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Staatshaftungsrecht Wissen

AL
by Ann-kathrin L.

Hoheitsträger

Mittelbare Staatsverwaltung- allg. geltende Grundsätze

  1. Organisationsrechtlicher Gesetzesvorbehalt

    Die Schaffung von bzw. die Zuweisung von Aufgaben an Organisationen der mittelbaren Staatsverwaltung ist nur durch oder aufgrund Gesetzes möglich, da sie mit einer Übertragung von Hoheitsgewalt verbunden ist. Es gilt der organisationrechtliche Gesetzesvorbehalt.

  2. Bundesbehörden oder Landesbehörden im weiteren Sinn

    Je nachdem, ob Organisation der mittelbaren Staatsverwaltung ihre Hoheitsgewalt vom Bund oder vom Land ableiten, handelt es sich bei ihnen trotz Selbstständigkeit um Bundesbehörden oder Landesbehörden im weiteren Sinn.

  3. Staatliche Aufsicht

    Organisationen der mittelbaren Staatsverwaltung unterliegen stets der staatlichen Aufsich, die von dem Staat ausgeübt wird, von dem die Organisation ihre Hoheitsgewalt ableitet. Inhaltlich ist dabei zwischen Rechtsaufsicht und Fachaufsicht zu unterscheiden: Im Fall der Rechtsaufsicht darf die Aufsichtsbehörde nur bei rechtswidrigem Tun oder Unterlassen einschreiten; im Fall der Fachaufsicht kann sie bereits dann einschreiten, wenn sie die Art und Weise der Eledigung der Verwaltungsaufgabe für unzweckmäßig hält.

    Abgrenzung zur Dienstaufsicht: Rechts- und Fachaufsicht sind von der Dienstaufsicht zu unterscheiden. Die Dienstaufsicht ist in erster Linie personenbezogen. In ihrem Rahmen überwacht ein Dienstvorgesetzter das Verhalten der ihm unterstellten Bediensteten. Liegt ein Dienstvergehen vor, kann er Disziplinarmaßnahmen ergreifen oder ein förmliches Disziplinarverfahren einleiten.

Beliehene

I. Beliehene (-> setzt ein formelles Gesetz voraus)

zB Sachverständiger TÜV, Bezirksschornsteinfeger

  1. Beliehene sind natürliche oder juristische Personen des Privatrechts, die einzelne hoheitliche Verwaltungsaufgaben in eigener Verantwortung und im eigenen Namen wahrnehmen. Beliehene treten nach außen als selbstständige Behörde iSd § 1 VwVfG auf. Sie können im Rahmen ihres Kompetenzbereichs Verwaltungsakte erlassen, Gebühren erheben und sonstige hoheitliche Maßnahmen treffen. Eine Beleihung erfolgt idR nur im Rahmen der Eingriffsverwaltung, nicht der Leistungsverwaltung.

  2. Für die Beleihung gilt der organisationsrechtliche Gesetzesvorbehalt, dh eine Beleihung ist nur zulässig aufgrund einer entsprechend gesetzlichen Ermächtigung.

II. Verwaltungshelfer (auch als funktionale (Erfüllung-) Privatisierung bezeichnet)

Verwaltungshelfer helfen dem Hoheitsträger lediglich bei der Erfüllung einer ihm obliegenden Aufgabe; die Zuständigkeit und die Verantwortung für die Aufgabe verbleibt beim Hoheitsträger. Der Verwaltungshelfer ist also nur “Erfüllungsgehilfe”; sein Handeln wird unmittelbar dem Hoheitsträger zugerechnet, für den er tätig wird. Er selbst ist nicht Hoheitsträger. Zwei Arten von Verwaltungshelfern werden unterschieden:

  1. “unselbstständige” (“statusmäßige”) Verwaltungshelfer

    Das sind Personen, die im Einzelfall bei der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben unmittelbar nach Anweisung der Verwaltung ohne eigene Entscheidungsgewalt einzelne Hilfstätigkeiten wahrnehmen. Deswegen werden Verwaltungshelfer auch als Werkzeuge der Verwaltung bezeichnet. zB Schülerlotse

  2. “selbstständige” (“funktionale”) Verwaltungshelfer

    Einen Sonderfall stellen Private dar, die für den Hoheitsträger aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages oder aufgrund einer bloßen Absprache tätig sind. Sie unterscheiden sich vom “unselbstständigen” (“statusmäßigen”) Verwaltungshelfer dadurch, dass sie freiwillig und grds. eigenverantwortlich tätig werden. zB Abschleppunternehmer

