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Polizei- und Ordnungsrecht Wissen

AL
by Ann-kathrin L.

Öffentliche Sicherheit und Ordnung

Vorrangig: Die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit

  1. Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung

    Sie wird betroffen durch jeden Rechtsverstoß. Bei Strafrechtsnormen reicht es aus, dass die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes droht und die Maßnahme rechtswidrig ist. Die Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes ist ebenso unerheblich wie die Eigenschaft einer Straftat als Antragsdelikt.

  2. Unverletzlichkeit der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen

    1. Dabei geht die Beeinträchtigung im Normalfall von einem Dritten aus (Fremdgefährdung)

    2. Problematisch ist, unter welchen Voraussetzungen Selbstgefährdungen geeignet sind, die öffentliche Sicherheit zu beeinträchtigen.

      • Fälle ausschließlicher Selbstgefährdung beeinträchtigen die öffentliche Sicherheit regelmäßig nicht, weil mit Blick auf Art. 2 I GG jedermann grds. auch ein Recht zur Selbstgefährdung besitzt.

      • Das Recht auf Selbstgefährdung findet aber dort seine Grenze, wo die Betätigung so in die Öffentlichkeit ausstrahlt, dass die Unterbindung des Tuns im Interesse der Algemeinheit, also im öffentlichen Interesse, liegt. Das ist zu bejahen, wenn

        • der Betroffene in hilfloser Lage ist oder die Tragweite seines Hnadelns nicht abschätzen kann,

        • die Selbstgefährdung unbeteiligte Dritte zu gefährlichen Rettungsaktionen veranlassen könnte oder

        • besonders hochrangige Grundrechte betroffen sind, die staatliche Schutzpflichten auslösen können (z.B. drohender Selbstmord)

    3. Bestand des Staates, Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen/ Veranstaltungen

Nachrangig: Die Schutzgüter der öffentlichen Ordnung

  1. Definition: Die öffentliche Ordnung umfasst die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzungen für ein gedeihliches Zusammenleben innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird.

  2. Prüfungsgang

    1. Vorhandensein einer Sozialnorm, die für das Zusammenleben unentbehrlich ist.

      • Die Norm muss empirisch feststellbar sein, z.B. durch Heranziehung von Gutachten oder Reaktionen der Öffentlichkeit in der Presse.

      • Ebenfalls maßgeblich: objektive Wertmaßstäbe des GG, da sie insbesondere die Generalklauseln mit dem Tatbestandsmerkmal “öffentliche Ordnung” beeinflussen.

      • Der Geltungsbereich von Sozialnormen kann in räumlicher Hinsicht variieren (z.B. unterschiedliche Anschauungen über Sitte und Moral in Großstädten und ländlichen Gegenden)

    2. Verstoß gegen die Sozialnorm durch das konkrete Verhalten.

      • Die Handlung muss öffentlich geschehen, da Handlungen in der Privatsphäre die öffentliche Ordnung grds. nicht berühren (anders u.U. bei Werbung oder Ankündigungen ggü. Dritten).

      • Sozialrelevanz (= Handlung muss geschützte Belange Dritter beeinträchtigen können). Sie ist gegeben, wenn die Handlung für Dritte gegen deren Willen zugänglich bzw. wahrnehmbar ist, und fehlt, wenn die Hanldung von Außenstehenden nicht oder nur mit deren Einverständnis wahrnehmbar ist.

Gefahr

Konkrete Gefahr

Gem. § 17 I ASOG Bln können die Ordnungsbehörden und die Polizei die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) abzuwehren. Da die Gefahr “im einzelnen Falle” bestehen muss, soricht man von einer konkreten Gefahr. § 17 I ASOG Bln enthält aufgrund des Klammerzusatzes “(Gefahr)” zugleich eine Legaldefinition des Begriffs der (konkreten) Gefahr. Dieser Begriff gilt deshalb auch bei allen Maßnahme, die aufgrund der §§ 18-51 AOG Bln ergehen.

  • Der Grad der Wahrscheinlichkeit ist abhängig von der Bedeutung des bedrohten Rechtsgutes: Je größer das Ausmaß des Schadens, desto geringer sind die Anforderungen an die Eintrittswahrscheinlichkeit. Zu berücksichtigen ist aber auch die Schwere des Eingriffs in die Rechte des Betroffenen.

    Für die Wahrscheinlichkeitsprognose ist auf den Zeitpunkt des Einschreitens abzustellen. Daher ist es unschädlich, wenn der Schaden aufgrund späterer Änderungen des Geschehensablaufs nicht eintritt.

  • Kein Schaden droht bei bloßen Belästigungen. Ist der Schaden bereits eingetreten, so spricht man von einer Störung. Präventive Maßnahmen sind dann nur noch zulässig, soweit es um die Abwehr einer über die schon bestehende Störung hinausgehenden fortdauernden Beeinträchtigung geht.

Sonderformen

Anscheinsgefahr

Ein Vorgang läuft ab, der bei einem objektiven Beobachter, der die Hintergründe nicht kennt, die Überzeugung erweckt, dass ein Schadenseintritt bevorsteht.

Folge: Die Anscheinsgefahr wird wie eine wirkliche Gefahr behandelt und rechtfertig alle bei wirklichen Gefahren rechtmäßigen Maßnahmen.

Scheingefahr

Gegenbegriff zur Anscheinsgefahr: Es liegen weder objektive Anhaltspunkte für den Schadenseintritt vor, noch stellt sich die Situation einem objektiven Beobachter als gefährlich dar. Die Annahme einer Gefahr beruht allein auf einem vermeidbaren Irrtum des Beamten (auch: Putativgefahr).

Folge: Die zur Abwehr einer Scheingefahr getroffenen Maßnahmen sind rechtswidrig.

Gefahrenverdacht

Das behördliche Bild von den Tatsachen ist unvollständig und dies ist der Behörde bewusst. Es besteht nur die Möglichkeit einer Gefahr.

Folgen: TB: Gefahr (+); RF: Zulässig grds. nur Gefahrerforschungseingriffe, um festzustellen, ob die Gefahr tatsächlichbesteht; zum Schutz bedeutender Rechtsgüter aber auch vorläufige Sicherungsmaßnahmen.

Abgrenzung

  • Gegenwärtige Gefahr: Steigerung hinsichtlich des Zeitpunkts des Schadenseintritts (unmittelbar, d.h. sofort bzw. in nächster Zukunft) und der Eintrittswahrscheinlichkeit (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit). Voraussetzung für die Inanspruchnahme nicht verantwortlicher Personen (§ 16 Nr. 1 ASOG Bln), Sicherstellung (§ 38 Nr. 1 ASOG Bln).

