Was versteht man unter Hämostase?
Hämostase ist der physiologische Prozess der Blutstillung, der den Körper vor Blutungen und Blutverlust schützt. Sie umfasst die primäre Hämostase (Thrombozytenbildung) und die sekundäre Hämostase (Fibrinbildung)
Welche Mechanismen umfasst die primäre Hämostase?
1. Reflektorische Vasokonstriktion
2. Thrombozytenadhäsion an freigelegtes Kollagen
3. Thrombozytenaggregation durch Fibrinogen
4. Thrombozytentransformation und Freisetzung von Mediatoren
Welche Moleküle sind an der Thrombozytenadhäsion beteiligt?
Kollagen, von-Willebrand-Faktor (vWF), Glykoprotein-Rezeptoren (GP Ib, GP Ia/IIa)
Was ist die Flip-Flop-Reaktion und warum ist sie wichtig?
Die Flip-Flop-Reaktion ist die Umverteilung von Phospholipiden an der Thrombozytenmembran. Sie ermöglicht die Bindung von Gerinnungsfaktoren und die Initiierung der sekundären Hämostase.
Wie verläuft die sekundäre Hämostase?
Definition:
Stabilisiert den Plättchenthrombus durch Bildung eines Fibrinnetzwerks.
Ablauf:
Gerinnungskaskade:
Intrinsischer Weg: Aktivierung durch Kontakt mit Kollagen → XII → XI → IX → VIII.
Extrinsischer Weg: Aktivierung durch Tissue Factor → VII.
Gemeinsamer Endweg:
Faktor X wird aktiviert (Xa).
Prothrombinase-Komplex (Xa, Va, Ca²⁺, Phospholipide) wandelt Prothrombin (II) in Thrombin (IIa).
Thrombin spaltet Fibrinogen (I) in Fibrin (Ia).
Fibrin-Stabilisierung:
Faktor XIIIa vernetzt Fibrin → stabiler Fibrinthrombus.
Regulation:
Inhibitoren: Antithrombin III, Protein C/S.
Fibrinolyse: Plasmin baut Fibrin ab.
Was sind Kontaktfaktoren und welche Rolle spielen sie?
Kontaktfaktoren (Faktoren XI, XII, HMW-Kininogen, Präkallikrein) initiieren die intrinsische Gerinnungskaskade durch Aktivierung von Faktor XII
Die Kontaktfaktoren der Blutgerinnung sind Proteine, die eine Rolle bei der Aktivierung der intrinsischen Gerinnungskaskade spielen. Sie werden durch den Kontakt mit negativ geladenen Oberflächen (z. B. Kollagen oder Glas) aktiviert und initiieren eine Kaskade von Reaktionen. Zu den Kontaktfaktoren gehören:
1. Faktor XII (Hageman-Faktor)
• Wird durch Kontakt mit negativ geladenen Oberflächen aktiviert.
• Aktiviertes Faktor XII (XIIa) aktiviert Faktor XI und das Kallikrein-Kinin-System.
2. Faktor XI
• Wird durch Faktor XIIa aktiviert.
• Aktiviertes Faktor XI (XIa) aktiviert Faktor IX, was die intrinsische Gerinnungskaskade weiter vorantreibt.
3. Präkallikrein
• Wird durch Faktor XIIa in Kallikrein umgewandelt.
• Kallikrein verstärkt die Aktivierung von Faktor XII.
4. Hochmolekulares Kininogen (HMWK)
• Dient als Kofaktor für die Aktivierung von Präkallikrein und Faktor XI durch Faktor XIIa.
• Spaltet Kininogene und setzt Bradykinin frei, das an Entzündungsreaktionen beteiligt ist
Wie unterscheidet sich die intrinsische von der extrinsischen Aktivierung der Gerinnungskaskade?
Intrinsisch: Aktivierung durch Kontakt mit negativen Oberflächen (z. B. Kollagen). Extrinsisch: Aktivierung durch Gewebefaktor (TF) nach Gefäßverletzung
Welche Rolle spielt Calcium (Ca² ) in der Gerinnung?
Calcium ist ein essentieller Kofaktor in der Gerinnungskaskade. Es stabilisiert die Gerinnungskomplexe (z. B. Tenase und Prothrombinase) und ermöglicht die Aktivierung von Gerinnungsfaktoren wie Prothrombin zu Thrombin.
Welche Phasen umfasst das zelluläre Modell der Gerinnung?
1. Initiation: Bildung kleiner Mengen von Thrombin.
2. Amplifikation: Aktivierung weiterer Thrombozyten.
3. Propagation: Verstärkung der Gerinnungskaskade auf Thrombozytenoberflächen.
Welche Rolle spielt Thrombin in der Amplifikation?
Thrombin aktiviert weitere Thrombozyten und Gerinnungsfaktoren (z. B. Faktor V, VIII), was die Gerinnungskaskade verstärkt.
Wie unterscheiden sich Initiation, Amplifikation und Propagation in der Gerinnung?
