Grundprinzipien des Sachenrechts - “PASTA”
Publizität
Die sachenrechtliche Zuordnung muss grds. für jedermann offenkundig sein. Publititätsträger sind im beweglichen Sachrecht der Besitz und im Grundstücksrecht die Eintragung ins Grundbuch.
Besitz - § 854 BGB
Übertragungsfunktion, §§ 929, 1032, 1205 BGB. Der Besitzwechsel bildet neben der Eintragung den zweiten Teil des Tatbestandes der rechtsgeschäftlichen Übertragung von Sachenrechten.
Vermutungsfunktion, § 1106 BGB. Der Besitz begründet die (prozessual bedeutsame) Vermutung für die tatsächliche Rechtsinhaberschaft. Der Besitzer einer Sache gilt als deren Eigentümer.
Gutglaubensfunktion, §§ 932 ff BGB. Der Besitz bildet den Rechtsschein der Rechtsinhaberschaft und ermöglicht so den Erwerb vom Nichtberechtigten.
Grundbucheintrag - §§ 2, 3 GBO
Das Grundbuch (“Buchbesitz”) ist der Publititätsträger der Liegenschaftsrechte mit denselben Funktionen wie oben, §§ 873, 925, 891, 892 f. BGB.
Absolutheit
Die Geltung einer sachenrechtlichen Zuordnung ist ggü. jedermann verbindlich; Sachenrecht wirken absolut. In Bezug auf die Person des Rechtsinhabers sind die Sachenrechte ebenso absolut.
Spezialität
Dingliche Rechte sind nur genau definiert an der einzelnen Sache möglich. Die dingliche Einigung unterliegt mithin einem weit strengeren Bestimmtheitserfordernis (Wirksamkeitshindernis) als das Verpflichtungsgeschäft.
Typisierung
Typenzwang (numerus clausus der Sachenrechte)
Dingliche Rechte sind in ihrer Typenzahl begrenzt. Sie können ausschließlich im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Tatbestände begründet, übertragen oder aufgehoben werden.
Typenfixierung
Die privatautonome Rechtsgestaltung bzgl. des Rechtsinhaltes ist ebenso zugunsten des Rechtsverkehrs eingeschränkt. Den Parteien verbleibt statt der Gestaltungsfreiheit in Form der Vertragsfreiheit nur die Abschlussfreiheit.
Abstraktion
Trennungsprinzip
Das Verpflichtungsgeschäft begründet Rechtspflichten. Das Verfügungsgeschäft hingegen bewirkt die unmittelbare Rechtsänderung. Beide Geschäfte sind nach der Systematik des BGB strikt zu trennen.
Abstraktionsprinzip
Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft sind in ihrem Bestand voneinander unabhängig.
Ausnahmen vom Abstraktionsprinzip
Fehleridentität
Bedingungszusammenhang
Geschäftseinheit: § 139 BGB (str., tendenziell abzulehnen)
Besitz - §§ 854-872 BGB
Funktionen des Besitzes
Schutz:
possessorischer Besitzschutz (§§ 859 ff BGB)
petitiorischer Schutz durch die § 1007 I und § 1007 II BGB
deliktischer Schutz durch die § 823 I; § 823 II iVm § 858 BGB
bereicherungsrechtlicher Schutz durch § 812 I 1 Fall 1 oder 2 BGB
Kontinuität:
§ 566 BGB - Veräußerung bricht nicht Miete (gesetzlicher Vertragseintritt)
§ 986 II BGB - Das Besitzrecht gilt auch ggü. den Rechtsnachfolger
§ 268 I 2 BGB - Ablösungsrecht bei drohender Zwangsvollstreckung
Publizität:
Übergabeerfordernis bei Rechtsübertragung, §§ 929 S. 1, 1032, 1205 BGB
Eigentumsaufgabe erfordert Besitzverlust, § 959 BGB
Besitz lässt Eigentum vermuten, § 1006 BGB
Besitz dient als Rechtsscheinträger, §§ 932 ff. 1032, 1207 BGB
Beistz legitimiert bei Leistung an den Nichtberechtigten, § 851 BGB.
Unmittelbarer Besitz - § 854 I und II BGB
Unmittelbarer Besitz ist gegeben, wenn jemand die tatsächliche Sachherrschaft von gewisser Dauer mit einem Besitzwillen über eine Sache ausübt. Wann die tatsächliche Sachherrschaft ausgeübt wird, richtet sich nach den Anschauungen des Rechtsverkehrs. Der Erwerb des unmittelbaren Besitzes erfolgt nach § 854 I BGB und § 857 BGB.
Tatbestand:
kein Besitzer ist der Besitzdiener (§ 855 BGB)
Besitz ist nur an Sachen und abgrenzbaren Sachteilen möglich.