  • Erhebliche Gefahr: Es droht ein Schaden für ein bedeutsames Schutzgut. Voraussetzung für die Inanspruchnahme nicht verantwortlicher Personen (§ 16 Nr. 1 ASOG Bln).

  • Abstrakte Gefahr: Gegenbegriff zur konkreten Gefahr. Aufgrund der Lebenserfahrung treten in einer bestimmten Situation üblicherweise bestimmte Feahren auf. Das Bestehen einer abstrakten Gefahr ist Voraussetzung für den Erlass einer ordnungsbehördlichen Verordnung, §§ 55 ff. ASOG Bln.

  • Gefahr in Verzug: Kein Gefahrbegriff des POR, sondern ein allgemeiner Rechtsbegriff: Die Einhaltung des an sich gebotenen Verfahrens würde den mit der Maßnahme bezweckten Erfolg voraussichtlich vereiteln oder zumindest nicht unerheblich gefährden. Gefahr im Verzug liegt nur bei unvorhersehbarer Eilbedürftigkeit vor.

Störer

Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschriften (§§ 13, 14. 16 ASOG)

Die allg. Vorschriften über die Verantwortlichkeit (§§ 13, 14, 16 ASOG) finden keine Anwendung, wenn Vorschriften des ASOG (insbes. bei Standardmaßnahmen) oder andere Rechtsvorschriften bestimmten, gegen wen die Maßnahme zu richten ist.

Verantwortliche Rechtssubjekte

  1. Verantwortlich können nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen und ihnen gleichgestellte Personenvereinigungen sein. Die Verantwortlichkeit ist aus Gründen der Effektivität der Gefahrenabwehr unabhängig von Schuldfähigkeit und Deliktsfähigkeit. Störer können deshalb auch Minderjährige sein.

  2. Ebenso wenig kommt es für die Verantwortlichkeit auf ein Verschulden an. Atypsiche Fälle müssen auf der Sekundärebene (Kostentragung, Entschädigung, etc.) gelöst werden.

Arten der Verantwortlichkeit

Die Verantwortlichkeit beurteilt sich auf der Primärebene nach dem Erkenntnisstand und den Verhälnissen im Zeitpunkt des Einschreitens (ex-ante-Betrachtung). Auch hier findet u.U. eine Prognose unter Berücksichtigung der “je-desto-Formel” statt.

Es sind nachfolgende Arten der Verantwortlichkeit zu unterscheiden, wobei eine Person auch aus mehreren Gründen verantwortlich sein kann. Man spricht dann von einem “Doppelstörer” oder “Mehrfachstörer”.

  1. Verhaltensverantwortlichkeit, § 13 ASOG

    • im Regelfall durch positives Tun

    • Unterlassen nur dann, wenn eine spezielle Handlungspflicht bestand

    • Zustand der Person (z.B. Betrunkener auf der Straße)

    • auch Aufsichtspflichtige und Geschäftsherr (ohne Exkulpationsmöglichkeit)

  2. Zustandsverantwortlichkeit, § 14 ASOG

    • Inhaber der tatsächlichen Gewalt (vorrangig nach § 14 I ASOG)

    • Eigentümer bzw. sonstiger Berechtigter (§ 14 III 1 ASOG)

      = Der Eigentümer oder Berechtigte ist gem. § 14 III 2 ASOG nicht verantwortlich,solange der Inhaber der tatsächlichen Gewalt diese gegen dessen Willen ausübt. Beachte: Die Verantwortlichkeit entsteht unmittelbar mit Aufgabe der tatsächlichen Gewalt wieder.

      = Im Falle der Dereliktion haftet, wer das Eigentum aufgegeben hat, § 14 IV ASOG.

  3. Notstandspflicht, § 16 ASOG: Unter vier Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen:

    1. gegenwärtige und erhebliche Gefahr,

    2. Maßnahmen gegen Störer nicht oder nicht rechtzeitig möglich oder nicht erfolgversprechend,

    3. Gefahr kann nciht rechtzeitig von der Behörde mit eigenen Mitteln oder durch Einschaltung Beauftragter abgewehrt werden und

      Beachte: Außer Betracht zu bleiben hat hier die Frage, ob die Behörde andere Personen als Notstandspflichtige in Anspruch nehmen könnte. Das ist eine Frage des Auswahlermessens zwischen mehreren Notstandspflichtigen.

    4. keine Gefährdung oder unangemessene Benachteiligung des Notstandspflichtigen.

Verursachungstheorien

  1. Nach der heute herrschenden Theorie der unmittelbaren Verursachung ist darauf abzustellen, ob ein Verhalten die Gefahrengrenze überschreitet und damit die unmittelbare Ursache für den Eintritt der Gefahr setzt. Das ist - vorbehaltlichnotwendiger einschränkender Wertungen - in der Regel das zeitlich letzte Glied der Kausalkette.

  2. Einschränkung durch die Theorie der Rechtswidrigkeit der Verursachung. Danach begründet ein Verursachungsbeitrag nur dann eien Verhaltensverantwortlichkeit, wenn der Urheber “seien Rechtskreis überschritten”, d.h. bei seinem Verhalten Rechtsvorschriften verletzt hat. Diese Theorie steht heute nicht mehr im Gegensatz zur Theorie der unmittelbaren Verursachung, sondern dient deren Einschränkung: Nicht verantwortlich ist, wer von Rechten Gebrauch macht, die ihm von der Rechtsordung so (ausdrücklich) eingeräumt worden sind.

Zusammenwirken mehrerer Ursachen

  1. Zusammenwirken mehrerer Handlungen

    Zusätzlich zum Vordermann ist auch der Hintermann verantwortlich, wenn er Zweckveranlasser ist. Das ist der Fall, wenn der Hintermann das die Gefahr auslösende Verhalten will (subjektiver Ansatz) oder “gleichsam zwangsläufig” auslöst (objektiver Ansatz)

  2. Zusammenwirken von Zustand und späterer Handlung

    Grds. ist die spätere Handlung entscheidend. Ausnahme: Der Zustand war latent gefährlich und/oder das spätere Verhalten war nicht pflichtwidrig.

