Definition: Wachstum
Quantitative Zunahme von Entwicklungsparametern, z.B. Körpergröße, Muskelkraft, Wortschatz
Größenzunahme, morphologisch und funktionelle Differenzierung von Organsystemen -> Wandel von Gestalt und Erscheinung
Individuelle Unterschiede
Dynamischer Prozess
Normalbereich
Der Normalbereich ist der Bereich, der als normal, d.h. als statistisch häufig, angesehen wird
Werte streuen um einen Mittelwert
Streuung kann statistisch durch die Standardabweichung (SD) ausgedrückt werden
Werte zwischen -2 SD und +2 SD liegen definitionsgemäß im Normalbereich
SDS/z-Score
geben an, um ein Wie-viel-Faches einer SD ein individueller Wert ober- oder unterhalb des Mittelwertes einer Bevölkerung liegt
Perzentile
sind Prozentangaben (= Häufigkeiten)
Werte werden in Bezug auf geschlechts- und altersspezifische Messwerte angegeben
Perzentile werden überlicherweise für Gewicht, Größe, BMI oder andere biologische Parameter angegeben
Beispiel: ein Körpergewicht auf der 50. Perzentile bedeutet, dass 50 % der Kinder gleichen Alters und Geschlechts leichter sind
Körpergröße <3. Perzentile = kleinwüchsig
Körpergröße >97. Perzentile = groß- oder hochwüchsig
Wachstumsgeschwindigkeit
Wachstumsgeschwindigkeit bei allen Kindern gleicher Kurvenverlauf → individuelle Unterschiede in Körperlänge sind auf unterschiedliche Ausprägung des Wachstums über gesamte Entwicklungsperiode zurückzuführen
Kinder, die als Erwachsene groß sind, wachsen in jedem Alter mehr als die die eine geringe Erwachsenengröße erreichen
Aber der dynamische Ablauf des Wachstums ist bei allen Kindern gleich
3 Wachstumsphasen der Körpergröße
haben unterschiedliche Geschwindigkeit
Frühe Kindheit/erste Lebensjahre (schneller) -> Ernährung
Mittleres Kindesalter (langsamer) -> Wachstumshormone
Pubertät (schneller) -> Sexualhormone
Wachstumsgeschwindigkeit pränatal
67 cm pro Jahr
Pubertärer Wachstumsschub
6-7 cm pro Jahr
Wachstumsgeschwindigkeit 1. Lebensjahr
25 cm pro Jahr
Wachstum im ersten Lebensjahr
Höhere Flüssigkeitsverluste als -aufnahme
Abbau von Fettdepots
Nahrungsaufnahme in den ersten Tagen noch gering
u.a. abhängig von
Kaiserschnitt oder nicht
Stillen oder Formulafütterung
Interindividuelle Unterschiede im Wachstum
Ausprägung des Wachstums
Wachstumstempo: Geschwindigkeit und Dauer
Unterschiede in Wachstumsdauer bis 5 Jahre -> unabhängig von Körpergröße, kleine und große Kinder können gleichermaßen verschieden schnell wachsen
Tempounterschiede führen besonders im frühe Schulalter und Pubertät zu erheblichen Längendifferenzen
Verschiedene Wachstumsgeschwindigkeiten führen dazu, dass Kinder mit gleichem Wachstumspotenzial in einem bestimmten Alter unterschiedlich groß sein können
Konstitutionelle Verzögerung körperlicher Entwicklung
geht oft mit unreifen sozialen Verhaltensweisen und schwächeren kognitiven Fähigkeiten einher -> Mädchen zu Bedinng der Pubertät in der körperlichen Entwicklung weiter fortgeschritten, wirken in sozialem Verhalten reifer und sind in kognitiven Fähigkeiten weiter entwickelt als Jungen (Unterschiedliche Prozesse in Hirnreifung und damit assoziierten hormonellen Veränderungen in Pubertät)
Geschlechtsunterschiede im Wachstum
Pubertärer Wachstumsschub bei Mädchen ca. 2 Jahre früher als bei Männern -> Mädchen sind mit ca. 12 Jahren vorübergehen größer als Jungen
Größenunterschiede zwischen den Geschlchtern aufgrund stärkeren pubertären Wachstumsschubs und ca. 1,5 Jahre längerer Wachstumsdauer bei Jungen als bei Mädchen -> Ausprägung und Tempo sind unterschiedlich
Zielgröße und Wachstumsprognose
Zielgröße aufgrund signifikanter Korrelation der Körpergröße von Kindern und Eltern (r = 0,6 -> genetische Prädisposition) unter folgenden Annahmen abschätzbar:
Lebensbedingungen des Kindes gleichen denen der Eltern
ungestörtes Wachstum
95 % der Erwachsenengrößen liegen innerhalb eines Streubereichs von +/-8,5 cm des errechneten Werts
Schätzung möglich wegen relativ hoher Stabilität des Größenwachstums
Noch genauer: Wachstumsprognose (bei Kindern nach 6. Lebensjahr), berücksichtigt chronologisches und biologisches Alter
Alter
(statistische) Kennwerte betrachten kindliche Entwicklung in Abhängigkeit vom chronologischen Alter (= Lebensalter, Zeit seit Geburt) -> Theoretische Einschätzung
Entwicklungsalter bzw. Verknüpfung von Entwicklungsstand und Entwicklungsalter → in Praxis oft aussagekräftiger, da anschaulicher
Verwendung vor allem, wenn keine Normierungsstichprobe zur Verfügung steht (Testalteräquivalent)
Entwicklungsalter
spiegelt Entwicklungsstand eines Kindes wider
stellen individuelle Eigenheiten des Kindes dar
in Jahren ausgedrückt und entspricht dem Alter, in dem der Wert eines Entwicklungstests vor 50 % der Kinder erreicht wird
Entwicklungsalter einzelner Aufgaben eines Entwicklungstestes wenig aussagekräftig → die Alter mehrerer Aufgaben eines Entwicklungsbereiches mitteln
Zudem: Exploration entsprechender Fähigkeiten anhand Fragebögen und Beobachtungen, Einschätzung im Gespräch mit Eltern, Lehrpersonen, Therapeuten und anderen Bezugspersonen
Einschätzung kognitiver, sprachlicher und motorischer Entwicklung gelingt i. d. R. gut, für das Sozialverhalten weitaus schwieriger → Psychometrische Tests, aber besonders Einschätzung von Eltern und Bezugspersonen
Ist Vereinfachung → Orientierung an universellem Entwicklungsverlauf und durchschnittlichem Kind, ohne Berücksichtigung normaler Variabilität
Für Einschätzung des Vorliegens eines Entwicklungsrückstands nicht hilfreich, da normale Variabilität im Entwicklungsalter zwischen Kindern mit fortschreitendem Alter steigt → Bestimmung des Entwicklungsalters wird zunehmend unzuverlässige
Biologisches Alter
Alterungs- und Entwicklungsstand körperlicher Eigenschaften (bspw. Skelettalter, Zahnalter oder Pubertätsalter im Kindesalter, aber auch kardiovaskuläres Gesundheitszustand im Erwachsenenalter)
Knochenalter: mit fortschreitender biologischer Reifung werden Knorpelanlagen an Handwurzel einem bestimmten Muster folgend zu Knochen und damit auf Röntgenbild (linke Hand) erkennbar
Hand-Röntgenbild auch für Abschätzung, wann Pubertätsentwicklung beginnen, ob früh oder spät einsetzen wird
Biologisches Alter bezieht sich bei diesen Messmethoden auf körperliche Merkmale; bedeutet nicht, dass sich alle Organe beim Kind im Gleichschritt entwickeln
Biologische Zeitskala bei Mädchen in jedem Alter etwas weiter fortgeschritten als bei Jungen → Mädchen bereits bei Geburt etwas reifer als Jungen
Reifungsunterschied vergrößert sich im Verlauf der Kindheit und führt dazu, dass Mädchen im Mittel 1,5 Jahre früher in Pubertät eintreten und Entwicklung entsprechend früher abschließen als Jungen
“Normaler” Pubertätsbeginn
Mädchen: zwischen 8 und 12 Jahren
Jungen: zwischen 9 und 14 Jahren
Biologisches Alter - Erwachsene
Bestimmung der Telomerlänge: Messung der Länge der Chromosomenenden von Leukozyten
Epigenetische Uhr: Bestimmung des DNA-Methylierungsmusters ermöglicht wegen alterscharakteristischer hochprädiktiver Methylierungsstellen Ableitung von Altersschätzungen
Weitere biologische Marker wie Blutdruck, Body-Mass-Index, Lungenfunktionstests, Nierenwerte, Cholesterin und andere
Gesetzliches Alter
Schuleintritt
Strafmündigkeit
Volljährigkeit
Renteneintritt
Relatives Alter
Alter eines Kindes innerhalb eines Altersklasse -> ein Kind hat im Vergleich zu anderen ein relativ jüngeres oder ein relativ älteres chronologisches Alter
relativ jüngere Kinder zeigen in Jahrgangsklassen
ein durchschnittlich jüngeres Entwicklungsalter und relativ ältere Kinder ein fortgeschrittenes Entwicklungsalter (Geburtsdatumeffekt, “relativer Alterseffekt”)
relatives Alter besonders bei jüngeren Altersgruppen bedeutsam, Effekt mit höherem Alter weniger deutlich -> Variabilität nimmt mit dem Alter ab
“Reifung”
ist ein Entwicklungsprozess, der nicht nur einseitig auf biologischen Mechanismen beruht, sondern auch ausreichende Erfahrungen und entsprechende Umweltbedingungen voraussetzt -> Reifungsprozesse laufen nie ohne Umwelteinfluss ab: Erfahrung werden vom reifenden Organismus erwartet
Erfahrungserwartende Plastizität
= “Reifung”
Bestimmte Entwicklungsschritte sind erst möglich, wenn das Kind reif dafür ist, d.h. biologisches Vorraussetzungen bestehen und es einen bestimmten Entwicklungsstand zeigt
Erfahrungsabhängige Plastizität
= “Lernen”
Bestimmte Entwicklungsschritte laufen nur ab, wenn das Kind spezifische Erfahrungen macht, d.h. es gibt entsprechende Lerngelegenheiten und gezielte Förderung
Plastizität und Gehirnentwicklung
Vorgeburtliche Hirnentwicklung (Neurogenese) ab der 3. Schwangerschaftswoche, weitestgehend erfahrungsunabhängig (cave: schwerwiegende Störungen durch Nährstoffmangel, Noxen, Infektionen)
Nachgeburtlich erfahrungserwartende und erfahrungsabhängige Prozesse prägend: Myelinisierung sowie Synaptogenese (Blooming) und Synapsenabbau (synaptische Bereinigung, Pruning)
Verschiedene Formen von Zeitfenstern mit erhöhter Plastizität: kritische und sensible Phasen
Bildung und Elimination von Synapsen: regionale Ebene
Bildung und Elimination von Synapsen: mikroskopische Ebene
Zeitfenstern mit erhöhter Plastizität: kritische Phasen
erfahrungserwartende Plastizität mit normalen Umweltbedingungen zur Initiation genetisch programmierter Reifungsprozesse
Alles-oder-nichts-Prinzip
Zeitfenstern mit erhöhter Plastizität: sensible Phasen
weniger stark begrenzte Zeitfenster, in denen besonders erfahrungsabhängige Plastizität, d. h. unter großer Abhängigkeit von Umwelteinflüssen effektives Lernen möglich
“Stabilitäts-Plastizitäts-Dilemma”
zu viel Plastizität in neuronalem Netzwerk -> Lernen möglich, aber es wird nichts behalten, neue Inhalte werden überschrieben
zu viel Stabilität -> Lernen findet nicht statt, keine Plastizität
Entwicklung
Schließen von Entwicklungsfenstern für Ausbildung stabiler Eigenschaften und Merkmale
Variabilität und Stabilität von Wachstum (und Entwicklung)
Interindividuelle Variabilität und intraindividuelle Variabilität
Variabilität von Veränderung von Fähigkeiten eines Kindes über die Zeit → Stabilität und Veränderung
Zusammenspiel zwischen Anlage und Umwelt
Interindividuelle Variabilität
Verschiedenartigkeit zwischen Kindern gleichen Alters
Unterschiede eines Merkmals bei gleichaltrigen Kindern
ist sehr groß und zeigt sich …
im Ausmaß (z.B. Anzahl Wörter)
im ersten Auftreten (z.B. unterschiedlicher Zeitpunkt des freien Gehens)
in Varianten (z.B. verschiedene Bewegungsmuster)
in den Entwicklungsabfolgen (z.B. variabler Ablauf der frühen Bewegungsentwicklung)
Intraindividuelle Variabilität
motorische v.s intellektuelle Entwicklung innerhalb eines Kindes
Unterschiede in verschiedenen Entwicklungsbereichen innerhalb eines Kindes
Verschieden ausgeprägte Teilbegabungen
Definition einzelner Entwicklungsbereiche, die insgesamt nicht eng miteinander korreliert sind
Entwicklungsprofile
Variabilität beschreibt auch Verlauf über die Zeit
Kontinuierlicher Prozess vs. diskontinuierliche Sprünge, Phasen oder Stufen -> Art und Weise der durchschnittlichen Entwicklung eines Merkmals über die Zeit
Beispiel für kontinuierliche Prozesse
Muskelkraft: Gleichmäßige Zunahme zwischen 2. und 6. Lebensjahr
Beispiel für diskontinuierliche Sprünge, Phasen oder Stufen
Wortschatzspurt: Beginn zu sprechen im 2. Lebensjahr, im 3. Lebensjahr dann Entwicklungssprung
Stabilität vs. Instabilität
Veränderungen einer Eigenschaft eines einzelnen Kindes im Vergleich zu anderen über die Zeit (behält oder verändert ein Kind seine Position innerhalb einer Gruppe?)
