Was ist Geothermie?
im Erdinneren gespeicherte Wärme
~30% aus der Zeit der Erdentstehung (ca. 300 EJ/a aus dem Erdkern)
~70% aus radioaktiven Zerfallsprozessen in der Erdkruste (ca. 900 EJ/a)
Temperaturen im Erdkern 3000-6000°C
Wärmeproduktion innerhalb der Erdkruste (<1% des Erdradius) ist abhängig von Dicke und Gesteinsmaterial
Ozeanische Kruste: v.a. aus basischem Material
Kontinentale Kruste: besteht aus saurem Gestein mit höherer Wärmeproduktion
Durchschnittlicher Wärmestrom an die Oberfläche liegt bei 65 mW/m² (kontinental) bzw. 101 mW/m² (ozeanisch)
Abkühlung der Erde durch Wärmeverlust ca. 300-350°C in den letzten 3 Milliarden Jahren
Ständige globale Wärmeproduktion liegt bei ca. 27 *10^6 MW Über gesamte Erdoberfläche integrierter Wärmestrom liegt bei 40 *10^6 MW
Wie wird die Wärme innerhalbt der Erdkruste transportiert?
Transport vom Kern zur Kruste über Konvektionströme des flüssigen Gesteins
In Erdkruste zweierlei Arten:
Konvektion durch Flüssigkeiten (Grundwasser) und Gase
Konduktiv -> Wärmeleitung
Hängt ab von Wärmeleitfähigkeit des Gesteins, Porösität der Gesteine und deren Füllung (Luft oder Gase isolieren, Wasser leitet)
richtungsunabhängig
Wärmespeicherung in Erdkruste wird maßgeblich von spez. Wärmekapazität des Gesteins beeinflusst
(nasse/ feuchte Tonerde oder Sand speichern gut)
(Salze, Quarz leiten gut)
Wie sieht der Temperaturverlauf in der Erdkruste aus?
bis ca. 10-20m Tiefe noch durch Oberflächentemperatur beeinflusst
danach bis ~10km Tiefe positiver Temperaturgradien von 3K/ 100m
in 1km Tiefe herrschen bereits fast überall 35-40°C
Ausnahme: geothermische Anomalien mit Temperaturen bis zu 600°C nahe der Oberfläche
Wo liegt das Potential für Geothermie?
An den Plattengrenzen -> Anomalien (Vulkane)
in Süd-Ost-Europa (große Tiefen ~5000m)
Wie lässt sich Geothermie zur Energiegewinnung klassifizieren?
Oberflächennahe Geothermie (bis ~400m)
Wegen geringen Temperaturen (20-30°C) meist nur zur Wärmegewinnung
Tiefe Geothermie (ab 1000m und mehr)
Temperaturen >60°C
geeignet zur Erzeugung von Wärme und Strom
Hochenthalpie Lagerstätte
Anomalien: Lagerstätten mit Temperaturen von >200°C in vergleichsweise geringen Tiefen (<2000m)
geothermische Anomalien an den Plattengrenzen
Wie wird oberflächennahe Geothermie nutzbar gemacht?
Oberflächennahe Geothermie ist eher Solarenergie
niedrige, jahreszeitabhängige, Temperaturen in geringer Tiefe
Erdkollektoren nehmen Wärme auf (8-40 W/m^2)
auch als Wärmespeicher möglich bzw. Gebäudekühlung (niedrige Temp. im Winter einspeichern, im Sommer mit Wärme austauschen)
nutzen von Wärme -> nur mittels Wärmepumpe
zusätzlicher Strombedarf
Funktion Wärmepumpe:
Bereitstellung der Nutzwärme auf höherem Temperaturniveau durch Druckänderung
Wärme auf niedrigem Niveau aufnehmen, Wärmeträgerfluid verdampfen
Verdichten -> Exergie zuführen
Wärme auf hohem Niveau abführen
Expandieren
Je geringer die Temperaturdifferenz T_heiz - T_zu, desto effektiver arbeitet die WP
Nutzunggrade ~80%
Wie wird tiefe Geothermie nutzbar gemacht?
Hydrothermales System: nutzen von vorhandenem Grundwasser in Wärmespeichern
Petrothermales System: Wärme liegt im Gestein, zusätzliche Einbringung von Wärmeträgerfluid notwendig
meisst Wasser mit zusätzen mit hohen Wärmekapazitäten und chemikalien zum öffnen/ offenhalten von Poren und Rissen im Gestein
Zur Erzeugung von elektrischer Energie nutzbar
<- Stromerzeugung: Wärme ->
Was beeinflusst die Nachhaltigkeit von Geothermie als Energiequelle?
Nachhaltigkeit ist die Betrachtung der Geothermiequelle als langfristige, sich regenerierende Quelle für EE.
