Muss der Besitzdiener einen Besitzdienerwillen haben?
h.M.:
Die hM macht das Vorliegen der Besitzdienerschaft nicht von einem Besitzdienerwillen abhängig. Auch ein entgegenstehender Wille des Besitzdieners schaden nicht.
a.A.:
Die Gegenauffassung verlangt einen Besitzdienerwillen, da niemand gegen seinen Willen Besitzdiener sein kann. Jedoch wird durch die Aufnahme der Tätigkeit in einem sozialen Abhängigkeitsverhältnis ein solcher Wille konkludent erklärt, so dass nach dieser Meinung nur ein ausdrcklicher entgegenstehender Wille von Bedeutung sein kann.
Ist § 985 BGB neben vertraglichen Herausgabeansprüchen anwendbar?
e.A.:
Nach der Lehre vom Vorrang der Vertragsverhältnisse wird der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB von vertraglichen Ansprüchen verdrängt.
Dem tritt die wohl hM entgegen. Vertragliche und dingliche Herausgabeansprüche können nebeneinander existieren. Es besteht echte Anspruchskonkurrenz, zumal sich für einen Ausschluss des dinglichen Anspruches aus § 985 BGB im Gesetz keine Anhaltspunkte finden.
Unter sonstige Rechte iSd § 823 I BGB fallen nur absolute Rechte, dh Rechte, die für und gegen jedermann wirken. Fraglich ist, ob der Besitz als sonstiges Recht iSd § 823 I BGB anzusehen ist.
MA:
Eine Minderansicht erachtet den Besitz nicht als sonstiges Recht iSd § 823 I BGB.
Besitz ist die tatsächliche Sachherrschaft, dh ein Zustand und kein Recht.
Der Besitz wird bereits ausreichend über die possessorischen Besitzvorschriften geschützt.
Schließlich würde der Besitz, wäre er ein Recht stets bereits gem. 1922 BGB auf den Erben übergehen; § 857 BGB wäre daneben überflüssig
h.M. und Rspr.:
Richtigerweise erachtet die wohl hM und Rspr. dagegen den Besitz als sonstiges Recht.
Der Besitz hat heute faktisch einen Stellenwert, der dem Eigentum gleichkommt. Dies wird verdeutlicht durch zahlreiche Besitzschutzansprüche (vgl. §§ 861, 1007 BGB).
Der Besitzschutz in §§ 861 ff. BGB ist unzureichend. Insbesondere wird in §§ 861 ff. BGB kein Schadensersatz gewährt.
Fraglich ist allein, ob jeder Besitz den Schutz durch § 823 BGB verdient. Innerhalb der hM wird wie folgt differenziert:
Teilweise wird der Anwendungsbereich des § 823 I BGB auf den unrechtmäßigen entgeltlichen gutgläubigen Besitz vor Rechtshändigkeit ausgedehnt.
Hierfür spricht, dass der redliche entgeltliche unrechtmäßige Besitzer nach den Vorschriften des EBV schließlich auch die Nutzungen (vgl. §§ 987, 988, 990, 993 I BGB) behalten darf. Demgemäß ist es systemkonform, ihm bei Störung seiner Herrschaftsmacht Schadensersatzansprüche zuzugestehen.
Überwiegend wird dem (unmittelbaren) Besitzer nur dann die Qualität eines sonstigen Rechtes zugesprochen, wenn er rechtmäßig ist bzw. auf einem obligatorischen Recht beruht.
Wegen seiner Eigentumsähnlichkeit kann der Besitz nur dann als “sonstiges Recht” deliktischen Schutz erhalten, wenn er wie das Eigentum positive Zuweisungsfunktion und negative Abwehrfunktion hat.
Zudem wird innerhalb der hM im Übrigen nach mittelbaren Besitz und berechtigtem Mitbesitz unterschieden.
Mittelbarer Besitz gewährt Ansprüche aus § 823 I BGB gegen Drittstörer, aber nicht gegen den unmittelbaren Besitzer.
Der berechtigte Mitbesitz hat Ansprüche sowohl gegen Drittstörer als auch im Verhältnis zu anderen Mitbesitzern.