Initiation: Aktivierung durch Gewebefaktor und geringe Thrombinbildung.
Amplifikation: Verstärkung der Gerinnung durch Aktivierung von Thrombozyten und Faktoren.
Propagation: Bildung eines stabilen Gerinnsels durch Fibrin.
Was ist der Unterschied zwischen primärer und sekundärer Fibrinolyse?
Primäre Fibrinolyse: Physiologischer Abbau von Fibrin nach Wundheilung.
Sekundäre Fibrinolyse: Pathologischer Abbau von Fibrin ohne ausreichende Gerinnung
Welche Medikamente fördern die Fibrinolyse und wie wirken sie?
tPA (Tissue Plasminogen Activator) aktiviert Plasminogen zu Plasmin, das Fibrin abbaut.
Welche Rolle spielt Plasmin in der Fibrinolyse?
Plasmin ist ein Enzym, das Fibrin im Gerinnsel abbaut. Es wird durch Plasminogen-Aktivatoren wie tPA aktiviert
Was ist das Von-Willebrand-Syndrom (vWS)?
Das Von-Willebrand-Syndrom (vWS) ist die häufigste angeborene Blutgerinnungsstörung.
Es wird durch einen Mangel oder eine Funktionsstörung des Von-Willebrand-Faktors (vWF) verursacht.
Funktion des vWF:
Vermittelt die Adhäsion der Thrombozyten an verletzte Gefäßwände (primäre Hämostase).
Stabilisiert den Faktor VIII, der in der sekundären Hämostase wichtig ist.
Typen des vWS:
Typ 1 (häufigste Form):
Partieller Mangel an vWF.
Mild bis moderat ausgeprägte Symptome.
Typ 2:
Funktionelle Störung des vWF (normaler Gehalt, aber gestörte Funktion).
Verschiedene Subtypen (z. B. 2A, 2B, 2M, 2N).
Typ 3 (selten, schwer):
Nahezu vollständiges Fehlen des vWF.
Schwere Blutungsneigung.
Symptome:
Verlängerte oder starke Menstruationsblutungen (Menorrhagie).
Häufige Nasenbluten (Epistaxis).
Leichte Bildung von Hämatomen.
Verlängerte Blutung nach Operationen oder Verletzungen.
Diagnose:
Messung des Von-Willebrand-Faktors (vWF-Aktivität).
Bestimmung des Faktors VIII.
Funktionelle Tests (z. B. Ristocetin-Kofaktor-Aktivität).
Therapie:
Desmopressin (DDAVP):
Fördert die Freisetzung von vWF aus den Speicherzellen.
Wirksam bei Typ 1 und einigen Subtypen von Typ 2.
vWF/Faktor-VIII-Konzentrate:
Substitution bei schweren Formen (Typ 3) oder Operationen.
Antifibrinolytika:
Unterstützung bei lokalen Blutungen, z. B. Schleimhautblutungen.
Welche Therapieoptionen gibt es bei Hämophilie?
1. Substitution von fehlenden Gerinnungsfaktoren (Faktor VIII oder IX).
2. Anwendung von Emicizumab (bei Hämophilie A).
Was sind die Ursachen und Symptome der idiopathischen thrombozytopenischen Purpura (ITP)?
Ursachen: Autoimmunreaktion mit Antikörperbildung gegen Thrombozyten. Symptome: Petechien, verlängerte Blutungszeit, spontane Hämatome
Was ist Verbrauchskoagulopathie (DIC) und welche Mechanismen sind daran beteiligt?
DIC ist eine pathologische Aktivierung der Gerinnungskaskade, die zu Mikrothromben und einem Verbrauch von Gerinnungsfaktoren führt. Es kann zu Blutungen und Organversagen kommen
Wie wirken direkte Thrombinhemmer und DOAKs (Direkte orale Antikoagulanzien)?
Direkte Thrombinhemmer (z. B. Dabigatran) binden an Thrombin und hemmen dessen Aktivität. DOAKs wie Rivaroxaban hemmen Faktor Xa.
Welche Rolle spielt Aspirin in der primären Hämostase?
Aspirin hemmt irreversibel die Cyclooxygenase (COX-1), wodurch die Thromboxan-A2-Bildung reduziert und die Thrombozytenaggregation gehemmt wird.
Wie funktionieren ADP-Rezeptor-Hemmer bei der Hemmung der Thrombozytenaggregation?
ADP-Rezeptor-Hemmer (z. B. Clopidogrel) blockieren den P2Y12-ADP-Rezeptor auf Thrombozyten und verhindern so deren Aktivierung und Aggregation
Was sind Thrombozytopathien und wie äußern sie sich?
Thrombozytopathien sind Störungen der Funktion der Thrombozyten (Blutplättchen), während ihre Anzahl normal sein kann.
Sie beeinträchtigen die primäre Hämostase und führen zu einer erhöhten Blutungsneigung.
Ursachen:
Angeboren:
Bernard-Soulier-Syndrom: Defekt des vWF-Rezeptors (GPIb).