    Nach der Rspr. können solche Private umso eher als Verwaltungshelfer angesehen werden,

    • je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt und

    • je begrenzter der Entscheidungsspielraum des Privaten ist (Werkzeugtheorie)

-> keine eigene Entscheidungsmacht, daher keine gesetzliche Regelung erforderlich

-> “Werkzeug” bzw. Erfüllungsgehilfe des Landes (kein oder nur begrenzter Entscheidungsspielraum)

Öffentlich-rechtliches Handeln

A. Wann liegt öffentlich-rechtliches Handeln vor? (= Zuordnung von Handlungen)

I. “Schnelltest”: Jedenfalls (+), wenn das Handeln aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm erfolgt (ist)

II. Sonst Zuordnung unter Verwendung nachfolgender Zuordnungskriterien:

  1. Handelnder

    Bei Hoheitsträgern ist öffentlich-rechtliches Handeln möglich, aber nicht zwingend, weil Hoheitsträger auch privat-rechtlich handeln können.

  2. Zusatzkriterien

    a) Hat der Hoheitsträger in eindeutig hoheitlicher Handlungsform gehandelt?

    b) Anwendbarkeit der 2-Stufentheorie?

    Die 2-Stufentheorie gilt für Fälle, in denen über die Vergabe öffentlicher Leistungen in zwei Schritten (Stufen) entschieden wird. In diesen Fällen wird über das “Ob” der Leistung (1.Stufe) häufig öffentlich-rechtlich (insbes. durch VA) entschieden; das “Wie” der Leistung (= Abwicklung - 2.Stufe) kann privat-rechtlich erfolgen. Mögliche Anwendungsbereiche sind:

    1. Subventionrecht

    2. Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen

    3. Ausnahmsweise: Auswahlentscheidungen bei privatrechtlichen Geschäften

    c) Sachzusammenhang mit der Erfüllung öffentlicher Aufgabe

    d) Nur im Notfall: Zweifelsregelung

    Handelt ein Hoheitsträger und lässt sich der Wille zu privat-rechtlichem Handeln nicht eindeutig feststellen, ist im Zweifel von öffentlich-rechtlichem Handeln auszugehen.

B. Wann handelt ein Hoheitsträger privatrechtlich?

I. Wechselwirkung zwischen Organisationsform und Handlungsform

  1. Nur bei Wahrung seiner öffentlich-rechtliche Organisationsform ist ein Hoheitsträger zur Verwendung öffentlich-rechtlicher Handlungsformen befugt (Ausnahme: Beliehene). Daher ist diese Kombination typisch für den Bereich der Eingriffsverwaltung.

  2. Außerhalb des Bereichs der Eingriffsverwaltung gilt der Grundsatz der “Freiheit der Formenwahl” sowohl für die Handlungsform als auch für die Organisationsform. Daher kann ein Hoheitsträger zum einen auch bei Wahrung seiner öffentlich-rechtlichen Organisationsform privat-rechtliche Handlungsformen nutzen. Zum anderen kann er sich sogar privatrechtlicher Organisationsformen bedienen. Dann handelt er nicht mehr selbst, sondern über von ihm gegründete und/oder beherrschte juristische Personen des Privatrechts (zB über eine Stadtwerke-GmbH). Bei Verwendung privatrechtlicher Organisationsformen ist ausschließlich eine Verwendung privatrechtlicher Handlungsformen möglich.

II. Öffentlich-rechtliche Organisationsform - privatrechtliche Handlungsform

Die Frage, ob ein Hoheitsträger privatrechtlich handelt, stellt sich damit nur in Fällen, in denen der Hoheitsträger bei Wahrung seiner öffentlich-rechtlichen Organisationsform außerhalb der Eingriffsverwaltung handelt. Das ist typischerweise bei drei Aufgabenarten der Fall.

  1. Verwaltungsprivatrecht -> unmittelbare GR-Bindung (unstrittig)

    Liegt vor, wenn der Hoheitsträger iRd Leistungsverwaltung (Daseinsvorsorge) die ihm obliegenden öffentlichen (Verwaltungs-) Aufgaben in privatrechtlicher Handlungsformen erfüllt.

