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ZPO Wissen

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by Ann-kathrin L.

Prozessmaximen

Dispositionsmaxime (Verfügungsgrundsatz; Parteiherrschaft)

Es hängt von den Parteien ab:

  • ob überhaupt -> durch Klage/Antrag/Rechtsmitteleinlegung

  • in welchem Umfang -> nach den gestellten Anträgen, § 308 ZPO (Ausnahme: § 308 II und § 308a ZPO)

  • wie lange -> Klagerücknahme § 269 ZPO; -verzicht § 306 ZPO; Erledigung § 91a ZPO; Berufung § 511 ZPO; Revision § 545 ZPO)

ein Prozess in Gang kommt (Ausnahmen gelten zB bei Familien-, Betreuungssachen)

anders: Offizialmaxime (Einleitung ex officio) zB gem. § 24 FamFG oder in der StPO

Verhandlungsmaxime (Beibringungsgrundsatz)

  • Parteien entscheiden, welcher Tatsachenstoff in den Rechtsstreit eingeführt wird, während das Gericht dann über die rechtliche Bewertung entscheidet

  • unstreitige Tatsachen werden grds. nicht vom Gericht nachgeprüft (vgl. § 138 ZPO)

  • Einschränkungen: durch Frage- und Aufklärungspflicht des Gerichts, § 139 ZPO und Wahrheitspflicht, § 138 ZPO)

anders: Untersuchungsgrundsatz dh Aufklärung von Amts wegen (Amtsermittlung) zB § 26 FamFG und in StPO, VwGO

Grundsatz des rechtlichen Gehörs, Art. 103 I GG

  • Anspruch jeder Partei auf Anhörungsmöglichkeit, bevor eine endgültige Entscheidung oder Zwischenentscheidung zu ihrem Nachteil ergeht -> ggf. Gehörsrüge § 321a ZPO

  • Unzulässigkeit von Überraschungsentscheidungen (vgl. § 139 II ZPO)

Ausnahme: wenn Anhörung dem Sinn des Verfahrens gerade zuwiderliege, so zB Zwangsvollstreckung (§ 834 ZPO; im Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahren)

Mündlichkeitsgrundsatz, §§ 128 ff. ZPO

  • Tatsachenvortrag und Antrag grds. in mündlicher Verhandlung, ggf. auch per Bild-/Tonübertragung, § 128a ZPO

  • Einschränkungen: Bezugnahme auf Schriftsätze, § 137 III ZPO; § 128 II und III ZPO; Erweiterungen in § 128 III ZPO, insbesondere wenn es um Nebenentscheidungen geht (Nebenforderungen, TB-Berichtigungen, Urteilsergänzungen; vorl. Vollstreckbarkeit)

  • Grundsatz der Einheitlichkeit der mündlichen Verhandlung

Ausnahme:

  • Bei Streitwert von nicht über 600€ kann AG das Verfahren grds. nach billigem Ermessen bestimmen, § 495a ZPO.

  • Bei Zustimmung durch beide Parteien, § 128 II ZPO oder wenn nur noch Kostenentscheidung, § 128 III ZPO.

Grundsatz der Unmittelbarkeit, §§ 309, 355 ZPO

  • mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme grds. vor dem erkennenden Gericht

  • Einschränkungen: Beauftragter Richter, § 361 ZPO; Ersuchter Richter, § 362 ZPO; Videoverhandlung, § 128a ZPO

Öffentlichkeitsgrundsatz, §§ 169-175 GVG

  • die mündliche Verhandlung ist im Rahmen der Möglichkeiten des Verhandlungsortes grds. öffentlich

  • davon zu unterscheiden ist die Parteiöffentlichkeit nach §§ 357, 299 ZPO

Ausnahme: Familiensachen (§ 170 GVG) oder Ausschluss der Öffentlichkeit (§§ 171b, 172 GVG)

Beschleunigungsgrundsatz (Konzentrationsmaxime/Prozessökonomie)

  • Verhandlung möglichst schnell und in einem umfassend vorbereiteten (Haupt-)Termin, § 272 ZPO

  • zur Prozessökonomie dienen ua:

    • Beschleunigungsmaßnahmen des Gerichts (§ 139 ZPO: Prozessteilung + §§ 216, 275, 276 ZPO: Fristen mit Präklusion, § 296 I ZPO)

    • Prozessförderungspflichten der Parteien (§ 282 ZPO: rechtzeitiges Vorbringen mit Präklusion, § 296 II ZPO)

  • Zusammenlegung mehrerer Gerichtsbezirke (auch länderübergreifend, zB LAG Berlin/Brandenburg) für bestimmte Rechtsstreitigkeiten, § 13a GVG

  • Obligatorische Einrichtung spezialisierter Spruchkörper

Klageerhebung

Eine Klage hat Erfolg, soweit sie zulässig und begründet ist. Die Klage ist zulässig, soweit alle Sachentscheidungsvoraussetzungen erfüllt sind. Diese werden von Amts wegen geprüft (§ 56 ZPO).

Beachte: Die Zulässigkeit ist prozessual vorrangig. Ein Gericht darf die Frage der Zulässigkeit nicht offenlassen und eine Klage abweisen, weil sie jedenfalls unbegründet ist. Ebenso darf sie nicht also unzulässig und unbegründet abgewiesen werden, denn bei Unzulässigkeit entfällt jede weitere Prüfung der Begründetheit. Die unzulässige Klage wird durch Prozessurteil abgewiesen; es verhindert den Erlass einer rechtskräftigen Sachentscheidung (=Sachurteil). Bei Unzulässigkeit kann also derselbe materielle Anspruch in einer neuen Klage geltend gemacht; bei Unbegründetheit steht dem die materielle Rechtskraft des Urteils entgegen, § 322 ZPO.