Oberflächennahe Geothermie:
Erdtemperatur im Bereich der Wärmeentnahme sinkt bei Nutzung ab
Ausnahme: Nutzung von Erdwärme in fließendem Grundwasserstrom
Tiefen-Geothermie:
Untergrund als Wärmetauscher
Bei Nutzung von Geothermie aus tieferen Bereichen wird meist gespeicherte Energie genutzt, da die Wärmestromdichte des umgebenden Materials relativ niedrig ist -> Abkühlung
Ausnahme: geothermische Anomalien
Wie kann Geothermie zur Stromerzeugung verwendet werden?
thermische Wirkungsgrade gering aufgrund der Temperaturunterschiede -> Carnot
direkt Nutzung von Wasserdampf erst ab Temperaturen >200°C sinnvoll
bei niedrigeren Temperaturen ab ~60°C muss auf ORC (Organic Rankine Cycle) oder Kalina-Prozesse zurückgegriffen werden
th. Wirkungsgrade 10-15%
bessere Wirtschaftlichkeit durch Kraft-Wärme-Kupplung
Welche wirtschaftlichen Aspekte haben Einfluss auf die Verwendung von Geothermie?
Welche Risiken gibt es?
Wärmestrom und Temperaturzunahme bei Niederenthalpie-Lagerstätten sind zu gering für wirtschaftliche Nutzung
extrem hohe Investitionskosten pro erzeugter MW -> unrentabel
Nice-to-know: bei reiner Stromerzeugung ist Emissionsbilanz ähnlich schlecht wie von PV
Wirtschaftlichkeit durch Investitionskosten und Unterhaltungskosten bestimmt:
Kosten für Probebohrungen, Machbarkeitsstudie
Anlagenkosten
Betriebs- bzw. Unterhaltskosten (Verschleiß, Instandsetzung. Korosion)
evnt. Förderungen
Risiken:
Fündigkeitsrisiko (+Fehlbohrungen)
Umsetzungsrisiko
Bohrungen können nicht verbunden werden/ Verbindungen kollabieren
Betriebsrisiko -> Wärmeertrag reduziert sich
Übernutzungsrisiko
Umweltrisiken -> Seismizität, Grundwasser
Was bedeutet Fündigkeitsrisiko und wann ist Fündigkeit gegeben?
Fündigkeitsrisiko:
Risiko nicht ausreichender Quantität und Qualität des geothermischen Reservoirs
Quantität -> thermische Leistung
Qualität -> chem. zusammensetzung des Wassers
Fündigkeit:
gegeben wenn Mindestförderrate und -temperatur erreeicht sind
Für Strom: T>120°C, m>50 kg/s
Welche ökologischen Aspekte sprechen gegen Geothermie?
Erdbeben und Landabsenkungen während der Exploration
Sekungen und Hebungen beim Durchbohren von zuvor wasserundurchlässigen Schichten
Freisetzung von Stoffen (Schwefelwasserstoff)
Beeinträchtigung des Grundwassers durch Zusatzstoffe
Wo ist Geothermie in DEU sinnvoll?
Norddeutsche Becken
Porenspeicher in 1000-2500m Tiefe
Temperaturen von 50-100°C
Oberrheingraben
Süddt. Molassebecken
-> Nutzung der Geothermie hauptsächlich für Wärme
-> Zu kalt für wirtschaftliche Stromerzeugung
Wie sehen die Nutzungsgrade von Oberflächennaher Geothermie und Tiefen-Geothermie (mit und ohne Kraft-Wärme-Kupplung) aus?
Tiefen-Geothermie zur Wärmebereitstellung:
Tiefen-Geothermie zur Strombereitstellung: (Carnot!)
Tiefen-Geothermie mit KWK:
Welche Formen von Erdwärmesonden sind geläufig?
PE-Rohre, in denen Flüssigkeit zirkuliert (Durchmesser meist ~32mm)
Einfach- oder Doppel-U-Rohr
Koaxialsonden
Flache Erdkollektoren
-> schlechte Wärmeleitfähigkeit von PE
Sonden aus Edelstahl oder Alu
können als Erdwärmesonden mit Phasenwechsel betrieben werden
Thermosiphon, Heat Pipe
Direktverdampfung eines Wärmeträgerfluids unter erhöhtem Druck (35-55 bar) -> keine Pume notwendig, geringe Wärmeverluste
Welche Eigenschaften sollten Wärmeträgerfluide haben?
Wasser hat eigentlich beste hydraulische Eigenschaften und hohe Wärmekapazität, jedoch nicht Frostsicher
Wärmeträgerfluide sollten haben:
niedrige Viskosität und Dichte -> Pumpenleistung
hohe Wärmekapazität und -leitfähigkeit -> Wärmetransport
-> Oft genutzt: Ethylenglykol (Frostschutz)
Wie werden Erdwärmesonden ausgelegt?