  2. Fiskalische Hilfsgeschäfte -> BVerfG/ hL: Unmittelbare GR-Bindung (Fiskalgeltung der GRe); BGH (-)

    Hierbei handelt es sich um privatrechtliche Rechtsgeschäfte, die der Hoheitsträger zur Deckung seines Eigenbedarf an Sachen und Dienstleistungen abschließt

  3. Erwerbswirtschaftliche Tätigkeit -> BVerfG/ hL: Unmittelbare GR-Bindung (Fiskalgeltung der GRe); BGH (-)

    Dabei handelt der Hoheitsträger privatrechtlich sowie primär nach wirtschaftlichen Grundsätzen und in der Absicht der Gewinnerzielung.

Funktionen des VA

Der VA ist die wichtigste Handlungsform der Verwaltung. Er zeichnet sich durch 4 Funktionen aus.

Materiell-rechtliche Regelungsfunktion

  1. Der VA ist eine eigenständige Rechtsquelle. Ein wirksamer VA

    a) geht dem Gesetz als Rechtsquelle vor

    Solange ein wirksamer VA vorliegt, bestimmt der VA und nicht das Gesetz die Rechte und Pflichten des Adressaten.

    b) entfaltet Bindungswirkung für die Erlassbehörde

    Die Erlassbehörde ist bereits mit Bekanntgabe (und nicht erst mit Unanfechtbarkeit) des VA an die von ihre getroffene Regelung gebunden. Will sie davon abweichen, so muss sie den VA (nach Spezialgesetz oder §§ 48 ff. VwVfG) aufheben (vgl. § 48 I 1 VwVfG: “auch”)

    c) begründet ein Abweichungsverbot für andere Behörden und Gerichte

    SIE DÜRFEN VON DER DURCH DEN VA GESETZTEN RECHTSFOLGE NICHT ABWEICHEN, DIE GELTUNG DIESER RECHTSFOLGE NICHT IN FRAGE STELLEN. Das folgt aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Rechtsprechung, Art. 20 III GG. Kein Abweichungsverbot besteht naturgemäß für das Gericht, das über die Aufhebung des VA zu entscheiden hat.

    Die vorstehenden Wirkungen treten nicht ein, wenn der VA gem. § 44 VwVfG nichtig ist. Sie entfallen vorläufig, wenn ein Rechtsbehelf eingelegt wurde, der aufschiebende Wirkung hat (§ 80 VwGO).

  2. Auch ein rechtswidriger VA ist grundsätzlich wirksam (und nur aufhebbar)

    Aus den §§ 43, 44 VwVfG folgt, dass auch ein rechtswidriger VA grundsätzlich wirksam ist und die von ihm geregelten Rechtsfolgen auslöst. Ein rechtswidriger VA ist nur aufhebbar; dazu muss er angefochten werden (vgl. § 113 I 1 VwGO). Etwas anderes gilt auch hier nur dann, wenn die Rechtswidrigekeit des VA zugleich zu dessen Nichtigkeit führt, § 44 VwVfG.

  3. Ein VA kann unanfechtbar werden, jedoch nur formell bestandskräftig

    a) Ficht der Betroffene den VA innerhalb der Widerspruchs- bzw. Klagefrist (§§ 70, 74 VwGO) nicht an, so wird der VA für ihn unanfechtbar. Ein nach Fristablauf eingelegter Rechtsbehelf ist unzulässig und hat auch keine aufschiebende Wirkung.

    b) “Unanfechtbar” bedeutet jedoch nicht “unveränderbar”: Der VA erwächst nicht in materielle, sondern nur in formelle Bestandskraft.

    1. Die Behörde kann den VA, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nach Spezialgesetz oder §§ 48 ff. VwVfG aufheben, vgl. § 48 I 1 VwVfG.

    2. Der Bürger kann versuchen, eine Wiederaufnahme, gem. § 51 VwVfG zu erreichen oder die Behörde zur Aufhebung des VA nach den §§ 48, 49 VwVfG zu bewegen.

Titelfunktion

Ist ein VA bestandskräftig (oder sofort vollziehbar, weil ein Rechtsbehelf gem. § 80 II VwGO keine aufschiebende Wirkung hat), kann er von der Behörde selbst vollstreckt werden; ein gerichtlicher Titel ist nicht erforderlich (vgl. zB § 6 I VwVG).

Prozessrechtliche Funktion

Prozessrechtlich ist das Vorliegen ein VA heute nur noch für die Frage der statthaften Klageart (“VA-Klagen”) von Bedeutung.

