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Rechtswidrigkeit

PG
by Paul G.

Notwehr (§ 32 StGB)

I. Objetive Rechtfertigungselemente

 1. Notwehrlage

  a) Angriff

  • Jede durch menschliches Verhalten drohende Verletzung eines rechtlich geschützten Gutes (Bewertung ex post zulässig / Rechtsgut muss nicht strafrechtlich geschützt sein)

    • Verhalten muss Handlungsqualität haben

    • Unterlassung nur dann, wenn es gegen die Garantenpflicht versößt

    • Verletzungsvorsatz ist nicht erforderlich

  b) Gegenwärtigkeit des Angriffes

  • Der Angriff ist gegenwärtig, wenn er 

    • unmittelbar bevorsteht (erkennen des unmittelbaren Ansetzens zur Tat),

    • gerade stattfindet oder 

    • noch fortdauert 

  • Der Angriff dauert so lange fort, bis die Rechtsgutverletzung endgültig eingetreten ist

  c) Rechtswidrigkeit des Angriffes

  • Der Angriff ist rechtswidrig, wenn er nicht von einem Rechtfertigungsgrund gedeckt ist und daher vom Betroffenen zu dulden ist

 2. Notwehrhandlung

  a) Verteidigung nur gegen Rechtsgüter des Angreifers

  • Eingriffe in die Rechtsgüter Dritter oder der Allgemeinheit sind nicht gedeckt

  b) Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung

   aa) Geeignetheit

  • Handlung ist dann geeignet, wenn sie eine Chance bietet, den Angriff abzuwehren, abzuschwächen oder zu verzögern

   bb) Erforderlichkeit

  • Verteidiger muss unter mehreren zur Abwehr gleichermaßen geeigneten Mitteln dasjenige Wählen, das die Rechtsgüter des Angreifers am wenigsten beeiträchtigt

    • Risiko einer unsicheren Abwehrhandlung muss nicht eingegangen werden

    • Angreifer trägt das Risiko nicht intendierter Folgen, die sich aus der typischen Gefährlichkeit der Abwehmaßnahme ergeben

    • Bewertung der Erforderlichkeit ex-ante 

    • Schusswaffengebrauch ist grundsätzlich vorher anzudrohen (Androhung, Warnschuss, nicht tödlicher Schuss, potenziell tödlicher Schuss

 3. Gebotenheit

  • Notwehrrecht wird durch sozialethische Schranken begrenzt, um normativ nicht einleuchtende Konsequenzen zu vermeiden

    • Verteidiger in diesen Fallgruppen dürfen nicht direkt zur aggressiven Notwehr übergehen

      • Ausweichen

      • Defensive Gegenwehr (Schutzwehr)

      • Aggressive Gegenwehr (Trutzwehr)

  a) Krasses Missverhältnis zwischen angegriffenem Rechtsgut und der Verteidigungshandlung

  b) Angriffe von schuldlos Handelnden (Kinder, Geisteskranke, Volltrunkende) und von erkennbar Irrenden

  c) Angriffe im Rahmen enger persönlicher (Garanten-) Beziehungen. 

  d) Schuldhafte Herbeiführung einer Notwehrlage (Notwehrprovokation)

  • Es wird zielstrebig ein Angriff herausgefordert, um den Gegner unter dem Deckmantel der äußerlich gegebenen Notwehrlage an seinen Rechtsgütern zu verletzen

  • Täter ist grundsätzlich die Rechtfertigung versagt, da er selbst rechtsmißbräuchlich handelt, indem er Verteidigungswille vortäuscht, in Wirklichkeit jedoch Angreifen will

II. Subjektives Rechtfertigungselement

 1. Verteidigungsabsicht

 a) Kenntnis der Notwehrlage

 b) Verteidigungswille (Strittig)

Rechtfertigender Notstand (§ 34 StGB)

Sinn und Zweck

  • Der rechtfertigende Notstand gem. § 34 StGB gibt die Möglichkeit, im Falle Interessenkollisionen aller Art, die Rechtswidirgkeit einer Handlung entfallen zu lassen

  • Aufgrund des weiteren Anwendungsbereiches, gehen - sofern einchlägig - der Passivnotstand (§ 228 BGB) und der Agressivnotstand (§ 904 BGB) als Lex speciales vor. 

  • Findet auch Anwendung bei Interessenkollisionen im Bereich ein und desselben Rechtsgutträgers; insb. dann, wenn dieser einwilligungsunfähig oder aus Rechtsgründen nicht zur Disposition über das gefährdete Rechtsgut in der Lage ist

Prüfungsschema

1. Objektive Merkmale

 a) Notstandslage

  aa) Notstandsfähiges Rechtsgut

    Rechtsgüter des Einzelnen. Der Schutz von Allgemeinrechtsgütern obliegt dem Staat, sodass sich der Einzelne grundsätzlich nicht auf die Rechtfertigung durch "Staatsnothilfe" berufen kann, es sei denn, 

    die staatlichen Stellen können nicht rechtzeitig eingreifen. Des Weiteren gilt dies auch bei Handlungen zur Abwehr von Gefahren gegenüber Individualrechtsgütern des Staates. 