Je stabiler ein Merkmal, umso zuverlässiger Prognose für Verlauf von Entwicklungsmerkmalen, d. h. instabile Eigenschaften sind unzuverlässig prognostizierbar
Abnehmende Korrelation zwischen zwei Messpunkten eines Merkmals mit zunehmendem Intervall (z. B. Stabilität bei motorischen Aufgaben zwischen 5 & 18 Jahren (r = 0,3) < zwischen 15 & 18 Jahren (r = 0,6)) → Veränderungen (= Instabilität) in Umwelt kumulieren über Zeit und reduzieren so Stabilität
Unterschiedl. Stabilität verschiedener kindlicher Eigenschaften:
hoch (r > 0,70): Körpergröße, intellektuelle Entwicklung
mittel (r > 0,50): Motorik, Sprachentwicklung
niedrig (r < 0,50): sozioemotionale Entwicklung
→ deckt sich mit Stärke des genetischen Einflusses; Methodik
Abnahme der Stabilität mit ungünstigen Umweltbedingungen, Erkrankungen und psychosozialen Belastungen
Stabilität ist umso geringer, je jünger Kinder sind
frühe Kindheit: langsame Entwicklungsphasen aber auch -sprünge
Messinstrumente (Spielverhalten vs. Intelligenztests)
frühe Kindheit: stärkere passive Genom-Umwelt-Korrelation
Stabilität eines Entwicklungsmerkmals weitgehend durch genetische Anlagen bestimmt, Instabilität (=Veränderungen) durch Umweltbedingungen
Frühe Kindheit stark durch diverse Umwelteinflüsse, z. B. Ernährung, beeinflusst, während Genetik und Hormone noch geringeren Einfluss haben → hohe Variabilität besonders in jungen Altersgruppen
Hineinwachsen in genetisch bestimmten Zielkanal und Wirkbeginn biologisch regulierter Wachstums- und Sexualhormone sowie Abnahme der Bedeutung von Umwelteinflüssen (Abnahme passiver hin zu aktiver Genom-Umwelt-Korrelation)
Eigenregulation der kindlichen Entwicklung → Wegfall ungünstiger Bedingungen ermöglicht Aufholentwicklung, Kind findet Entwicklungslinie wieder
Entwicklungsphasen
längere Zeiträume, durch spezifische Besonderheiten charakterisiert, von früheren und späteren Phasen unterscheidbar, z. B. Schreiphase (max. mit ca. 6 Wochen), Erkundungsphase (oral, manuell, visuell), Trotzphase (fortschreitende Autonomieentwicklung)
Mensch durchläuft verschiedene Entwicklungsphasen mit alterstypischen Anforderungen (=Entwicklungsaufgaben):
Biologische Veränderungen des Organismus (z.B. Motorik, Wahrnehmung, Pubertät)
Persönliche Aufgaben mit Entwicklung selbstgesetzter allgemeiner Werte und Ziele
Gesellschaftliche Aufgaben (z.B. in Schule und Beruf)
Entwicklungsstufen
kürzer als Entwicklungsphasen, durch besondere qualitative Veränderungen gekennzeichnet
Qualitative Veränderungen, z.B. Bewegungsmuster -> Gebrauch anderer Muskelgruppen, Differenzierung Wahrnehmungsfunktion und Veränderung Körperproportionen
beeinflussen mehrere Entwicklungsbereiche, z.B. Entwicklungsschritt vom Kriechen zum Gehen -> Autonomieentwicklung, Ermöglichung neuer Lernerfahrungen, kognitive Entwicklung
meist rascher Ablauf, z.B. vom Kriechen zum freien Gehen in wenigen Wochen
laufen nicht isoliert ab, z.B. bei Übergang von Kriechen zu Laufen meist auch Sprechen, differenziertes Greifen, Objektpermanenz
Erstmaliges Auftreten variabel
Viele Varianten möglich
Keine definierte Sequenz
Nächster Schritt muss nicht notwendigerweise höherwertig sein als vorheriger
Nicht unumkehrbar
Frühere Stufe nicht zwingend Voraussetzung für bevorstehende
Beispiel: frühe Grobmotorik: oft Wechsel von Kriechen auf Krabbeln, weil schneller und weniger anstrengend; Krabbel-Varianten auf Füßen oder Knien; Kriechen zu Stehen, dann erst Krabbeln; 15% der Kinder krabbeln nie
Genom-Umwelt-Korrelationen - Passiv
schon pränatal, genetische Anlagen der Mutter haben Auswirkungen auf intrauterine Bedingungen (z.B. haben Kinder intelligenterer Mütter eher förderliche intrauterine Bedingungen, weil Mütter Risikofaktoren wie Alkohol und Rauchen eher meiden)
postnatal: Kind wird in Umwelt hineingeboren, die durch Anlagen und Interessen der Eltern gestaltet wird, Korrelation besonders hoch, wenn Übereinstimmung zwischen Anlage und Umwelt vorliegt (z. B. sportliche/musikalische Eltern gestalten sportlich/musikalisch anregende Umwelt, Kind entwickelt insbesondere dann entsprechende Fähigkeiten, sportlich/musikalisch entsprechende Anlagen)
Genom-Umwelt-Korrelationen - Reaktiv
genetische Anlage löst selektive Reaktion bei Eltern & Bezugspersonen aus (Erkennen von Interessen und Talenten und Bereitstellung entsprechender Umweltangebote (z. B. Sportverein, Schulorchester)
Genom-Umwelt-Korrelationen - Aktiv
Kind gestaltet proximale Umwelt aktiv mit, indem es Beziehungen und Erfahrungen entsprechend seiner anlagebedingten Fähigkeiten und Neigungen auswählt (z. B. motorisch geschicktes Kind möchte eher in Sportverein, musikalisches Kind möchte eher Instrument lernen)
Genom-Umwelt-Korrelationen
Über die Zeit nimmt passive Genom-Umwelt-Korrelation ab, während reaktive, aber besonders aktive Genom-Umwelt-Korrelation zunehmen → in den ersten Jahren eher geschlossene familiäre Welt, mit zunehmendem Alter und wachsender Autonomie selbstständige Suche nach „Nische in der Welt”
Genom-Umwelt-Interaktionen
gegenseitige Beeinflussbarkeit von Genom und Umwelt, z. B. Empfänglichkeit für bestimmte Umweltbedingung höher wenn genetisches Risiko für Entwicklungsstörung als wenn kein entsprechendes Risiko
Normkurven für den fetalen Wachstumsverlauf (im Mutterpass)
Scheitel-Steiß-Länge (SSL)
Biparietaler Kopfdurchmesser (BPD)
Abdominaler Transversaldurchmesser (ATD)
Normwerte
deskriptiv
repräsentatives Studienkollektiv
beschreibend wie Kinder sich entwickeln/how children do grow -> groth reference
normal = statistisch häufig
geben keine Auskunft über Gesundheit/Krankheit
dienen als Referenzwerte, d.h. Körperfröße, Gewicht (eines Kindes) werden mit den Normal(Referenz)-Werten abgeglichen
Standard
wie Normwerte, aber nach gesundheitlichen Kriterien ausgewähltes Studienkollektiv, wie Kinder sich entwickelm sollten/how children should grow -> growth standard
Referenzwerte
Definition von Referenzwerten für den BMI bei Erwachsenen
90. Perzentil -> Übergewicht
97. Perzentil -> Adipositas
Kinder und Jugendliche: Alters- und entwicklungsbedingte Unterschiede bei Größe, Gewicht und BMI -> Es ist nicht ausreichend bekannt, in welchem Alter BMI zu gesundheitlichen Folgeschäden führt
Säkularer Trend
Veränderung eines Merkmals über Generationen hinweg z.B. Längenwachstum, Menarche (1. Monatsblutung) und Brustentwicklung, aber auch Konition/IQ
Beschleunigung der körperlichen Entwicklung von Kindern im Verlauf der Generationen: säkulare Akzeleration (vs. individuelle Akzeleration)
Determinanten: Optimierung der Lebensbedingungen hinsichtlich verbesserter Hygiene, Ernährung und medizinischer Versorgung -> fühhren zu Ausschöpfung des genetischen Wachstumspotenzials und immer früher einsetzender Menarche
Ist der BMI geeignet, um die Körperzusammensetzung bei Kindern und Jugendlichen abzubilden?
