Definition und Bedeutung des Fähigkeitsselbstkonzepts
Das Fähigkeitsselbstkonzept (FSK) beschreibt die subjektive Einschätzung einer Person über ihre eigenen Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen. Es hat einen starken Einfluss auf Lernverhalten, Lernerfolg und psychisches Wohlbefinden. Studien zeigen, dass Schüler mit gleicher Begabung, aber einem höheren Fähigkeitsselbstkonzept, bessere Leistungen erbringen als Schüler mit einem niedrigen Selbstkonzept
Abgrenzung zwischen Fähigkeitsselbstkonzept und Selbstwert
Fähigkeitsselbstkonzept: Kognitive Einschätzung der eigenen Fähigkeiten („Ich bin gut in Mathe.“).
Selbstwert: Emotionale Bewertung des Selbstkonzepts („Ich bin stolz, gut in Mathe zu sein.“).
👉Warum ist das wichtig?Eine klare Trennung erlaubt präzisere Vorhersagen über Verhalten und gezieltere Interventionsmaßnahmen. Schüler mit einem hohen Fähigkeitsselbstkonzept neigen dazu, Herausforderungen anzunehmen, während Schüler mit einem niedrigen Selbstkonzept eher Misserfolge vermeiden.
Struktur des Fähigkeitsselbstkonzepts
Das Fähigkeitsselbstkonzept ist hierarchisch organisiert:
Globales Selbstkonzept (Allgemeine Fähigkeitseinschätzung: „Ich bin intelligent.“).
Bereichsspezifisches Selbstkonzept (z. B. sprachliche vs. mathematische Fähigkeiten).
Fachspezifisches Selbstkonzept (z. B. „Ich bin gut in Mathe, aber schlecht in Englisch.“).
Aufgabenspezifisches Selbstkonzept (z. B. „Vokabellernen fällt mir leicht, aber Aufsätze schreiben schwer.“).
👉Beispiel:Ein Schüler könnte sagen: „Ich bin gut in Naturwissenschaften, aber schlecht in Sprachen.“ Diese Einschätzung wirkt sich darauf aus, wie er sich in verschiedenen Fächern verhält – ob er sich engagiert oder entmutigt fühlt
Entwicklung des Fähigkeitsselbstkonzepts
Das Fähigkeitsselbstkonzept entwickelt sich aus zwei Hauptquellen:
Eigene Erfahrungen
Direkte Rückmeldungen aus erfolgreichen oder erfolglosen Aufgabenbearbeitungen.
Beispiel: Ein Schüler, der regelmäßig gute Noten in Mathe bekommt, entwickelt ein hohes mathematisches Fähigkeitsselbstkonzept.
Rückmeldungen von Bezugspersonen
Direkte Mitteilungen: „Du bist sehr begabt in Mathe.“
Indirekte Mitteilungen: Emotionale Reaktionen von Lehrern oder Eltern, Zuweisung schwieriger oder einfacher Aufgaben.
Beispiel: Wenn ein Lehrer über eine gute Mathe-Leistung überrascht ist, kann das signalisieren, dass er dem Schüler eigentlich keine hohe Fähigkeit zutraut.
👉Problem: Schüler internalisieren oft die Einschätzungen ihrer Lehrer und Eltern, selbst wenn diese nicht explizit geäußert werden
Bezugsnormen und ihre Rolle im Fähigkeitsselbstkonzept
Schüler bewerten ihre Fähigkeiten nicht absolut, sondern relativ zu bestimmten Vergleichsmaßstäben. Dabei unterscheidet man drei Bezugsnormen:
Soziale Bezugsnorm: Vergleich mit anderen Schülern („Ich bin besser in Mathe als meine Mitschüler.“).
Individuelle Bezugsnorm: Vergleich mit eigenen früheren Leistungen („Ich bin heute besser als letzte Woche.“).
Kriteriale Bezugsnorm: Vergleich mit festgelegten Standards („Ich habe das Lernziel erreicht.“).
👉 Einfluss auf das Fähigkeitsselbstkonzept:
Soziale Vergleiche: Können bei leistungsschwachen Schülern das Selbstkonzept senken.
