1. Erwartungsvariable: Erfolgserwartung
Definition: Die Erwartung bezieht sich darauf, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Person eine Aufgabe erfolgreich bewältigt. Sie ist subjektiv und zukunftsgerichtet.
Abhängigkeit von der Spezifität:
Breit gefasst: Bei allgemeinen Entscheidungen (z. B. Studienfachwahl) wird die Erwartung auf eine Domäne bezogen (z. B. naturwissenschaftliches vs. sprachliches Studium).
Spezifisch: Bei konkreten Aufgaben (z. B. Besuch eines Tutoriums) ist die Erwartung direkt auf diese Aktivität ausgerichtet.
Einfluss des Fähigkeitsselbstkonzepts: Je positiver die eigene Einschätzung der Fähigkeiten („Ich bin gut in Mathe“), desto höher die Erfolgserwartung.
Beispiel: Studierende mit hohem Fähigkeitsselbstkonzept erwarten, komplexe Mathematikaufgaben erfolgreich zu lösen.
2. Wertvariable: Bedeutung der Aufgabe
Die Wahrnehmung des Wertes einer Aufgabe beeinflusst die Bereitschaft, Zeit und Energie zu investieren. Es gibt vier Facetten:
a) Wichtigkeitswert („Attainment Value“):
Eine Aufgabe ist wichtig, wenn sie mit dem Selbstkonzept und Selbstwert verbunden ist.
Beispiel: Ein Schüler, der sich als „Physiker“ sieht, legt großen Wert auf Physikaufgaben, da diese sein Selbstbild stärken.
Misserfolg: Scheitern an selbstwertbezogenen Aufgaben kann den Selbstwert stark beeinträchtigen.
b) Intrinsischer Wert („Intrinsic Value“):
Der Wert liegt in der Freude oder dem Interesse an der Aufgabe selbst.
Beispiel: Ein Kind, das gerne malt, empfindet intrinsische Motivation bei Zeichenaufgaben.
Einfluss der Vergangenheit: Positive Erfahrungen mit ähnlichen Aufgaben steigern den intrinsischen Wert.
c) Nützlichkeitswert („Utility Value“):
Eine Aufgabe ist nützlich, wenn sie zu den persönlichen Zielen beiträgt.
Beispiel: Für Lehramtsstudierende hat ein Psychologiemodul einen hohen Wert, wenn es für die berufliche Zukunft erforderlich ist.
d) Kosten („Costs“):
Ressourcen, die für eine Aufgabe investiert werden müssen, beeinflussen den Wert negativ:
Zeit: Eine Aufgabe schränkt Zeit für andere Tätigkeiten ein.
Anstrengung: Hohe geistige oder körperliche Belastung kann abschreckend wirken.
Emotionen: Angst vor Versagen oder Scham bei Misserfolg senken den Wert.
3. Wechselwirkungen zwischen Erwartung und Wert
Zusammenspiel: Hohe Erfolgserwartungen und ein hoher Wert der Aufgabe motivieren zu größerem Engagement und Ausdauer.
Beispiel: Studierende, die eine Aufgabe als wichtig und machbar wahrnehmen, sind motivierter, auch bei Schwierigkeiten weiterzuarbeiten.
Negative Folgen: Hohe Kosten, wie Prüfungsangst, stehen dem intrinsischen Wert entgegen und können die Motivation hemmen.
4. Praktische Implikationen
Stärkung von Erfolgserwartungen: Fördern des Fähigkeitsselbstkonzepts durch Lob und individuelle Rückmeldung.
Beispiel: „Du hast dich in Mathe sehr verbessert“ anstelle von Vergleichen mit anderen.
Wertsteigerung: Verdeutlichen, wie Aufgaben mit den Zielen der Lernenden zusammenhängen.
Beispiel: Zeigen, dass ein bestimmtes Modul für den beruflichen Erfolg nützlich ist.
Minimierung von Kosten: Reduktion von Prüfungsangst und Überforderung durch klare Strukturen und realistische Erwartungen
Erfolserwartung: Einflussfaktoren
Aufgabenschwierigkeit: Die subjektive Einschätzung der Schwierigkeit basiert auf dem Verhältnis zwischen den eigenen Fähigkeiten und den Anforderungen der Aufgabe.
