-Psychologische Erklärungsansätze der Außenpolitikanalyse sind auf der Ebene des Individuums zu verorten
-Die politische Psychologie beleuchtet, wie kognitive Prozesse und emotionale Bedürfnisse die Wahrnehmung der Entscheider beeinflussen
-„Cold Cognition“ & „Hot Emotions“ sind die erklärenden Variablen der politischen Psychologie
==> psychologische Denkweisen dieses Individuums beeinflussen seine Handlungen und damit die Außenpolitik Russlands
-Menschliche Kapazitäten zur Informationsverarbeitung sind begrenzt
o „A mind perpetually open will be a mind perpetually vacant” (Bertrand Russell)
o „bounded rationality“ (Herbert Simon)
o „cognitive mizers“ (Susan Fiske)
-Nötig sind „Einsparungsstrategien“, d. h. simple Heuristiken anstelle komplizierter gedanklicher Operationen
-Rückgriff auf Wissensstrukturen im Langzeitgedächtnis: Schemata, Bilder, Skripts
-Es besteht das Risiko von Fehlwahrnehmungen, d. h. Diskrepanzen zwischen objektiver und subjektiver Situation, die bei einer unvoreingenommenen Sichtung der Informationen vermeidbar gewesen wären
-Haben das Ziel die eigene Weltsicht zu bestätigen
-Sind zwar zeitsparend aber nicht immer real lösungsorientiert
-Negativ bewertetes fremdes Verhalten wird auf Intentionen und nicht auf situative Umstände zurückgeführt
-„Behavior engulfs the field“ (Fritz Heider)
-Folge bspw. bei Rüstungsprozessen: Gegnerische Rüstung wird als Ausdruck aggressiver Absichten, nicht als Reaktion auf Unsicherheit gedeutet
-Situationen werden aus dem Deutungswinkel individuell oder kollektiv besonders prägender Erfahrungen betrachtet (Beispiel WK I und II oder Vietnamkrieg)
-„Lehren aus der Geschichte“ werden übergeneralisiert und können situationsinadäquate Handlungsempfehlungen geben
-Informationen, die vorgefertigte Schemata bestätigen, werden vorzugsweise berücksichtig und stärker gewichtet
-Informationen, die vorgefertigte Schemata in Frage stellen könnten werden gemieden oder abgewertet
-Risiko der trügerischen Sicherheit durch „premature cognitive closure“ (Jervis 1976)
-Folge von Einsparungsstrategien
-Wird dadurch begünstigt, dass politische Entscheidungen meist in Kleingruppen entschieden werden
-1972 entwickelte Irving L. Janis das Konzept des Groupthink, als er die US-amerikanische Entscheidung zur Invasion in der Schweinebucht (und später Pearl Harbor, den Vietnam-Krieg und die Geiselbefreiung in Iran) analysierte:
==> Entscheidungen werden auf Ebene der Kleingruppen gefällt und getragen
==> è Menschen mit sehr ähnlichen Hintergründen und Mindsets werden in einer Gruppe konzentriert
o Bspw. war Außenminister Powell zunächst sehr skeptisch gegenüber dem Irakkrieg – später aber änderte er seine Meinung, log für das Unterfangen – gab aber auch später an den seine Taten zu bereuen
==> führt oft zu Fehlentscheidungen – u.a. weil die einzelnen Gruppenmitglieder eigentlich nur verhindern wollen ausgeschlossen zu werden
o „So far the Bush administration's foreign policy team has manifested all the symptoms of Groupthink as Janis identified” (Alter 2002):
o 1.Dabei entstand aus dem Gruppenprozess die Illusion der Unverwundbarkeit;
o 2. Risiken der getroffenen Entscheidung wurden übersehen; - Gegenargumente wurden ausgeblendet
o 3. Die Gegner wurden stereotyp wahrgenommen und beurteilt;
o 4. Es bestand ein unhinterfragter Glaube an die in der eigenen Administration vorhandene Moral;
o 5. Diejenigen, die Gegenargumente formulierten wurden direktem Druck ausgesetzt;
o 6. Die Gruppe selbst schottete sich gegen Informationen von außen ab;
o 7. Schließlich funktionierte die Schere im Kopf, eine Art der Selbstzensur.
o “Unfortunately, Bush has surrounded himself with advisers sharing ideological cohesiveness and radical views” (Alter 2002).