Eine wirksame Klageerhebung iSv § 253 ZPO setzt einerseits eine hinreichend bestimmte Klageschrift (in deutscher Sprache, vgl. § 184 GVG) und andererseits deren Zustellung voraus.

Inhalt der Klageschrift (Pflichtinhalt)

  • Bezeichnung der Parteien (formaler Parteibegriff), ggf. deren Vertreter, grds. mit ladungsfähiger Anschrift; Postdienstleister reicht nicht

  • Gericht (idR AG oder LG; ggf. Kammer f. Handelssachen)

  • Bestimmung des Streitgegenstands

    Angabe des Klagegegenstandes und des Klagegrundes

    -> Klagegenstand

    Festlegung, welche Entscheidung begehrt wird (Klageart):

    • Leistungsklage: Tun, Dulden, Unterlassen (vgl. § 241 I BGB)

    • Feststellungsklage (subsidiär)

      • bzgl. Bestehen (positive) Nichtbestehen (negative) eines Rechtsverhältnisses, § 256 I ZPO (Sonderfall Kündigungsschutzklage)

      • Zwischenfeststellung (§§ 256 II, 260 ZPO): wenn Rechtsverhältnis str. geworden

      • Musterfeststellungsklage

    • Gestaltungsklage = Herbeiführung einer unmitelbaren Rechtsänderung durch gerichtliche Entscheidung

    -> Klagegrund

    Angabe des konkreten Sachverhalts, Lebensvorgang, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge ableitet (Beibringung/Darlegung der Tatsachen, nicht einer Anspruchsgrundlage)

  • bestimmter Klageantrag (abhängig von Klageart)

    konkrete Bezeichnung des Anspruches um Entscheidungskompetenz des Gerichts (§ 308 I ZPO) und Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft (§ 322 ZPO) festlegen zu können

Einreichung + Zustellung

  • die Klageschrift ist beim Gericht einzureichen (§ 253 V ZPO = Anhängigkeit)

    • im Original oder

    • als elektronisches Dokument iSv § 130a ZPO

    • zu Protokoll in der mündlichen Verhanldung (zB Widerklage, Zwischenfeststellungsklage, Klageänderung/ -erweiterung)

  • die Zustellung (§§ 261 I, 253 I ZPO) der Klageschrift erfolgt von Amts wegen (§§ 270 S. 1, 271 I, 166 II ZPO = Rechtshängigkeit)

    • Zustellungsarten (§§ 166 ff. ZPO)

      mit hoher praktischer Relevanz (elektronisch, Post, Gerichtsvollzieher, öffentliche Bekanntmachung)

    • Verjährungshemmung gemäß § 204 Nr. 1 BGB, aber beachte § 167 ZPO: Rückwirkung auf Zeitpunkt der Anhängigkeit, wenn “Zustellung demnächst” erfolgt; auch bei

      • Nr. 3: Mahnbescheid

      • Nr. 5: Prozessaufrechnung

      • Nr. 6: Streitverkündung

    • Rechtshängigkeit bei Mahnverfahren, § 693 I ZPO

Beachte: weiterer Soll-Inhalt, der in § 253 III, IV ZPO geregelt ist (vorgerichtliche Streitbeilegung, Wert des Streitgegenstandes, Einzelrichterhemmnisse)

Zuständigkeit der Zivilgerichte

I. Zivilrechtsweg (§ 13 GVG)

§ 13 GVG weist den Zivilgerichten alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu. Eine solche liegt vor, wenn die streitentscheidenden Normen solche des Privatrechts sind.

Verfahren bei falscher Zuständigkeit:

  1. Unzulässigkeit des bestrittenen Rechtswegs:

    Verweisung des Rechtsstreits von Amts wegen und mit bindender Wirkung an ein Empfangsgericht (§ 17a II GVG).

  2. Unzulässigkeit wegen sachlicher/örtlicher/instanzieller Unzuständigkeit:

    Verweisung durch Beschluss nur auf Antrag des Beklagten an ein Empfangsgericht (es sei denn rügelose Einlassung, § 39 ZPO oder zul. Gerichtsstandvereinb., § 40 ZPO).

II. sachliche Zuständigkeit (§§ 23, 71, 118 GVG)

Die Vorschriften bestimmen, welches Eingangsgericht für einen bestimmten Rechtsstreit das richtige ist. Eine Klage ist idR bei einem AG oder einem LG erstinstanzlich zu erheben (Ausn.: OLG bie Verbandsklage, § 3 VDuG).

  1. In den meisten Fällen ist die Höhe des Streitwertes entscheidend:

    Geringwertige Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 5.000,00 € gehören grds. vor das AG, es sei denn, sie sind nach ihrer Art dem LG zugewiesen (wichtig: § 23 Nr. 2, 71 II, III GVG); höherwertige Streitigkeiten über 5.000,00€ gehören grds. vor das LG, sofern nicht nach ihrer Art dem Amtsgericht zugewiesen (§§ 23 ff., 71 I GVG).

  2. Von besonderer Bedeutung sind die streitwertunabhängigen Zuständigkeiten:

    • die dem AG ausschließlich zugewiesenen Wohnraummietsachen = sozialpolitische Zuständigkeit, da vor AG kein RA-Zwang

    • die dem LG ausschließlich zugewiesenen Amthaftungsansprüche

    Beachte: Entscheidend für die Streitwertberechnung ist der Zeitpunkt der Einreichung der Klage (§ 4 I ZPO).