Stellungnahme:
Der hM und der Rspr. ist zu folgen. Der unmittelbare Besitz ist ein durch § 823 I BGB geschütztes Rechtsgut. Richtig dürfte des Weiteren sein, nur dem berechtigten Besitzer den Schutz von § 823 I BGB zuzugestehen.
Ist § 858 BGB ein Schutzgesetz iSd § 823 II BGB. Dies ist dann der Fall, wenn es neben der Allgemeinheit auch Individualinteressen schützt. Ob § 858 I BGB individuelle Rechtsgüter schützt, ist umstritten.
z.T.:
Zum Teil wird der Charakter als Schutzgesetz verneint. Der possessorische Besitzschutz dient allein dem Rechtsfrieden und will die Rechtsordnung schützen. In diesen Vorschriften findet sich der Rechtsgedanke, dass eigene Ansprüche grds. unter Zuhilfenahme staatlicher Organisationen (Gericht) durchgesetzt werden. Zudem ist der Besitz deliktisch bereits ausreichend über § 823 I BGB geschützt.
Nach hM ist § 858 BGB ein Schutzgesetz iSv § 823 II BGB, da nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch Individualinteressen geschützt werden. Dies wird insbesondere durch die Wertung von § 859 BGB deutlich. Wird der Besitz durch verbotene Eigenmacht beeinträchtigt, stehen dem Gestörten Selbsthilferechte zu, um sich zu verteidigen. Um einen Wertungswiderspruch zu den §§ 859 ff. BGB zu vermeiden, kann ein Schadensersatzanspruch aber auch im Fall des § 823 II BGB indes nur für den berechtigten Besitzer bestehen.
Kann Besitz durch Bereicherungsrecht herausverlangt werden?
Die hM differenziert:
Wird der Besitz bereicherungsrechtlich im Rahmen der Leistungskondiktion (§ 812 I 1 Fall 1 BGB) herausverlangt, ist dies unproblematisch möglich.
Umstritten ist dagegen, ob der Besitz auch durch Nichtleistungskondiktion (§ 812 I 1 Fall 2 BGB) herausverlangt werden kann.
Nach einer Minderansicht kann die Herausgabe des unmittelbaren Besitzes, der ein vermögenswertes Recht bzw. eine vermögenswerte Rechtsposition verkörpert, auch im Wege einer Eingriffskondiktion herausverlangt werden. Insoweit soll es sich um einen Fall echter Anspruchskonkurrenz zu den possessorischen Besitzschutzansprüchen handeln.
Die wohl hM erachtet die Eingriffskondiktion auf Herausgabe des unmittelbaren Besitzes als von den §§ 858 ff BGB verdrängt an.
Ließe man die Eingriffskondiktion zu, so würde man die besonderen Regelungen und Anforderungen unterlaufen, die in den §§ 858 ff. BGB aufgestellt sind. Insbesondere würde man die Wertungen von § 861 II BGB (kein Herausgabeanspruch bei eigenem fehlerhaften Besitz) und des § 864 I BGB (possessorischer Besitzschutz kann nur ein Jahr geltend gemacht werden, während bereicherungsrechtliche Ansprüche gem. §§ 195, 199 BGB in drei Jahren verjähren) aushöhlen.
Bei der Leistungskondiktion besteht diese Gefahr nicht, weil dort ein Konkurrenzverhältnis ausscheidet, sog. Vorrang von Leistungsbeziehungen.
Ist die Widerklage wegen eines Rechtes zum Besitz oder eines Anspruches auf Verschaffung des Besitzes zulässig?
Teilweise:
Teilweise wird unter Hinweis auf die Regelung des § 863 BGB, der Einwendungen aus einem Recht zum Besitz gegenüber einem possessorischen Besitzschutzanspruch ausschließt, bereits die Zulässigkeit einer petitorischen Widerklage verneint.
Die Wertung des § 863 BGB zeigt, dass petitorische Einwendungen im Rahmen des possessorischen Besitzschutzes außer Betracht bleiben sollen.
Zweck des Besitzschutzes nach § 861 BGB ist es, einem Besitzer, demgegenüber verbotene Eigenmacht verübt wurde, schnell und umfassen Besitzschutz zu gewähren.
wohl h.M.:
Die wohl hM hält die petitorische Widerklage demgegenüber zumindest für zulässig und stützt sich dabei auf die Überlegung, dass der Zweck des § 863 BGB bei richtiger Verfahrensweise nicht beeinträchtigt werde.