Beispiel: Eine Aufgabe erscheint einfacher, wenn die eigenen Fähigkeiten als hoch und die Anforderungen als niedrig eingeschätzt werden.
Fähigkeitsselbstkonzept: Personen mit einem hohen Fähigkeitsselbstkonzept erwarten häufiger Erfolg.
Beispiel: Ein Schüler, der sich für gut in Mathe hält, hat bei komplexen Matheaufgaben höhere Erfolgserwartungen.
Anstrengung: Geplante Investition von Aufwand beeinflusst die Erfolgserwartung.
Beispiel: Wer bereit ist, viel Zeit und Energie in eine Aufgabe zu investieren, erwartet eher Erfolg.
Erfolgserwartung: Frühere Erfahrungen
Erfolg oder Misserfolg: Erfolg in der Vergangenheit erhöht zukünftige Erfolgserwartungen, Misserfolg senkt sie.
Ursachenzuschreibung: Die Interpretation früherer Leistungen (z. B. als Folge eigener Fähigkeiten oder externer Faktoren) beeinflusst die Erwartung.
Beispiel: Wird Misserfolg auf fehlende Fähigkeiten zurückgeführt, sinkt die Erfolgserwartung stärker als bei der Erklärung durch äußere Umstände.
Erfolgserwartung: Bezugsnormen für die Bewertung
Kriteriale Bezugsnorm: Vergleich mit einem festen Maßstab (z. B. Mindestanforderungen).
Soziale Bezugsnorm: Vergleich mit den Leistungen anderer.
Individuelle Bezugsnorm: Vergleich mit den eigenen früheren Leistungen.
Beispiel: Ein Schüler könnte eine bessere Note als Erfolg ansehen, wenn er sich im Vergleich zur letzten Klausur verbessert hat (individuelle Bezugsnorm).
Erfolserwartung: Big-Fish-Little-Pond
Schüler in leistungsstarken Klassen haben ein niedrigeres Fähigkeitsselbstkonzept, da sie sich im Vergleich zu leistungsstarken Mitschülern schwächer fühlen.
Aufgabenwert und seine Facetten
Wichtigkeit („Attainment Value“):
Bedeutung einer Aufgabe für das Selbstkonzept und den Selbstwert.
Beispiel: Ein Schüler, der sich als „Physiker“ definiert, bewertet Physikaufgaben als wichtiger.
Intrinsischer Wert („Intrinsic Value“):
Freude und Interesse an der Aufgabe selbst.
Beispiel: Ein Kind, das gerne zeichnet, erlebt intrinsische Motivation bei Zeichenaufgaben.
Nützlichkeit („Utility Value“):
Relevanz der Aufgabe für zukünftige Ziele.
Beispiel: Ein Psychologiemodul hat für Lehramtsstudierende hohen Nutzen, da es für ihre berufliche Zukunft erforderlich ist.
Kosten („Costs“):
Investierte Ressourcen wie Zeit, Energie und Emotionen.
Beispiel: Prüfungsangst oder der Verzicht auf Freizeit können den Aufgabenwert negativ beeinflussen
Zielorientierungen und deren Einfluss auf Aufgabenwert
Lernziele: Fokussieren auf Kompetenzentwicklung und das Meistern von Herausforderungen.
Positive Folgen: Aufgaben haben hohen Wert, da Scheitern als Lernchance gesehen wird.
Leistungsziele: Fokus auf Demonstration von Fähigkeiten oder Vermeidung von Inkompetenz.
Negative Folgen: Aufgaben werden mit der Angst vor Versagen und Scham assoziiert.
Emotionale Erinnerungen und Motivation bezüglich Aufgabenwert
Positive Erfahrungen mit ähnlichen Aufgaben steigern den Aufgabenwert.
Beispiel: Ein Schüler, der bei früheren Matheaufgaben Erfolg hatte, bewertet Mathe als motivierend.
Praktische Implikationen des Aufgabenwertes und Erfolgserwartungen
Förderung der Erfolgserwartung:
Realistisches Feedback und Förderung des Fähigkeitsselbstkonzepts stärken die Motivation.
Beispiel: Lob auf individueller Bezugsnorm („Du hast dich im Vergleich zur letzten Arbeit verbessert“).
Steigerung des Aufgabenwerts:
Verdeutlichung der Nützlichkeit und Verknüpfung mit langfristigen Zielen.