Individuelle Vergleiche: Unterstützen eine Lernorientierung und verbessern das Fähigkeitsselbstkonzept
Kausalattribution und das Fähigkeitsselbstkonzept
5. Kausalattribution und das Fähigkeitsselbstkonzept
Die Art, wie Schüler ihre Erfolge und Misserfolge erklären (Kausalattribution), beeinflusst ihr Fähigkeitsselbstkonzept.
Schüler mit hohem FSK:
Erfolg → interne, stabile Ursachen („Ich bin begabt“).
Misserfolg → variable Ursachen („Ich habe mich nicht genug angestrengt“).
👉 Folge: Motivation bleibt erhalten, Lernverhalten wird verbessert.
Schüler mit niedrigem FSK:
Erfolg → externe Ursachen („Ich hatte Glück“).
Misserfolg → interne, stabile Ursachen („Ich bin dumm“).
👉 Folge: Sinkende Erfolgserwartung, Vermeidung von Herausforderungen.
👉 Beispiel: Zwei Schüler schreiben eine schlechte Klausur:
Schüler A sagt: „Ich habe mich schlecht vorbereitet, nächstes Mal lerne ich mehr.“
Schüler B sagt: „Ich bin einfach schlecht in Mathe.“
Schüler A bleibt motiviert, Schüler B verliert die Motivation
Einfluss des FSK auf Motivation und Anstrengung
Hohes Fähigkeitsselbstkonzept → Höhere Motivation, mehr Anstrengung.
Niedriges Fähigkeitsselbstkonzept → Geringe Motivation, Vermeidungsverhalten.
👉Beispiel:Schüler mit hohem FSK wählen häufiger mittelschwere Aufgaben, die ihre Fähigkeiten herausfordern. Schüler mit niedrigem FSK vermeiden anspruchsvolle Aufgaben oder wählen extrem leichte/schwere Aufgaben, um Misserfolge zu vermeiden
Einfluss des FSK auf Leistungserwartung und Prüfungsangst
Hohes FSK → Geringere Prüfungsangst, optimistische Erfolgserwartung.
Niedriges FSK → Höhere Prüfungsangst, geringe Erwartung an Erfolg.
👉 Experiment (Eckert et al., 2006):
Versuchspersonen mit niedrigem FSK zeigten schlechtere Intelligenztest-Leistungen, wenn sie mit unlösbaren Aufgaben konfrontiert wurden.
Personen mit hohem FSK blieben motiviert und verbesserten sogar ihre Leistung
Zusammenhang FSK mit Depression
Ein niedriges Fähigkeitsselbstkonzept erhöht das Risiko für depressive Symptome, besonders bei schulischen Misserfolgen.
👉 Studie (Schilling & Stiensmeier-Pelster, 2008):
Schüler mit schlechtem FSK zeigten nach Misserfolgen einen Anstieg an Depression.
Schüler mit hohem FSK blieben psychisch stabiler
Förderung eines positiven Fähigkeitsselbstkonzepts: Attributionstrainings
Schüler sollen lernen, Erfolge auf interne, stabile Faktoren (Begabung, Anstrengung) zurückzuführen.
Misserfolge sollen als variable, kontrollierbare Faktoren (fehlende Vorbereitung) betrachtet werden.
👉 Beispiel: Lehrer geben Rückmeldungen wie:
„Du hast dich verbessert, weil du mehr geübt hast“ (statt „Du bist eben talentiert“).
Förderung eines positiven Fähigkeitsselbstkonzepts durch Förderung individueller Bezugsnormen
Lehrer sollten Fortschritte betonen, anstatt soziale Vergleiche anzustellen.
👉 Beispiel: Statt „Du bist besser als deine Mitschüler“ sollte es heißen: „Du hast dich im Vergleich zur letzten Woche gesteigert.“
Fazit
Das Fähigkeitsselbstkonzept beeinflusst Motivation, Leistung und psychisches Wohlbefinden.
Ein niedriges FSK führt zu schlechterer Leistung, mehr Angst und geringer Motivation.
Pädagogische Maßnahmen wie individuelle Bezugsnormen und Attributionstrainings können helfen, ein positives Selbstkonzept zu fördern.
Durch gezielte Unterstützung können Lehrer und Eltern dazu beitragen, dass Schüler Vertrauen in ihre Fähigkeiten entwickeln und langfristig erfolgreicher lernen.
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