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Sachenrecht Streitstände

AL
by Ann-kathrin L.

Unter sonstige Rechte iSd § 823 I BGB fallen nur absolute Rechte, dh Rechte, die für und gegen jedermann wirken. Fraglich ist, ob der Besitz als sonstiges Recht iSd § 823 I BGB anzusehen ist.

MA:

Eine Minderansicht erachtet den Besitz nicht als sonstiges Recht iSd § 823 I BGB.

  • Besitz ist die tatsächliche Sachherrschaft, dh ein Zustand und kein Recht.

  • Der Besitz wird bereits ausreichend über die possessorischen Besitzvorschriften geschützt.

  • Schließlich würde der Besitz, wäre er ein Recht stets bereits gem. 1922 BGB auf den Erben übergehen; § 857 BGB wäre daneben überflüssig

h.M. und Rspr.:

Richtigerweise erachtet die wohl hM und Rspr. dagegen den Besitz als sonstiges Recht.

  • Der Besitz hat heute faktisch einen Stellenwert, der dem Eigentum gleichkommt. Dies wird verdeutlicht durch zahlreiche Besitzschutzansprüche (vgl. §§ 861, 1007 BGB).

  • Der Besitzschutz in §§ 861 ff. BGB ist unzureichend. Insbesondere wird in §§ 861 ff. BGB kein Schadensersatz gewährt.

Fraglich ist allein, ob jeder Besitz den Schutz durch § 823 BGB verdient. Innerhalb der hM wird wie folgt differenziert:

  • Teilweise wird der Anwendungsbereich des § 823 I BGB auf den unrechtmäßigen entgeltlichen gutgläubigen Besitz vor Rechtshändigkeit ausgedehnt.

    • Hierfür spricht, dass der redliche entgeltliche unrechtmäßige Besitzer nach den Vorschriften des EBV schließlich auch die Nutzungen (vgl. §§ 987, 988, 990, 993 I BGB) behalten darf. Demgemäß ist es systemkonform, ihm bei Störung seiner Herrschaftsmacht Schadensersatzansprüche zuzugestehen.

  • Überwiegend wird dem (unmittelbaren) Besitzer nur dann die Qualität eines sonstigen Rechtes zugesprochen, wenn er rechtmäßig ist bzw. auf einem obligatorischen Recht beruht.

    • Wegen seiner Eigentumsähnlichkeit kann der Besitz nur dann als “sonstiges Recht” deliktischen Schutz erhalten, wenn er wie das Eigentum positive Zuweisungsfunktion und negative Abwehrfunktion hat.

Zudem wird innerhalb der hM im Übrigen nach mittelbaren Besitz und berechtigtem Mitbesitz unterschieden.

  • Mittelbarer Besitz gewährt Ansprüche aus § 823 I BGB gegen Drittstörer, aber nicht gegen den unmittelbaren Besitzer.

  • Der berechtigte Mitbesitz hat Ansprüche sowohl gegen Drittstörer als auch im Verhältnis zu anderen Mitbesitzern.

Stellungnahme:

Der hM und der Rspr. ist zu folgen. Der unmittelbare Besitz ist ein durch § 823 I BGB geschütztes Rechtsgut. Richtig dürfte des Weiteren sein, nur dem berechtigten Besitzer den Schutz von § 823 I BGB zuzugestehen.

Ist die Widerklage wegen eines Rechtes zum Besitz oder eines Anspruches auf Verschaffung des Besitzes zulässig?

Teilweise:

Teilweise wird unter Hinweis auf die Regelung des § 863 BGB, der Einwendungen aus einem Recht zum Besitz gegenüber einem possessorischen Besitzschutzanspruch ausschließt, bereits die Zulässigkeit einer petitorischen Widerklage verneint.

  • Die Wertung des § 863 BGB zeigt, dass petitorische Einwendungen im Rahmen des possessorischen Besitzschutzes außer Betracht bleiben sollen.

  • Zweck des Besitzschutzes nach § 861 BGB ist es, einem Besitzer, demgegenüber verbotene Eigenmacht verübt wurde, schnell und umfassen Besitzschutz zu gewähren.

wohl h.M.:

Die wohl hM hält die petitorische Widerklage demgegenüber zumindest für zulässig und stützt sich dabei auf die Überlegung, dass der Zweck des § 863 BGB bei richtiger Verfahrensweise nicht beeinträchtigt werde.

  • Der mit der Sache befasste Richter hat die Möglichkeit, bei Drohen eines länger dauernden Prozesses durch Teilurteil vorab über den possessorischen Besitzschutz zu entscheiden, vgl. § 301 ZPO.