    Die Schutzbedürftigkeit der Rechtsgüter fehlt, wenn dessen Inhaber diese in rechtlich zulässiger Weise hingegeben hat oder dies von Rechts wegen hinzunehmen ist (z.B. Strafvollzug)

   bb) Gefahr für das Rechtsgut

     Zustand, dessen Weiterentwicklung den Eintritt oder die Weiterentwicklung eines Schadens ernstlich beführchten lässt. Bei der Sachverhaltsdiagnose und Prognose kommt es einzig auf den Standpunkt 

     eines objektiven Betrachters, dem neben einem generellen Erfahrungswissen, auch etwaiges Sonderwissen des Täters zum Zeitpunkt der Handlung unterstellt wird.

   cc) Gegenwärtigkeit

     Die Gegenwärtigkeit einer Gefahr reicht weiter als jene eines Angriffes nach § 32 StGB. Dies leuchtet ein, da ein Angriff die aktute Zuspitzung einer Gefahr ist

     Auch eine Dauergefahr kann gegenwärtig sein, wenn sie so dringend ist, dass sie nur durch unverzügliches Handeln wirksam abgewendet werden kann

 b) Notstandshandlung

  - Rettung eines Rechtsguts durch Aufopferung eines anderen Rechtsguts

  - Erforderlichkeit

   - Geeignetheit

     DIe Handlung muss unter Berücksichtigung aller aus der Ex-ante-Sicht eines sachkundigen objektiven Betrachteres erkennbaren Umstände mit gewisser Wahrscheinlichkeit zur Erhaltung des gefährdeten 

     Guts führen

   - relativ mildestes Mittel

      Besteht eine Ausweichmöglichkeit oder ist obrigkeitliche Hilfe rechtzeitgig erreichbar, so ist davon Gebrauch zu machen

  - Interessenabwägung

     Das vom Täter geschützte Interesse muss das beeinträchtige Interesse wesentlich überwiegen

   - Insb. Rang- und Werteverhältnis der kollidierenden Rechtsgüter

   - Nähe und Ursprung der Gefahr

   - Art und Umfang der drohenden Werteinbußen

   - Besondere Gefahrtragungspflichten (z.B.: Polizeibeamte, Soldaten und Feuerwehrleute)

   - Spezielle Schutzvorschriften (z.B.: aufgrund einer Garantenstellung

   - Vom Täter verfolgte Endzweck

   - Mögliche Unersetzlichkeit des eingetretenen Schadens

   - Größe der Rettungschance 

  - Angemessenheit

    Allgemeine Rechts- und Verfahrensgrundsätze sollen nicht durch einzelfallbezogene - nicht verallgemeinerungsfähige - Interessenabwägungen verwässert werden

    Bsp.: DIe Nötigung zu einer Blutspende zwingt das Opfer zu der Preisgabe des Kerns seines Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit. Die Rechtfertigung einer solchen Handlung würde diesen 

    Rechtsgrundsätz aushölen und ist folglich nicht angemessen.

2. Subjektives Rechtfertigungselement

 a) Kenntnis der objektiven Notstandsvoraussetzungen

 b) (P) Rettungswille (Wortlaut: "Um…abzuwenden" spricht für das Erfodernis eines Rettungswillen 

Abgrenzung

  • Nötigungsnotstand

    • Der Täter wird zur Begehung der Tat genötigt (§ 240 StGB). Fraglich ist, ob die Begehung des Täters gerechtfertigt oder entschuldigt ist

      • Entschuldigungslösung (h.M.)

        • Das Interesse des Täters kann (auf Ebene der Rechtswidrigkeit) das Interesse des unbeteiligten Dritten nicht überwiegen. Die Lösung muss vielmehr über § 35 erfolgen.

        • Arg.: Unbeteiligter Dritte könnte sich ansonsten aufgrund des "gerechtfertigten" Angriffes ihrerseits nicht auf Notwehr berufen. Dies ist insbesonder bei Angriffen gegen Leib und Leben von der Rechtsordnung nicht gebilligt

      • Rechtfertigungslösung (a.A.)

        • Es darf nicht darauf ankommen, woher die Gefahr, gegen die sich der in einer Notstandslage Befindende wehrt, herrührt. 

        • Wenn er dabei die Rechte anderer (auch unbeteiligter) Personen beeinträchtigen muss, haben diese das zu dulden („Solidarität der Rechtsgenossen“).


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Paul G.

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