Problem: Alters- und entwicklungsbedingte Unterschiede bei Größe, Gewicht und BMI -> es ist nicht ausreichend bekannt, in welchem Alter welcher BMI zu gesundheitlichen Folgeschäden führt
BMI bei Kindern und Jugendlichen
Der BMI steigt mit zunehmendem Alter bei Jungen und Mädchen kontinuierlich an
Ein hoher BMI ist ein guter Indikator für die Fettmasse
Bei leichteren Kindern und Jugendlichen spiegelt der niedrige BMI eher Unterschiede in der fettfreien Masse wider
DER BMI spiegelt nicht die Veränderungen der Körperzusammensetzung während der Pubertät wider
Körperzusammensetzung bei Kinder und Jugendlichen
Mädchen:
Fettmasse Index ↑ (Fettmasse ↑) ab Pubertät
Fettfreie Masse Index -> ab Pubertät
Jungen:
Fettmasse Index ↓ ab Pubertät
Fettfreie Masse Index ↑ (Muskelmasse ↑) ab Pubertät
Diagnose mittels Gewicht/Größe bzw. BMI, Therapieerfolg kann durch Körperzusammensetzung mit höherer Sensitivität erfasst und gemanagt werden
Erfassung und Monitoring der Körperfettmasse und deren Verteilung in Kindheit/Jugend bedeutsam für Ätiologie kardiometabolischer Erkrankungen im Erwachsenenalter
Körperzusammensetzung assoziiert mit Progression und Outcome versch. Erkrankungen
Erfassung der Magermasse für zielgerichtete Ernährung, Behandlung und Management
ABER… in der Praxis ist die Erfassung der Körperzusammensetzung weiterhin kaum verbreitet!
Geeignete Methoden? (Ø Strahlenbelastung, Bewegungsartefakte, Atmung kontrollieren,…)„Feldmethoden“ / Public Health vs. Klinik / Wissenschaft
Referenzwerte verfügbar!? (Alter, Geschlecht, Ethnie, Gesundheitszustand, Methode, Gerät,…)
Einzelne Methoden beruhen auf Annahmen, z. B. zur Hydratation des Körpers und der FFM, Körperproportionen, die altersabhängig und so bei Kindern / Jugendlichen ggf. nicht erfüllt sind -> Methodenkombination! 4-Kompartimentmodell
Definition von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen
Spiegelt der BMI eine Zunahme der Fettmasse mit Adipositas-Rebound wider?
Adipositas-Rebound
Anstieg des BMI zwischen 3 und 7 Jahren
Früher Adipositas-Rebound:
deutet auf schnelleres Wachstum, fortgeschrittenere Entwicklung und frühe Pubertät hin
sagt größeres Risiko für Fettleibigkeit im Jugend- und Erwachsenenalter voraus
4-Kompartimentmodell (4C) der Körperzusammensetzung
Fettmasse (kg) = 2,747 x Volumen - 0,71 x Total body water + 1,46 x Mineralien - 2,95 x Gewicht
Air Displacement Plethysmography (ADP) -> Volumen
D2O-Dilution oder Quantitative nuclear magnetic resonance (QMR) -> Total body water
DXA -> Mineralien
Waage -> Gewicht
Genaue Bestimmung der Fettmasse unabhängig von der Annahme einer konstanten fettfreien Masse-Zusammensetzung wird durch Methodenkombination erreicht
Aber auch hier Annahmen:
fixes Verhältnis von Knochen- zu Nichtknochen-Mineralgehalt
definierte Dichte von Wasser und Protein
mittlere Fettmasse-Dichte
Erfassung der Körpergröße
Körpergröße: Oberbegriff für die Distanz von Fußsohle bis Scheitel
Körperlänge
bis Alter 2 Jahre im Liegen gemessene Größe
(mobile) Waagen für Säuglinge und Kleinkinder
Körperhöhe
ab Alter 2 Jahre stehend gemessene Größe
1 Kompartimentmodell (1C)
Körpergewicht
Methode: Waage
2 Kompartimentmodell (2C)
Fettfreie Masse und Fettmasse
Methoden: Anthropometrie, Bioelektrische Impedanzanalyse, Densitometrie, Isotopenidultion, Dual-Energy-X-ray Absorptiometry
Anthropometrie
Hautfaltenmessung mit dem Kaliper
Kaliper: definierter, konstanter Druck und Kontaktfläche
Subkutis -> Unterhautfettgewebe
Adipozyten mit Triglyceriden, Bindegewebe, Blutgefäßen, Nerven
Hautfaltenmessung
Eine Hautfalte wird zwischen Finger und Daumen der linken Hand (bei Rechtshändern) gefasst und von der Muskelfaszie abgehoben
Mit der Kaliperzange werden nur Haut und Unterhautfettgewebe gefasst
Die Messung erfolgt innerhalb von 5 Sekunden nach Schließen der Zange
Der Mittelwert aus 3 (bis 5) Messungen ergibt das endgültige Ergebnis
Hautfaltenmessung - Annahmen
Gewebezusammensetzung ist unabhängig von der Gewebemasse
aber: Fettanteil des subkutanen Fettgewebes ist proportional zur Gesamtkörperfettmasse
Messpunkte repräsentativ für die Gesamtkörperfettmasse
Keine Fettverteilung!
Kopmrimierbarkeit des subkutanen Fettgewebes ist abhängig von
Lokalisation des Gewebes
Alter des Probanden
Geschlecht
Malnutrition und Frühgeborene: Zunahme der extrazellulären Flüssigkeit -> hohe Komprimierbarkeit des Gewebes
Hautfaltenmessung bei Erwachsenen
Trizeps-Hautfalte
Bizeps-Hautfalte
Subscapular-Hautfalte
Suprailiacal-Hautfalte
Seltener gemessene Hautfalten:
Bauchfalte
Brustfalte
Wangenfalte
Kinnfalte
Oberschnenkelfalte
Suprapatellarfalte
Unterschenkelfalte
Unterarmfalte
“Normalwerte” für die Hautfalten bei Erwachsenen
Trizeps-Hautfalte:
Männer: 12 mm
Frauen: 16,5 mm
Bizeps-Hautfalte: 5 mm
Subscapular-Hautfalte: 17 mm
Suprailiacal-Hautfalte: 18 mm
Berechnung der Fettmasse in Prozent anhand der Summe der 4 Hautfalten
20-29 jährige Frauen:
Berechnung der Körperdichte [g/cm^3] = 1,1599 - 0,0717 x log Summe 4 Hautfalten [mm]
Berechnung der Körperfettmasse [%] = (4,570 / Körperdichte [g/cm^3] - 4,142) x 100
20-29 jährige Männer:
Berechnung der Körperdichte [g/cm^3] = 1,1631 - 0,0632 x log Summe 4 Hautfalten [mm]
Ellenbogenbreite - Konstitutionstyp “frame size”
Endomorph, Mesomorph, Ectomorph
Erlaubt eine Einleitung in “small”, “medium” und “large”
Angewinkelter und entspannter Arm an der dominanten Seite
Small: Männer <6,7 cm; Frauen <5,8 cm
Medium: Männer 6,7-8,1 cm; Frauen 5,8-7,2 cm
Large; männer >8,1 cm; Frauen >7,2 cm
Beispiele für Konsitutionstypen verschiedener Sportarten
100 m-Läufer
400 m-Läufer
Basketballspieler
Eisschnellläufer
Judoka
Kanut
Radsportler
Ruderer
Schwimmer
Skilangläufer
Tennisspieler
Turner
Anthropometrie: Taillenumfang
Taillenumfang: schmalster Bauchumfang horizontal zwischen letzter Rippe und höchster Stelle des Darmbeinkammes
Problem: (international) keine Eindeutigkeit bezüglich Messposition -> Vergleichbarkeit?