Der mit der Sache befasste Richter hat die Möglichkeit, bei Drohen eines länger dauernden Prozesses durch Teilurteil vorab über den possessorischen Besitzschutz zu entscheiden, vgl. § 301 ZPO.
Ein Verbot der Widerklage ist in den § 863 BGB und § 33 ZPO nicht ausdrücklich angeordnet.
Abzustellen ist richtigerweise auf den Zweck von § 863 BGB. Durch den Ausschluss von Einwendungen, die auf einem Recht zum Besitz basieren, soll verhindert werden, dass sich die Entscheidung über eine Beistzschutzklage in die Länge zieht. Es soll nicht erst über ein geltend gemachtes Recht zum Besitz verhandelt und Beweis erhoben werden. Da aber das Gericht über eine möglicherweise zuerst entscheidungsreife Besitzschutzklage ohnehin sofort und unabhängig von der Widerklage durch Teilurteil gem. § 301 ZPO entscheiden muss, wird der Sinn und Zweck des § 863 BGB durch die Zulassung einer petitorischen Widerklage nicht beeinträchtigt.
Welcher Schaden ist bei Besitzverletzungen ersatzfähig?
Der Nutzungsschaden, dh die Einbuße, die in der Beeinträchtigung der Möglichkeit leigt, die Sache zu gebrauche, wird dem rechtmäßigen Besitzer ersetzt.
Der Substanzschaden dagegen, dh das Vermögensopfer, das durch die Beschädigung der Substanz der Sache entstanden ist, wird allein dem Eigentümer zugewiesen. Ausnahmsweise kann aber auch der Besitzer den Substanzschaden ggü. dem Schädiger geltend machen, wenn er dem Eigentümer selbst zum Schadensersatz verpflichtet ist.
Wie ist der Fall des Tätigwerdens einer Scheingeheißperson zu behandeln? (nur zB Empfänger geht davon aus, dass Lieferant Geheißperson des Verkäufers ist, dabei hat Verkäufer Empfänger getäuscht und Lieferant denkt selbst er sei Veräußerer und Verkäufer hat beide hintergangen und das Geld kassiert und Lieferanten vorgegaukelt er hätte für ihn einen Kaufvertrag als Vertreter abgeschlossen)
Nach einer Ansicht bildet nur die wirkliche Befolgung des Geheißes einen Rechtsscheintatbestand des Besitzes. Allein der Glaube an diesen Rechtsscheintatbestand sei nicht schützenswert.
Nach hM ist die Besitzesübertragung durch eine vermeintliche Geheißperson einem echten Geheißerwerb gleichzustellen. Für den Erwerber ist bei einer Besitzübertragung durch einen Dritten nicht erkennbar, ob es sich um eine echte Geheißperson handelt oder nicht. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit muss daher die Publizitätswirkung der Übergabe durch eine wirkliche Geheißperson genauso bewertet werden wie die durch eine vermeintliche Geheißperson.
Stellt ein Zurückbehaltungsrecht ein Recht zum Besitz iSd § 986 BGB dar?
Rspr.:
Nach Ansicht der Rechtsprechung sind Zurückbehaltungsrechte als Rechte zum Besitz iSd § 986 BGB zu qualifizieren.
§ 986 BGB regelt die Verteidigung gegenüber einem Anspruch aus § 985 BGB abschließend.
Zudem ist der Wortlaut von § 986 BGB und § 1000 BGB gleichlautend (“Kann Herausgabe verweigern”).
Lit.:
Dem tritt das überwiegende Schrifttum entgegen, indem es Zurückbehaltungsrechte als selbstständige Gegenrechte behandelt.
Rechte zum Besitz und Zurückbehaltungsrechte sind wesensverschieden. Während das Recht zum Besitz iSd § 986 BGB eine von Amts wegen zu prüfende Einwendung verkörpert, ist das Zurückbehaltungsrecht nach §§ 273, 1000 BGB eine geltend zu machende Einrede.
Auch die Funktion ist unterschiedlich. Rechte zum Besitz gewähren regelmäßig Gebrauchsrechte; Zurückbehaltungsrechte sollen Druck ausüben und dienen der Sicherung von Gegenansprüchen.