Besitzerwerb:
originär § 854 I BGB:
Originärer Besitzerwerb ohne den Willen des Vorbesitzers setzt voraus:
Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft
Maßstab ist die Verkehrsauffassung
Nach hM ist darüber hinaus ein Besitzbegründungswille erforderlich, wobei ein natürlicher, genereller (dh nicht konkretisierter) Wille zur Sachherrschaft genügt
kein Fall von Besitzdienerschaft (§ 855 BGB)
abgeleitet § 854 I BGB:
Nicht ausdrücklich geregelt, aber häufig (§§ 929 S. 1, 1205 I 1 BGB), ist der einverständliche, sog. abgeleitete Beistzwechsel. Zu den obigen Voraussetzungen bedarf es zusätzlich der Übergabe als bloßen Realakt (kein Rechtsgeschäft). Sie ist vollendet, wenn der Übertragende die Sachherrschaft vollständig verloren hat.
bloße Einigung § 854 II BGB
Besitzerlangung ausnahmsweise auch ohne Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft. Voraussetzungen:
Besitz des Veräußerers
Einigung. Sie ist Rechtsgeschäft (§§ 145 ff BGB) und bezieht sich allein auf den Besitz, auch wenn sie ggf. gleichzeitig mit der dinglichen Einigung iSd § 929 S. 2 BGB erfolgt.
Möglichkeit des Erwerbers, sich allein, ohne eine weitere Gestattung des Veräußerers, die Sache zu verschaffen.
§ 857 BGB:
Mit dem Tod geht der (mittel- bzw. unmittelbare) Besitz auf die Erben über.
Beendigung § 856 BGB
Aufgabe der tatsächlichen Gewalt - § 856 I Fall 1 BGB: willentlich und äußerlich erkennbar
sonstiger Besitzverlust - § 856 I Fall 2 BGB: ohne oder gegen den Willen des Besitzers -> Abhandenkommen
Vorübergehende Verhinderung - § 856 II BGB: unschädlich
Rechtsfolgen
insb. possessorischer und petitorischer Schutz des Besitzers
Kontinuitätswirkungen
Publitzitätswirkungen
Mittelbarer Besitz § 868 BGB
Mittelbarer Besitz liegt vor, wenn eine Person die tatsächliche Sachherrschaft für sich durch einen Besitzmittler (unmittelbaren Besitzer) aufgrund eines Besitzmittlungsverhältnisses ausüben lässt, § 868 BGB. Auch der mittelbare Besitz ist eine wirkliche gegenwärtige Sachherrschaft, die durch die Person des unmittelbaren Besitzers gewährleistet wird (“vergeistigte Sachherrschaft”). Der mittelbare Besitz ist dem unmittelbaren grds. gleichgestellt.
unmittelbarer Fremdbesitz des Besitzmittlers
Der Besitzmittler muss unmittelbaren Besitz iSd § 854 BGB haben. Dabei darf kein Fall des Eigenbesitzes (§ 872 BGB) vorliegen. Stattdessen muss der (unmittelbare) Besitzmittler den mittelbaren Besitzer als Oberbesitzer anerkennen.
Besitzmittlungsverhältnis - § 868 BGB (constitutum possessorium)
Herausgabeanspruch des mittelbaren Besitzers
Der Herausgabeanspruch muss nicht unmittelbar aus dem BMV folgen (hM). Es genügt, dass überhaupt ein Anspruch besteht.
Erwerb:
Ersterwerb
Der Ersterwerb erfolgt durch die Entstehung des BMV aus Gesetz, Hoheitsakt oder Vertrag. Möglich sind auch:
Antizipiertes Besitzkonstitut: Das BMV wird vereinbart, bevor der Besitzmittler unmittelbaren Besitz erhält.
Insichkonstitut: Der Besitzmittler schafft durch erkennbares Selbstkontrahieren (§ 181 BGB) ein BMV. Eigenbesitz wird zum Fremdbesitz. Ein späterer Eigentumsübergang wird somit erleichtert.
Unwirksames BMV: Da die hm den mittelbaren Besitz als “vergeistigte Sachherrschaft” bezeichnet, sind Rechtsmängel des BMV unschädlich. Es genügt das ernstliche Wollen des Unterbesitzers. Argumente: Friedensschutzwirkung des Besitzes; Schutzbedürftigkeit des Oberbesitzes, § 869 BGB.
Zweiterwerb:
Der Zweiterwerb des mittelbaren Besitzes erfolgt durch Abtretung (§ 398 BGB) des Herausgabeanspruches auch ohne Mitteilung an den Beistzmittler. Wichtig ist der Zweiterwerb insbesondere für den Eigentumsübergang gem. §§ 931, 934 Fall 1 BGB.