Interpretation? Keine Referenzwerte mit Assoziation zu Gesundheitsrisiko (bei Kindern und Jugendlichen)
Bei Kindern und Jugendlichen mit entsprechendem Risikoprofil dennoch hilfreich für Verlaufskontrolle
Biolelektrische Impedanzanalyse (BIA)
Elektrischer Widerstand (= Impedanz, Z) des Zylinders = abhängig von Länge + Querschnitt
Menschlicher Körper = 5 Zylinder (Arme, Rumpf, Beine) elektrisch in Serie geschaltet
Berechnung des Volumens der elektrolythaltigen Flüssigkeit über die Länge des Zylinders und den elektrischen Widerstand (Impedanz)
Aus Reistance (R) + Reactance (Xc) sowie Gewicht + Größe wird in Formeln die Körperzusammensetzung berechnet:
Annahme: Wassergehalt der FFM beträgt 73%
Resistance
“Wasser-Widerstand”
der detektierte Strom ist schwächer als der applizierte Strom
Reiner Widerstand des elektrolyhaltigen Gesamtkörperwassers (R)
ist invers zur Leitfähigkeit (Wassergehalt) der Gewebe
d.h. Gewebe mit geringer Leitfähigkeit haben eine hohe Resistance (z.B. Fettgewebe)
elektrolythaltige Körperflüssigkeit (total body water)
Reactance
“Zell-Widerstand”
Zellmembranen laden sich durch den applizierten Strom auf und verlangsamen ihn, sie wirken als Kondensator
Kapazitiver Widerstand durch Kondensatoren-Eigenschaften der Zellen (Xc)
Zellmembran: kapazitiver Widerstand durch Kondensatoreneigenschaften der Zellen
Körperzellmasse (body cell mass)
BIA-Frequenzen
höhere Frequenzen (> 50kHz) durchdringen sowohl Extrazellularraum als auch Intrazellularraum
-> Total body water (TBW) = Extrazellulär Wasser +
Intrazellulär Wasser
niedrige Frequenzen (5 kHz, 10 kHz) durchdringen die Zellmembran nicht, sondern der Strom fließt an der Zelle vorbei
-> Extrazellulär Wasser
-> Intrazellulär Wasser
Arten und Zielgrößen von BIA Messungen
Nicht-phasensensitive BIA-Messung: nur die Gesamtimpedanz Z wird gemessen; aus dem TBW werden FFM und FM berechnet
Phasensensitive R und Xc (über den Phasenwinkel), wodurch die Unterscheidung von Körperzellmasse und extrazellulärer Masse möglich ist
phasensensitive Multifrequenzmessung: Messung verschiedener Frequenzen für weitere Differenzierung von TBW in ICW und ECW
Bioimpedanzspektroskopie (BIS): Modellierung für verschiedene Frequenzen und Differenzierrung von TBW in ICW und ECW
Einfluss von Körperformen auf die Resistance (R)
R steigt mit steigender Länge
-> Für einen Zylinder ist R proportional zur Länge
R sind mit steigender Fläche
-> R ist invers proportional zum Durchmesser des Zylinders
Zylindervolumen
= Zylinderlänge^2/Impedanz (Widerstand)
BIA - Einflussfaktoren
Einfluss des Geschlechts: Unterschiedliche Prädiktionsformeln für Frauen und Männer
Einfluss der Fettverteilung: Überschätzung der Fettmasse mit steigendem Taillenumfang
Einfluss von Wachstum, Entwicklung und Ethnie: Geringere Resistance bei hohem Verhältnis von Rumpf und Extrimitäten (z.B. kleine Kinder, Asiaten)
Formeln sind gerätetypabhängig
BIA - Formeln für Kinder
Total body water (%) = 0,59 x Resistance index + 0,065 x weight + 0,04
Fettfreie Masse (kg) = 0,15 + 0,65 x RI + 0,68 x age
Total body water (%) = 0,35 x RI + 0,27 x age + 0,14 x weight - 0,12
Resitance Index = Größe x Größe/Resistance
Air Displacement Plethysmographie (ADP)
Bestimmung von Masse und Volumen und Berechnung der Dichte
Referemzkammer und Messkammer
Oszilierendes Diaphragma -> komplementäre Druckänderung der Kammern
schwing sinusoidal während der Messung
2-Punkt Kalibration: Volumen der Kammer mit und ohne 50l Zylinder
Poisson’sches Gesetz
Annahmen und Bedingungen der ADP
Isothermale (wärmere) Luftschichten möglichst gering halten -> Tragen von enganliegender Badebekleidung + Badekappe
Korrektur um isothermale Luftschichten an der äußeren Körperoberfläche und im Respirationstrakt
Berücksichtigung von 1) Lungenvolumen + 2) Körperoberfläche
Hydratation der fettfreien Masse adipöser Kinder
Die fettfreie Masse der Kinder mit Adipositas hat einen höheren Wasseranteil-> Hydratation höher, Dichte der fettfreien Masse niedriger
Gedehitstörungen - Failure to thrive (FTT)
= Abweichung von der Norm
Keine Diagnose, sondern deskriptiver Begriff
Ggf. einhergehend mit weiteren Verzögerungen, z.B. der kognitiven oder psychomotorischen Entwicklung, Immunfunktion und Infektabwehr
Ursache: Nährstoffmange
Gründe in Entwicklungländer anders als in Industrieländern
Gedeihstörung in Industrieländern
bei meist ausreichender Verfügbarkeit von Nahrung eher
Begleitsymptom organischer/neurologischer Erkrankung
2-24% der Kinder in stationärer Behandlung haben Gedeihstörung
Gedeihstörung - ICD-10
R62.8 Sonstiges Ausbleiben der erwarteten physiologischen Entwicklung
Gedeihstörung (bei Kindern)
Infantislismus
Körperliches Zurückbleiben
Mangelhaftes Wachstum
Mangelnde Gewichtszunahme
Exkl.:
Gedeihstörung beim Erwachsenen
Gedeihstörung infolge HIV-Krankheit
Körperliche Retardation durch Mangelernährung
Gedeihstörung - Diagnostische und therapeutische Schritte (Stufenweises Vorgehen)
Diagnose und Bestimmung des Ausmaßes einer Gedeihstörung
Abklärung der Pathogenese der Gedeihstörung
Diagnostik und Differenzialdiagnosen möglicher Grunderkrankungen
Spezifische und unspezifische Therapie der gedeihstörung
Kontrolle eines Refeeding-Syndroms infolge der Ernährungstherapie
Gedeihstörung - Diagnose
Gewicht und/oder Länge < 3. Perzentile (bei mehr als einer Messung)
Unzulässiges Verhältnis von Körperlänge zu Gewicht, mit Längensollgewicht < 80 % oder BMI < 3. Perzentile
Kein Zuwachs von Länge und/oder Gewicht mit Abweichung der Perzentile um > 2 Hautperzentile (3., 10., 25., 50., 75., 90., 97.)
Cave: biologische Variabilität, Familiarität, Genetik
Cave: Ödeme, Aszites, chronische Unterernährung
Längensollgewicht
Normgewicht jeweiliger Körperlänge, d.h. Gewicht der Perzentile, die mit Längenperzentile für Alter korresponidert
Ermittlung von Abweichung: Ist-Gewicht/Längensollgewicht * 100
Gedeihstörungen
Gewicht < 3. perzentile, Länge normal; unzureichendes Längensollgewicht
Im Verlauf ungestörtes Wachstum mit Gewichtsveränderung von 50. zu 3. Perzentile -> 2 Hauptperzentile: unzureichendes Längensollgewicht
Im Verlauf normales Wachstum, Gewichtsabfall < 3. Perzentile; unzureichendes Längensollgewicht
Paralleler Verlauf von Wachstums- und Gewichtsperzentilen mit Abfalll von 50. zu 10. Perzentile; retardierte somatische Entwicklung mit normalem Längensollgewicht
Gradierung von Gedeihstörungen
Indizes zur Gradierung von Gedeihstörungen
Anhand des BMIs werden ca. 50 % der Fälle mit Gedeihstörung nicht erkannt!
46% der Kinder: mentale Entwicklungsverzögerung (Mental Developmental Index (MDI) < 85)
44% der Kinder: psychomotorische Entwicklungsverzögerung (PDI < 85)
Ernährungsanalyse von n=34 Kindern -> n=15 mit Energiezufuhr < 85% altersgemäße Expected average requirement (EAR)
Keine Korrelation von MDI, Psychomotor Development Index (PDI) oder Energiezufuhr (und Essverhalten-Score) mit Schwere der Gedeihstörung, unabhängig vom verwendeten Index
Adipositas im Kindesalter - Fünf Fakten über die Eurpäische Region der WHO
Fakt 1: Jedes dritte Kind ist von Übergewicht oder Adipositas betroffen
Fakt 2 Von Übergewicht und Adipositas sind häufiger Jungen betroffen
Fakt 3: 75 % der Kinder frühstücken jeden Tag
Fakt 4: Weniger als die Hälfte (43 %) der Kinder essen jeden Tag frisches Obst
Fakt 5: Nur wenige Länder - und zwar jene mit der höchsten ursprünglichen Prävalenz von Übergewicht und Adipositas - verzeichnen einen diesbezüglichen Rückgang
Was ist wichtig für die Diagnose einer Gedeihstörung?
Korrekte Datenbasis/liegen “passende” Referenzwerte vor (z.B. Syndrome, neurologische Erkrankungen, säkularer Trend, Ethnie)
Dynamik, Verlaufsdaten
Kombination von Parametern
Skelettalter/biologische Reifung
Kopfumfang
Ursachen der Gedeihstörung
Organische Ursachen (28%)
Psychosoziale Ursachen (46%)
Organische Ursachen und psychosoziale Ursachen (26%)
Neuere Annahmen: nur ca. 10% rein organische Ursachen, welche meist auch anhand der Symptome deutlich wird -> Heute weniger klare Trennung üblich, da strenge Trennung somatischer und psychologischer Faktoren unmöglich
Mögliche organische Ursachen einer Gedeihstörung
Verminderte Nährstoffzufuhr
Malabsorption
Eingeschränkter Stoffwechsel
Vermehrte Ausscheidung
Erhöhter Energiebedarf
Mögliche organische Ursachen einer Gedeihstörung - Krankheit -> Verminderte Nährtstoffzufuhr
Lippen- oder Gaumenspalte
Erkrankungen des zentralen Nervensystems (z.B. Zerebralparese)
Gastroösophageale Refluxkrankheit
Parasiten
Pylorusstenose
Rumination
Mögliche organische Ursachen einer Gedeihstörung - Krankheit -> Malabsorption
Zöliakie
Mukoviszidose
Disaccharidase (z.B. Laktase-Mangel)
Entzündliche Darmerkrankungen
Kurzdarm
Mögliche organische Ursachen einer Gedeihstörung - Krankheit -> Eingeschränkter Stoffwechsel
Chromosomenanomalie (z.B. Down-Syndrom, Turner-Syndrom)
Fruktose-Intoleranz
Galaktose-1-Phosphat-Uridyltransferase-Mangel
Angeborene Stoffwechselstörungen
Mögliche organische Ursachen einer Gedeihstörung - Krankheit -> Vermehrte Ausscheidung
Diabetes
Proteinurie
Mögliche organische Ursachen einer Gedeihstörung - Krankheit -> Erhöhter Energiebedarf
Bronchopulmonale Dysplasie
Herzinsuffizienz
Hyperthyreose
Infektion
Ursachen der Gedeihstörung: Energiemangel
Gewichtsperzentile < Längenperzentile < Kopfumfang: typischer Verlauf bei absolutem Energiemangel
inadäquate Energiezufuhr (orale Zufuhr ↓, Erbrechen), hier sowohl organische als auch psychosoziale Gründe)
Inadäquate Energieaufnahme (z.B. durch chronische Infektionen, Vitien, Hyperthyreose)
Kombinationen (z.B. bei Vitien, CF)
Ursachen der Gedeihstörung: Energiemangel - Inadäquate Energiezufuhr
orale Zufuhr zu gering
Oroppharyngeale Fehlbildungen
Neuromuskuläre Störungen mit Beteiligung des Mundes und/oder Oropharynx
Enzzündung im Mung
Ösophagitis
Verluste durch Erbrechen
Gaströ-ösophageale Refluxkrankheit
Magenausgangstenose, intestinale Obstruktion, intestinale Mobilitätsstörung
Gastritis
Metabolische Erkrankungen mit Erbrechen, Niereninsuffizienz
Störung des Appetits
Psychatrische Erkrankungen
Ursachen der Gedeihstörung: Energiemangel - Inadäquate Energieverwertung (Malabsorption, Maldigestion)
Nahrungsporteininduzierte Enteropathie
Postenteritisches Malabsorptionssyndrom
chronische Infektionen (Lambilien)
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen, insbesondere Morbus Crohn (vor allem Dünndarm)
Pankreasinsuffizienz (bei Kindern fast immer Mukoviszidose oder Shwachman-Syndrom)
Eher nicht: Kohlenhydratmalabsoprtionen (Ausnahme: Saccharase-Isomaltase-Mangel)
Ursachen der Gedeihstörung: Energiemangel - Erkrankungen mit vermehrtem Energieverbrauch
Chronische Entzündungen und Infektionen
Malignome
Zyanotische Vitien
Dienzephales Syndrom
Russell’s syndrome = Dienzephales Syndrom -> Neurologische Erkrankung in Folge eines Gehirntumors im Bereich des Hypothalamus und Sehnervs
Ursachen der Gedeihstörung: Isolierte Wachstumsstörung ohne Energiedefizit
Gewichtsperzentile ↓ = Längenperzentile ↓ gleichmäßig vermindert, Kopfumfang noormal: typisch bei Kindern mit isolierter Wachstumsstörung ohne Energiemangel
Wachstumshormonmangel
Hypothyreose
Chondrodystrophien oder -dysplasien
Ursachen der Gedeihstörung: kombinierte Entwicklungsstörung von Gewicht, Länge und Kopfumfang
Gewichtsperzentile ↓ = Längenperzentile ↓ = Kopfumfang ↓ gleichmäßig verminder
meist SGA (short for gestational age): typisch bei pränataler Noxe bzw. intrautieriner Mangelernährung oder bei genetischer Grunderkrankung/syndromaler Erkrankung
intrauterine Mangelversorgung, Embryo- und Fetopathien; Toxine in utero (Alkohol, Nikotin, Kokain; Röteln!)
