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Grundlagen der HP (Schwienhorst)

MM
by Marius M.

Versichertes Risiko - § 100 VVG

1. Bedeutung von § 100 VVG

  • Gesetzliche Grundlage & Basis für HP-Geschäft.

  • VR verpflichtet sich, VN von Ansprüchen Dritter freizustellen → Prüfung, Zahlung oder Abwehr von Ansprüchen.

    • Grundsatz: Jeder, der nicht Vertragspartei des Versicherungsvertrags ist.

    • Modifikationen möglich: AHB oder individuelle Vereinbarungen können den Drittenbegriff einschränken (z. B. Ausschluss von Angehörigen nach Ziffer 7.5 AHB).

  • Passivenversicherung: VR wehrt unbegründete Ansprüche ab & zahlt berechtigte.

  • Gilt für Tatsachen, die während der Versicherungszeit eintreten.

2. Einschränkungen & Besonderheiten

  • Kein Direktanspruch Dritter gegen VR → Ausnahme: Pflichtversicherungen nach § 115 VVG.

  • Ziffer 1.1 AHB basiert auf § 100 VVG → Eingrenzung auf Personen-, Sach- oder daraus resultierende Vermögensschäden.

  • Nur privatrechtliche Ansprüche gedeckt, keine öffentlich-rechtlichen (z. B. Störerhaftung).

  • Spezialität der versicherten Gefahr → Schutz nur für die vertraglich festgelegten Tätigkeits- & Lebensbereiche (privat/gewerblich).

  • Verteidigungskosten werden nicht auf die Versicherungssumme angerechnet (Mehrfachbegrenzung bei mehreren Schadenereignissen möglich).

📌 Beispiel zur Abgrenzung:

  • Privatrechtlicher Anspruch (versichert): Kunde rutscht in einem Supermarkt auf nassem Boden & verlangt Schadenersatz vom Inhaber.

  • Öffentlich-rechtlicher Anspruch (nicht versichert): z. B. Nachbar lagert Müll auf fremdem Grundstück & wird behördlich zur Beseitigung verpflichtet.

3. Historische & kulturelle Einordnung

  • Trend zu durchgeschriebenen Bedingungen.

  • Kulturelle Unterschiede: Wichtiger in entwickelten Ländern, unwichtiger in Drittstaaten.


Rechtsschutzverpflichtung des Haftpflichtversicherers

1. Was bedeutet Anspruchserhebung?

  • Nach § 100 VVG: Jede Erklärung des Dritten gegenüber dem VN, dass er Ansprüche geltend macht.

  • Nicht erforderlich: Gerichtliche Klage – auch außergerichtliche Forderung genügt.

  • Anspruch muss nicht begründet sein, sondern nur auf einen versicherten Sachverhalt gestützt werden.

📌 Beispiel: Kunde fordert Schadenersatz vom VN wegen angeblich fehlerhafter Arbeit – egal, ob der Anspruch berechtigt ist oder nicht, der VR muss prüfen und reagieren.

2. Hauptleistungspflicht des VR 🔹 „Weißer Ritter“-Funktion:

  • VR schützt den VN vor finanziellen Schäden.

  • Er muss berechtigte Ansprüche zahlen und unberechtigte abwehren. 🔹 Schadenersatz- & Abwehrfunktion:

  • VR trägt alleinige Verantwortung für Prüfung, Verteidigung & Regulierung.

  • Muss alle notwendigen Maßnahmen ergreifen. 🔹 Kernpflichten des VR:

  • Führung des Haftpflichtprozesses auf eigene Kosten.

  • Auswahl & Beauftragung eines Anwalts.

  • Abgabe notwendiger Erklärungen im Namen des VN.

3. Weisungen & Dispositionsbefugnis

  • VR kann VN Weisungen erteilen, z. B. zur teilweisen Haftungsbestreitung (Ziffer 25.2 AHB).

  • Weisungen müssen zumutbar & fair sein.

  • Anerkenntnis- & Befriedigungsverbot gilt nicht uneingeschränkt.