Beispiel: Zeigen, wie das Erlernen einer Fremdsprache für zukünftige Karrieren hilfreich ist.
Minimierung von Kosten:
Reduktion von Prüfungsangst und klarere Strukturierung von Aufgaben.
Bedeutung des Umfelds für Ziele und Selbstbild: Einfluss des Modells von Eccles und Wigfield:
Das Modell zeigt, wie Sozialisationspersonen (z. B. Eltern, Lehrer, Mitschüler) und das kulturelle Milieu (z. B. Geschlechtsstereotype) die Erfolgserwartungen, den Aufgabenwert und das Selbstbild von Schülern prägen.
Bedeutung des Umfelds für Ziele und Selbstbild: Rolle der Sozialisationspersonen
Subjektive Wahrnehmung der Einstellungen von Bezugspersonen ist wichtiger als deren tatsächliche Einstellungen.
Beispiel: Wenn ein Schüler das Gefühl hat, dass Eltern wenig Vertrauen in seine Fähigkeiten haben, beeinflusst dies seine Motivation und sein Selbstkonzept negativ, selbst wenn die Eltern tatsächlich hohe Erwartungen haben.
Bedeutung des Umfelds für Ziele und Selbstbild:Bezugsnormorientierung von Lehrkräften
Individuelle Bezugsnorm: Fokus auf persönliche Lernentwicklung und Fortschritt. Fördert eine lernzielorientierte Haltung.
Beispiel: Lob wie „Du hast dich im Vergleich zur letzten Woche verbessert“.
Soziale Bezugsnorm: Vergleich mit anderen Schülern. Fördert eine leistungszielorientierte Haltung.
Beispiel: „Du bist besser als alle anderen in der Klasse.“
Auswirkungen:
Individuelle Bezugsnormen fördern variablen Attributionsstil (z. B. Fortschritte durch Anstrengung).
Soziale Bezugsnormen fördern stabilen Attributionsstil (z. B. Misserfolg durch mangelnde Begabung).
Bedeutung des Umfelds für Ziele und Selbstbild:Elterliche bedingte Wertschätzung
Definition: Zuneigung und Wertschätzung der Eltern hängt von Leistungen oder Verhalten der Kinder ab.
Positive Effekte: Steigerung der persönlichen Bedeutsamkeit von Aufgaben.
Negative Effekte: Reduktion des intrinsischen Werts und Erhöhung emotionaler Kosten (z. B. Angst vor Misserfolg).
Bedeutung des Umfelds für Ziele und Selbstbild: Geschlechtsrollenstereotype
Einfluss auf Motivation und Selbstbild:
Mädchen bewerten mathematische Fähigkeiten oft geringer als Jungen, unabhängig von den tatsächlichen Leistungen.
Soziale Kommunikation: Lehrer und Eltern vermitteln Stereotype (z. B. „Mathe ist nichts für Mädchen“).
Beispiel: Jungen wird häufiger Begabung zugeschrieben, während Mädchen für Anstrengung gelobt werden.
Zyklisches Phasenmodell des selbstregulierten Lernens (Zimmerman, 2000): Definition selbstgesteuertes Lerne
Lernende passen ihren Lernprozess aktiv an und überwachen persönliche, verhaltensbezogene und umweltbezogene Faktoren.
Zyklisches Phasenmodell des selbstregulierten Lernens (Zimmerman, 2000): Phasen des Modells
Planungsphase:
Analyse der Aufgabe und Festlegen von Zielen (z. B. SMART-Ziele: spezifisch, messbar, erreichbar, relevant, terminiert).
Beispiel: „Ich werde heute 20 Matheaufgaben lösen, um mich auf die Klausur vorzubereiten.“
Durchführungsphase:
Umsetzung der Ziele und kontinuierliche Überwachung des Fortschritts.
Strategien gegen Ablenkung und Motivationserhalt werden eingesetzt.
Beispiel: Handy ausstellen, positive Selbstgespräche („Ich kann das schaffen“).
Reflexionsphase:
Beurteilung des Lernprozesses durch Vergleich von Ist- und Soll-Zustand.
Anpassung der Strategien und Ziele.
Beispiel: Nach einer unerfolgreichen Methode wird eine neue Strategie ausprobiert.