Chromosomenanomalien (z.B. Down-Syndrom, Turner-Syndrom)
schwere ZNS-Fehlbildungen und -Erkrankungen
selten familiär
Differentialdiagnosen der Gedeihstörung: Normalvarianten des Wachstums
Familiärer Kleinwuch (genetisch bedingt)
Elternlänge
Perzentile werden nicht gekreuzt
Ehemalige Frühgeborene
Konstitutionelle Entwicklungsverzögerung (KEV)
“Catch-down growth”
Frühgeburtlichkeit: verzögerte Entwicklung in ersten 2 Lebensjahren
Geschwindigkeit des Erreichens des genetischen Zielperzentilkorridors abhängig von u. a. Grad der Unreife, Ausgangsgewicht, Energieversorgung in den ersten Wochen, Komplikationen
bei einigen Kindern trotz optimaler Bedingungen keine komplette Normalisierung des Gedeihens
„Catch-down growth“
Makrosome Neugeborene, z. B. von diabetischen Müttern, die sich ihrer genetischen Zielperzentile annähern
Kreuzen einer Hauptperzentile innerhalb der ersten 2 Lebensjahre häufig, auch bei gesunden Kindern
Konstitutionelle Wachstumsverzögerung
„klassische Normvariante“ des kindlichen Wachstums (Wachstum und Pubertät)
Beginnt häufig im Vorschulalter
verlangsamte Reifungsentwicklung
Kind ist kleiner als Altersgenossen
hat verzögertes Knochenalter
tritt später in Pubertät ein
meist genetisch bedingt (häufig Elternteil betroffen)
Oft mit unreifem sozialen Verhalten & schwächeren kognitiven Fähigkeiten assoziiert
Aufholen des verspäteten Wachstums und Erreichen einer normalen Erwachsenengröße im familiären Zielbereich
Bestätigung erst retrosprotektiv, wenn Wachstum abgeschlossen
Diagnostisches Vorgehen bei Gedeihstörung
Anamnese und Ernährungsanamnese
Anthropometrische Daten
Basislabordiagnostik
Gezielte Diagnostik bei anamnetischen oder klinisches Verdachtsmomenten nach Leitsymptomen
Diagnostisches Vorgehen - 1. Anamnese
Schwangerschaft/Geburt
Meilensteine
Verhaltensauffälligkeiten,
Familienanamnese
Haushalt
soziale und berufliche Situation
Betreuung
vegetative Zeichen (Spucken, Erbrechen, Schmerzen, Stuhlverhalten)
klinische Zeichen einer Unterernährung (Dekubitus, Hautprobleme, schlechte periphere Durchblutung)
Diagnostisches Vorgehen - 1. Ernährungsanamnese
zu Mahlzeitenfrequenz, -verlauf, Zwischenmahlzeiten,
Umgang mit/Interventionen bei Nahrungsverweigerung,
Meldet sich das Kind bei Hunger?
Aversionen/adverse Reaktionen auf Nahrungsmittel
Zubereitung und Konsistenz
Trinkverhalten (Menge, Art (Saftabusus?))
-> Ernährungsprotokoll (cave: bei psychosozialen Ursachen der Gedeihstörung Korrektheit der Angaben prüfen)
-> Beobachtung einer Mahlzeit
Diagnostisches Vorgehen - 2. Anthropometrische Daten
sammeln und eintragen: aktueller Stand und Dynamik der Entwicklung + Daten von Eltern und ggf. Geschwistern erfassen
Diagnostisches Vorgehen - 3. Basislabordiagnostik
Auschluss relevanter organischer Ursachen und Suche nach Folgen einer möglichen Malnutrition
Basisdiagnostik bei Gedeihstörung ohne eindeutige Leitsymptome:
Blutbild
Stuhl auf Lambilien
Stuhl auf Pankreaselastase
Stuhl auf Lactoferrin oder Calportectin (Inflammationsmarker)
Urinstatus
Abdomensonographie
Nahrungsprotokoll 7 Tage
Diagnostisches Vorgehen - 4. Gezielte Diagnostik bei anamnestischen oder klinischen Verdachtsmomenten -> nach Leitsymptomen
Orientierung an Muster der Gedeihstörung
bei Energiemangel/Typ 1 kommen besonders nichtorganische und gastrointestinale Erkrankungen in Frage
Achtung: häufigste Ursachen eines absoluten Energiemangels sind psychosoziale Ursachen -> ggf. kontrollierte Ernährung unter stationärer Beobachtung
Diagnostisches Vorgehen - 4. Gezielte Diagnostik bei anamnestischen oder klinischen Verdachtsmomenten -> nach Leitsymptomen: Erbrechen, Spucken, Dysphagie
Schädelsonographie/-MRT
Ösophago-Gastro-Duodenoskopie
Suche nach metabolischen Ursachen nach klinischer Symptomatik
Beobachtung bei Mahlzeit
Allergiediagnostik, ggf. Diätversuch bei V. a. Nahrungsmittelallergie
Diagnostisches Vorgehen - 4. Gezielte Diagnostik bei anamnestischen oder klinischen Verdachtsmomenten -> nach Leitsymptomen: Weiche voluminöse Stühle, V.a. Maldigestion/Malabsorption
Schweißtest
Stuhluntersuchung
Vitamine, Mineralstoffe, Immunglobuline
Ösophago-Gastro-Duodenoskopie, ggf. Koloskopie
Ggf. Dünndarm-MRT
Diätversuch bei entsprechendem Verdacht
H2-Atemtests
HIV-Serologie
Diagnostisches Vorgehen - 4. Gezielte Diagnostik bei anamnestischen oder klinischen Verdachtsmomenten -> nach Leitsymptomen: Vermehrter Kalorienverbrauch (große Kalorienmenge im Protokoll, keine Diarrhoen)
TBC-Diagnostik
Schilddrüsenhormone
Andere chron. Organerkrankungen (Thorax, EKG, Entzündungen, Auto-AK)
Evaluation einer Mangelernährung
Empfohlene Laboruntersuchungen:
Gesamteiweiß, Albumin, evtl. Präalbumin
Kreatinin, Harnstoff
Leberenzyme, einschließlich CHE (Cholinesterase)
Glucose
Differenzialblutbild und Retikulozyten
Ferritin
Kalzium (Ca), Phosphat (P), alkalische Phosphatase (AP), Vitamin D, Parathormon
Vitamine A, E, B 12, Folsäure
Zink, Selen, Magnesium
klinische Zeichen einer Unterernährung, z. B. Dekubitus, Hautprobleme, schlechte periphere Durchblutung
Therapie der Gedeihstörung
ist abhängig von der Grunderkrankung und dem Ausmaß der Gedeihstörung!
Sicherstellung adäquater Energiezufuhr Verfügbarkeit von Nahrung, ggf. hyperkalorische Ernährung, psychosoziale Unterstützung,…
Sicherstellung der Energieaufnahme ggf. Anpassung der Nahrung an organische Erkrankung
Enterale und/oder parenterale Ergänzung der Ernährung (Trinknahrung, Sondennahrung, PEG)
Medikamentöse Therapie, z. B. Substitution von Wachstumshormon
Gezielte Diagnostik bei anamnestischen oder klinischen Verdachtsmomenten -> nach Leitsymptomen: Orientierung an Muster der Gedeihstörung - kombinierte Entwicklungsstörung von Gewicht, Länge & Kopfumfang/syndromale Erkrankung
Pränatal-Anamnese (inkl. Toxine!); Geburtsdaten; detaillierte Familienanamnese
Intrauterine Infektion?
Humangenetische Untersuchung; ggf. gezielte Diagnostik (Chromosomen, Mikrodeletionen,..)
Interventionsmöglichkeiten oft begrenzt!
Nichtorganische und psychosoziale Ursachen der Gedeihstörung
Mütterliche Depression, Steress, Überforderung, Anorexia nervosa
Ehestreit, Trennung
Missbrauch der Eltern in deren Kindheit
Intelligenzminderung und psychologische Auffälligkeiten bei den Eltern
Junge und alleinerziehende Mütter ohne soziale Unterstützung
Häusliche Gewalt, inadäquate Umgebung
Alkoholabusus, Drogenmissbrauch
Missbrauch oder Vernachlässigung bei einem älteren Geschwisterkind
Soziale Armut
Eltern mit inadäquater Anpassungsfähigkeit und fehlender sozialer Kompetenz
Eltern, die übermäßig auf ihre berufliche Karriere und/oder Aktivitäten außerhalb des Heimes konzentriert sind
Fehlende Kooperation und Adhärenz bei medizinischen Maßnahmen
Fehlendes Wissen von normalem Wachstum und Entwicklung
Frühgeborene und Kinder, die postpartal längerfrisitig stationär betreut wurden
Interaktions-, Bindungs-, Regulationsstörungen (exzessives Schreien)
Gezielte Diagnostik bei anamnestischen oder klinischen Verdachtsmomenten -> nach Leitsymptomen: Orientierung an Muster der Gedeihstörung - Isolierte Wachstumsstörung ohne Untergewicht, Kleinwuchs
Familienanamnese bezüglich Wachstum und pubertärer
Entwicklung (KEV?)