III. örtliche Zuständigkeit (§ 12 ff. ZPO)

Beantwortet die Frage nach dem konkreten Gerichtsbezirk, in dem die Klage einzureichen ist.

  1. Der allgemeine Gerichtsstand gem. § 12 ZPO ist immer einschlägig, wenn kein ausschließlicher Gerichtsstand besteht. Zwischen ihm und besonderen (nicht ausschließlichen) Gerichtsständen besteht ein Wahlrecht des Klägers (§ 35 ZPO).

    Von besonderer Bedeutung ist bei

    • natürlichen Personen: deren Wohnsitz (§ 13 ZPO) mit der Legaldefinition in § 7 BGB

    • juristische Personen/parteifähige Personengesellschaften (GbR, OHG, nicht rechtsfähiger Verein): satzungsmäßiger Sitz oder Ort der Verwaltungstätigkeit (§ 17 ZPO)

  2. Besondere Gerichtsstände (§§ 20 ff. ZPO) richten sich nach der sachlichen Nähe zum Rechtsstreit.

    a) Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO)

    Für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis ist der Ort als Gerichtsstand eröffnet, an dem die Verpflichtung nach materiellem Recht zu erfüllen ist. Mit Erfüllungsort ist der Leistungsort iSd §§ 269, 270 BGB gemeint, also der Ort an dem die Erfüllungshandlung vorzunehmen ist.

    • Nach ganz hM ist der Erfüllungsort für jede Vertragspflicht gesonder zu bestimmen. Nur ganz ausnahmsweise ist bei gegenseitigen Verträgen ein gemeinsamer Erfüllungsort für Leistung und Gegenleistung anzunehmen, wenn dieser der Ort der vertragscharakteristischen Leistung ist (zB Ort, an dem ein Bauwerk errichtet wird).

    • Obwohl die Norm nur von synallagmatischen Verträgen spricht, meint sie jedes Schuldverhältnis.

    • Bei Hol- und Schickschuld ist dies der (Wohn-) Sitz des Schuldners, bei der Bringschuld der Sitz des Gläubigers der jeweiligen vertraglichen Verpflichtung.

    • Beachte: Eine Geldschuld ist - im Hinblich auf Erfüllungsort und Gerichtsstand - eine Schickschuld, auch wenn § 270 BGB für die Gefahrtragung Besonderheiten anordnet.

    b) Erfüllungsort durch Gerichtsstandsvereinbarung

    Die Begründung des Gerichtsstand durch Erfüllungsortvereinbarung ist nach § 29 II ZPO nur abschließend genannten Personen bzw. Sondervermögen gestattet.

    c) Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO)

    Klagen, die sich ua aus Ansprüchen der §§ 823 ff. BGB ergeben.

    Andere - insbes. vertragliche - Ansprüche können kraft Sachzusammenhangs an demselben Gerichtsstand geltend gemacht werden, § 17 II GVG.

    Bei sog. Streudelikten (unterschiedliche Sitze von Hersteller, Verkäufer etc) kann an jedem Ort geklagt werden, so bei Presseerzeugnissen, jeder Ort, an dem das entsprechende Medium bestimmungsgemäß verbreitet wird (sog. “fliegender Gerichtsstand”).

    Der Kläger hat nach § 35 ZPO ein Wahlrecht, das durch Klageerhebung ausgeübt wird (kein Antrag erforderlich).

  3. Ausschließende Gerichtsstände

    Diese verdängen sowohl den allgemeinen als auch die besonderen Gerichtsstände. Auch eine Gerichtsstandvereinbarung und eine rügelose Einlassung sind nicht möglich (vgl. § 40 II 1 Nr. 2 S. 2 ZPO). Eine Klage kann nur zum ausschließlichen Gerichtsstand erhoben werden. Ob ein besonderer Gerichtsstand ausschließlich ist, ergibt sich aus dem Wortlaut oder der amtlichen Überschrift der Norm.

IV. Gerichtsstandvereinbarungen (§§ 38, 40 ZPO)

Eine derartige Vereinbarung ist als Prorogation (die Streitigkeit wird einem bestimmten Gericht zugewiesen) oder Derogation (Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts wird für die Streitigkeit ausgeschlossen) möglich. Bei einer Derogation kann ein Gericht ausgeschlossen werden, ohne dass dabei die Zuständigkeit eines anderen Gerichts (positiv) begründet werden müsste. Sie ist aus Schutzgründen nur den dort genannten Personenkreisen eröffnet.

V. Rügelose Einlassung (§ 39 ZPO)

Nach der Widerspruchstheorie kann die sachliche, örtliche und internationale Zuständigkeit eines Gerichts auch dadurch begründet werden, dass der Beklagte zur Hauptsache mündlich verhandelt, ohne die Unzuständigkeit des Gerichts geltend zu machen. Vor dem AG bedarf es hierzu eines richterlichen Hinweises, §§ 39 S. 2, 504 ZPO.

Ausgeschlossen ist sie bei ausschließlichem Gerichtsstand (vgl. § 40 II Nr. 2 ZPO - keine Dispositionsbefugnis).