-Analyseebene ist die Individualebene
-Groupthink grenzt sich als Analysekonzept einerseits von der Analyse der Denkvoraussetzungen von Individuen ab und den institutionellen Einflüssen auf die Entscheidungsfindung andererseits
==> müssen nicht alle erfüllt werden
1. Hohe Kohäsion der Gruppe
2. Autoritärer Führungsstil
3. Abschottung von der „realen Welt“ (verfügen ggf. aber auch über Informationen, über die ihre Umwelt nicht verfügt, was natürlicherweise eine gehobene Stellung produziert)
4. Fehlen klarer Entscheidungsregeln und -methoden
5. Ähnlicher Hintergrund der Gruppenmitglieder
6. Ähnliche Sichtweisen/Meinungen der Gruppenmitglieder
Hinzu kommt ein besonders großer Stress in einer Entscheidungssituation, in der die Gruppenmitglieder emotionale Sicherheit aus der Gruppenkohäsion ziehen
+ dazu kommt meist noch besonders großer Stress in Entscheidungssituationen
1. Zahl der Handlungsalternativen wird limitiert, oftmals auf zwei
2. Ernsthafte Reflexion der Ziele und Zwecke unterbleibt – Risiken werden nicht thematisiert
3. Keine kritische Diskussion des Handlungsverlaufs, selbst angesichts später auftretender Probleme
4. Informationen von außerhalb der Gruppengrenzen werden nicht berücksichtigt
5. Kognitive Dissonanzen werden vermieden, Informationen, die mit dem Gruppen-weltbild übereinstimmen werden verstärkt berücksichtigt
6. Alternativen zum eingeschlagenen Weg werden später nicht mehr diskutiert
7. Auch bei Problemen der Implementation, wird die getroffene Entscheidung beibehalten
-Insgesamt wird deshalb aus Groupthink-Prozessen eine für das Problem inadäquate Entscheidung resultieren.
-Das bedeutet nicht, dass alle inadäquaten Entscheidungen aus Groupthink-Prozessen resultieren.
-Die innerhalb einer Gruppe von Entscheidungsträgern und Beratern ablaufenden Prozesse…
o der einseitigen Information,
o moralischen Sicherheit,
o Dämonisierung von Fremdgruppen,
o Reduzierung der Handlungsalternativen,
o Selbstversicherung (auch angesichts massiver Probleme das Richtige zu tun oder gar tun zu müssen)
-…werden über das Mediensystem in die Gesellschaft vermittelt, die auf diese Weise am Prozess des Groupthink teilnimmt
==> die Öffentlichkeit kann durch die Medien (wenn Berichterstattung ungefiltert weitergegeben) Teil des Group-Think-Prozesses werden
==> ggf. kann eine Schweige-Spirale entstehen
-Bei „vitalen Entscheidungen“...
o angesichts wahrgenommener Bedrohungen,
o dem Einsatz von Militär
o der Verfolgung vitaler Interessen
-… wird der Kreis der Entscheider häufig eingeschränkt und reduziert sich auf wenige Personen, die über Geheimwissen verfügen.
-Diese Gruppe schottet sich von anderen Personen ab, weshalb bestimmte Informationen und dissidente Haltungen nicht berücksichtigt werden.
-Der Prozess der Isolation grenzt die Gruppe zuerst von anderen ab.
-Im Verlauf der Entscheidungsfindung setzt, wenn ein Prozess des Groupthink in Gang kommt, auch die Isolation von abweichenden Meinungen innerhalb der Gruppe ein
==> Geheimdienste treiben ihre Denke so eher isoliert voran
o Die Führungsperson legt die Position nicht vorab fest und greift zu Beginn nicht in die Gruppendiskussion ein (Kuba-Krise – Kennedy nach Invasion der Schweinebucht eher zu Kooperation bereit)
o Die Gruppe wird in Untergruppen aufgeteilt, die konkurrierende Lösungsvorschläge erarbeiten
o Abweichende Meinungen werden ermutigt; die Position des advocatus diaboli (Anwesender spielt einen Andersdenkenden) wird in die Diskussion eingeführt, um sachliche Kritik zu üben und zu provozieren
o Die Gruppe wird heterogen zusammengesetzt, hinsichtlich Hintergrund und Weltsicht
o Alle Mitglieder der Gruppe werden in die Verantwortung genommen, die Verantwortung wird konkret (namentlich einer Person) und nicht diffus zugewiesen
o Die Gruppe soll nach außen offen sein und Informationen und Ratschlag von Nicht-Mitgliedern in die Diskussion einschließen
o Auch nachdem eine Entscheidung getroffen wurde, bleibt die Diskussion für die Revision dieser Entscheidung offen
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