Mehrstufigkeit:
Es können bzgl. einer Sache mehrere Hierarchien iSe Ober-/Unterordnungsverhältnisses bestehen, § 871 BGB.
Verlust:
Drei Varianten: Beistzverlust bei unmittelbarem Besitzer; erkennbare Aufgabe des Fremdbesitzerwillens; Entfallen des Herausgabeanspruchs des Oberbesitzers.
Rechtsfolgen:
Über § 869 BGB gelten zunächst die possessorischen Besitzschutzansprüche aus §§ 861, 862 BGB.
Ob darüber hinaus dem mittelbaren Besitzer auch die Gewaltrechte aus § 859 BGB zustehen (Besitzkehr, Besitzwehr), ist umstritten.
Sonstige Besitzformen - § 865, 866, 872 BGB
Allein- und Mitbesitz:
Alleinbesitz (nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt)
Regelfall; Alleinbesitz ist die Sachherrschaft unter Ausschluss anderer Personen
Mitbesitz - § 866 BGB
Mitbesitz ist die gemeinschaftlich ausgeübte Sachherrschaft. Unterschieden werden:
Einfacher Mitbesitz. Die Sache ist jedem allein zugänglich (zB gemeinsamer Fahrstuhl/Garten)
Qualifizierter Mitbesitz. Die Sache ist nur gemeinschaftlich zugänglich (zB Bankschließfach mit zwei verschiedenen Schlüsseln)
Im Innenverhältnis ist Besitzschutz nur möglich, wenn der Sachgebrauch gant genommen wird (§ 866 BGB). Geht es nur um Gebrauchsgrenzen gelten die §§ 859 ff. BGB nicht.
Im Außenverhältnis hat der Mitbesitzer die Besitzschutzrechte gegen Dritte wie jeder andere Besitzer. Die Vermutungswirkung des § 1006 BGB zielt auf Bruchteilsweigentum (§ 741 BGB). Bei der Übertragung von Alleinbesitz (§ 929 S. 1 BGB) müssen alle zusammenwirken.
Eigen- und Fremdbesitz (Besitzfarben):
Eigenbesitzer iSd § 872 BGB ist derjenige, der eine Sache als ihm gehörig besitzt (animus domini)
Fremdbesitzer ist derjenige, der eine Sache für einen anderen besitzt.
Unterschieden wird einzig nach dem Willen des Sachherrschers (animus).
Teilbesitz (§ 865 BGB)
Alleinbesitz an Sachteilen.
Nebenbesitz (Konstruktion iRd § 934 BGB)
Quotenbesitz (iSv ideelen Bruchteilen § 741 BGB) gibt es nicht
Erbenbesitz (§ 857 BGB)
Besitzen für andere - Zurechnung
Besitzdiener § 855 BGB:
Voraussetzungen:
Bestehen eines sozialen Abhängigkeits-/Weisungsverhältnisses (Gesetz/Vertrag->wichtig tatsächliche funktionale Unterordnung)
Ausübung der Sachherrschaft iRd Weisungsverhältnisses (objektive Lage nicht subjektive Einstellung ist maßgeblich)
Erkennbarkeit der Unterordnung (hM)
Quasi-Besitzdiener (bei nicht sozial abhängiger Person mit Einwilligung des Beistzers aus Gefälligkeit)
Der Besitzdiener ist kein Besitzer, für ihn gilt die Eigentumsvermutung gem. § 1006 BGB nicht. Außerdem keine Übertragungsbefugnis!
Gem. § 860 BGB stehen dem Besitzdiener die Gewaltrechte iSd § 859 BGB zu (jedoch nicht gegen den Besitzer (Innenverhältnis))
Sonderproblem - Bösgläubigkeitszurechnung im EBV (§§ 987 ff. BGB)
Umstritten ist im Rahmen einer Haftung aus EBV, ob dem unwissenden Besitzer die Bösgläubigkeit seines Besitzdieners schadet. Während Minderansichten entweder § 278 BGB analog oder § 831 BGB analog anwenden (Arg.: bei dem Anspruch aus §§ 989, 990 BGB handelt es sich um einen deliktsähnlichen Tatbestand), nimmt die hM zu Recht eine Zurechnung nach § 166 BGB analog vor (Arg.: eine der Stellvertretung vergleichbare Situation).