Sonderformen der Verantwortlichkeit

  1. Anscheinsstörer

    ist derjenige, von dem selbst oder von dessen Sachen dem Anschein nach eine Gefahr ausgeht. Dabei kann es sich um eine “echte” Gefahr oder um eine Anscheinsgefahr handeln! Der Anscheinsstörer ist auf der Primärebene Störer; auf der Sekundärebene ist er zu entschädigen bzw. von den Kosten freizustellen, wenn er den Anschein nicht zu vertreten hat.

  2. Verdachtsstörer

    ist derjenige, der verdächtig ist, dass von ihm selbst oder von seinen Sachen eine Gefahr ausgehen könnte. Dabei kann es sich um eine “echte” Gefahr oder um einen Gefahrenverdacht handelnt! Der Verdachtsstörer ist auf der Primärebene Störer; auf der Sekundärebene ist er zu entschädigen bzw. von den Kosten freizustellen, wenn er den Verdacht nicht zu vertreten hat. Maßnahme gg. den Verdachtsstörer müssen in bes. Weise dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen.

Auswahlermessen auf der Primärebene

Letztlich entscheidend ist der Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr.

Standardermächtigungen/ Standardmaßnahmen

Bedeutung/ Anwendungsbereich

§ 17 I ASOG berechtigt die Ordnungsbehörden und die Polizei, zur Abwehr einer Gefahr die “notwendigen Maßnahmen” zu treffen. Welche Maßnahmen dies sein könnten, regelt § 17 I ASOG nicht; darüber würde also die Behörde nach ihrem Ermessen entscheiden.

Die §§ 18-51 ASOG enthalten spezielle Ermächtigungsgrundlagen (sog. Standardermächtigungen) für besonders schwerwiegende oder auch häufig wiederkehrende Maßnahmen (sog. Standardmaßnahmen). Dies ist GG für bes. schwerwiegende Maßnahmen geboten: Der Grundsatz vom Parlamentsvorbehalt fordert für diesen Fall, dass der Gesetzgeber die RF und Voraussetzungen hinreichend bestimmt. Zudem oftmals Eingriff in GG; die EGL müssen daher den grundrechtlichen Anforderungen genügen.

Sperrwirkung: Soweit die §§ 18-51 ASOG die Befugnisse der Ordnungsbehörden und der Polizei bes. regeln, ist ein Rückgriff auf die Generalklausel unzulässig, § 17 I Hs 2 ASOG.

Nur zur Gefahrenabwehr! Repressive Spezialbefugnisse der Polizei richten sich nach der StPO.

Besonderheiten bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit

  1. EGL: Sofern die Ordnungsbehörde handelt, ist zu prüfen, ob diese zur Anwendung der Standardmaßnahme berechtigt ist; das ergibt sich aus dem Wortlaut der jeweiligen Standardermächtigung.

  2. In formeller Hinsicht können spezielle Verfahrensanforderungen zu beachten sein. (Bspw. Richtervorbehalt)

  3. In materieller Hinsicht ist insbesondere zu beachten:

    1. Voraussetzungen der EGL

      Soweit in einer Standardermächtigung der Begriff “Gefahr” verwandt wird, ist damit nach der Legaldefinition in § 17 I ASOG “eine im einzelnen Falle bestehende, konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung” gemeint.

      Ggf. sind die Eingriffsvoraussetzungen mit Blick auf das jeweil betroffene Grundrecht verfassungskonform auszulegen.

    2. Richtiger Adressat

      Mit Blick auf den Vorbehalt in den §§ 13 IV, 14 IV, 16 IV ASOG ist im Einzelfall zu prüfen, ob die allgemeinen Voraussetzungen über die Inanspruchnahme von Störern bzw. Nichtstörern (zum Zwecke der Entschädigung) vorliegen müssen.

Durchsetzung und Rechtsnatur von Standardmaßnahmen

  1. Berechtigung zur (gewaltsamen) Durchsetzung?

    • Einige Standardermächtigungen sehen schon nach ihrem Wortlaut nur den Erlass einer HDU-Verfügung vor; deren Durchsetzung erfolgt entweder nach den einschlägigen vollstreckungsrechtlichen Regelungen oder speziell vorgesehenen polizeilichen Maßnahmen.

    • Einige Standardermächtigungen begründen ihrem Wortlaut nach Handlungsbefugnisse. Nach h.M. berechtigen sie zur Herbeiführung des Erfolges, sofern dabei keine Gewalt angewandt wird. Zur Gewaltanwendung berechtigen sie hingegen nur, wenn sich die Befugnis hierfür aus der Standardermächtigung zweifelsfrei ergibt. Das folgt zum einen aus dem Grundsatz vom Parlamentsvorbehalt; danach ist eine ausdrückliche Regelung der Befugnis zur Zwangsanwendung erforderlich, weil die Anwendung von Verwaltungszwang in besonderer Weise grundrechtsrelevant ist. Darüber hinaus würden andernfalls die besonderen Vorschriften über die Anwendung des Verwaltungszwangs umgangen.

  2. Vorherige “Erfüllungsverfügung” oder Duldungsverfügung?

    Soweit Standardermächtigungen Handlungsbefugnisse begründen, ist umstritten, ob der Vornahme der Handlung eine “Erfüllungsverfügung” oder Duldungsverfügung vorangeht.

    Aus Rechtsschutzgründen ist ein solcher VA nicht erforderlich, da seit Inkrafttreten der VwGO mit der allg. Feststellungsklage gem. § 43 I Var. 1 VwGO Rechtsschutz auch gegen erledigte Realakte gegeben ist.

    Jedoch gebietet es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass jedenfalls ggü. dem anwesenden Pflichtigen zunächst eine Anordnung ergeht, die gewünschte Handlung selbst vorzunehmen oder ihre Vornahme zu dulden. Die Befugnis zum Erlass einer solchen Anordnung ergibt sich als minus aus der Standardermächtigung selbst.

  3. “Begleitverfügung”

    Anders als die “Erfüllungsverfügung” oder Duldungsverfügung erreicht eine “Begleitverfügung” nicht unmittelbar das Ziel der Standardmaßnahme. Mit ihr wird dem Pflichtigen z.B. ein Handeln zur Vorbereitung der Maßnahme aufgegeben (z.B. das Öffnen der Tür zum Zwecke des Betretens der Wohnung) oder das Unterlassen von Widerstand.