Skelettdysplasie? Ggf. Armspanne, Sitzhöhe bestimmen; ggf. Röntgen
Röntgen li. Hand -> Knochenalter
Ziellänge und ggf. Wachstumsprognose berechnen
Schilddrüsenhormonparameter (fT3, fT4, TSH); Wachstumshormonmediatoren IGF1; IGF-BP3
Ggf. Chromosomenanalyse
Nichtorganische & psychosoziale Ursachen der Gedeihstörung - unbeabsichtigt
falsche Nahrungszubereitung
Mangel, Muttermilch
Diäten (Eltern)
iatrogen (z.B. Exclusionsdiäten)
Nichtorganische & psychosoziale Ursachen der Gedeihstörung - Milieufaktoren
Ökonomische Faktoren
Soziale Faktoren
Psychosen (Mutter)
Eheprobleme
Nichtorganische & psychosoziale Ursachen der Gedeihstörung - Interaktionsstörung Kind und Betreuer
neuere Studien: vor allen Dingen postnatale Depression Ursache, weniger Bildungsstand, Armut oder Essverhalten der Mutter
abhängig vom Alter bei Beginn
Regulationsstörungen Beginn <2-3 Monate
Bindungsstörungen >2 Monate
Separationsstörungen Beginn >6 Monate
Folgen einer Gedeihstörung für Körpergewicht & -größe
Geringes Gewicht: Kinder mit einer Gedeihstörung wiegen oft deutlich weniger als Gleichaltrige
Wachstumsverzögerung: Kinder bleiben in ihrer Körpergröße hinter der Altersnorm zurück
Folgen einer Gedeihstörung für die psychomentale Entwicklung
Gedeihstörungen werden mit einer geringen Verringerung des IQ in Verbindung gebracht, aber mit einer gewissen Verringerung des Körpergewichts und der Körpergröße in der Kindheit; dies könnte jedoch übertrieben sein, da in den Studien keine Bereinigung um Störfaktoren wie Größe und IQ der Eltern vorgenommen wurde!
Folgen einer Gedeihstörung für das Wachstum in der späteren Kindheit
Gesunde Kinder mit Untergewicht in den ersten 2 Lebensjahren hatten bis zum Alter von 10 Jahren einen niedrigeren BMI
Weibliches Geschlecht und eine geringere Wachstumsrate in den ersten 2 Jahren verstärkten diese Zusammenhänge, während eine höhere Wachstumsrate in den ersten 2 Jahren sie abschwächte
-> Mögliche Vermittler (zwischen Untergewicht und Wachstum in der späteren Kindheit)?
-> Fortlaufende Beobachtung während der Jugend bis ins Erwachsenenalter
Was ist Gesundheitsförderung?
Ziel: Stärkung von Schutzfaktoren, Aufdeckung/Abbau von Risikofaktoren: „Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen“
Maßnahmen: Beeinflussung individuellen Verhaltens und gesundheitsgerechte Gestaltung von Lebensbereichen („settings“, Verhältnisse)
Prozesse:
gemeinschaftliches Aushandeln und Praktizieren von Maßnahmen durch Expert*innen und „Laien“
Orientierung an Gesundheitszielen
Intersektorale Gesundheitspolitik
Strategien für Gesundheitsförderung und Prävention
Individuelle Beratung
Ernährungsinformation
Lebensmittelkennzeichung
food claims
Einschränkung des Marketings
Fiskalische Maßnahmen, Preis
Komnmunale Strategien
Was ist Prävention?
Ziel: Verhinderung der Entstehung von Krankheiten, deren Heilung bzw. Verzögerung ihrer Entwicklung
Primärprävention: Beeinflussung von Exposition und Disposition von Individuen oder Gruppen vor dem Auftreten einer erkennbaren Gesundheitsstörung → Senkung der Inzidenzrate
Sekundärprävention: Entdeckung von Krankheitsfrühstadien (Vorsorge, Früherkennung) und des Fortschreitens → Möglichkeit der „Frühbehandlung“
Tertiärprävention: Behandlung manifester Krankheiten und Rehabilitacon → Verhinderung der Krankheitsprogression, Vermeidung von Funktionsverlusten, Rückfallprophylaxe
„Mikro-Ebene“: „Experten“ in Interaktion mit Patienten
„Meso-Ebene“: Institutionen wie Kliniken, Verwaltungen, Berufsverbände, Fachgesellschaften, Versorgungswerke
„Makro-Ebene“: Gesellschaft und Politik
Angebot an Betreuungsmöglichkeiten
Kindertageseinrichtungen (KiTas)
Kindergarten
Tagesmütter/-väter
Betriebliche Kinderbetreuung
Sonstiges: Au-Pair, Leih-Oma
-> In Deutschland: Kinderbetreuung zuerst und zumeist in der Familie
Eltern haben das Wahlrecht der Betreuung
Recht der Eltern: Zwischen den verschiedenen Angeboten der Kinderbetreuung zu wählen
Seit August 2013: Rechtanspruch auf Betreuungsplatz für unter 3-Jährige
Muttermilch in der Kita
Milch frisch und gekühlt oder gefroren abgeben, keine aufgetaute Milch (muss schnell verbraucht werden)
Babymilchflaschen in sauberer Kühltasche mit mehreren dazwischen gelegten Kühlelementen angeliefert. Flaschen fest verschlossen, äußerlich sauber, mit Namen des Kindes + Abpumpdatum beschriftet
Frische Muttermilch sollte am Anlieferungstag oder am Vortag gewonnen worden sein, damit sie noch eine ausreichende Lagerreserve aufweist
Aufbewarhung im Kühlschrank oder im Tiefkühlgerät
Unmittelbar vor dem Verfüttern erwärmen -> Verfüttern am Tag der Anlieferung oder innerhalb von 24 h nach Auftauen -> Flasche, Deckel und Sauger vorspülen und den Eltern zur Reinigung mitgeben
Gemeinschaftsverpflegung in Kitas
Altersbereich: 1 – 6 Jahre
D-A-C-H-Zufuhrempfehlungen für Gemeinschaftsverpflegung (PAL 1,4)
Referenzwerte durch Viertelansatz abgleitet (= 1/4 Nährstoffzufuhr/Tag für Mittagessen)
Gesamtenergiezufuhr: 20% Protein, 30% Fett, 50% Kohlenhydrate -> max. 10% “geduldete Lebensmittel” wie Naschereien
Bremer Checkliste
Leibnitz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie
dient als Orientierung für die Gestaltung des Wochenspeiseplans und des täglichen Mittagessens
orientiert sich am OptimiX®-Prinzip
zeichnet sich durch besonderen Praxisbezug aus
Innerhalb einer Woche…
… ein qualitativ hochwertiges Fleischgericht
… ein Eintopf oder Auflaufgericht
… ein vegetarisches Vollwertgericht
… ein Seefischgericht
… ein Wunschgericht der Kinder
Außerdem sollte es geben…
… 2-3 Mal frisches Obst als Nachtisch
… 2-3 Mal Rohkost oder frischen Salat
… mindestens zweimal frische Kartoffeln
Optimix - die optimierte Mischkost
Empfehlung für die Nährstoffzufuhr
Mahlzeitengewohnheiten: drei Hauptmahlzeiten, zwei Zwischenmahlzeiten
Essensvorlieben
Lebensmittelauswahl: übliche, preiswerte Lebensmittel; wenig Fertigprodukte
Prävention späterer ernährungsbedingter Krankheiten
Tierische Lebensmittel sind Träger spezifischer Nährstoffe
Milchprodukte: Calcium und Jod
Fleisch: Eisen und Zink
Seefisch: Jod und langkettige, mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäuren
Optimierte Mischkost für Kinder und Jugendliche - Lebensmittel, die reichlich eingesetzt werden sollen
Pflanzliche Lebensmittel und Getränke
Wasser, ungesüßter Tee
Gemüse
Rohkost
Obst
Brot
Getreideflocke
Kartoffeln
Nudeln
Reis
Hülsenfrüchte
Vollkorngetreideprodukte
Nüsse gemahlen oder reine Nussmuse
Optimierte Mischkost für Kinder und Jugendliche - Lebensmittel, die mäßig eingesetzt werden sollen
Tierische Lebensmittel
Milch
Fisch
Fleisch
Eier
Optimierte Mischkost für Kinder und Jugendliche - Lebensmittel, die sparsam eingesetzt werden sollen
Fett- und zuckerreiche Lebensmittel
Zucker
Süßigkeiten
(Jod)Salz
Fette mit hohem Anteil gesättigter Fettsäuren
Snackprodukte
DGE - bundesweite Qualitätsstandards: Ziel
Ernährungsbildung, vollwertige & nachhaltige Verpflegung, Esssituation und Ambiente, praxisnahe Empfehlungen
DGE - bundesweite Qualitätsstandards: Inhalt
Grundlagen & Gestaltung einer gesundheitsfördernden und nachhaltigen Verpflegung
Akteure & rechtliche Rahmenbedingungen der Kitaverpflegung
Gestaltung der Essumgebung & -Atmosphäre,
Ernährungsbildung
Kommunikation mit Eltern
Checklisten für Zertifizierung
DGE - bundesweite Qualitätsstandards: Zielgruppen
Träger & Leitungen von Tageseinrichtungen
pädagogisches Personal
Caterer
Eltern
DGE - bundesweite Qualitätsstandards: Verpflichtend?
Nur Empfehlungen, nicht verpflichten!
DGE - bundesweite Qualitätsstandards: Neu
Wesentliche Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt
Hintergrundinfos zu nachhaltiger Verpflegung und optimaler Lebensmittelauswahl
Kriterien für Frühstück und Zwischenverpflegung
Kriterien für ovo-lacto-vegetarische Menülinie
Qualitätsentwicklung praxisnah beschrieben
Platzierung des gesundheitsfördernden und nachhaltigen Speiseangebotes (nudging)
Gestaltung der Mahlzeiten
Regelmäßige Mahlzeiten im Kindesalter können eine gute Ernährungsqualität fördern und bei Prävention von Übergewicht helfen
Vollwertiges Speiseangebot: Getränke, Frühstück, Zwischenmahlzeit, Mittagessen
Produkte:
Vielfalt in Geschmack/Geruch, Konsistenz, Aussehen und Hörerlebnissen
Jederzeit die Möglichkeit zu trinken (Wasser, ungesüßte Früchte- und Kräutertees)
Wenig Geschmacksverstärker, künstliche Aromen, Süßstoffe/Zuckeralkohole, Alkohol, Formfleisch, Limonaden, Nektare, Fruchtsäfte
Kriterien für 20 Verpflegungstage (vier Wochen) festgelegt
Akteure in der Kitaverpfleung
Träger, Kita-Leitung, Fachberatung, Pädagogisches Personal
Eltern, Elternbeirat, Kinder
Essensanbieter, Hauswirtschaftskraft und Köchin, Ausgabekraft (pädagogisches Personal)
Personalqualifikation - Leitung des Verpflegungsbereichs
Hauswirtschaftlicher (Betriebs-)Leiter,
Hauswirtschaftsmeister
Koch/Köchin
Küchenmeister
Ökotrophologe oder Diätassistent, gegebenenfalls mit betriebswirtschaftlicher Zusatzqualifikation
Verpflegungsbetriebswirt
Kontinuierliche Weiterbildungen im Bereich Ernährung & Nachhaltigkeit!