Stellvertretung:
Erwerb des unmittelbaren Besitzes:
IRd Erwerbs des unmittelbaren Besitzes ist eine Stellvertretung grds. ausgeschlossen -> Ausnahme: Besitzdiener oder § 854 II BGB
Erwer des mittelbaren Besitzes (§ 868 BGB):
Ersterwerb - § 868 BGB: Anwendung von §§ 164 ff. BGB unzweifelhaft möglich
Zweiterwerb - §§ 398, 870 BGB: Stellvertretung möglich
Geheißperson/ Geheißerwerb:
Hier wirkt iRd Übergabe auf Seiten des Veräußerers bzw. des Erwerbers eine sog. Geheißperson mit, die den Besitz an der Sache innehat bzw. erlangt, ohne dem Veräußerer bzw. Erwerber den Besitz zu mitteln oder dessen Besitzdiener zu sein. Fügt sich diese Hilfsperson wie “geheißen” in den fremden Übereignungstatbestand ein, ist sie Übergabehilfsperson.
Dingliche Rechte
Eigentum
Eigentum vermittelt umfassende Herrschaft bzgl. der Sache, §§ 903 ff. BGB.
Sicherungseigentum
Die Übereignung beweglicher Sachen zur Sicherung einer Gläubigerforderung gem. §§ 929 S. 1, 930 BGB begründet Sicherungseigentum. Es handelt sich dabei um Eigentum, das unter dem Vorbehalt des Rückfalls an den Sicherungsgeber steht.
Anwartschaftsrecht (§§ 929, 158 BGB)
Das Anwartschaftsrecht ist die derart erstarkte Rechtsstellung des Erwerbers, die über die bloße Erwerbsaussicht hinausgeht und dem Inhaber einen Anspruch auf den Erwerb des Vollrechts verschafft. Mit dem Eigentumsvorbehaltskauf hat er im Mobiliarsachenrecht erhebliche Bedeutung.
Pfandrecht (§§ 1204 ff. BGB sowie zB §§ 562, 647 BGB)
Das Pfandrecht ist ein dingliches Recht, das eine Forderung sichert, indem es dem Gläubiger die Befugnis einräumt, Befriedigung aus dem Gegenstand zu suchen. Das Pfandrecht an beweglichen Sachen (§§ 1204 ff. BGB) ist heute durch die Sicherungsübereignung praktisch weitgehend verdrängt.
Nießbrauch
Das dingliche Recht, die Nutzungen eines belasteten Gegenstandes zu ziehen, kann auch an beweglichen Sachen bestellt werden, ist aber unüblich. Wertpapiernießbrauch ist Rechtsnießbrauch, §§ 1068, 1081 BGB.
Eigentum kann als Alleineigentum einem Rechtssubjekt zustehen. Steht Eigentum mehreren zu, ist zu unterscheiden in:
Gesamthandseigentum
Eine Sache steht im Eigentum mehrerer, die in einer Gesamthandsgemeinschaft vermögensmäßig verbunden sind.
Erwerb ausschließlich kraft Gesetzes:
Die Vermögensorganisation in Form der Gesamthandsgemeinschaft kann nicht rechtsgeschäftlich vereinbart werden. Sie wird ausschließlich vom Gesetz angeordnet.
Nur gemeinschaftliche Verfügung:
Über Gesamthandseigentum kann nur gemeinschaftlich verfügt werden. Der Anteil des einzelnen ist nicht fassbar, so dass aus diesem Grund nicht über ihn separat verfügt werden kann (Ausnahme: § 2033 BGB).
Gemeinschaftliche Nutzung und Verwertung:
Nutzungs- und Verwertungsbefugnis stehen den Gesamthändern nur gemeinschaftlich zu.
Bruchteilseigentum
Eine Sache, an der Miteigentum nach Bruchteilen besteht. Im Gegensatz zum Gesamthandseigentum steht jedem Eigentümer der Sache ein bestimmter, ideeler Anteil zu. Dieser Anteil ist wirtschaftlich betrachtet eine Wert- bzw. Gebrauchsbeteiligung. Rechtlich wird der einzelne Anteil als Eigentum behandelt.
Erwerb kraft Rechtsgeschäftes oder Gesetzes
Freie Verfügung über den Anteil (§ 741 BGB) -> über ganze Sachen nur gemeinsam §§ 747, 1009 BGB
Eigene Nutzung, gemeinschaftliche Verwaltung:
In der Nutzung ist der einzelne Eigentümer frei, soweit gemeinschaftliche Belange nicht entgegenstehen, § 743 BGB. Regressanspruch: § 748 BGB.