Länge der EWS abhängig von thermischen Eigenschaften des Untergrunds:
Temperaturverteilung
Wärmeleitfähigkeit
und der thermische Eigenschaften der Sonde, des Hinterfüllmaterials und des Wärmeträgerfluids
-> Dimensionierung abschätzbar über spez. Entzugsleistung und vorgegebenen Wärmebedarf
Strömungswiderstände müssen gering gehalten werden + möglichst turbulente Strömung für optimalen Wärmeübergang
Reibungsverluste beachten
Was sind Thermal Response Tests?
Erlaubt Rückschlüsse auf die thermischen Eigenschaften des Untergrunds und des bohrlochnahen Bereichs
Es wird eine definierte Wärmemenge durch eine aufgeheizte Wärmeträgerflüssigkeit mit konstanter Temperatur eingebracht. Am Rücklauf wird der Temperaturansteig gemessen
dauert mehrere Tage
aus Temperaturanstieg -> effektive Wärmeleitfähigkeit
Was ist für die Bohrung zu beachten?
Welche Bohrverfahren werden typischerweise angewendet?
Durchmesser der Bohrung für das Einbringen einer Erdwärmesonde muss so groß sein, dass die Sonde einschließlich Verpressschlauch eingeführt werden kann und Platz für die abdichtende Verfüllung bleibt
Fläche von Sonde und Schlauch < 35% der Bohrlochfläche
Hinterfüllmaterial wird durch Verpressschlauch eingebracht und steigt von unten auf
Bohrverfahren:
drehende Spülbohrverfahren
einfach drehende Verfahren in lockerem Sediment
drehschlagende Verfahren in festem Gestein
Bohrmeißel
Rollenmeißel für weicheres und härteres Gestein
PDC-Meißel (Polycrystalline Diamond Cutter) für härtere Gesteine
Diamant-Meißel für harte Gesteine
Wozu dient die Hinterfüllung einer Geothermie-Bohrung?
Welche Eigenschaften sind für eine Hinterfüllung wichtig?
Hinterfüllung bei Geothermie:
Gewährleistet dichte und physikalisch/chemisch stabile Einbindung der EWS in das umgebende Gestein
Optimale thermische Anbindung an Gestein
Abdichtung der erbohrten Schichten
Wiederherstellung der Dichtwirkung von Grundwasserstauern -> wichtig, sonst Sedimentabsenkungen durch Hohlräume
Eigenschaften:
Geringe Durchlässigkeit, dauerhafte Dichtigkeit
Wasserhygienisch unbedenklich, nicht wassergefährdend
Einfach handhab- und pumpbar, gute Fließeigenschaften
Sedimentationsstabil, volumenbeständig
Setzungs- und schrumpfungsarme Abbindung
Beständigkeit gegen chemische, thermische und mechanische Beanspruchung
Hohe Wärmeleitfähigkeit
Komponenten:
Zement -> Druckfestigkeit, Dichtwirkung
Bentonit, Ton -> Volumenbeständigkeit (quillt auf bei Nässe)
Quarzsand und –mehl -> Wärmeleitfähigkeit
Kraftwerkstechnik für Geothermie
Welche Technologien sind für die Energieerzeugung üblich?
Enhanced Geothermal Systems (EGS) -> >200°C, Tiefen von ~5000m, großer Abstand zw. Bohrungen
HDR - Hot Dry Rock
DHM - Deep Heat Mining
Direkte Nutzung von Wasserdampf bei Temp. >200°C
Dry Steam -> direkte Dampfentnahme
Single Flash -> Druckabsenkung, dadurch Teilverdampfung
Double Flash
Hybride Konzepte: Flash + Binär
Binäre Kraftwerke
ORC-Prozess
Kalina-Prozess
Wie funktionieren Enhanced Geothermal Systems (EGS)?
Nutzung des tieferen Untergrunds als Wärmequelle zur Stromerzeugung (Vordergrund) und Wärmegewinnung -> Steinspeicher, kein Grundwasser
Kluftnetz im heißem Gestein wird als Wärmetauscher verwendet -> Wassereinbringung durch Injektionsbohrungen (Abstand zw. Bohrungen 100-1000m)
Synonyme:
HDR – Hot-Dry-Rock
DHM – Deep Heat Mining
Entzug der im Gestein gespeicherten Wärme direkt über heißes Wasser bzw. indirekt durch Zirkulation von eingebrachtem Wasser auf künstlich geschaffenen oder verbesserten Wasserwegsamkeiten
„Stimulation“ zur Produktionssteigerung, d.h. zur Erhöhung der Durchlässigkeit des Gebirges
Temperaturen ab >200°C für Stromerzeugung
Tiefen von ~5000m notwendig, außer bei Anomalien
Für wirtschaftliche Energiemenge soll genutztes Gesteinsvolumen > 10^8 m³ sein
Größe der Wärmeaustauschfläche > 10^6 m²
Wie wird der Untergrund für EGS stimuliert?