Letztgenannter Ansicht ist zu folgen.
Kann im Fall des weisungswidrig handelnden Besitzdieners von einem Abhandenkommen gesprochen werden?
Zum Teil wird hier darauf abgestellt, ob der Besitzdiener nach außen als solcher erkennbar ist, dh vom Besitzer zu unterscheiden war und die alleinige Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache hatte. In diesem Fall soll ein Abhandenkommen auszuschließen sein.
Begründet wird dies mit dem sogenannten Veranlasserprinzip, dh der Rechtsverlust soll demjenigen treffen, der den Verfügenden freiwillig in die Lage versetzt hat zu verfügen.
Gegenansicht:
Für die Gegenansicht ist allein der Wille des unmittelbaren Besitzers maßgebend.
Nach der Systematik des BGB kann die Entscheidung über die Freiwilligkeit oder Unfreiwilligkeit des Besitzverlustes nur von der Willensrichtung des Besitzers selbst, nicht aber von nicht dazu ermächtigten Hilfspersonen abhängen. Abhanden gekommen ist eine Sache immer schon dann, wenn sie ohne Willen des unmittelbaren Besitzers aus seinem Besitz gekommen ist.
Ist im Falle des Autokaufes ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten möglich, wenn der Veräußerer zwar im Besitz des Fahrzeugbriefes, selbst aber nicht eingetragen ist?
Es wird vertreten, dass der Besitzer des Briefes einen Rechtsschein erzeuge, auf den sich der Käufer bei Erwerber eines gebrauchten Kraftfahrzeuges stets verlassen dürfe, ohne grob fahrlässig zu handeln.
Dem folgt die hM nicht. Gerade zum Zwecke der Umschreibung eines Fahrzeugs wird es vielfach notwendig sein, dass der Eigentümer eines unter Eigentumsvorbehalt verkauften Kraftwagens den in seinem Besitz befindlichen Brief aus der Hang gibt. Hieraus kann nicht grundsätzlich der Schluss gezogen werden, dass dies die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs begründet. Vielmehr trifft den Erwerber eines Kraftfahrzeuges noch eine darüber hinausgehende Nachforschungspflicht, wenn nicht der Veräußerer im Brief eingetragen ist. Der BGH fordert angesicht der Unüblichkeit der fehlenden Eintragung insbesondere beim Erwerb von einer Privatperson die Rückfrage bei der im Fahrzeugbrief eingetragenen Person bezüglich der Eigentumsverhältnisse und der Verfügungsbefugnis des Verkäufers.
Tritt der Anspruch aus § 985 BGB hinter den aus § 346 I BGB zurück?
Nach der Lehre vom Vorrang der Vertragsverhältnisse wird der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB von vertraglichen Ansprüchen verdängt.
Die Anwendbarkeit des § 985 BGB neben vertraglichen Herausgabeansprüchen führt zum Verlust vertraglicher Einreden. Dies widerspricht dem Prinzip, dass Einreden im jeweiligen Vertragsverhältnis bleiben sollen.
Dem tritt die wohl hM entgegen. Vertragliche und dingliche Herausgabeansprüche können nebeneinander existierten (sog. echte Anspruchskonkurrenz).
Für die Subsidiarität des § 985 BGB lassen sich keine gesetzlichen Anhaltspunkte finden.
Bei einem Vorrang vertraglicher Rückabwicklung hätte die Vorschrift des § 985 BGB praktisch keinen eigenständigen Anwendungsbereich, da § 985 BGB nur noch bei unfreiwilligem Besitzverlust eingreifen würde. Diese Konstellation ist aber schon in §§ 861, 1007 II BGB geregelt.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 986 BGB (“zum Besitz berechtigt ist”) wird der Anspruch aus § 985 BGB nur für die Dauer des Besitzrechtes ausgeschlossen.
Der Herausgabeschuldner ist ausreichend durch potentielle Einreden, die ihm gegen den Anspruch aus § 985 BGB zustehen (wie zB §§ 273, 1000 BGB) ausreichend geschützt.
Stellt die Innehabung eines Anwartschaftsrechts ein Recht zum Besitz iSd § 986 BGB dar?