Schutz des Eigentums
Sachenrechtlicher Eigentumsschutz:
Herausgabeanspruch - § 985 BGB (rei vindicatio)
EBV-Regeln - §§ 987 ff BGB
Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch - § 1004 BGB (actio negatoria)
Eigentümer-Finder-Vorschriften - §§ 965 ff. BGB
Rechtsvermutungen - §§ 1006, 891 BGB
Schutz durch GoA-Recht
Deliktischer Eigentumsschutz:
Verschuldensabhängiger Rechtsschutz - §§ 823 ff. BGB
Gefährdungshaftung
Bereicherungsrechtlicher Schutz
Eigentumserwerb an Mobilien - Überblick
Erwerb durch Rechtsgeschäft §§ 929-936 BGB
Erwerb kraft Gesetzes:
Ersitzung, §§ 937 ff. BGB
Verbindung, Vermischung, Verarbeitung etc. §§ 946-950 BGB
Fruchterwerb, §§ 953 ff. BGB
Aneignung, §§ 958 ff. BGB
Fund, §§ 973 ff. BGB
Erbe, § 1922 BGB
Erwerb durch Hoheitsakt:
Zuschlag auf öffentlicher Versteigerung, §§ 814, 817 ff. ZPO
§§ 90 II, 20 II ZVG, § 1120 BGB: Erwerb der zum Grundstück gehörenden beweglichen Sachen bei Zwangsversteigerung
Jede Übereignung spaltet sich in ein Willens- und ein Vollzugselement - die Einigung und die Übergabe bzw. Übergabesurrogat.
Grundsätze Geheißerwerb
Für den Geheißerwerb gelten folgende Grundsätze:
Von einer Geheißperson wird nie im Rahmen der dinglichen Einigung gesprochen. Hier geht es um Willenserklärungen. Hilfspersonen heißen hier Stellvertreter oder Boten.
Eine Geheißperson kann lediglich beim Realakt (Übergabe) eingesetzt werden. Es empfiehlt sich erst auf die gesetzlichen Beistzpositionen einzugehen (§ 854 I und II, § 855 und § 868 BGB) bevor auf die richterrechtlich entwickelte Konstruktion des Geheißerwerbes abgestellt wird.
Geheißperson ist, wer im Rahmen eines fremden Übereignungstatbestandes (§ 929 S. 1 BGB) bei der Übergabe eingesetzt wird und sich so verhält, wie es die Parteien wollen (sie “tut, wie geheißen”).
Eine Geheißperson kann an jeder Stelle des Erwerbsvorganges eingesetzt werden. Denkbar ist eine Geheißperson
auf Erwerberseite
auf Veräußererseite oder
auf beiden Seiten (doppelter Geheißerwerb).
Die Geheißpersonenstellung braucht nicht auf Dauer zu sein. Es reicht, dass sich eine Geheißperson für die berühmte juristische logische Sekunde wie von den Parteien gewollt in deren Eigentumserwerb integrieren lässt.
Demgemäß schadet es nicht, dass die Geheißperson zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt eigene oder andere Ziele verfolgt.
Je nach Erwerbsvorgang (§ 929 BGB) kann die Geheißpersonenstellung auch wechseln, dh jemand kann Geheißperson in unterschiedlichen Übereignungen für unterschiedliche Personen sein.
Die Geheißperson braucht im Einzelnen nichts Genaues über die Hintermänner, für die sie tätig ist, zu wissen. Es reicht, dass sie das tut, was die jeweilige Partei von ihr erwartet.
Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten - §§ 932 ff BGB
Guter Glaube iSd § 932 II BGB - Bezugspunkte und Zurechnung
Verfügungsmacht § 366 HGB
§ 366 HGB verweist auf die §§ 932 ff. BGB auch für den Fall, dass im Rahmen einer Veräußerung durch einen Kaufmann der Erwerber an die Verfügungsmacht des kaufmännischen Veräußerers glaubt. Verfügungsberechtigung ist die Fähigkeit über einen Gegenstand eien wirksame Verfügung zu treffen. Sie steht idR dem Vollrechtsinhaber zu. Typische Fälle der Verfügungsberechtigung Dritter sind § 185 BGB, § 80 InsO. § 366 HGB ermöglicht den Erwerb von Eigentum bzw. Pfandrecht vom vermeintlich verfügungsberechtigten Kaufmann, wenn der Erwerber nicht bösgläubig iSd §§ 932 II, 1207 BGB ist.
Vertretungsmacht § 366 HGB analog
Umstritten ist, ob §§ 932 ff. BGB iVm § 366 HGB (analog) anwendbar sind, wenn an eine Vertretungsmacht des Kaufmannes geglaubt wird. Vertretungsmacht ist die Fähigkeit einen Dritten iSd § 164 I BGB rechtsgeschäftlich zu binden. Nach wohl hM erfasst § 366 HGB (ggf. analog) auch den Mangel an Vertretungsmacht. Verkehrsanschauung und HGB-Gesetzgeber würden nicht strikt zwischen Vertretungsmacht und Verfügungsbefugnis trennen. Der Verkehrsschutz gebiete die extensive Auslegung bzw. Analogie.