Stimulation durch Fracking
Soll vorhandene Kluftsysteme öffnen und zur erhöhung der Durchflussrate beitragen
Mechanische Stimulation:
Einpressen von Wasser (mehrere 100 bar)
nach Aufweitung erfolgt Scherbewegung -> Klüfte können nicht mehr schließen
Mikroseismizität unterstützt Prozess
Seismische Signale geben aufschluss über Ausbreitungsrichtung der Klüfte -> Legen Lage weiterer Stimulationsbohrung fest
sog. Proppings (z.B. Sand) werden zum Offenhalten der Klüfte hinzugefügt
Chemische Stimulation:
Einbringen von Säuren und Laugen zum auswaschen von Kluftflächen
Wie funktionieren Dry Steam Verfahren?
Direkte Nutzung von Wasserdampf aus Geothermalen Zonen
T>200°C !!
Was sind Single und Double Flash Verfahren und wann werden sie eingesetzt?
Single Flash:
Wenn T<200°C findet keine (vollständige) Verdampfung des Wassers statt
Heißwasser (o. Nassdampf)
Heißwasser wird durch Druckabsenkung in Entspannungsbehälter verdampft
Seperator trennt flüssiges Wasser und Dampf
Wasser über Injektionspumpe zurück in die Erde
Dampf wird in Turbine entspannt, anschließend Kondensiert und zusammen mit dem Wasser aus dem Seperator zurückgeführt
Wichtig: Verdampfer muss regelmäßig gereinigt werden, da sich Mineralien ablagern
Leistungsbereich 5-100 MW
Double Flash:
siehe T/s-Diagramm Single Flash: wenig Dampf, ~30%
Abhilfe schafft Nutzung von Hoch- und Niederdruckdampf -> bringt Wirkungsgradgewinn
Was vereinen hybride Systeme im Bezug auf die Kraftwerkstechnik für Geothermie?
Hybride Kraftwerke vereinen Flash-Verfahren mit Binären Kraftwerken
Nutzung der Restwärme (~60°C) des separierten Wassers für ORC- oder Kalina-Prozess
Was bedeutet ORC?
Wie funktioniert der Prozess und wo findet er Anwendung?
ORC: Organic Rankine Cycle
sog. Binärer Prozess
statt Wasser wird Leichtsieder (Ethanol, Propan, Butan, CO2, Toluol) als Wärmeträger verwendet
Thermalwasser aus Förderbohrung gibt Wärme im Verdampfer an Wärmeträger ab
Andere Siede- und Dampfeigenschaften
“nach rechts gelehntes” T/s-Diagramm ermöglicht Trockene expansion
(Thermodynamische Analyse verschiedener Wärmeträgerfluide -> Unterschied liegt in versch. Druckniveau)
Wie funktioniert der Kalina-Prozess?
Wärmeaustauschverfahren zur Dampferzeugung auf niedrigem Temp. niveau
Wärmezu- und Abfuhr über Desorption und Absorption
Wärmezufuhr über Thermalwasser: Desorption Ammoniak
Seperator: ammoniakreicher Dampf -> Turbine/ ammoniakarmes Wasser -> Drossel
Mischen auf selbem Druckniveau nach Turbine und Drossel
Wärmeabgabe an Wasser -> Absorption des Gemischs
Wirkungsgradvorteile bei niedrigen Temperaturen bis ~150°C
Nachteil: hohe spezifische Kosten, problematisch bei Leckage, Korrosion und Entsorgung
Thermodynamische Analyse und Prozessvergleich
Warum ist der thermische Wirkungsgrad ungeeignet für Geothermie?
Analyse:
Thermischer Wirkungsgrad eta_th=P/Q_zu
Schlecht wegen niedrigem Temperaturniveau -> 9-12%
Führt zu verzerrter Betrachtung
Verleitet dazu, möglichst hohe Temperaturen anzustreben, dabei wird aber vernachlässigt dass der Massenstrom abfällt, d.h. gewonnene Leistung sinkt
P=m_punkt*w_t
exergetische Wirkungsgrad besser geeignet
Prozessvergleich:
Bei niedrigen Temperaturen hat der Kalina Prozess den besten Wirkungsgrad
bei Hohen Temperaturen nähern sich alle Prozesse einander an
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