen Modells
Annahme, dass Aufrechterhaltungsprozesse bei BES und anderen Essstörungen ähnlich sind
Aufrechterhaltungsfaktoren:
Perfektionismus
Niedriges Selbstwertgefühl
Affektregulationsdefizite
Interpersonelle Probleme
Stationäre oder ambulante Behandlung?
Beispiel: Spiegelexposition
Anorexie: eher stationär
Bulimie: ambulant
Binge-Eating-Störung: ambulant
→ auch Anorexie ambulant und Bulimie und BES stationär möglich
Anorexie stationär, wenn:
Verlust von mehr als 30% des Ausgangsgewichts, v.a. bei rascher Gewichtsabnahme (innerhalb von 3 Monaten)
BMI ≤14 (erfahrungsgemäß schon ≤16 sinnvoll)
Ausgeprägte somatische Folgeerscheinungen (Elektrolytentgleisungen, Hypothermie...)
Schwerwiegende Begleiterscheinungen: z.B. durch Essstörung bedingte schlechte Stoffwechselkontrolle bei Diabetes mellitus
Bulimie und Binge-Eating Störung (ohne schwerwiegende komorbide Störung) → ambulant
Behandlung Anorexie Ziele: Aufbau von Veränderungsmotivation & Gewichtszunahme
Veränderung der verzerrten Wahrnehmung des eigenen Körpers
Behandlung von körperbezogenen Ängsten und Vermeidung
Anleitung durch Therapeut:in
„Wie sehen Ihre Augen aus?"
„Was strahlen Ihre Augen insgesamt aus?"
Patient:in soll Körperteile möglichst objektiv und neutral beschreiben
Patient:in soll sich über mehrere Sitzungen hinweg lang andauernd im Ganzkörperspiegel betrachten
Sukzessive wird Aufmerksamkeit auf einzelne Körperteile gerichtet
1. Sitzung: Alltagskleidung → mit zunehmenden Sitzungen körperbetontere Kleidung (bis schließlich Gymnastikleidung)
Wirksamkeit Psychotherapie
KVT: Gilt als Standardbehandlung für Essstörungen generell
KVT ist Pharmakotherapie deutlich überlegen und daher zu bevorzugen
KVT > Interpersonelle Therapie (IPT)
Bei Patient:innen im Jugendalter: Familienbasierte Therapie am wirksamsten
wenige kontrollierte Studien → Methodische Schwierigkeiten: kleine Fallzahlen, hohe Abbruchraten, großer Anteil zusätzlicher therapeutischer Maßnahmen bei stationärer Behandlung
KVT am wirksamsten
IPT: Effekte treten langsamer ein, langfristig gleiche Effekte wie KVT
Binge-Eating Störung
KVT und IPT gleichermaßen wirksam
im ICD-10 gleiche Untergruppe "Essstörungen" (F50)
sechs Gruppen von spezifischen Störungen
ICD-11 enthält neue Kategorien, die bereits im DSM-V aufgeführt werden:
"binge eating disorder" (6B82)
"avoidant-restrictive food intake disorder" (6B83)
"pica" (6B84)
"rumination-regurgitation disorder" (6B85)
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