    Bei vorbereitenden Begleitverfügungen ist umstritten, ob sich die Befugnis zu ihrer Anordnung aus der Generalklausel oder gleichfalls als minus aus der Standardermächtigung ergibt. Letzteres erscheint i.d.R. vorzugswürdig, weil der Pflichtige nur dann zur Vornahme von Vorbereitungshandlungen verpflichtet werden kann, wenn die Behörde überhaupt zur Vornahme der gewünschten Handlung berechtigt ist.

Verwaltungsvollstreckung durch Anwendung von Verwaltungszwang

Verwaltungszwang im System des Vollstreckungsrechts

Rechtsgrundlagen des Verwaltungszwangs

Richten sich danach, welche Behörde handelt:

  1. Landesbehörde (z.B. Polizei, Bezirksamt) handelt -> § 8 I 1 VwVfG Bln i.V.m. §§ 6 ff. VwVG; UZwG Bln

    Das Land Berlin hat kein eigenes allgemeines Verwaltungsvollstreckungsgesetz. Stattdessen verweist § 8 I 1 VwVfG Bln auf das Vollstreckungsgesetz des Bundes (VwVG) in der jeweils geltenden Fassung. Für die Art und Weise der Anwendung unmittelbaren Zwangs gilt ergänzend UZwG Bln. § 8 VwVfG Bln enthält einige vom VwVG (Bund) abweichende Regelungen.

    Zitierhinweis: In der Klausur muss beim ersten Zitat einer Norm aus dem VwVG die Verweisungsnorm § 8 I 1 VwVfG Bln angegeben werden. Danach kann etwa folgender Klammerzusatz erfolgen “(Im Weiteren wird bei der Angabe von Vorschriften des VwVG auf die Angabe der landesrechtlichen Verweisungsnorm - § 8 I 1 VwVfG Bln - verzichtet)”.

  2. Bundesbehörde handelt -> VwVG/ UZwG

Anwendbarkeit der Vorschriften über den Verwaltungszwang: Durchsetzung einer (erlassenen oder hypothetischen) HDU-Verfügung

Der Verwaltungszwang dient der Durchsetzung einer (tatsächlich erlassenen oder hypothetischen) HDU-Verfügung. Mangels HDU-Verfügung sind die Vorschriften über den Verwaltungszwang in folgenden Fällen nicht anwendbar:

  1. bei repressiven Maßnahmen der Polizei -> hier allein Vorschriften der StPO

  2. Problematisch bei Maßnahme aufgrund einer Standardermächtigung

  3. bei Fehlen einer HDU-Verfügung aus anderen Gründen

    Keine HDU-Verfügung sind gestaltende VAe (z.B. der Entzug der Erlaubnis), feststellende VAe oder VAe, die auf die Zahlung von Geld gerichtet sind (z.B. auf die Zahlung von Zwangsgeld oder auf ide Zahlung der Kosten für die Ersatzvornahme). Die Durchsetzung von Geldforderungen erfolgt nach dem System des Vollstreckungsrechts, nicht im Wege des Verwaltungszwangs, sondern durch Beitreibung.

Verfahren zur Anwendung von Verwaltungszwang

Zur Anwendung von Zwangsmitteln kann es auf 3 unterschiedliche Verfahrensweisen kommen. Klausurrelevant sind dabei die Durchführung der Ersatzvornahme und die Anwendung unmittelbaren Zwangs. (wenig klausurrelevant: Zwangsgeld)

  1. § 6 I VwVG (Zwangsanwendung im gestreckten Verfahren)

    Das Gesetz geht als Normalfall davon aus, dass es zur Zwangsanwendung erst kommt, wenn eine vollstreckbare HDU-Verfügung vorliegt (§ 6 I VwVG), das Zwangsmittel (idR) unter Setzung einer Frist angedroht (§ 13 VwVG) und (idR) auch erfolglos festgesetzt wurde (§ 14 VwVG). Die Zwangsanwendung erfolgt also in einem mehraktigen, sog. gestreckten Verfahren.

    Vollstreckbare HDU-Verfügung -> Androhung (idR mit Fristsetzung) -> Festsetzung -> Anwendung von Ersatzvornahme und unmittelbarem Zwang

  2. § 6 II VwVG (Zwangsanwendung im sofortigen Vollzug)

    Unter den Voraussetzungen des § 6 II VwVG können Zwangsmittel aber auch sofort, d.h. ohne vorherigen VA und ohne Andrphung und Festsetzung angewandt werden.

    -> -> -> Anwendung von Ersatzvornahme und unmittelbaren Zwang

  3. § 6 II VwVG “erst-Recht” (Zwangsanwendung im abgekürzten Verfahren)

    Zur Anwendung eines Zwangsmittels kann es auch nach Erlass eines VA aber ohne Einhaltung der Vorschriften des gestreckten Verfahrens kommen. In diesem Fall liegt die Voraussetzung des § 6 II VwVG (“ohne vorausgehenden VA”) nicht vor. Der Erlass des VA sperrt die Anwendung von § 6 II VwVG jedoch nicht: Kann die Behörde auf alle vorgängigen Vollstreckungsakte verzichten, dann erst Recht nur auf einen Teil (sog. abgekürztes Verfahren).

    eventuell vollstreckbare HDU-Verfügung -> eventuell Androhung -> -> Anwendung von Ersatzvornahme und unmittelbarem Zwang

    Beachte: Ein “Wechsel” zu § 6 II VwVG ist idR nur möglich, wenn sich die Gefahrenlage während des gestreckten Verfahrens verschärft und sich die Behörde bewusst für ein Vorgehen nach § 6 II VwVG entschieden hat. Wollte die Behörde dagegen ersichtlich im gestreckten Verfahren vollstrecken, können Fehler im gestreckten Verfahren nicht durch einen “Wechsel” in das Verfahren nach § 6 II VwVG “geheilt” werden. Ohne Änderung der Sachlage dürfte es im Übrigen auch an der “Notwendigkeit” iSv § 6 II VwVG fehlen.

  4. Abgrenzung § 6 I VwVG/ § 6 II VwVG

    • Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Anwendung des Zwangsmittels sollte idR gleich unter dem Prüfungspunkt “Ermächtigungsgrundlage (für Zwangsanwendung und Zwangsmittel)” geklärt werden, ob nicht eine Anwendung des Zwangsmittels im gestreckten Verfahren nach § 6 I VwVG von vornherein ausscheidet und auf die Vorschriften des § 6 II VwVG zurückgegriffen werden muss. Das ist ohne Weiteres der Fall, wenn ersichtlich gar kein VA gegenüber dem Betroffenen ergangen ist und sich der Betroffene auch eienn anderweitig ergangenen VA nicht zurechnen lassen muss (z.B. als Rechtsnachfolger).