Streitgegenstand und Klageänderung

Relevanz des Streitgegenstandsbegriffs insbesondere für

  • eventuelle (schädliche) anderweitige Rechtshängigkeit, § 261 III Nr. 1 ZPO

  • Zuständigkeit des Gerichts

  • Klageänderung, §§ 263 ff. ZPO

  • entgegenstehende Rechtskraft, § 322 ZPO (“ne bis in idem”); Rechtsmittel

Streitgegenstandtheorien

h.M./ std. Rspr.: prozessual zweigliedrige Theorie

Streitgegenstand ist nicht ein materiell-rechtlicher Anspruch, sondern der als Rechtschutzbegehren oder RF-Behauptung verstandene, eigenständige prozessuale Anspruch und bestimmt sich aus:

  • Klageantrag (gerichtet auf Rechtsfolge)

  • Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund, vgl. § 253 II Nr. 2 ZPO)

z.T.: eingliedrige Theorie

Streitgegenstand besteht nur aus dem

  • Klageantrag (aber insbesondere bei Zahlungsklagen dient der Lebenssachverhalt zur Auslegungshilfe)

z.T.: materiell-rechtliche Theorie

  • bloße Anspruchsgrundlagenkonkurrenz = ein Streitgegenstand (zB § 280 I neben § 823 BGB)

  • echte Anspruchskonkurrenz = zwei Streitgegenstände (zB § 433 II und § 780 BGB)

Voraussetzungen der Klageänderung, §§ 263 ff. ZPO

  1. Liegt überhaupt eine Änderung des Streitgegenstandes vor?

    • objektiv: anderer Klageantrag oder anderer Lebenssachverhalt (vgl. aber sogleich § 264 Nr. 1 ZPO)

    • subjektiv: nach hM bei gewillkürtem Parteiwechsel

FALLS (+)

  1. Ist Klageänderung gesetzlich zugelassen?

    • Fälle des § 264 ZPO:

      • Nr. 1: bloße Berichtigung, Ergänzung

      • Nr. 2: Antragserweiterung oder -beschränkung (quantitativ oder qualitativ)

      • Nr. 3: statt der Sache wird jetzt das Interesse verlangt

    • Ausnahmen: grds. unzulässig in Revisionsinstanz, da nur noch reine Rechtsinstanz

FALLS (-)

  1. Hat Beklagter in Klageänderung eingewilligt, § 263 Fall 2 ZPO?

    -> aus Gründen der Prozessökonomie

    • Kann ein neuer Prozess vermieden werden?

    • Kann der bisherige Prozessstoff bei Weiterführung verwertet werden?

Folge, wenn Klageänderung

  • zulässig: Prozess wird mit neuem Streitgegenstand weitergeführt

  • unzulässig: Klageänderung wird als unzulässig zurückgewiesen und Prozess mit altem Streitgegenstand fortgeführt, wenn Kläger diesen aufrechterhalten hat. Sonst durch Auslegung zu ermitteln, ob Klagerücknahme (§ 269 ZPO), -verzicht (§ 306 ZPO), Erledigung des Rechtsstreits (wenn übereinstimmend, § 91a ZPO) oder säumnis (§ 331 ZPO).

  • § 268 ZPO: Entscheidung über Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Klageänderung ist unanfechtbar (Rechtssicherheit)

Personenmehrheiten und Parteien im Prozess

Streitgenossenschaft und Prozessstandschaft

Die gleichzeitige Geltendmachung durch mehrere Kläger oder gegen mehrere Beklafte ist in einem äußerlich verbundenen Prozess möglich. Soweit auf Kläger- oder Beklagtenseite mehrere natürliche Personen als Parteien klagen oder verklagt werden, liegt eine subjektive Klagehäufung vor, die nur als notwendige oder einfache Streitgenossenschaft (SG) zulässig ist. Von einer objektiven Klagehäufung (Anspruchshäufung, § 260 ZPO) spricht man, wenn in einer Klage mehrere Ansprüche geltend gemacht werden. Haben nicht alle Streitgenossen denselben (allg. oder besond.) Gerichtsstand, erfolgt die Gerichtsstandbestimmung nach § 36 II + III ZPO.

Prozessstandschaft

Formeller Parteibegriff. Partei ist wegen der Bezeichnung in der zugestellten Klage diejenige natürliche oder juristische Person oder Personengesamtheit, die als Partei im eigenen Namen klagt bzw. verklagt wird, unabhängig von ihrer materiell-rechtlichen Beziehung zum Streitgegenstand. Die Prozessführungsbefugnis auf Klägerseite (§ 51 ZPO) ist unproblematisch, wenn der Kläger ein behauptetes (im Prozess idR streitiges) eigenes Recht im eigenen Namen geltend macht. Wird ein behauptetes fremdes Recht im eigenen Namen geltend gemacht, ist dies - zur Vermeidung von Popularklagen - nur ausnahmsweis im Wege der Prozessstandschaft (PS) möglich. Diese ist streng zu unterscheiden von der sog. Aktivlegitimation auf der Klägerseite und der sog. Passivlegitimation auf der Beklagtenseite. Während die fehlende Prozessfürhungsbefugnis die Klage unzulässig macht (Prozessurteil), führt die fehlende Sachbefugnis zur Unbegründetheit (Sachurteil). Unterscheide!

Beweiserhebung

Zweck

Die Beweiserhebung dient der Feststellung der entscheidungserheblichen streitigen Tatsachen.

Beweisgegenstand

Beweis wird grds. nur über Tatsachen erhoben. Tatsachen sind konkrete nach Raum und Zeit bestimmte, vergangene oder gegenwärtige - und damit der Nachprüfung und Klärung zugängliche - Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Seelenlebens. Abzugrenzen ist die Tatsache von Werturteilen, Bewertungen, Rechtsansichten und Meinungen der Parteien. Insbesondere die Verwendung von Rechtsbegriffen stellt idR keinen Tatsachenvortrag dar. Tatsachen sind vielmehr die den Begriff ausfüllenden tatsächlichen Voraussetzungen. Nur, wenn es sich um einen Rechtsbegriff des täglichen Lebens handelt und beide Parteien den Rechtsbegriff zutreffend und übereinstimmend verstehen, kann seine Verwendung als Tatsachenbehauptung angesehen werden.