Von Rechtsprechung und einem Teil des Schrifttums wird dies grundsätzlich verneint.
Da das Anwartschaftsrecht streng akzessorisch vom Bestand des schuldrechtlichen Kaufvertrages abhängt, kann nur das schuldrechtliche Grundgeschäft ein Recht zum Besitz begründen.
Ein weitergehender Schutz des Anwartschaftsrechtsinhabers ist im Übrigen entbehrlich. Dieser kann jederzeit seine Verpflichtung aus dem schuldrechtlichen Grundgeschäfts erfüllen und mit Bedingungseintritt Vollrechtsinhaber werden.
Dem ist mit einer starken Literaturansicht jedoch nicht zu folgen. Das Anwartschaftsrecht ist als Recht zum Besitz iSd § 986 BGB zu qualifizieren.
Die Anerkennung eines Anwartschaftsrechtes als Recht zum Besitz entspricht einem praktischen Bedürfnis. Die Übertragung des Anwartschaftsrechtes ist für den Erwerber nur sinnvoll, wenn er zugleich die mit diesem verbundenen Befugnisse dinglich erlangt.
Das Gesetz gesteht auch in sonstigen Fällen dem Inhaber eines beschränkten dinglichen Nutzungs- oder Verwertungsrechtes die Befugnisse des Eigentümers entsprechend zu (vgl. §§ 1065, 1227 BGB).
Anderenfalls wäre das Anwartschaftsrecht im Rechtsverkehr faktisch wertlos.
Kann in einer fehlgeschlagenen Sicherungsübereignung eine wirksame Übertragung eines Anwartschaftsrechtes gesehen werden?
Nach einer Ansicht im Schrifttum soll sich dieses Ergebnis im Wege einer Umdeutung erzielen lassen, vgl. § 140 BGB.
Andere stellen auf § 139 BGB ab und plädieren für eine Lösung über die Grundsätze der Teilnichtigkeit.
Die Rechtsprechung befürwortet dagegen eine Lösung gem. §§ 133, 157, 242 BGB. Im Wege der Auslegung müsse ermittelt werden, was die Parteien gewollt hätten. Regelmäßig sei bei einer misslungenen Vollrechtsübertragung stets zumindest der Übergang eines wesengleichen Minus beabsichtigt, so dass bei fehlgeschlagener Eigentumsübertragung die Übertragung des Anwartschaftsrechtes als mindestens gewollt enthalten ist.
Da alle Ansihcten zum selben Ergebnis führen, kann eine Entscheidung dahinstehen.
Kann ein Eigentumsvorbehaltskäufer, der daraufhin das “Eigentums” auch noch im Rahmen einer Sicherungsübereignung überträgt, sowohl Besitzmittler für den Eigentumsvorbehaltsverkäufer als auch den Sicherungsnehmer sein?
Teilweise werden Sicherungsnehmer und Eigentumsvorbehaltsverkäufer als mittelbare Nebenbesitzer angesehen.
Rspr. und h.M.:
Rechtsprechung und hM nehmen eine Besitzstufung iSv § 871 BGB an. Während der Eigentumsvorbehaltskäufer unmittelbarer Fremdbesitzer (§ 854 I BGB) ist, wird der Sicherungsnehmer mittelbarer Fremdbesitzer 1. Stufe und der Eigentumsvorbehaltsverkäufer mittelbarer Eigenbesitzer 2. Stufe.
Es ist der hM zu folgen. Die Lehre vom mittelbaren Nebenbesitz überzeugt nicht, weil der Sicherungsnehmer im Gegensatz zum Eigentumsvorbahltsverkäufer nicht Eigenbesitzer ist.
Ist eine nachträgliche Erweiterung des Eigentumsvorbehaltes wirksam?
Zwei-Personen-Verhältnis
Die hM erachtet eine nachträgliche Erweiterung des Eigentumsvorbehaltes grundsätzlich für zulässig, soweit im Rahmen einer bedingten Eigentumsübertragung im Rahmen eines Zweipersonenverhältnisses ein Bedingungseintritt noch nicht erfolgt ist. Dies gebietet die Privatautonomie. Im Rahmen ihrer Gestaltungsmacht, können die Parteien sich von einer Einigung lösen oder diese modifizieren.