    • Das Gleiche dürfte gelten, wenn zwar ein VA vorliegt, aber von vornherein erkennbar ist, dass eine Vollstreckung im gestreckten Verfahren im Ergebnis ausscheidet und nur nach Maßgabe des § 6 II VwVG (im abgekürzten Verfahren) möglich ist. Etwas anderes gilt im Gutachten, wenn durch diese “Vorabklärung” wesentliche Fragen des Falles ausgeklammert werden.

  5. Annex: Abgrenzung § 6 II VwVG/ unmittelbare Ausführung, § 15 ASOG

    • Mit der unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme nach § 15 ASOG regelt das Berliner Recht neben dem sofortigen Vollzug nach § 6 II VwVG noch eine weitere behördliche Sofortmaßnahme um eine Gefahr zu beseitigen, (idR) ohne dass zuvor eine Grundverfügung ergeht:

      Gem. § 15 I 1 ASOG können die Ordnungsbehörden und die Polizei eine Maßnahme selbst oder durch einen Beauftragten unmittelbar ausführen, wenn der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der nach den § 13 oder 14 Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht wreden kann.

      Beide Rechtsinstitute ähneln sich von ihrem äußeren Erscheinungsbild, soweit es um die Vornahme einer vertretbaren Handlung geht: In beiden Fällen fehlt idR eine als Vollstreckungsgrundlage in Betracht kommende Grundverfügung und die Behörde führt die Maßnahme entweder selbst oder durch einen Beauftragten aus.

    • Die Abgrenzung der beiden Rechtsinstitute ist heftig umstritten, weil alle Fälle, die unter § 15 ASOG fallen, auch über § 6 II VwVG gelöst werden könnten.

      • Das OVG Berlin geht von einer Funktionsgleichheit beider Rechtsinstitute aus und lässt die Abgrenzung regelmäßig offen.

      • Nach h.M. in der Literatur hat eine Abgrenzung nach der gesetzessystematischen Stellung der beiden Vorschriften zu erfolgen:

        § 6 II VwVG ist Grundlage für die Anwendung von Verwaltungszwang und damit auf Willensbeugung gerichtet.

        § 15 ASOG ist keine vollstreckungsrechtliche Regelung, sondern regeln im Zusammenhang mit den Vorschriften über den Adressaten einer Polizeiverfügung (§§ 13, 14 ASOG) den Fall, dass der Verantwortliche nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. In diesem Fall handelt die Behörde (GoA-ähnlich) im mutmaßlichen (oder sogar tatsächlichen) Einverständnis des Verantwortlichen.

      • Als Faustregel gilt daher: Bei vertretbaren Handlungen kommt § 15 ASOG zur Anwendung, wenn keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Willenbeugung bestehen.

        • Im Regelfall der umittelbaren Ausführung wurde zuvor kein VA erlassen.

        • Denkbar ist eine unmittelbare Ausführung aber auch nach Erlass eines VA, wenn keinerlei Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Willensbeugung bestehen.

      • Die Abgrenzungsproblematik wird sich auf das Ergebnis des Falles kaum auswirken; entscheidend ist, dass die gewählte Konstruktion vertretbar begründet ist.

Vollstreckungszuständigkeit

Bei vorhandenem VA

  1. Grundsatz der Selbstvollstreckung, § 7 I VwVG

    Für Maßnahme des Verwaltungszwangs gilt der Grundsatz der Selbstvollstreckung, d.h. die HDU-Verfügung wird von derjenigen Behörde als Vollzugsbehörde vollstreckt, die die HDU-Verfügung erlassen hat, § 7 I VwVG.

  2. Erweiterte Vollstreckungszuständigkeit der Polizei und Bezirksämter für Maßnahmen im Straßenverkehr, § 8 I 2 VwVfG Bln

    Problem: Für Verkehrsregelungen durch Aufstellen von Verkehrsschildern sind zT die Bezirksämter und ist zT die Verkehrslenkung Berlin nicht aber die Polizei zuständig. Nach dem Grundsatz der Selbstvollstreckung dürften Vollstreckungsmaßnahme zur Durchsetzung der Verkehrsregelung nur von derjenigen Behörde veranlasst werden, die im konkreten Fall das Verkehrsschild hat aufstellen lassen.

    Lösung: Um sicherzustellen, dass in jedem Fall auch die Polizei und Bezirksämter Maßnahmen zur Durchsetzung von Verkehrsregelungen treffen können, erweitert § 8 I 3 VwVfG Bln die Vollstreckungszuständigkeit der Polizei und Bezirksämter generell für Maßnahmen im Straßenverkehr.

Bei fehlendem VA, § 7 I VwVG analog

Erfolgt die Zwangsanwendung ohne vorausgegangenen VA oder kann für die Vollstreckung auf einen tatsächlich erlassenen VA aus Rechtsgründen (z.B. mangels Vollstreckungszuständigkeit) nicht abgestellt werden, so ist grds. diejenige Behörde für die Vollstreckung zuständig, die für den Erlass des hypothtischen VA zuständig wäre, § 7 I VwVG analog.

Ergibt sich die Zuständigkeit der Polizei zum Erlass des (hypothetischen) VA nur aus ihrer Eilzuständigkeit (§ 4 S. 1 ASOG), so ist zusätzlich zu prüfen, ob gerade auch bezüglich der Durchführung der Vollstreckung die Voraussetzungen für die Eilfallzuständigkeit vorgelegen haben.

Vollstreckungsvoraussetzungen

Welche Voraussetzungen im Einzelfall einzuhalten sind, ist davon abhängig, ob die Zwangsanwendung nach § 6 I VwVG im gestreckten Verfahren erfolgte oder nach § 6 II VwVG im sofortigen Vollzug bzw. abgekürzten Verfahren:

Vollstreckungsvoraussetzungen gem. § 6 I VwVG (gestrecktes Verfahren)

  1. Es muss überhaupt eine HDU-Verfügung vorliegen

  2. Diese HDU-Verfügung muss wirksam sein

    Dabei ist zwischen der äußeren Wirksamkeit (§§ 41, 43 VwVfG) und der inneren Wirksamkeit (insbes. § 44 VwVfG) zu unterscheiden.

    Die äußere Wirksamkeit setzt eine ordnungsgemäße Bekanntgabe/ Zustellung der HDU-Verfügung an den voraus, gegen den vollstreckt werden soll.