Personalqualifikation - Küche- und Ausgabepersonal
Qualifiziert oder von qualifizierter Person angelernt -> in der Regel pädagogische Fachkräfte
Kommunikation bei Essensausgabe
trägt maßgeblich zur Akzeptanz der Verpflegung bei Kindern bei
Auskunft zu angebotenen Speisen sowie ihrer Zusammenstellung, einzelne Komponenten benennen
Kinder für die Wahl eines gesundheitsfördernden und nachhaltigen Angebots motivieren
freundliches Auftreten, altersgerechte Kommunikation und pädagogisches Geschick sind entscheidend
DGE-Qualitätsstandards: Wissen vermitteln - Zieldimensionen einer gesundheitfördernden und nachhaltigen Verpflegung
Gesundheit: Eine gesundheitsfördernde Ernährung, die zu einer höheren Lebenserwartung, mehr gesunden Lebensjahren und mehr Wohlbefinden für alle beiträgt
Soziales: Eine Ernährung, die soziale Mindeststandards entlang von Wertschöpfungsketten gewährleistet
Umwelt: Eine umwelt- und klimaschützende Ernährung, die zu den mittel- und langfristigen Nachhaltigkeitszielen Deutschlands passt
Tierwohl: Eine Ernährung, die mehr Tierwohl unterstützt und damit den sich wandelnden ethischen ANsprüchen der Gesellschaft gerecht wird
DGE-Qualitätsstandards: Wissen vermitteln - Problemfelder entlang der vier Zieldimensionen
Herstellung von Produktionsmitteln, Produktion: z.B.
Tierwohl: keine artgerechte Haltung, Antibiotikaresistenzen
Soziales: niedrige Löhne, Armutsgefährdung, mangelnder Arbeitsschutz
Umwelt: Degradierung der Böden, hoher Wasserverbrauch
Gesundheit: Pestizidbelastung
Verarbeitung: z.B.
Tierwohl: Verabeitung nur ausgewählter Teile des Tierkörpers
Soziales: hohe körperliche Belastung
Umwelt: Emissionen und Ressourcenverbrauch
Gesundheit: hoher Anteil an Zusatzstoffen, Convenience Produte
Handel: z.B.
Tierwohl: fhelende Kennzeichung von Tierwohlkriterien
Soziales: geringe Wertschätzung der Arbeitskräfte
Umwelt: Lebensmittelverluste
Gesundheit: Werbung für nicht gesundheitsfördernde Produkte
Konsum und Entsorgung: z.B.
Tierwohl: fehlende Wertschätzung für Qualität
Soziales: Ernährungsarmut
Umwelt: Lebensmitterverschwendung
Gesundheit: fehlen verpflichtender Qualitätsstandards für die Verpflegung
Mittagverpflegung - Was besonders zu beachten ist
Sparsam würzen und salzen
Auf kleine, harte Lebensmittel verzichten, z.B. Nüsse (Aspirationsgefahr)
Zahnstatus berücksichtigen
Stark blähende Lebensmittel wie Kohl, Hülsenfrüchte langsam in den Speiseplan integrieren
Getränke stehen jederzeit zur Verfügung
Der Menü-Zyklus des Mittagessens wiederholt sich frühestens nach vier Wochen
Die Speisen sind bunt und abwechslungsreich zusammengestellt
Ein ovo-lacto-vegetarisches Gericht ist auf Nachfrage im Angebot
saisonales & regionales Gemüse- & Obstangebot, bevorzugt einheimische Lebensmittel
Getreide, Getreideprodukte & Kartoffeln werden abwechslungsreich angeboten
Frittierte und/oder panierte Produkte maximal 4 x in 20 Verpflegungstagen
Mittagsverpflegung: industriell hergestellte Fleischersatzprodukte maximal 4 x in 20 Verpflegungstagen
Wünsche und Anregungen der Kinder sind in der Speiseplanung soweit wie möglich berücksichtigt
Kulturspezifische, regionale & religiöse Essgewohnheiten sind in der Planung berücksichtigt
Beim Einsatz von Convenience-Produkten gelten folgende Kriterien
Produkte ohne Palm(kern)fett, Palm(kern)öl oder Kokosfett werden bevorzugt
Unverarbeitete oder wenig verarbeitete Produkte, wie frisches oder tiefgekühltes Gemüse und Obst, Fleisch oder Fisch, werden zur weiteren Verarbeitung vor Ort bevorzugt eingesetzt
Hoch verarbeitete Produkte werden immer mit gering verarbeiteten Lebensmitteln/Komponenten kombiniert oder ergänzt -> z.B. regenerierfertige Gemüsetaler mit Salzkartoffeln und Salat aus Rohkost mit selbst zubereitetem Dressing
Produkte mit einem geringen Anteil an Zucker, Fett, gesättigten Fettsäuren und/oder Salz sowie einer geringen Energiedichte werden ausgewählt -> innerhalb einer Produktgruppe oft gravierende Unterschiede
Convenience-Produkte - Sutfen
Stufe 1: Küchenfertige Lebensmittel
entbeintes, zerlegtes Fleisch, geputztes Gemüse
Stufe 2: garfertige Lebensmittel
Filtet, Teigwaren, TK-Gemüse, TK-Obst
Stufe 3: aufbereitungfertige Lebensmittel
Salatdressing, Kartoffelpüree, Puddingpulver
Stufe 4: regenerierfertige Lebensmittel
einzelne Komponente oder fertige Menüs
Stufe 5: verzehr-/tischfertige Lebensmittel
kalte Soßen, fertige Salate, Obstkonserven, Desserts
Warmhaltezeiten, Temperaturen, Sensorik der Mahlzeiten
Warmhaltezeit zubereiteter Speisen beträgt maximal 3 Stunden
Lager-, Transport- und Ausgabetemperatur von kalten Speisen beträgt maximal 7°C
Die Warmhalte-, Transport- und Ausgabetemperatur von warmen Speisen beträgt mindestens 65°C
Die individuelle Hitzeempfindlichkeit der Kinder in Bezug auf Speisen wird berücksichtigt
Kriterien in der Sensorik sind: Aussehen, Geschmack und Konsistenz
Gestaltung der Essumgebung und Essatmosphäre
Ob es den Kindern schmeckt und das Verpflegungsangebot akzeptiert wird, ist auch abhängig davon, wie gegessen wird
Essatmosphäre hat große Bedeutung
Eine ansprechende Essatmosphäre schafft:
Raum für gemeinsame Gespräche
genügend Zeit, das Essen zu genießen
Möglichkeit, soziale Kompetenzen wie Zuhören, Rücksicht nehmen und gegenseitige Hilfestellung zu erlernen
Zu den wichtigsten Faktoren, die die Essumgebung und Essatmosphäre positiv beeinflussen, zählen
die Raum- und Tischgestaltung
die Essenzeiten
die pädagogische Begleitung der Mahlzeiten
Der Speisebereich ist hell, bietet ausreichend Platz und ist mit altersgerechtem Mobiliar ausgestattet
optimal: separater Speiseraum - kann rund um das Thema Essen und Trinken gestaltet werden
altersgerechtes Geschirr/Besteck
auch Lautstärke hat Einfluss auf Atmosphäre
klare Kommunikationsregeln, um Geräuschpegel zu senken
Mahlzeiten sind von den übrigen Aktivitäten abgegrenzt und Essenszeiten sind festgelegt
Tagesstruktur = Sicherheit
keine Ablenkung durch andere Aktivitäten
kein kontinuierliches Essensangebot = 2-3 h Pause nach vollständiger Mahlzeit -> ungünstig für Zahngesundheit, Gefahr positiver Energiebilanz
Alle Mahlzeiten werden durch das pädagogische Personal betreut
Immitationslernen, Tischsitten, gemeinsame Mahlzeiten
Ernährungsbildung/Wissensvermittlung zu unbekannten Lebensmitteln
gemeinsame Mahlzeit = pädagogische Aufgabe, KEINE Pausenzeit!
Ernährungsbildungsaktionen
Grundlegende Methoden: Praktische Fertigkeiten fördern, Erfolgserlebnnise erzeugen, emotionale Bindung schaffen
Umsetzung:
gewünschtes Verhalten selbst Vorleben
früh in die Zubereitung von Speisen einbinden
z.B. Gemüse/Kräuter pflanzen, gießen und ernten
Ziel:
Alle miteinbeziehen, unabhängig von SES o.ä.
Hemmungen vor Obst/Gemüse abbauen
= Gesunde Ernährung fördern
= Prävention
Allergenkennzeichnung: Basiswissen
Allergie
Unverträglichkeit
unter Beteiligung des Immunsystems
Spuren lösen meist sofort Symptome aus (leicht bis lebensbedrohlich)
Therapie: striktes Meiden des Allergens
Keine Beteiligung des Immunsystems
Ähnliche Symptome wie bei Allergie möglich
Therapie: meiden bzw. reduzieren des Auslösers, kleine Mengen können vertragen werden (persönlicher Schwellenwert)
Allergenkennzeichnung: 14 Hauptallergene
Erdnüsse
Gluten: Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Dinkel, Kamut
Sesam
Senf
Lupine
Sulfite/Schwefeldioxid: Wein, Trockenobst
Nüssen: Mandeln, Macadamia, Pistazien, Walnüsse, Cashews, Pecan-, Hasel-. Paranüsse
Weichtieren: Schnecken, Tintenfische, Muscheln, Austern
Krebstieren: Flusskrebs, Garnelen, Hummer, Krabbe, Krill, Langusten, Scampi
Fische
Soja
Sellerie
Milch: einschließlich Laktose/Milchzucker
Diese Zutaten lösen 90% aller lebensmittelbedingten Allergien aus
Allergenkennzeichnung: Rechtslage
EU-Verbraucherinformations-Verordnung 1196/2011 -> gültig seit: 13.12.2014
Allergene sind auf Fertigverpackungen gekennzeichnet
Informationspflicht für „lose Ware“ in GV-Betrieben (Kitas und Schulen, Metzgereien, Bäckereien, Restaurants, Imbissbetrieben etc.)
Kontrolle: Amtliche Lebensmittelüberwachung
Bei verpackten Lebensmitteln: Hervorheben auf der Lebensmittelverpackung
Bei unverpackten Lebensmitteln: Allergenkennzeichnung mündlich oder schriftlich
Allergenkennzeichnung: Wen betrifft was?
Selbstkochende Kitas und Schulen + „Ergänzungskocher“ (Salate, Desserts, etc.): eigenes Allergenmanagement für alle selbst hergestellten Speisen
Fremdverpflegung (Warmverpflegung, Kühl- und Tiefkühlkost): kein eigenes Allergenmanagement notwendig -> Caterer
Frühstück als Buffet, Angebot am Schulkiosk: Abgabe loser Ware -> Kennzeichnung erforderlich, Hersteller/Verkäufer muss Auskunft geben!