Drei-Personen-Verhältnis
Fraglich ist, ob etwas anderes zu gelten hat, wenn der Anwartschaftsrechtserwerber das Anwartschaftsrecht auf einen Dritten übertragen hat.
Denkbar ist es, eine nachträgliche Erweiterung des Eigentumsvorbehaltes nach Anwartschaftsrechtsübertragung an einen Dritten grundsätzlich für unzulässig zu erachten.
Mit der Übertragung des Anwartschaftsrechtes an einen Dritten haben die Parteien die Verfügungsbefugnis über das Anwartschaftsrecht verloren.
Dies verlangt der Schutz des Anwartschaftsrechtszweiterwerbers. Würde man eine nachträgliche Erweiterung des Eigentumsvorbehaltes zulassen, nähme man dem Zweiterwerber die Möglichkeit, durch Zahlung der letzten Kaufpreisrate Eigentümer zu werden. Die Zulässigkeit einer nachträglichen Eigentumsvorbehaltserweiterung kommt damit einem unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter gleich und gefährdet die Kreditsicherungsfunktion des Anwartschaftsrechts.
Andere halten eine nachträgliche Erweiterung des Eigentumsvorbahltes nach Anwartschaftsrechtsübertragung an einen Dritten für ohne Weiteres möglich.
Hierfür spricht die Akzessorietät des Anwartschaftsrechtes. Das Anwartschaftsrecht ist an den Kaufvertrag geknüpft. Kaufverträge wirken nur inter partes. Diesbezüglich haben die usprünglichen Parteien ihre Regelungsmacht nicht verloren. Da sie den Kaufvertrag ändern können, können sie mittelbar Auswirkungen auf den Bedingungseintritt und damit das Anwartschaftsrecht herbeiführen. Dies muss umso mehr gelten, weil die Parteien auch den Kaufvertrag auflösen und damit das Anwartschaftsrecht sogar gänzlich zum Erlöschen bringen können (“a maiore ad minus”).
Der Zweiterwerber ist nicht schutzbedürftig. Er kennt die Schwäge des Anwartschaftsrechtes und erwirbt es dessen ungeachtet.
Die heute hM nimmt eine differenzierte Betrachtung vor. Grundsätzlich ist die nachträgliche Erweiterung eines Eigentumsvorbehaltes nach Übertragung des Anwartschaftsrecht auf einen Dritten unzulässig. Dies gilt aber nicht für solche Einwirkungen, die sich aus der Abwicklung des ursprünglichen Kaufvertrages ergeben. Anfechtung, Rücktritt oder Aufhebung muss der Zweiterwerber hinnehmen, da das Anwartschaftsrecht insoweit von vornherein mit dem zugrunde liegenden Schuldverhältnis verknüpft ist und mit dieser Belastung auf den Zweiterwerber übergeht.
Vorrangigen Schutz verdient der Zweiterwerber des Anwartschaftsrechtes, der das Anwartschaftsrecht nur mit den Risiken, die zur Zeit seines Erwerbes bestehen, übernehmen will. Sein Schutzbedürfnis tritt aber zurück, soweit es um die typischen Rechte der Parteien eines Kaufvertrages geht.
Gilt die Sperrwirkung der §§ 987 ff. BGB, die aus der Wertung des § 992 BGB sowie § 993 aE BGB folgt, auch für den bösgläubigen Besitzer?
Vereinzelt wird indes vertreten, dass der bösgläubige Besitzer stets nach §§ 823 ff. BGB haftet.
Dafür spricht, dass der bösgläubige Besitzer das Haftungsprivileg des § 993 I BGB aE nicht verdient.
Nach hM greift die Sperrwirkung des EBV auch im Falle eines bösgläubigen Besitzers ein.
Der Wortlaut des § 993 I BGB aE unterscheidet nicht zwischen gutgläubigem und bösgläubigem Besitzer. Die Norm gilt vielmehr für alle Formen des unrechtmäßigen Besitzes.
Andernfalls ergibt sich ein Wertungswiderspruch zu §§ 990 II, 286 und 287 S. 2 BGB, weil der bösgläubige Besitzer gemäß §§ 823 I, 848 BGB ohne Verzug auf den Vorenthaltungsschaden und bei einer deliktischen Verschaffung der Sache auf für Zufall haftet.
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