  3. Die HDU-Verfügung muss vollstreckbar sein

    • Dafür muss die HDU-Verfügung bestandskräftig (=unanfechtbar) sein oder ein Rechtsbehelf gegen die HDU-Verfügung hat keine aufschiebende Wirkung (=HDU-Verfügung ist sofort vollziehbar = § 80 II VwGO)

    • Nur bei Anlass ist zu prüfen, ob die HDU-Verfügung überhaupt einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.

  4. Rechtmäßigkeit der HDU-Verfügung nach h.M. irrelevant (Kein Rechtwidrigkeitszusammenhang)

    Umstritten ist die Frage, ob für die Rechtsmäßigkeit von Folgeakten (Androhung/ Festsetzung/ Anwendung/ Kostenbescheid) nicht nur die Wirksamkeit, sondern auch die Rechtmäßigkeit der vorangegangenen VAe von Belang ist. Dabei ist wie folgt zu differenzieren:

    • unstreitig nein, wenn der vorangegangene VA bereits bestandskräftig ist

    • h.M. nein, wenn der vorangegangene VA sofort vollziehbar ist und sich der konkret zu prüfende Rechtsbehelf nur gegen Folgeakte richtet

      Das folgt nach h.M. aus folgenden Überlegungen: Auch eine rechtswidrige Grundverfügung hat Tatbestandswirkung. Das Vollstreckungsrecht trennt zum Zwecke der Effektivität der Vollstreckung die Primär- und die Vollstreckungsebene. Einwendungen gegen die Grundverfügung müssen gegen diese selbst geltend gemacht werden. Eine Benachteiligung des Betroffenen ist damit nicht verbunden.

    • h.M. auch dann nein, wenn es um die Berechtigung einer Kostenforderung der Behörde geht

      Die h.M. verweist darauf, dass auch in diesem Fall die Rechtswidrigkeit vorangegangener VAe irrelevant ist; erforderlich ist nur deren Wirksamkeit. Der Bürger muss die vorangegangenen VAe anfechten. Wird der vorangegangene VA daraufhin aufgehoben, so werden die Folgeakte rechtswidrig.

      Prozessuale Folge dieser Ansicht ist, dass sich die Verwaltungsakte durch den Vollzug noch nicht erledigen; ihr rechtlicher Fortbestand ist für die nachfolgende Kostenforderung erforderlich. Der Bürger kann und muss deswegen mit der Anfechtungsklage gegen die Grundverfügung (und ggf. gegen die Androhung und Festsetzung vorgehen).

Vollstreckungsvoraussetzungen gem. § 6 II VwVG (sofortiger Vollzug/ abgekürztes Verfahren)

  1. Handeln im Rahmen der gesetzlichen Befugnisse

    • Im Fall des “echten” sofortigen Vollzugs

      ist an dieser Stelle die Rechtmäßigkeit einer hypothetischen HDU-Verfügung im Zeitpunkt der Zwangsanwendung zu prüfen.

    • Im Fall des abgekürzten Verfahrens

      ist problematisch (1) ob überhaupt auf die tatsächlich erlassene HDU-Verfügung abgestellt werden muss und (2) wenn ja, inwieweit deren Rechtmäßigkeit zu prüfen ist. Richtig erscheint folgendes:

      (1) Kann die tatsächlich erlassene Verfügung aus irgendwelchen Gründen nicht Vollstreckungsgrundlage sein, ist auf eine hypothetische HDU-Verfügung abzustellen, denn das abgekürzte Verfahren (= der Wechsel in eine Vollstreckung nach Abs. 2) würde seinen Sinn verlieren, wenn die Behörde an der einmal erlassenen HDU-Verfügung festgehalten würde.

      (2) Eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der tatsächlich erlassenen HDU-Verfügung ist nicht erforderlich, wenn die HDU-Verfügung bestandskräftig oder sofort vollziehbar ist.

  2. Verhinderung einer rechtswidrigen Tat, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht oder Abwendung einer drohenden Gefahr

  3. Notwendigkeit der sofortigen Zwangsanwendung

    • die Notwendigkeit fehlt, wenn die Gefahr (ggf. nach Einleitung des gestreckten Verfahrens) durch den Störer selbst beseitigt werden kann.

    • die sofortige Zwangsanwendung muss verhältnismäßig sein

Richtiges (zulässiges) Zwangsmittel

Ersatzvornahme, § 10 VwVG

  1. Sie besteht nach § 10 VwVG in der Vornahme der geschuldeten Handlung durch einen von der Behörde beauftragten Dritten (Fremdvornahme).

  2. Die Ersatzvornahme ist anwendbar nur zur Durchsetzung einer vertretbaren Handlung.

    • Vertretbar ist die geschuldete Handlung, wenn sie genau so auch von einem Dritten vorgenommen werden kann (Handlungsidentität).

    • Unvertretbar sind Duldungen und Unterlassungen und Handlungen, die nur vom Pflichtigen selbst vorgenommen werden können.

Zwangsgeld (Ersatzzwanghaft), §§ 11, 16 VwVG (zur Höhe vgl. § 8 I 2 VwVfG Bln) sind anwendbar bei vertretbaren und bei unvertretbaren Handlungen.

Unmittelbarer Zwang, § 12 VwVG

  1. Einsatz (schlichter) körperlich wirkender Gewalt, von Hilfsmitteln körperlicher Gewalt oder von Waffen gegen den Pflichtigen oder gegen Sachen.

  2. Anwendbar bei vertretbaren und bei unvertretbaren Handlungen.

  3. Ultima ratio - andere Zwangsmittel kommen (für eine effektive Gefahrenabwehr) nicht in Betracht oder versprechen keinen Erfolg (weil sie bereits versagt haben oder ihre Erfolglosigkeit offenkundig ist).

  4. Hinsichtlich der Art und Weise der Anwendung des unmittelbaren Zwangs ist bei Landesbehörden das UZwG Bln, bei Bundesbehörden das UZwG (Bund) zu beachten.

Vollstreckungshindernisse

Rechtliche Unmöglichkeit

Zweckerreichung, -vereitelung, -fortfall, § 15 III VwVG

  1. Grundsatz: Vollstreckungshindernis

    Da die Anwendung von Zwangsmitteln keinen Straf-, sondern Beugecharakter hat, entsteht grds. ein Vollstreckungshindernis, wenn der Zweck (wie auch immer) erreicht ist, seine Erreichung vereitelt wurde, oder das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der HDU-Verfügung fortgefallen ist. Die Grenzen zwischen diesen 3 Fallgruppen sind fließend.