Wechselerwerb Art. 16 II WG
Stellvertreter § 166 I, II BGB
Eigentumserwerb durch Stellvertreter - § 166 I BGB
Wird der Erwerber von einem selbstständigen Stellvertreter vertreten, so sind dessen Kenntnis oder Kennenmüssen für die Beurteilung der Redlichkeit des Erwerbers maßgeblich.
Eigentumserwerb durch gebundenen Stellvertreter- § 166 II BGB
Wird der Erwerber von einem rechtsgeschäftlich bevollmächtigten Vertreter, der nach bestimmten Anweisungen handelt, vertreten, so ist auch das Wissen(müssen) des Vertretenen beachtlich, Keiner darf bösgläubig sein.
Organe § 166 und § 31 BGB
Jeder juristischen Person ist das Wissen seiner Organe zuzurechnen. Es ist nach hM unerheblich, ob die Organe das Wissen im rechtsgeschäftlichen oder privaten Bereich erlangt haben, und ob sie überhaupt an dem Geschäft beteiligt waren. Was die juristische Person “weiß”, das weiß sie. Strittig ist die Begründung. Vielfach wird auf § 166 I BGB abgestellt. Die Besseren Argumente sprechen jedoch für § 31 BGB, denn Organe sind keine Stellvertreter. § 31 BGB ermöglicht die Wissenszurechnung auch, wenn das Organ nicht am Geschäft mitgewirkt hat.
(drei) Rechtsverhältnisse bei der Sicherungsübereignung und Interessenlage
Der schuldrechtliche Sicherungsvertrag (§§ 241 I, 311 I BGB)
Die Abrede ist das schuldrechtliche Kausalgeschäft der Übereignung und dient als BMV iSd § 868 BGB. Es ist in seinem Bestand von der dinglichen Einigung und der zu sichernden Forderung grundsätzlich abhängig.
Inhalt und Pflichten:
Vertragszweck ist es, den Darlehensgläubiger vor einer Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu schützen ohne dessen wirtschaftliche Bewegungsfreiheit über Gebühr zu strapazieren.
Pflichten des Sicherungsgebers:
Der Sicherungsgeber verspricht dem Sicherungsnehmer vertraglich, dass er ihm als Sicherheit für zB eine Darlehensforderung das Eigentum an einer oder mehreren beweglichen Sachen zur sicherheit überträgt. Er verpflichtet sich ferner, das Sicherungsgut pfleglich zu behandeln und im Fall der Sicherungsübereignung nach § 930 BGB für ihn zu besitzen.
Pflichten des Sicherungsnehmers:
Der Sicherungsnehmer übernimmt die Pflicht, das Sicherungsgut nicht als freies Eigentum zu behandeln, sondern als Sicherheit zu nehmen und die vertraglichen (konkludenten) Beschränkungen zu respektieren, dh das Sicherungsgut nicht zu veräußern und zu bleasten.
Regelung des Sicherungsfalles:
Der Sicherungsvertrag regelt vor allem aber den Sicherungs- bzw. Verwertungsfall (zB Zahlungsverzug des Sicherungsgebers) sowie Art und Weise der Verwertung des Sicherungsgutes (öffentliche Versteigerung oder freihändiger Verkauf). Diesbezüglich obliegt dem Sicherungsnehmer die Pflicht, das Sicherungsgut bestmöglich zu verwerten.
Schadensersatz bei Pflichtverletzung - § 280 BGB
Jede Verletzung des Sicherungsvertrages führt zu einem Schadensersatzanspruch aus § 280 IVm §§ 241 I, 311 I BGB des anderen Teils.
Rechtsgrund der Sicherungsübereignung
Der schuldrechtliche Sicherungsvertrag stellt den Rechtsgrund für die Sicherungsübereignung dar. Beide Verträge sind voneinander unabhängig.
Beachte: Bei der Sicherungsübereignung handelt es sich nicht um eine akzessorische Kreditsicherheit.
Treuhandvertrag
Der Sicherungsvertrag ist seiner Rechtsnatur nach ein Treuhandvertrag. Der Sicherungsnehmer erlangt dinglich mehr Rechte als ihm schuldrechtlich zustehen. Er erhält nämlich volles Eigentum, obwohl ihm schuldrechtlich nur das Verwertungsrecht bei Eintritt des Sicherungsfalles gebührt. Dieses Mehr an Rechtsmacht vertraut der Sicherungsgeber dem Sicherungsnehmer nur zu treuen Händen und nur auf Zeit an. Aufgrund dieses fiduziarischen (treuhänderischen) Charakters ist der Sicherungsnehmer auch ohne positive Vereinbarung verpflichtet, das Sicherungsgut dem Sicherungsgeber zurückzugewähren soweit die Sicherheit nicht mehr benötigt wird.