  • Ein Verbot der Widerklage ist in den § 863 BGB und § 33 ZPO nicht ausdrücklich angeordnet.

Stellungnahme:

Abzustellen ist richtigerweise auf den Zweck von § 863 BGB. Durch den Ausschluss von Einwendungen, die auf einem Recht zum Besitz basieren, soll verhindert werden, dass sich die Entscheidung über eine Beistzschutzklage in die Länge zieht. Es soll nicht erst über ein geltend gemachtes Recht zum Besitz verhandelt und Beweis erhoben werden. Da aber das Gericht über eine möglicherweise zuerst entscheidungsreife Besitzschutzklage ohnehin sofort und unabhängig von der Widerklage durch Teilurteil gem. § 301 ZPO entscheiden muss, wird der Sinn und Zweck des § 863 BGB durch die Zulassung einer petitorischen Widerklage nicht beeinträchtigt.

Ist eine nachträgliche Erweiterung des Eigentumsvorbehaltes wirksam?

  1. Zwei-Personen-Verhältnis

    Die hM erachtet eine nachträgliche Erweiterung des Eigentumsvorbehaltes grundsätzlich für zulässig, soweit im Rahmen einer bedingten Eigentumsübertragung im Rahmen eines Zweipersonenverhältnisses ein Bedingungseintritt noch nicht erfolgt ist. Dies gebietet die Privatautonomie. Im Rahmen ihrer Gestaltungsmacht, können die Parteien sich von einer Einigung lösen oder diese modifizieren.

  2. Drei-Personen-Verhältnis

    Fraglich ist, ob etwas anderes zu gelten hat, wenn der Anwartschaftsrechtserwerber das Anwartschaftsrecht auf einen Dritten übertragen hat.

    • Denkbar ist es, eine nachträgliche Erweiterung des Eigentumsvorbehaltes nach Anwartschaftsrechtsübertragung an einen Dritten grundsätzlich für unzulässig zu erachten.

      • Mit der Übertragung des Anwartschaftsrechtes an einen Dritten haben die Parteien die Verfügungsbefugnis über das Anwartschaftsrecht verloren.

      • Dies verlangt der Schutz des Anwartschaftsrechtszweiterwerbers. Würde man eine nachträgliche Erweiterung des Eigentumsvorbehaltes zulassen, nähme man dem Zweiterwerber die Möglichkeit, durch Zahlung der letzten Kaufpreisrate Eigentümer zu werden. Die Zulässigkeit einer nachträglichen Eigentumsvorbehaltserweiterung kommt damit einem unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter gleich und gefährdet die Kreditsicherungsfunktion des Anwartschaftsrechts.

    • Andere halten eine nachträgliche Erweiterung des Eigentumsvorbahltes nach Anwartschaftsrechtsübertragung an einen Dritten für ohne Weiteres möglich.

      • Hierfür spricht die Akzessorietät des Anwartschaftsrechtes. Das Anwartschaftsrecht ist an den Kaufvertrag geknüpft. Kaufverträge wirken nur inter partes. Diesbezüglich haben die usprünglichen Parteien ihre Regelungsmacht nicht verloren. Da sie den Kaufvertrag ändern können, können sie mittelbar Auswirkungen auf den Bedingungseintritt und damit das Anwartschaftsrecht herbeiführen. Dies muss umso mehr gelten, weil die Parteien auch den Kaufvertrag auflösen und damit das Anwartschaftsrecht sogar gänzlich zum Erlöschen bringen können (“a maiore ad minus”).

      • Der Zweiterwerber ist nicht schutzbedürftig. Er kennt die Schwäge des Anwartschaftsrechtes und erwirbt es dessen ungeachtet.

    • Die heute hM nimmt eine differenzierte Betrachtung vor. Grundsätzlich ist die nachträgliche Erweiterung eines Eigentumsvorbehaltes nach Übertragung des Anwartschaftsrecht auf einen Dritten unzulässig. Dies gilt aber nicht für solche Einwirkungen, die sich aus der Abwicklung des ursprünglichen Kaufvertrages ergeben. Anfechtung, Rücktritt oder Aufhebung muss der Zweiterwerber hinnehmen, da das Anwartschaftsrecht insoweit von vornherein mit dem zugrunde liegenden Schuldverhältnis verknüpft ist und mit dieser Belastung auf den Zweiterwerber übergeht.

      • Vorrangigen Schutz verdient der Zweiterwerber des Anwartschaftsrechtes, der das Anwartschaftsrecht nur mit den Risiken, die zur Zeit seines Erwerbes bestehen, übernehmen will. Sein Schutzbedürfnis tritt aber zurück, soweit es um die typischen Rechte der Parteien eines Kaufvertrages geht.

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Ann-kathrin L.

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