  2. Durchbrechung: Nachträgliche Festsetzung und Beitreibung von Zwangsgeld

    Dieser Grundsatz wird nach h.M. bei der nachträglichen Festsetzung und Beitreibung von Zwangsgeld in 2 Fällen durchbrochen:

    • bei Zuwiderhandlung gegen Duldungs-/ Unterlassungspflicht (Handlungsverbot)

      Ob in deisen Fällen die nachträgliche Festsetzung und Beitreibung des Zwangsgelde zulässig ist, obwohl das Zwangsgeld seinen Zweck nicht mehr erreichen kann und auch weitere Verstöße nicht mehr zu befürchten sind, ist str..

      Nach einer mM ist die nachträgliche Festsetzung und Beitreibung unzulässig, weil der Verwaltungszwang keinen Strafcharakter hat. Nach hM ist sie zulässig, weil andernfalls die Wirksamkeit der Zwangsgeldandrohung als Beugemittel entfällt: nur das Bewusstsein, dass jede Zuwiderhandlung ohne weiteres die Festsetzung und Beitreibung des Zwangsgeldes nach sich ziehen kann, kann den nötigen motivierenden Druck ausüben.

    • bei Zweckvereitelung durch Nichterfüllung einer Handlungspflicht

      Die gleichen Erwägungen gelten, wenn die Nichterfüllung einer Handlungspflicht zur Zweckvereitelung führt.

Rechtsschutz gegen Zwangsanwendung

Gegen die Anwendung des Zwangsmittels im gestreckten Verfahren

Die Durchführung der Ersatzvornahme und die Anwendung unmittelbaren Zwangs im gestreckten Verfahren sind keine VAe. Sie stellen Realhandeln dar, dem nach Androhung und Festsetzung kein eigenständiger Regelungsgehalt zukommt.

  1. Rechtsschutz gegen erfolgte Zwangsanwendung

    Gegen eine erfolgt Zwangsanwendung kann der Kläger nur Feststellungsklage erheben. Dabei wird er idR nur noch die Art und Weise der Zwangsanwendung rügen können, weil es auf die Rechtmäßigkeit der vorangegangenen VAe nicht ankommt und die Festsetzung die Feststellung beinhaltet, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des Zwangsmittels vorliegen.

  2. Rechtsschutz gegen drohende Zwangsanwendung

    Problematisch ist der Rechtsschutz, wenn alle Vollstreckungsakte unanfechtbar geworden sind und die Anwendung des Zwangsmittels (z.B. wegen Eintritts eines Vollstreckungshindernisses) abgewehrt werden soll.

    Nach heute h.M. sind gem. § 173 VwGO die Klagearten der VwGO vorrangig.

    a) Beseitigung des Titels durch die Behörde

    Grds. muss der Betroffene zunächst bei der Behörde als dem “Urheber des Titels” versuchen, die Vollstreckbarkeit der Grundverfügung zu beseitigen.

    Dies kann er mit einem Antrag tun, die Vollstreckung aus dem VA für unzulässig zu erklären (bei Ablehnung: Widerspruch (sofern erforderlich), Verpflichtungsklage).

    Unabhängig davon ist ein Antrag auf Wiederaufgreifen (§ 51 I Nr. 1 VwVfG) und Erlass eines neuen, den ursprünglichen VA abändernden oder aufhebenden VAs möglich (bei Ablehnung: Widerspruch (sofern erforderlich), Verpflichtungsklage).

    b) Steht die Anwendung unmittelbar bevor:

    (vorbeugende) Unterlassungsklage/ vorläufiger Rechtsschutz gem. § 123 I 1 VwGO.

Gegen die Anwendung des Zwangsmittels im sofortigen Vollzug

Die Rechtsnatur der Anwendung von Ersatzvornahme und unmittelbarem Zwang im sofortigen Vollzug ist umstritten.

Nach einer Mindermeinung liegt auch hier nur bloßes Realhandeln und kein VA vor, so dass der richtige Rechtsbehelf die (nachträgliche) Feststellungsklage ist.

Die herrschende Meinung verweist auf § 18 II VwVG, wonach gegen den sofortigen Vollzug die Rechtsmittel zulässig sind, die gegen VAe allgemein gegeben sind. Richtiger Rechtsbehelf ist dann (ggf. nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens) die Anfechtungsklage oder im Fall der Erledigung die Fortsetzungsgeststellungsklage.

Sonderproblem: Rechtsnachfolge in die Ordnungspflicht

konkretisierte Ordnungspflicht (= VA gegenüber Rechtsvorgänger erlassen)

  1. Übergangsfähigkeit der Pflicht

    • Handlungspflichten nach h.M. nur dann (+), wenn Handlung vertretbar ist (also nicht: Duldungen oder Unterlassungen)

    • Zustandspflichten nach h.M. (+) wegen der Sachbezogenheit der Verfügung (Baurecht beachte: § 58 II BauO Bln)

    • Sonderfall: VAe, die in der Verwaltungsvollstreckung ergehen (Androhung, Festsetzung). Sie sind wegen ihres individuellen Beugecharakters stets höchstpersönlicher ARt und daher unabhängig vom Charakter der Grundverfügung, die durchgesetzt werden soll, nicht übergangsfähig.

  2. Übergangstatbestand

    • Gesamtrechtsnachfolge, §§ 1922, 1967 BGB, (+)

    • Einzelrechtsnachfolge problematisch:

      • Handlungspflichten idR (-). Sie werden als persönliche Schuld angesehen; ein Übergang findet nur statt, wenn Normen den Übergang der persönlichen Schuld regeln.

      • Zustandspflichten idR (+). Sie haften dem Eigentum als “dingliche Last” an und gehen mit dem Eigentumserwerb auf den Rechtsnachfolger über (Baurecht beachte: § 58 II BauO Bln).

  3. Annex: Verfahrensrechtliche Fragen

    • Ist die Rechtsnachfolge nach Unanfechtbarkeit der Verfügung eingetreten, so kann sie auch vom Rechtsnachfolger nicht mehr angefochten werden.