Ansprüche und Rechte aus dem Sicherungsvertrag
Einigung
Bestimmtheit
Das BMV muss hinsichtlich der Beziehung des Sicherungsgebers zum Sicherungsobjekt konkret Rechte und Pflichten festlegen.
Antizipierte Einigung (vorweggenommener Sicherungsvertrag v.a. bei Warenlagern)
Wirksamkeitshindernisse
Sittenwidrigkeit gem. § 138 I BGB
unzulässige AGB § 307 BGB
Ansprüche und Rechtsfolgen
Für den Sicherungszeitraum erhält der SiG aus dem Sicherungsvertrag (§§ 241 I, 311 I BGB) ein Recht zum Besitz iSd § 986 BGB.
Tritt der Verwertungsfall ein, kann der SiN das Sicherungsgut nach §§ 241 I, 311 I BGB herausverlangen und es verwerten (Versteigerung).
Entfällt das Sicherungsinteresse (zB Darlehensrückzahlung) kann der SiG die Rückübereignung des Sicherungsgutes verlangen, falls kein Fall von § 158 II BGB gegeben ist (dann automatischer Eigentumsrückfall)
Verletzen SiN (zB Weiterveräußerung an Dritte) oder SiG (zB Beschädigung der Sache) ihre Pflichten aus dem Sicherungsvertrag, kann der andere Teil Schadensersatz nach § 280 I BGB verlangen.
Nichtigkeit des Sicherungsvertrages - §§ 138, 307 BGB
Der Sicherungsvertrag kann unwirksam sein. In diesem Fall muss der Sicherungsnehmer die erhaltene Sicherheit nach § 812 BGB zurückgewähren.
anfängliche Übersicherung iSv § 138 bzw. § 307 BGB ist gegeben, wenn
Die Deckungsgrenze von Anfang an weit überschritten wird (110% Grenze);
der SiN den SiG dadurch knebelt, dass er dessen wirtschaftliche Bewegungsfreiheit stärker einschränkt als es das Sicherungsinteresse verlangt;
der SiN andere Gläubigerinteressen in der Form beeinträchtigt, dass er dem SiG das letzte pfändbare Vermögen entzieht, so dass anderen Gläubigern eine Kreditwürdigkeit des SiG vorgetäuscht wird (Gläubigergefährdung), die nicht mehr besteht (“Kollision von verlängertem Eigentumsvorbehalt mit Sicherungsübereignung der Globalzession, verhinderbar durch sog. dingliche Teilverzichtsklausel).
Übersicherung und die Freigabeklauselrechtsprechung - “nachträgliche Übersicherung”
Nachträgliche Übersicherung liegt vor, wenn die Parteien einen Sicherungsvertrag schließen, der für den Fall, dass der SiN die Sicherheit nicht mehr benötigt, keine ausreichende Freigabeklausel beinhaltet. Der SiN ist nämlich verpflichtet, das Sicherungsgut, sofern die Deckungsgrenze überschritten ist, dem SiG zurückzuübereignen.
Bisherige Freigabeklauselrechtsprechung der BGH-Senate
Die Rspr. nahm Nichtigkeit des Sicherungsvertrages und der SiÜ gem. § 138 BGB, § 307 BGB an, wenn die Parteien nicht ausdrücklich sog. “qualifizierte Freigabeklauseln” vereinbart hatten. Erforderlich war danach eine Vereinbarung, nach der sich der SiN ermessensunabhängig zur Freigabe von Sicherheiten verpflichtet, wenn eine festgelegte Deckungsgrenze überschritten wird.
Kritik der Literatur
Diese Rspr. war in Details uneinheitlich und wurde von der Lit. kritisiert. So folge die Freigabeverpflichtung bereits aus der Natur der Treuhandabrede, was die ausdrückliche Vereinbarung entbehrlich mache. Die Gesamtnichtigkeit von Sicherungsabrede und SiÜ sei überzogen und ein Verstoß gegen das Abstraktionsprinzip, dessen Durchbrechung nur im besonderen Einzelfall möglich ist. § 138 BGB sei ohnehin nur in Ausnahmefällen anwendbar. IdR greift § 307 BGB, dessen Rechtsfolge grundsätzlich nur Teilnichtigkeit der Sicherungsabrede ist (§ 306 I BGB), nicht aber Unwirksamkeit sogar der Verfügung. Außerdem verstoße die Schutzlosstellung des Gläubigers bei Totalnichtigkeit (=gar keine Sicherung) gegen das Übermaßverbot.
