Worin liegt der wesentliche Unterschied zwischen Gläubigerverzug (§§ 293 ff. BGB) und Schuldnerverzug (§ 286 BGB)?
Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass der Schuldner nur in Verzug gerät, wenn er diesen auch zu vertreten hat, § 286 IV BGB. Der Gläubigerverzug fordert hingegen nur die Nichtannahme der ordnungsgemäß angebotenen Leistung, § 293 BGB.
-> Gläubigerverzug tritt ohne Rücksichtnahme auf Vertretenmüssen ein.
Kann der Schulder SchE gem. § 280 BGB verlangen, wenn der Gl. die Sache nicht annimmt?
Nein -> die Leistungsannahme ist grundsätzlich nur eine Obliegenheit und idR keine Rechtspflicht des Gl.
Mangels Verletzung einer Pflicht kann auch kein Schadensersatz wegen Pflichtverletzung geltend gemacht werden.
Ausnahme:
§ 433 II BGB -> Käufer ist zur Abnahme der Sache verpflichtet
§ 640 BGB -> Besteller ist zur Abnahme des Werkes verpflichtet.
Parteivereinbarung
Vielmehr treten andere Konsequenzen für den in Verzug befindlichen Gl. ein, §§ 293 ff BGB.
Können Schuldner- und Gläubigerverzug parallel vorliegen?
Ja -> Schuldner- (§ 286 BGB) und Gläubigerverzug (§§ 293 ff. BGB) liegen parllel vor, wenn die Person zur Abnahme der Sache verpflichtet ist.
Prüfungsaufbau Gläubigerverzug
Möglicherweise könnte G sich im Gl.-Verzug gem. §§ 293 ff BGB befinden.
Leistungsberechtigung
Leistungsvermögen
Leistungsangebot
Nichtannahme der Leistung
RF
Gläubigerverzug - (1) Leistungsberechtigung des Schuldners
Der Schuldner muss zur Leistung berechtigt sein.
Ist eine Leistungszeit nicht bestimmt so darf bzw. muss der Schuldner sofort leisten, § 271 I BGB.
Ist eine Leistungszeit bestimmt, so darf der Schuldner im Zweifelsfall vor Eintritt der Fälligkeit die Leistung bewirken, § 271 II BGB.
-> Achtung 🚨 : Die Regelung des § 271 II BGB gilt nicht, wenn die Leistungsbestimmung im Interesse des Gl. getroffen wurde.
Bsp.: Verzinstes Darlehen -> eine vor Fälligkeit bewirkte Leistung hätte einen Zinsverlust für den Gl. zur Folge, sodass der S zur Leistung nicht berechtigt ist.
Gläubigerverzug - (2) Leistungsvermögen
Der Schuldner müsste ferner zur Leistung bereit und imstande sein, § 297 BGB.
-> insb. relevant bei Ausreichen eines wörtlichen Angebots oder Entbehrlichkeit.
Ich komme nicht zu meinem Tattoo-Termin, der Tätowierer ist aber sowieso krank und konnte den Termin auch nicht wahrnehmen.
Gläubigerverzug - (3) ordnungsgemäßes Leistungsangebot - tatsächliches Angebot
Der Schuldner müsste dem Gläubiger die Leistung, so wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten haben, § 294 BGB.
D.h.:
vollständig (§ 266 BGB)
am richtigen Ort (§ 269)
zur rechten Zeit (§ 271 BGB)
in rechter Beschaffenheit (z.B. § 433 I 2 BGB, § 243 I BGB)
unter Wahrung von Treu und Glauben, § 242 BGB (wer Geld vor einem auf den Boden wirst, muss sich nicht bücken und es aufheben um nicht in Annahmeverzug zu geraten).
Merksatz: Das Leistungsangebot des Schuldners muss so beschaffen sein, dass der Gl. nichts weiter zutun braucht, als zuzugreifen.
-> Sofern keine Besonderheit hinzutritt, hat der Schuldner stets ein tatsächliches Angebot vorzunehmen.
Gläubigerverzug - (3) ordnungsgemäßes Leistungsangebot - muss der Gl. zwingend Kenntnis von dem tatsächlichen Angebot erlangen?
Nicht unbedingt -> ist für die Leistung ein bestimmter Termin vereinbart, dann kann der Gl., den der Schuldner nicht antrifft, durch das tatsächliche Angebot allein in Annahmeverzug geraten.
Gläubigerverzug - (3) ordnungsgemäßes Leistungsangebot - kann anstelle eines tatsächlichen Angebots auch ein wörtliches genügen, um den Gl. in Annahmeverzug zu versetzen?
Gem. § 295 BGB gerät der Gl. in Annahmeverzug, wenn
der Gl. erklärt, dass er die Leistung nicht annehmen werde
oder zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gl. erforderlich ist (insb. Abholung).
Bsp.: Schneider bittet zur Anprobe zu kommen.
Gläubigerverzug - (3) ordnungsgemäßes Leistungsangebot - setzt Gl-Verzug stets ein Angebot voraus?
Nein, ein Angebot kann gem. § 296 BGB entbehrlich sein.
Dies ist der Fall, wenn eine Mitwirkungshandlung kalendermäßig bestimmt, bzw. bestimmbar ist.
Frisörtermin -> Kunde kommt nicht.
Gläubigerverzug - Rechtsfolgen - welche gibt es?
Haftungsmilderung, § 300 I BGB
Gefahrübergang bei Gattungsschuld, § 300 II BGB
Gegenleistungsgefahr, § 326 II 1 BGB
Rücktrittsausschluss, § 323 VI Alt. 2 BGB
Wegfall der Verzinsung, § 301 BGB
Kein Ersatz nicht gezogener Nutzung, 302 BGB
Ersatz von Mehraufwendungen, § 304 BGB
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