    • Tritt die Rechtsnachfolge während des Verwaltungsverfahrens (einschließlich des Widerspruchsverfahrens) ein, so führt sie zur Rechtswidrigkeit des gegenüber dem Vorgänger erlassenen VA, wenn durch die Rechtsnachfolge der Anknüpfungspunkt für eine Haftung des Vorgängers entfallen ist (zB keine Zustandshaftung (mehr) mangels Eigentümerstellung). Dieser Umstand ist unabhängig von einer etwaigen Kenntnis der Behörde gem. § 79 I Nr. 1 VwGO relevant. Kommt ein solcher Eigentumswechsel erst im Prozess “heraus”, muss die Behörde die Verfügung gegen den Rechtsvorgänger aufheben und das Verfahren für erledigt erklären.

abstrakte Ordnungspflicht (= KEIN VA gegenüber Rechtsvorgänger erlassen)

  1. Im Fall der Zustandshaftung hat die Frage kaum praktische Bedeutung, weil die Zustandshaftung in der Person des Rechtsnachfolgers neu entsteht.

  2. Im Fall der Handlungshaftung besteht eine ausdrückliche Regelung in § 4 III BBodSchG; danach haftet neben dem Verursacher auch dessen Gesamtrechtsnachfolger.

    Nach der Rechtsprechung handelt es sich dabei um einen allgemeinen Rechtsgedanken: Es besteht kein Grund die abstrakte Handlungshaftung anders zu behandeln als die durch VA konkretisierte Handlungshaftung. Der Gesamtrechtsnachfolger tritt in alle Rechte und Pflichten seines Vorgängers ein.

Überblick über das Versammlungsgesetz

Anwendbarkeit des Versammlungsgesetzes (VersG)

I. Bedeutung der Anwendbarkeit des VersG

  1. Polizei(rechts)festigkeit der Versammlung

    Das VersG ist in seinem Anwendungsbereich abschließend, d.h. zur Abwehr der vom VersG erfassten Gefahren kann nicht auf das sonstige POR zurückgegriffen werden. Insoweit ist die Versammlung “polizei(rechts)fest”.

  2. Konzentrationswirkung der §§ 14, 15 VersG

    a) Nur für versammlungsimmanente Tätigkeiten

    • §§ 14, 15 VersG lassen die verfahrensrechtliche Verpflichtung zur Einholung an sich erforderlicher Erlaubnisse für solche Tätigkeiten entfallen, die funktional zur Durchführung der Versammlung erforderlich sind. - Bsp.: Keine Pflicht zur Einholung einer Erlaubnis wegen übermäßiger Straßenbenutzung (§ 29 II StVO).

    • Die durch die Erlaubnispflicht geschützten Interessen (z.B. der notwendige Schutz des Verkehrs) sind aber von der Versammlungsbehörde unter Berücksichtigung von Art. 8 GG zu beurteilen und ggf. durch Maßnahmen nach § 15 VersG durchzusetzen.

    b) Nicht für erlaubnispflichtiges Nebengeschehen

    • Erlaubnispflichtige Tätigkeiten, die trotz des Zusammenhangs mit einer Versammlung nicht funktional deren Durchführung dienen (= erlaubnispflichtiges Nebengeschehen) bleiben erlaubnispflichtig. Für die Erlaubniserteilung bleibt die Fachbehörde zuständig.

    • Grds. kann die Versammlungsbehörde das erlaubnispflichtige Nebengeschehen durch Auflage für den Fall verbieten, dass die erforderliche Erlaubnis nicht vorgelegt wird.

II. Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des VersG

  1. Vorliegen einer Versammlung

    • Der Begriff der Versammlung im VersG ist auszulegen wie bei Art. 8 GG (ganz h.M.).

    • Unabhängig davon, ist der Anwendungsbereich des VersG weiter als der Schutzbereich von Art. 8 GG. Das VersG erfasst auch unfriedliche Versammlungen und Versammlungen von Ausländern.

  2. Öffentlichkeit der Versammlung

    • Das VersG gilt gem. § 1 VersG grds. nur für öffentliche Versammlungen. Regelungen für nicht-öffentliche Versammlungen enthalten nur § 3 (§§ 28, 29); § 21. Maßnahmen gegen nicht-öffentliche Versammlungen können nach h.M. nur auf das AllgPOR gestützt werden (aA VersG analog).

    • Eine Versammlung ist öffentlich, wenn der Zutritt zur Versammlung (faktisch) nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt ist. Der Ausschluss bestimmter Personen (“alle, außer…”) führt nicht zum Wegfall des Merkmals “Öffentlichkeit”, vgl. auch § 6 I VersG.

  3. Zeitliche Grenze für Maßnahme gegen (potentielle) VersammlungsTEILNEHMER

    a) Vorfeldmaßnahmen (z.B. Anreisekontrollen)

    • Grds. ist das VersG auf die Anreise noch nicht anwendbar (sondern AllgPOR), weil noch keine Versammlung vorliegt (anders, wenn die Anreise selbst bereits eine Versammlung darstellt, z.B. Sternfahrt). Dabei ist aber Art. 8 GG zu beachten, der in den Grenzen seines Schutzbereichs auch den freien Zugang zur Versammlung gewährleistet.

    • Ausnahmen: Bild- und tonaufnahmen von Versammlungsteilnehmers “im Zusammenhang mit” öffentlichen Versammlungen (§§ 12a, 19a VersG); Schutzwaffen- und Vermummungsverbot “auf dem Weg” zu öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel (§ 17a VersG).

    b) Maßnahmen nach Ende der Versammlung

    Die Auflösung einer Versammlung oder der Ausschluss eines Teilnehmers begründet versammlungsrechtlich nur die Pflicht zum Sichentfernen, §§ 13 II, 18 I VersG. Als rechtsgestaltender Akt lässt er iÜ den Schutz des VersG entfallen. Die Durchsetzung der Pflicht (zB Platzverweis, Wegtragen, Ingewahrsamnahme) erfolgt nach AllgPOR.

  4. Sachlich: nur für versammlungstypische Gefahren

    Ein Rückgriff auf das AllgPOR ist zulässig, wenn es um die Abwehr nicht-versammlungstypischer Gefahren geht (zB Feuer- oder Einsturzgefahr im Versammlungsgebäude; Ansteckungsgefahr bei Seuchenverdacht).

  5. Persönlich: nur gegen (potentielle) Versammlungsteilnehmer und Versammlung

    Maßnahmen gegen Nichtteilnehmer sind aufgrund AllgPOR möglich.

III. Verhältnis Art. 8 GG <-> VersG/ PolG

Systematik und Instrumentarien des VersG

Author

Ann-kathrin L.

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