Beweisarten

Strengbeweis

Anwendungsbereich:

Wenn die Beweiserhebung Parteiherrschaft unterliegt. - Grundsatz im Zivilprozess -

Regeln:

  • Förmliches Beweisverfahren, §§ 355 ff. ZPO

  • mit Beweismitteln SAPUZ (siehe unten)

  • Beweismaß: zur vollen Überzeugung des Gerichts (Vollbeweis)

Freibeweis:

Anwendungsbereich:

Dort, wo Tatsachenermittlung von Amts wegen erfolgt und Fragen betroffen sind, die nicht Parteiherrschaft unterleigen

Regeln:

  • Beweiserhebung, -verfahren und Beweismittel stehen im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts

  • Beweismaß: zur vollen Überzeugung des Gerichts (Vollbeweis)

Glaubhaftmachung:

Beweisführung, mit geringerem Grad an Wahrscheinlichkeit

Anwendungsbereich:

Wenn im Gesetz ausdrücklich zugelassen, zB Eilverfahren, Wiedereinsetzung

Regeln:

  • zur Beweisführung alle präsenten Beweismittel der ZPO benutzbar, § 294 ZPO

  • zudem Beweisführung durch eidesstattliche Versicherung möglich

  • Beweismaß: überwiegende Wahrscheinlichkeit reicht

Beweisrichtung

Hauptbeweis

Beweis, den die beweisbelastete Partei zu erbringen hat; Vollbeweis erforderlich

Unterfall: “Beweis des Gegenteils” Wiederlegung einer für die vom Gegner behauptete Tatsache sprechenden gesetzlichen Vermutung (zB kein Vertretenmüssen iSv § 280 I 2 BGB)

Gegenbeweis:

Beweis, den der Gegner der beweisbelasteten Partei hinsichtlich der beweisbedürftigen Tatsache anbietet; Gegenbeweis ist geführt, wenn die Überzeugung des Gerichts von der Wahrheit der beweisbedürftigen Tatsache erschüttert ist

Beweisvoraussetzungen

Beweisantrag:

  • Grds. nur noch für Zeugenbeweis erforderlich, § 373 ZPO; iÜ ist Beweisaufnahme - auch im Bereich des Verhandlungsgrundsatzes - vom Amts wegen möglich, jedoch keine Verpflichtung des Gerichts; einem Beweisantrag ist grds. nachzugehen (Anspruch auf rechtliches Gehör)

  • notwendiger Inhalt: Tatsachenbehauptung und hierauf bezogenes Beweismittel

  • abzugrenzen vom unzulässigen bloßen Beweisermittlungsantrag, bei dem Behauptung einer bestimmten Tatsache oder Angabe eines bestimmten Beweismittels fehlt

  • Beweisaufnahme grds. nur zulässig, bei Beweisantritt durch beweisbelastete Partei, aber Ergebnis einer Beweisaufnahme kann auch ohne wirksamen Beweisantritt verwertet werden.

  • Rücknahme/ Verzicht des Beweisantrages in Grenzen der §§ 399, 436 ZPO möglich

  • Ablehnungsgründe: § 244 III, IV StPO analog

Beweisbedürftigkeit:

Beweisbedürftig sind diejenigen streitigen und entscheidungserheblichen Tatsachen, die nicht bereits ohne Beweisaufnahme feststehen. Keines Beweises bedürfen daher:

  • nicht oder nicht mehr bestrittene Tatsachen; bei Geständnis iSv § 288 ZPO

  • nicht wirksam bestrittene Tatsachen, § 138 III, IV ZPO

  • offenkundige Tatsachen, § 291 ZPO

  • Tatsachen, die aus einer gesetzlichen oder tatsächlichen Vermutung folgen (§ 292 ZPO), wenn Vermutungsvoraussetzungen unstreitig und Vermutungsfolge nicht durch gegnerischen Vortrag widerlegt - gesetzliche Vermutung - bzw. erschüttert - tatsächliche Vermutung -

  • Tatsachen, die nach § 287 ZPO angenommen werden können

  • Präjudizielle Rechtsverhältnisse, einschließlich die ihnen zugrunde liegenden Tatsachen, die aufgrund einer rechtskräftigen Vorentscheidung wegen § 322 ZPO oder aufgrund der Interventionswirkung der §§ 68, 74 ZPO feststehen

  • Tatsachen, von denen Gericht gem. § 286 ZPO bereits ohne Beweisaufnahme überzeugt ist; Achtung: Nur in ganz bes. Ausnahmefällen, da grds. keine Vorwegnahme der Beweiswürdigung!

  • uU Tatsachen, deren Beweis die gegnerische Partei schuldhaft vereitelt hat

Beweiszulässigkeit:

  • unzulässig ist der sog. Ausforschungsbeweis (Beweisantrag, mit dem erst die eigentlich beweiserhebliche Tatsache in Erfahrung gebracht werden soll, insbesondere willkürliche, erkennbar ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt aufgestellte Behauptungen “ins Blaue hinein”)

  • Beweiserhebungsverbote:

    • für besondere Verfahrensarten, zB §§ 581 II, 596 II ZPO

    • für bestimmte Beweisthemen, zB § 376 I ZPO iVm §§ 61 BBG

    • hinsichtlich bestimmter Beweismittel, zB §§ 445, 446 f ZPO

  • Beweisverwertungsverbote:

    Können sich für rechtswidrig erlangte oder erhobene Beweise ergeben (uU Heilungsmöglichkeit nach § 295 I ZPO). Keine absolute Unverwertbarkeit, sondern nach sog. Abwägungslehre erfolgt Interessen- und Güterabwägung im Einzelfall (insbes. Art. 2 I GG, Art. 8 EMRK). Rechtswidrig erlangtes Beweismittel zwar uU im Strafprozess nicht verwertbar, aber im Zivilprozess uU hingegen verwertbar.