Glanzmann-Thrombasthenie: Fehlen des Fibrinogenrezeptors (GPIIb/IIIa).
Storage-Pool-Erkrankungen: Defekte der Granulafreisetzung.
Erworben:
Medikamente: z. B. ASS (hemmt COX-1 und damit die Thromboxanbildung).
Niereninsuffizienz: Urämietoxine stören die Thrombozytenfunktion.
Lebererkrankungen: Reduzierte Synthese von Gerinnungsfaktoren beeinflusst Thrombozytenfunktion.
Myeloproliferative Erkrankungen: Funktionelle Defizite der Thrombozyten.
Schleimhautblutungen (z. B. Nasenbluten, Zahnfleischbluten).
Petechien (punktförmige Hautblutungen).
Verlängerte Blutung bei kleinen Verletzungen.
Menorrhagie (verstärkte Menstruationsblutung).
Diagnostik:
Blutungszeit: Verlängert.
Thrombozytenaggregationstests: Zeigen Funktionsdefizite.
Spezifische Tests: Nachweis von Defekten bei Rezeptoren oder Signalwegen.
Medikamentenpause:
Bei erworbenen Formen (z. B. ASS oder Clopidogrel absetzen).
Fördert Freisetzung von vWF, verbessert Plättchenadhäsion.
Thrombozytentransfusionen:
Bei schweren Fällen oder Operationen.
Gezielte Therapie:
Behandlung der Grunderkrankung (z. B. Dialyse bei Urämie).
Was ist eine Thrombozytopenie und welche Ursachen, Symptome und Therapien gibt es?
Thrombozytopenie: Verminderte Thrombozytenzahl (< 150.000/µl) → erhöhte Blutungsneigung.
Hauptursachen:
Verminderte Produktion: Knochenmarksschäden (z. B. Leukämie, Chemotherapie).
Erhöhter Abbau: ITP (Autoantikörper), DIC, TTP/HUS.
Verteilungsstörungen: Splenomegalie.
Hauptsymptome:
Petechien, Schleimhautblutungen (z. B. Nasenbluten).
Verlängerte Blutung, selten innere Blutungen.
Milde Formen: Beobachtung, Grunderkrankung behandeln.
Schwere Formen (< 20.000/µl):
Thrombozytentransfusion, Kortikosteroide (z. B. bei ITP).
Plasmapherese (bei TTP).
Wie werden Gerinnungsfaktoren klassifiziert?
Klassifikation der Gerinnungsfaktoren:
Enzyme (Serinproteasen):
Aktivieren nachfolgende Faktoren durch Proteolyse.
Beispiele: Faktor II (Thrombin), VII, IX, X, XI, XII.
Kofaktoren:
Unterstützen die Enzymfunktion, besitzen selbst keine enzymatische Aktivität.
Beispiele: Faktor V, VIII.
Fibrinogen-Gruppe:
Am Ende der Gerinnungskaskade beteiligt.
Beispiele: Fibrinogen (Faktor I), XIII (Fibrin-Stabilisierung).
Vitamin-K-abhängige Faktoren:
Synthese abhängig von Vitamin K (in der Leber).
Beispiele: Faktor II, VII, IX, X.
Kontaktfaktoren:
Starten die intrinsische Gerinnung.
Beispiele: Faktor XII, XI, Prekallikrein, Hochmolekulares Kininogen (HMWK).
Karteikarte: Thromboxan A₂ (TXA₂)
Thromboxan A₂ (TXA₂) ist ein bioaktives Lipid, das aus Arachidonsäure gebildet wird. Es spielt eine Schlüsselrolle in der Blutgerinnung und der Gefäßhomöostase.
Synthese:
1. Arachidonsäure → Umwandlung durch Cyclooxygenase (COX-1/COX-2) zu Prostaglandin H₂ (PGH₂).
2. Thromboxansynthase (in Thrombozyten) → PGH₂ → TXA₂.
Funktionen:
1. Thrombozytenaggregation:
• Fördert die Zusammenlagerung und Aktivierung von Thrombozyten.
2. Vasokonstriktion:
• Verengt Blutgefäße zur Stabilisierung des Thrombus.
3. Entzündungsprozesse:
• Fördert Leukozytenmigration und entzündliche Reaktionen.
• Kurze Lebensdauer: Umwandlung in inaktives Thromboxan B₂ (TXB₂).
• Gegenspieler: Prostacyclin (PGI₂) hemmt TXA₂-Wirkung durch Vasodilatation und Hemmung der Thrombozytenaggregation.
Klinische Relevanz:
1. Thrombose: Überproduktion kann Thrombosen, Herzinfarkt oder Schlaganfall fördern.
2. Therapie: Acetylsalicylsäure (ASS) hemmt COX-1 irreversibel → weniger TXA₂ → reduzierte Gerinnungsneigung.
Merksatz:
TXA₂ = “T” für Thrombozytenaggregation und Vasokonstriktion!
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