Mitgebrachte Speisen für das Frühstück, „Pausenbrot“, Feiern und Feste: Ausnahmeregelung -> keine Kennzeichnung erforderlich, aber: freiwillige Kennzeichnung oder Angabe der Zutaten hilfreich
Ernährungsbildungsaktionen, pädagogisches Kochen: keine Kennzeichnung erforderlich
Wichtig: bezieht sich auf absichtlich bei der Lebensmittelproduktion eingesetzte Bestandteile; unbeabsichtigte Verunreinigungen sind nicht erfasst
Zusammenfassung - Gemeinschaftsverpflegung
Kita als Elementarbereich des Bildungswesens, zunehmende Betreuungsdauer -> potentiell starker Einfluss auf Entwicklung des Essverhaltens
pädagogisches Personal -> Schulungen im Bereich Kinderernährung und Ernährungsbildung notwendig! Bewusstsein über Schlüsselrolle bei Entwicklung des Ernährungsverhalten wichtig
Erstrebenswert wäre eine hauswirtschaftliche Fachkraft pro Einrichtung!
Zusammenarbeit mit Eltern wichtig-> familiäre Ernährungsbildung
Zufuhrempfehlungen z.T. nicht erfüllt -> (DGE) Qualitätsstandards als Basis der Verpflegung sollten eingehalten werden -> stark ausbaufähige Umsetzung
DGE-Qualitätsstandards liefern sehr konkrete und praxisnahe Empfehlungen -> verpflichtende Umsetzung wäre erstrebenswert
Zusammenarbeit mit Caterern -> selbe Qualitätsstandards/Vorgaben einhalten
Mitsprache der Kinder!
Nudging
Wörtlich: (an)stupsen
Menschen sanft und ohne Zwang zu gewünschtem Verhalten bewegen
Gewünschtes Verhalten für sie selbst oder für Gesellschaft als positiv anerkannt
Wichtig: Nudging funktioniert ohne Verbote, starke (finanzielle) Anreize -> Entscheidungsarchitektur wird verändert, ohne Entscheidungsfreiheit einzuschränken
Kritik? Bevormundung, Manipulation
Nudging in der Kita
Attraktive Form, Darreichung
„Allesesser“ und wählerische Kinder an einem Tisch
Anteil wünschenswerter Komponenten erhöhen
Konkurrenzlose Gemüse/Salate „vorweg“
Unbekanntes zusammen mit Bekanntem anbieten
Nudging in der Schulverpflegung
Wasserkonsumg erhöhen, Konsum zuckergesüßter Getränke reduzieren
Verzehr von Gemüse und Salat steigern, Konsum von Fleisch und Fleischprodukten senken
Verzehr von Vollkornprodukte erhöhen, Konsum an fett- und zuckerhaltigen Snacks reduzieren
Verzehr von Obst steigern, Konsum von Süßigkeiten senken
Hunger
zeitweilig gar kein Zugang zu Nahrung
Ernährungsunsicherheit
Nicht immer Zugang zu gesunder und ausreichender Ernährung
Was ist der Unterschied zwischen Prävention und Gesundheitsförderung?
Prävention bezieht sich auf Maßnahmen zur Verhinderung von Krankheiten und umfasst primäre, sekundäre und tertiäre Prävention
Gesundheitsförderung zielt darauf ab, die allgemeinen Lebensumstände so zu verbessern, dass die Gesundheit erhalten bleibt oder gefördert wird
Was sind die drei Stufen der Prävention?
Primärprävention: Verhinderung des Auftretens von Krankheiten durch Maßnahmen wie Impfungen und gesunde Lebensführung.
Sekundärprävention: Früherkennung von Krankheiten, um ihre Verschlimmerung zu verhindern, z. B. durch Screening-Programme.
Tertiärprävention: Maßnahmen zur Verhinderung von Komplikationen und Rückfällen bei bereits bestehenden Erkrankungen.
Was ist das „Adipositas-Paradox“?
Das Adipositas-Paradox beschreibt den scheinbar widersprüchlichen Befund, dass Übergewicht bei bestimmten Erkrankungen wie Herzinsuffizienz oder chronischen Krankheiten mit einer besseren Überlebensprognose assoziiert sein kann.
Was sind die zentralen Herausforderungen der Gesundheitsförderung?
Soziale Ungleichheiten und die „Schieflagen“ des Lebensstils tragen erheblich zu Erkrankungen wie Übergewicht bei. Wesentliche Herausforderungen sind der erschwerte Zugang zu gesunden Lebensmitteln und das gezielte Marketing ungesunder Produkte an sozial benachteiligte Gruppen.
Was ist Verhältnisprävention?
Verhältnisprävention zielt darauf ab, die Lebensbedingungen so zu gestalten, dass sie gesundheitsförderlich sind. Beispiele sind der Ausbau von Fahrradwegen, die Begrenzung von Fast-Food-Angeboten und die Schaffung sicherer Wohnumgebungen.
Was ist Verhaltensprävention?
Verhaltensprävention fokussiert sich auf die Änderung individueller Lebensgewohnheiten, wie z. B. gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung und Verzicht auf Rauchen, um das Risiko für Erkrankungen zu verringern.
Wie wirkt sich der sozioökonomische Status auf das Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen aus?
Kinder aus Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, an Übergewicht zu leiden
Dies hängt mit Faktoren wie dem begrenzten Zugang zu gesunden Lebensmitteln und einem erhöhten Konsum von Fast Food zusammen.
Welche Rolle spielen Lebenswelten in der Gesundheitsförderung?
Lebenswelten, wie die soziale und gebaute Umgebung, beeinflussen das Gesundheitsverhalten erheblich
Eine „adipogene“ Umgebung, die reich an Fast-Food-Angeboten und arm an Bewegungsmöglichkeiten ist, fördert das Risiko für Übergewicht und andere chronische Erkrankungen.
Severe Acute Malnutrition (SAM)
Zwei Haupttypen: Marasmus und Kwashiorkor
Severe Acute Malnutrition (SAM) ist eine lebensbedrohliche Form der Unterernährung, die schnelles medizinisches Eingreifen erfordert
Ohne Behandlung kann sie zu schwerwiegenden Entwicklungsstörungen oder zum Tod führen
Maßnahmen wie Ernährungstherapien, Hygiene, medizinische Versorgung und Prävention sind entscheidend zur Bekämpfung von SAM
Hidden Hunger
Mangel an einem oder mehreren wichtigen Mikronährstoffen wie Eisen, Jod, Zink und Vitamin A
Marasmus
energiebezogene und proteinbezogene Mangelernährung
Gesicht: greisenhaft, eingefallen
Wasting
sehr wenig Fettgewebe
Wachstumsstörung
Anämie
(Veränderung der Haare)
Kwashiorkor
proteinbezogene Mangelernährung
Ödeme (Wassereinlagerungen) in Beinen, Füßen und manchmal Gesicht
Mentale/psychische Veränderungen/Apathie
niedriger Serum Albumin
Fettleber
Infektionen
Inaktivität
Appetitverlust
Dreifache Belastung durch Unterernährung
Übergewicht
Erhöhter Konsum von hochprozessierten Lebensmitteln
Konsum hochverarbeiteter Lebensmittel
Trotz negativer Ernährungsbilanz werden – abhängig von der Region – 25-60 % des Kalorienbedarfs durch hochverarbeitete Lebensmittel gedeckt
Haupttreiber von Ernährungsunsicherheit und Hunger
wichtige Triebkräfte (Konflikte, Klimaschwankungen/Extreme, wirtschaftlicher Abschwung): einzigartig, aber nicht gegenseitig ausschließend -> wirken sich zum Nachteil der Ernährungssicherheit und der Ernährung aus, indem sie vielfältige, sich gegenseitig verstärkende Auswirkungen an vielen verschiedenen Punkten innerhalb der Lebensmittelsysteme verursachen
Unerschwinglichkeit gesunder Ernährung: Ergebnis der Auswirkungen anderer Faktoren auf das Einkommen der Menschen und auf die Kosten für nahrhafte Lebensmittel im gesamten Lebensmittelsystem -> Triebkräfte, die sich innerhalb der Lebensmittelsysteme negativ auf die Ernährungssicherheit und Ernährung auswirken
Armut und Ungleichheit: entscheidende strukturelle Faktoren, die die negativen Auswirkungen der Hauptfaktoren verstärken
Ihre Auswirkungen sind in allen Lebensmittelsystemen und -umgebungen zu spüren und wirken sich letztlich auf die Erschwinglichkeit gesunder Ernährung, die Ernährungssicherheit und die Ernährungsergebnisse aus
Armut, Ernährung und Gesundheit
Armut = Gesundheitsrisiko
Damit das Geld reicht, kaufen Armutshaushalte häufig entweder weniger oder qualitativ schlechtere Lebensmittel ein
Materielle Ernährungsarmut
„Eine Ernährung, die weder in ihrer Quantität noch in ihrer physiologischen und hygienischen Qualität bedarfsdeckend ist, sei es durch einen Mangel an Mitteln zum Erwerb von Nahrung (in Form von Geld oder anderen Zugangsberechtigungen) oder durch einen Mangel an Nahrung selbst (fehlende Lebensmittel, fehlende Distributionswege).“
-> besonder gefährdete Personengruppen sind sozial benachteiligte Menschen
Soziale Ernährungsarmut
„Eine Ernährung, die es nicht erlaubt, in einer gesellschaftlich akzeptierten Weise soziale Beziehungen aufzubauen, Rollen und Funktionen zu übernehmen, Rechte und Verantwortlichkeiten wahrzunehmen oder Sitten und Gebräuche einzuhalten, die jeweils im sozialen und kulturellen Umgang mit Essen in einer Gesellschaft zum Ausdruck kommen. Einzuschließen wäre in diesen Begriff auch jede Situation, in der eine verarmte Ernährungsweise durch derartige Regularien verursacht wird.“
Familiäre Ressourcen
Familiärer Zusammenhalt
emotionaler Rückhalt
instrumentelle Unterstützung
gemeinsame Aktivitäten
Begünstigen gesundes Aufwachsen; kommen auch und insbesondere bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen zum Tragen
Vermindern die gesundheitlichen Auswirkungen einer sozial benachteiligten Lebenslage
Kinder und Jugendlichen aus Ein-Eltern-Familien weisen in Bezug auf psychosoziale Gesundheit und Gesundheitsverhalten häufiger Beeinträchtigungen auf
Schulbildung
Gesundheit von Kinder und Jugendlichen nach besuchter Schulform
Intergenerationale Mobilität (sozialer Status der Eltern, eigene Schulbildung)
Jungen und Mädchen auf Gymnasien: geringeres Risiko für Gesundheitsprobleme und riskantes Gesundheitsverhalten als Gleichaltrige auf Gesamt-, Real- und Hauptschulen
deutlich verbesserte Gesundheitschancen, wenn Jugendliche aus Familien mit niedrigem Sozialstatus den Sprung auf ein Gymnasium schaffen
Jugendliche aus sozial bessergestellten Familien, die kein Gymnasium besuchen, weisen häufiger Beeinträchtigungen der Gesundheit auf
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