Beweislast

Bedeutung:

Regelung der Nachteilstragung bei Nichtaufklärbarkeit einer Tatsache (sog. non liquet)

Grundsatz:

Jede Partei trägt die Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnormen.

  • Kläger also für die tatsächlichen Voraussetzungen des normalen Entstehungstatbestandes der sein Begehren stützenden Anspruchsgrundlage

  • Beklagter für die tatsächlichen Voraussetzungen von Abweichungen vom normalen Entstehungstatbestand der Anspruchsgrundlage und für den normalen Entstehungstatbestand von Gegennormen usw.

  • Beachte: sorgfältige Unterscheidung zw. dem (ggf. qualifizierten) Bestreiten von Voraussetzungen des normalen Entstehungstatbestandes einer Norm/ dem Vortrag von Abweichungen vom normalen Entstehungstatbestand der Norm und von Gegenormen. zB Beklagter behauptet es sei von Anfang an eine Stundung vereinbart gewesen <-> Bestreiten der Fälligkeit des Anspruchs (K trägt Beweislast für Eintritt der Fälligkeit)

Ausnahmen:

  • bei abweichender Vereinbarung der Parteien (Beweislastvertrag)

  • bei gesetzlicher Beweislastverteilung, zB §§ 179 I, 280 I 2 BGB

  • wenn für Tatsache eine gesetzliche Vermutung spricht

  • wenn für Tatsache eine tatsächliche Vermutung spricht (Anscheinsbeweis: “Wer auffährt hat idR Schuld”)

  • wenn nach Rspr. (zunehmend) Verteilung der Beweislast nach Gefahrenbereichen (zB Produkthaftung)

Beweiswürdigung

Grundsätze:

  • Grundsatz des Vollbeweises

    Beweis erst erbracht, wenn Gericht von Wahrheit einer Tatsache voll überzeugt ist; für Überzeugung ist bloße - auch überwiegende - Wahrscheinlichkeit nicht ausreichend, aber absolute Gewissheit auch nicht erforderlich. Für das sog. Beweismaß genpgt ein “für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der den Zweifel Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen”

  • Grundsatz der freien Beweiswürdigung, § 286 ZPO

    Das erkennende Gericht ist in der Bewertung der im Prozess gewonnenen Erkenntnisse prinzipiell frei.

    Grenze: Bindung an Denk-, Natur- und Erfahrungsgesetze

    Ausnahmen: zwingende gesetzliche Beweisregeln zB Urkundenbeweis

  • Ggf. Schadensschätzung gem. § 287 ZPO

Grundlage:

Gesamter Prozessstoff, soweit dieser Gegenstand der mündlichen Verhanldung war

Ablauf:

  1. Untersuchung der einzelnen Beweismittel auf ihre Bedeutung

    • Inhalt des Beweismittels (Was sagt das Beweismittel aus?)

    • Ergiebigkeit des Beweismittels (Was ergibt das Beweismittel bzgl. der festzustellenden Tatsache: positive ergiebig/ negativ ergiebig/ unergiebig)

    • Überzeugungskraft des Beweismittels (ua die Glaubhaftigkeit der Aussae und die Glaubwürdigkeit eines Zeugen)

  2. Gesamtschau aller Beweismittel und der sonstigen bedeutsamen Umstände

Ergebnis:

Tatsache bewiesen <— non liquet —> Tatsache widerlegt

Das “non liquet” (Nichtbeweisbarkeit) einer Tatsache geht zu Lasten der beweispflichtigen Partei.

Beweismittel

Sachverständige, §§ 402-414 ZPO

Hilfsorgan des Gerichts zur Vermittlung von Erfahrungssätzen und Spezialkenntnissen aus seinem Fachgebiet

  • Einsatz zur Feststellung von Tatsachen, die nur der Sachverhalt aufgrund seiner Spezialkenntnisse ermitteln kann - sog. Befundtatsachen - oder zur Ziehung von Schlussfolgerungen aus feststehenden, ihm vorgegebenen Tatsachen - sog. Anknüpfungstatsachen - aufgrund abstrakter Erfahrungssätze

  • Abgrenzung gerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten/ von Partei in Auftrag gegebenes Privatgutachten (= urkundlich belegter Parteivortrag und daher Urkundenbeweis, es sei denn, beide Parteien sind mit Verwertung als Sachverständigenbeweis einverstanden)

  • Ablehnung entsprechend Richterablehnung, § 406 ZPO

  • Abgrenzung zum Zeugen: Sachverständiger ist austauschbar/ Zeuge ist nicht austauschbar

  • Mischform: sachverständiger Zeuge, § 414 ZPO

Beachte: § 839a BGB: Haftung des Sachverständigen bei vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch erstelltem Gutachten.

Augenschein, §§ 371-372a ZPO

Umfasst alle zu Beweiszwecken durchgeführten sinnlichen Wahrnehmungen durch das Gericht (zB Ortbesichtigung)

Parteivernehmung, §§ 445-455 ZPO

  • Abgrenzung Vernehmung einer Partei als förmliches Beweismittel/ informelle Parteianhörung; Zur äußerlichen Unterscheidung bedarf erstere stets der förmlichen Anordnung durch Beweisbeschluss, § 450 I ZPO

  • Parteivernehmung des Gegners auf Antrag der beweisbelasteten Partei, § 445 I ZPo

    Beachte: Ist Parteivernehmung unter Verkennung der Beweislast erfolgt, darf Aussage nicht als Beweismittel verwertet werden!