Zyklisches Phasenmodell des selbstregulierten Lernens (Zimmerman, 2000): Wichtige Komponenten
Kognitive Komponenten: Wissen über Strategien und deren Anwendung.
Beispiel: Zusammenfassung nach jedem Textabschnitt schreiben.
Motivational-volitionale Komponenten: Strategien zur Motivation und Ablenkungsvermeidung.
Beispiel: Belohnung nach dem Lernen (z. B. ein Film schauen).
Metakognitive Komponenten: Selbstbeobachtung und Anpassung.
Beispiel: Beurteilen, ob man die Ziele erreicht hat, und ggf. Ziele anpassen.
Zyklisches Phasenmodell des selbstregulierten Lernens (Zimmerman, 2000): Pädagogische Strategien zur Förderung
Planungsphase: Unterstützung bei der Zielsetzung durch SMART-Prinzip.
Durchführungsphase: Vermittlung von Selbstinstruktionsstrategien, z. B. Signalkarten, um schrittweises Arbeiten zu fördern.
Reflexionsphase: Nutzung von Lerntagebüchern zur systematischen Selbstbeobachtung und Zielanpassung.
Self-Handicapping: Ausstieg aus dem Lernprozess
Definition: Eine Strategie, um Misserfolg auf externe Ursachen (z. B. Schlafmangel) zu schieben und so den Selbstwert zu schützen.
Beispiel: Eine Studentin geht vor einer wichtigen Prüfung feiern, um später einen Misserfolg auf Müdigkeit statt mangelnde Intelligenz zurückzuführen.
Negative Folgen: Studien zeigen eine moderate negative Korrelation zwischen Self-Handicapping und schulischer Leistung (r = -0,23), besonders stark bei jüngeren Schülern.
Psychologische Erklärung: Menschen vermeiden es, sich selbst mangelnde Intelligenz zuzuschreiben, da dies den Selbstwert stark bedrohen würde.
Selbstwertregulation vs. Lernregulation
Zwei Modi des Lernens (Boekaerts, 2000):
Mastery Mode: Fokus auf Kompetenzentwicklung → Lernprozess bleibt aktiv.
Coping Mode: Fokus auf Selbstwertschutz → Lernprozess wird abgebrochen (z. B. durch Self-Handicapping).
Dynamik: Selbstwertregulation hat oft Priorität vor Lernregulation. Nur wenn der Selbstwert stabil ist, kann sinnvolles Lernen erfolgen
Strategien zur Selbstregulation: Emotions- und Motivationsregulation
Emotionsregulation
Definition: Fähigkeit, emotionale Reaktionen bewusst zu steuern.
Beispiel: Ein Schüler, der sich über eine schlechte Note ärgert, kann durch positives Denken („Ich kann mich noch verbessern“) seine Emotionen regulieren.
Studie (Davis & Levine, 2013): Kinder mit besseren Emotionsregulationsstrategien erinnerten sich besser an Lerninhalte.
Motivationsregulation
Strategien zur Steigerung der Lernmotivation:
Interesse wecken: Lernen durch kreative Methoden (z. B. bunte Stifte).
Selbstinstruktion: Sich selbst motivierende Anweisungen geben („Ich werde mich anstrengen“).
Selbstbelohnung: Nach dem Lernen eine Belohnung (z. B. Kino) setzen.
Teilziele setzen: Große Lernziele in kleine Schritte aufteilen.
Umweltkontrolle: Ablenkungen vermeiden (z. B. Handy ausschalten).
Studien zeigen: Besonders Selbstinstruktion und Teilziele sind effektiv zur Steigerung der Motivation.
Fazit: Bedeutung der Motivation für den Lernerfolg
Motivation beeinflusst nicht nur die Aufgabenwahl und Anstrengung, sondern auch die Art der Selbstregulation.
Erwartung und Aufgabenwert sind zentrale Faktoren für Motivation, die wiederum durch Selbstkonzept, Selbstwert und Zielorientierungen geprägt werden.
Sozialisationspersonen (Eltern, Lehrkräfte) beeinflussen durch ihre Rückmeldungen die Entwicklung dieser Faktoren und damit langfristig das Lernverhalten.
Pädagogische Maßnahmen wie individuelle Bezugsnormen, positive Verstärkung und die Förderung von Selbstregulation können helfen, Motivation und Lernstrategien zu verbessern.
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