Entscheidung des Großen Senats
Nach einer Entscheidung des großen Senates aus dem November 1997 gilt seither:
Die ausdrückliche Vereinbarung einer Freigabeklausel ist entbehrlich.
Es gilt eine abstrakt generelle Deckungsgrenze (der Betrag bist zu dem das Darlehen durch den Wert der Sicherheit gedeckt sein muss) iHv 110%. Diese Grenze ist auf dem realisierbaren Wert des Sicherungsgutes bezogen. Darüber hinaus besteht Übersicherung.
Der Sicherungswert des Sicherungsgutes ist nicht mit dessen Verkaufswert identisch. Maßgeblich ist der voraussichtliche Wert im Sicherungsfall. Der Freigabeanspruch entsteht daher wegen § 237 S. 1 BGB idR erst, wenn der Schätzwert des Sicherungsgutes den Wert der gesicherten Forderung um mehr als 150% übersteigt.
Rechtsfolge
Wegen der Abstraktion von Sicherungsvertrag und konkreter Sicherungsübereignung erfasst eine Sittenwidrigkeit zunächst nur das jeweilige Geschäft. Im Fall der Sittenwidrigkeit des Sicherungsvertrages bleibt daher die wertneutrale Übereignung zunächst wirksam. Der SiN ist lediglich schulrechtlich aus § 812 BGB verpflichtet, das Sicherungsgut zurückzuübertragen. Nichtigkeit der Übereignung kommt nur bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht (zB böse Absicht, Gedanke der Fehleridentität).
Schutz von Sicherungsgeber und -nehmer
Schutz des Sicherungsgebers
Schutz des SiG bei SiÜ OHNE auflösende Bedingung - (§ 929 ff. BGB)
Erfüllt der SiG beim SiN seine Schuld, hat der SiG aus dem Sicherungsvertrag einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückübertragung des Sicherungseigentums (§§ 241 I, 311 I BGB).
Ist die SiÜ nicht unter der auflösenden Bedingung der Darlehensrückzahlung (§ 158 II BGB) vereinbart, kann der Sicherungsgeber die Übertragung des Sicherungseigentums durch den Sicherungsnehmer auf Dritte nicht verhindern. Der Verstoß gegen die Sicherungsabrede (Treuhand) hindert nicht die Verfügungsmacht des Sicherungsnehmers als Eigentümer, macht diesen aber nach § 280 BGB schadensersatzpflichtig.
Gegen ein Herausgabeverlangen des Sicherungsnehmers hat der Sicherungsgeber ein Recht zum Besitz gem. § 986 I BGB aus dem Sicherungsvertrag. Im Fall der abredewidrigen Weiterveräußerung des Sicherungsnehmers an einen Dritten kann der Sicherungsgeber dem Neuerwerber nach § 986 II BGB sein Recht zum Besitz aus dem Sicherungsvertrag entgegenhalten.
Schutz des SiG BEI auflösend bedingter SiÜ - (§§ 929 ff, 158 II BGB)
Erfüllt der Sicherungsgeber gegenüber dem Sicherungsnehmer seine Schuld, fällt das Sicherungseigentum automatisch an diesen zurück (mit Bedingungseintritt).
Überträgt der Sicherungsnehmer das Sicherungsgut auf einen Dritten wird der Schutz des Sicherungsgebers durch § 161 BGB gewährleistet. Im Fall der auflösendend bedingten Übereignung (§§ 929, 158 II BGB) sind Zwischenverfügungen des Sicherungsnehmers bei Eintritt der Bedingung unwirksam. Bis zum Bedingungseintritt (Schwebezeit) steht dem Herausgabeverlangen eines Dritten die Einrede aus dem Sicherungsvertrag zu (§§ 986 II, 241 I, 311 I BGB).
Der (Neu)Erwerber erwirbt nicht lastenfrei, §§ 936 III, 161 II, III BGB. Insofern ist der Schutz des nach §§ 930, 158 II BGB verfügenden Sicherungsgebers perfekt.
Insolvenz des Sicherungsnehmers
Bei Insolvenz des Sicherungsnehmers hat der Sicherungsgeber ein Aussonderungsrecht gem. § 47 InsO.
Schutz des Sicherungsnehmers
Herausgabeanspruch und Verwertungsrecht bei Eintritt des Sicherungsfalles (nach § 985 BGB -> danach bestmögliche Verwertung)
Insolvenz des Sicherungsgebers (Absonderungsrecht des SiG gem. §§ 50, 51 InsO -> keine Herausgabe der Sache, aber Herausgabe des Verwertungserlöses)
Pfändung beim Sicherungsgeber -> Drittwiderspruchsklage gem. § 771 ZPO
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