  • Parteivernehmung der beweisbelasteten Partei im Einverständnis beider Parteien, § 447 ZPO oder (selten) von Amts wegen, § 448 ZPO

  • Subsidiarität der Parteivernehmung, dh erst nach Ausschöpfung aller angebotetenen Beweismittel

Urkunde, §§ 415-444 ZPO ist die durch Niederschrift verkörperte Gedankenerklärung

  • unbeglaubigte Fotokopie ist keine Urkunde, wenn sie die Gedankenerklärung nicht enthält, sondern nur abbildet

  • (formelle) Beweiskraft (echter) Urkunden:

    • Privaturkunden - beweisen (unter Voraussetzungen des § 416 ZPO) lediglich Abgabe der beurkundeten Erklärung durch Aussteller, nicht jedoch deren Richtigkeit, Wirksamkeit oder Vollständigkeit

      Beachte: Bei Vertragsurkunden besteht jedoch die tatsächliche Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit des Inhalts der Urkunde.

    • Öffentliche Urkunden - beweisen beurkundeten Vorgang, §§ 415, 417 ff. ZPO

Zeuge, §§ 373-401 wer eigene Wahrnehmungen von bestimmten Tatsachen/ Zuständen bekunden soll

  • Zeugnisfähigkeit: Zeuge kann jeder sein, der nicht als Partei und nicht als gesetzlicher Vertreter vernommen werden kann - maßgeblicher Zeitpunkt ist die Vernehmung

  • Pflichten des Zeugen zur vorbereitenden Informierung (§ 378 ZPO), zum Erscheinen (§ 380 ZPO), zur Aussage (§§ 383 ff. ZPO), zur Eidesleistung (§§ 391 f. ZPO)

  • Zeugnisverweigerungsrechte, §§ 383 ff. ZPO = verzichtbares Rechts des Zeugen

    Beachte: Der Verzicht des minderjährigen Zeugen auf sein Zeugnisverweigerungsrecht bedarf der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters, soweit nicht bei Interessenkollision ein Pfleger zu bestellen ist.

Formelle und materielle Rechtskraft

Die formelle Rechtskraft, § 705 ZPO

Die gerichtliche Entscheidung kann nicht mehr mit Rechtsmitteln (Berufung/ Revision/ Beschwerde) oder Rechtsbehelfen (Einspruch bei Versäumnisurteil und VB) angefochten werden. Sie ist Voraussetzung dafür, dass Entscheidungen in materieller Rechtskraft erwachsen (Unanfechtbarkeit). Formelle Rechtskraft tritt ein:

  • bei letztinstanzlichen Entscheidungen mit deren Wirksamwerden

  • mit Ablauf der Rechtsmittel- bzw. der Einspruchsfrist

  • mit Verzicht der Parteien auf Rechtsmittel bzw. Einspruch (§§ 515, 565, 346 ZPO)

Die materielle Rechtskraft, § 322 ZPO

Die materielle Rechtskraft hindert eine abweichende Entscheidung desselben oder eines anderen Gerichts innerhalb bestimmter objektiver, subjektiver und zeitlicher Grenzen.

  • Inhalt:

    Soweit die materielle Rechtskraft greift, darf die rechtskräftige Entschiedung in einem neuen Prozess oder behördlichen Verfahren nicht mehr in Frage gestellt werden; sie ist maßgeblich und bindend (hM: sog. prozessuale Theorie). Jede erneute gerichtliche Verhanldung, Beweisaufnahme und Entscheidung über die rechtsklräftig festgestellt Rechtsfolge ist somit unzulässig (sog. ne bis idem-Lehre). Dies wirkt sich in doppelter Hinsicht aus:

    • entgegenstehende Rechtskraft: bei identischem Streitgegenstand

    • Präjudizialität der Vorentscheidung bei divergierendem Streitgegenstand

  • Umfang:

    Die materielle Rechtskraft erstreckt sich gem. § 322 I ZPO lediglich auf die Entscheidung über den prozessualen Anspruch, wobei der zweigliedrige Streitgegenstandsbegriff gilt. Der materiellen Rechtskraft fähig sind End-, Zwischenfeststellungs-, Versäumnis-, Anerkenntnis-, Verzichts-, Arrest-/Verfügungsurteile und Beschlüsse, die eine sachliche Entscheidung enthalten (so auch der Kostenbeschluss nach § 91a ZPO).

  • Grenzen:

    Die materielle Rechtskraft gilt nicht uneingeschränkt; Grenzen bestehen

Durchbrechung der Rechtskraft

  • Gehörsrüge gem. § 321a ZPO gg. Urteile des AG -> Abhilfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 I GG

    • Voraussetzungen: keine Rechtsmittel möglich und innerhalb von 14 Tagen und rechtliches Gehör entscheidungserheblich verletzt

    • Folge: soweit die Rüge statthaft und begründet, erfolgt die Fortsetzung des ursprünglichen Prozesses in derselben Instanz

  • Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, § 233 ZPO (wenn Notfrist versäumt, die als solche im Gesetz ausdrücklich bezeichnet ist = § 224 ZPO)

  • Abänderungsklage bei Urteilen, § 323 ZPO (Veränderte Verhältnisse bei wiederkehrenden Leistungen, zB Rente)

  • Wiederaufnahme des Verfahren (KEIN PFLICHTSTOFF)

  • Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB -> Unterlassung der Zwangsvollstreckung und Herausgabe des Titels