Verwaltungsverfahrensrechtliche Funktion

Mit dem Erlass des VA wird das (erste) Verwaltungsverfahren zum Abschluss gebracht (§ 9 VwVfG).

Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung von Pflichten aus öffentlich-rechtlichem Schuldverhältnis nach §§ 280 ff. BGB analog

Vorteile vertraglicher/ vertragsähnlicher Ansprüche gegenüber deliktischen Ansprüchen

  1. Beweislastumkehr für Verschulden

    Beim Amtshaftungsanspruch hat der Kläger die volle Beweislast für die Voraussetzungendes § 839 I BGB, insbesondere hinsichtlich des Verschuldens des handelnden Amtswalters. Dagegen muss im vertraglichen Bereich der in Anspruch genommene Staat analog §§ 280 I, 286 IV BGB beweise, dass er eine Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

  2. § 278 BGB analog -> es wird auch für Verschulden von Hilfspersonen (Erfüllungsgehilfen) gehaftet. Das gilt insbesondere für privatrechtlich herangezogene Unternehmer. Im deliktischen Bereich kommt dagegen nur die Zurechnung des Verhaltens öffentlich-rechtlicher Verwaltungshelfer in Betracht.

  3. Keine Geltung der Subsidiaritätsklausel des § 839 I 2 BGB

  4. Kein Anspruchsausschluss nach § 839 III BGB, sondern idR nur Anspruchsminderung analog § 254 BGB.

  5. Naturalrestitution möglich (während Anspruch aus § 839 BGB/ Art. 34 GG nur auf Geldersatz geht)

Anerkennung öffentlich-rechtlicher Schuldverhältnisse

öffentlich-rechtlicher Vertrag §§ 54 ff. VwVfG

  • Haftung nach § 62 VwVfG iVm BGB analog

  • Rechtsweg: § 40 I 1 VwGO, vgl. auch § 40 II 1 Hs 1 VwGO: VG

öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis

  • Haftung nach allgemeinem BGB-Vertragsrecht analog

  • Rechtsweg: § 40 II 1 Hs 1 Var. 3 VwGO Zivilgericht (Ausnahme: § 40 II 2 VwGO)

Delikt

  • Haftung nach § 839 BGB/ Art. 34 GG

  • Rechtsweg: Art. 34 S. 3 GG Zivilgericht

Wie im Privatrecht, bestehen auch im öffentlichen Recht vertragliche Ersatzansprüche, die ggf. vorrangig vor den deliktischen Ansprüchen zu prüfen sind. Wie sich aus § 40 II 1 Hs. 1 Var. 3 VwGO ergibt, geht der Gesetzgeber davon aus, dass es neben vertraglichen Schadensersatzansprüchen noch weitere Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten gibt, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag (und auch nicht auf Delikt) beruhen. Damit sind Ansprüche wegen Verletzung von Pflichten aus öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnissen gemeint.

Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses

  1. anerkannte Fallgruppen

    • öffentlich-rechtliche Verwahrung

      Ein ör Verwahrungsverhältnis kann durch ör Vertrag, durch VA oder durch Realakt begründet werden. Durch die Verwahrung entsteht eine Obhutspflicht des Staates, weswegen die Vorschriften des BGB über die Verwahrung, sowie die Leistungsstörungen entsprechend gelten. Schadensersatzansprüche können sich analog § 280 BGB va bei Unmöglichkeit der Herausgabe oder der Beschädigung der Sache ergeben.

    • entgeltliche ör Benutzungs- und Leistungsverhältnisse

      zB Benutzung eines städtischen Bades. Der Bürger ist hier ebenso schutzwürdig wie bei einem privaten Austauschverhältnis. Deshalb können sich bei Pflichtverletzungen Schadensersatzansprüche analog § 280 BGB ergeben.

    • Beamtenverhältnis

      Das Beamtenverhältnis wird durch eine besondere Fürsorgepflicht des Dienstherrn geprägt. Deshalb ist allgemein anerkannt, dass der Beamte bei schuldhafter Verletzung der Fürsorgepflicht einen ör Schadensersatzanspruch entsprechend dem Rechtsgedanken der §§ 276, 278, 618 III BGB hat.

    • öffentlich-rechtlicher Vertrag §§ 54 ff. VwVfG

    • Nutzung einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung

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Ann-kathrin L.

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