    Titel unrichtig und dieser vom Gegner arglistig erwirkt oder Zwangsvollstreckung aus besonderen Gründen sittenwidrig

  • Verfassungsbeschwerde, §§ 90 ff BVerfGG -> Aufhebung und Zurückweisung bei Verletzung von Grundrechten

Die Widerklage gem. § 33 ZPO

Von einer Widerklage spricht man, wenn der Beklagte in einem laufenden Rechtsstreit sich nicht nur gegen die Klage verteidigt, sondern seinerseits eine Klage erhebt und damit zugleich zum Widerkläger wird. Die Widerklage ist idR gegen den bisherigen Kläger gerichtet, der dann zugleich der Widerbeklagte ist. Von einer Drittwiderklage spricht man, wenn der Widerbeklagte nicht Partei des ursprünglichen Rechtsstreits gewesen ist. In einer Klausur sind ggf. Zweckmäßigkeitserwägungen über die Erhebung einer Widerklage anzustellen.

Zulässigkeit einer Widerklage

I. Allgemeine Sachurteilsvoraussetzungen

Gem. § 5 ZPO ist für den Zuständigkeitsstreitwert zu beachten, dass die Streitwerte nicht addiert werden:

  • Klage nicht > 5.000 € Widerklage 6.500 € -> § 506 ZPO, ggf. § 39 ZPO, ansonsten nach Antrag gem. § 281 ZPO auf Verweisung von Klage und Widerklage an das LG

  • Klage 6.500 €, Widerklage nicht > 5.000€ -> LG für beides zuständig (§ 506 ZPO “e contrario”)

II. Besondere Sachurteilsvoraussetzungen

  1. Die Klage muss in der Hauptsache im Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage rechtshängig sein, §§ 253 I, 261 I ZPO. Nachfolgende Klagerücknahme oder übereinstimmende Erledigung hat daher keinen Einfluss auf die Zulässigkeit der Widerklage.

  2. Die Widerklage muss in der Prozessart der Klage erhoben und in dieser Prozessart zulässig sein (Unzulässigkeit der Widerklage gem. §§ 595 I, 602, 605a ZPO).

  3. Zwischen der Klage und der Widerklage muss immer ein rechtlicher Zusammenhang bestehen, wofür genügt, dass nach der Verkehrsanschauung wirtschaftlich ein zusammengehöriges Lebensverhältnis vorliegt, vgl. § 33 I ZPO.

    Rspr.: Muss als eigene Sachurteilsvoraussetzung immer vorliegen; Arg.: Prozessökonomie

    Lit.: Muss nur vorliegen, wenn § 33 ZPO als eigener Gerichtsstand benötigt wird, also nicht, wenn sich die Zuständigkeit aus einem anderen Gerichtsstand ergibt. Arg.: systematische Stellung und Verweisungsmöglichkeit nach § 145 II ZPO.

    Heilung des fehlenden rechtlichen Zusammenhangel durch rügelose Einlassung nach hM möglich, § 295 ZPO.

  4. Widerklage wird grds. von dem Beklagten der Hauptklage gegen den Kläger erhoben, sog. Parteiidentität.

  5. Gem. § 33 ZPO ist ein eigener Gerichtsstand für die Widerklage eröffnet. Dies gilt nunmehr nach BGH analog auch für die isolierte Drittwiderklage.

Zulässigkeit einer Drittwiderklage

Der Beklagte verklagt neben dem Kläger zugleich (einen) Dritte(n) als Streitgenossen (Drittwiderklage) oder nur einen Dritten, ohne gleichzeitig gegen den Kläger Widerklage zu erheben (isolierte Drittwiderklage). Ein derartiges Vorgehen ist nach hM aus Gründen der Prozessökonomie unter bestimmten Voraussetzungen zulässig:

  1. Grds. müssen die Voraussetzungen des § 260 ZPO analog vorliegen, so dass der ursprüngliche Kläger und der - zusätzlich widerbeklagte - Dritte Streitgenossen iSd §§ 59 ff. ZPO sind.

    Rspr.: Eine streitgenössische Drittwiderklage ist eine Parteierweiterung, so dass analog § 263 ZPO die Zustimmung des Widerbeklagten oder zumindest Sachdienlichkeit vorliegen muss.

    Lit.: Die Zustimmung ist nicht erforderlich, da Dritter auch in einem gesonderten Prozess ohne dessen Zustimmung verklagt werden könnte.

  2. Eine Ausnahme ist die isolierte Drittwiderspruchsklage: Nur zulässig, wenn die Ansprüche tatsächlich und rechtlich eng miteinander verknüpft sind und bei der Zulassung der Drittwiderkläger keine schutzwürdigen Interessen des so Widerbeklagten verletzt werden, was zB bei künstlicher Verlagerung der Parteistellung bei der Zession der Fall ist.

Zweckmäßigkeitserwägungen (zB Anwaltsklausur)

Ggf. ist in der Klausur das Mandantenbegehren zu ermitteln, ob weitere Ansprüche im Gegenzug in den Prozess eingeführt werden.

  1. Widerklage oder Aufrechnung

  2. “Flucht in die Widerklage”

  3. Erhebung einer petitorischen Widerklage

  4. Erhebung einer Hilfswiderklage

  5. Erhebung einer Drittwiderklage zur Ausschaltung von Zeugen: In der Rprs. ist anerkannt, dass die Erhebung einer streitgenössischen Drittwiderklage zur Ausschaltung eines dadurch zur Partei werdenden Zeugen zulässig ist und keinen Rechtsmissbrauch darstellt.

  6. Erhebung einer isolierten Drittwiderklage zur Ausschaltung von Zeugen

Author

Ann-kathrin L.

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