  • Gesamtschuldnerausgleich: VR trägt das Risiko, wenn VN mit weiteren nichtversicherten Schädigern gesamtschuldnerisch haftet.

📌 Beispiel: Bauunternehmer (VN) & Subunternehmer verursachen einen Schaden von 100.000 €.

  • Geschädigter fordert gesamten Betrag vom VN.

  • VR weist VN an, nur 50.000 € zu bestreiten.

  • VN ignoriert die Weisung & erkennt volle Haftung an.

  • Folge: VR trägt das Risiko des Gesamtschuldnerausgleichs.

4. Folgen der Ablehnung des Versicherungsschutzes

  • VR muss Deckung eindeutig & rechtzeitig mitteilen.

  • Ablehnung auf eigenes Risiko:

    • Lehnt VR die Deckung vorbehaltlos ab, verliert er die Dispositionsbefugnis.

    • VN kann dann eigenständig handeln – keine weiteren Obliegenheiten.

  • Alternative: VR kann Rechtsschutz unter Vorbehalt übernehmen & Deckung später abhängig vom Ausgang des Prozesses prüfen.

📌 Beispiel zur Dispositionsbefugnis: VR lehnt Deckung vorbehaltlos ab, VN verzichtet auf Rechtsmittel → VN verliert Klage → VR kann nicht mehr eingreifen oder nachträglich Einfluss nehmen.

5. Interessenkonflikte & Treuhänderfunktion des VR

  • VR muss wie ein Anwalt des VN handeln & eigene Interessen zurückstellen (§ 1a Abs. 1 VVG).

  • Beispiel für Interessenkonflikt:

    • VR könnte versucht sein, Ansprüche abzuwehren, um Kosten zu sparen.

    • Er darf jedoch keine Entscheidungen zu Lasten des VN treffen.

    • Muss sich wie ein Treuhänder verhalten → Schutz des VN hat Vorrang.


Kosten des Rechtsschutzes

Grundsatz (§ 101 VVG):

  • Der Versicherer trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  • Das Risiko einer falschen Einschätzung der Rechtslage liegt beim Versicherer.

  • Auch bei Überschreitung der Versicherungssumme (§ 101 Abs. 2 VVG) müssen die Kosten getragen werden.

Abwehrkosten & Versicherungssumme:

  • Übersteigen unbegründete Ansprüche die Versicherungssumme → Versicherer trägt alle Abwehrkosten.

  • Übersteigen begründete Ansprüche die Versicherungssumme → Kosten anteilig zu tragen (Ziffer 6.6 AHB).

Problem: Kostenklauseln

  • Kostenklauseln rechnen Verteidigungskosten auf die Versicherungssumme an.

  • Üblich bei US-Exporten, D&O-Versicherungen und anderen speziellen Bedingungen.

  • Strenge Anforderungen an solche Klauseln, da sie dem gesetzlichen Leitbild des § 101 VVG widersprechen.

Trennung interner und externer Kosten:

  • Interne Kosten = Prüfung der Rechtslage (auch durch externe Anwälte) → Keine Anrechnung auf Versicherungssumme.

  • Externe Kosten = Kosten der direkten Verteidigung im Rechtsstreit.

Rechtsprechung:

  • OLG Frankfurt a. M.: Kostenklausel in D&O-Versicherung für unwirksam erklärt.

  • OLG Frankfurt: Differenzierte Klausel zur Kostenanrechnung für wirksam erklärt.

  • Entscheidungen sind einzelfallabhängig.

Folgen unwirksamer Klauseln:

  • Geltung der Regelungen der AHB/VVG → Keine Anrechnung der Verteidigungskosten auf die Versicherungssumme.

  • Versicherungssumme bleibt vollständig für Schadenskompensation.

Wann Kostenklauseln vertretbar sein könnten:

  • Bei hohen Versicherungssummen und schweren Risiken (z. B. Pharmaindustrie).

  • Aber: Prüfkosten dürfen nie angerechnet werden, da sie eine Kernleistung des Versicherers sind.


Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit in der Haftpflichtversicherung

1. Abgrenzung zwischen grober Fahrlässigkeit und Vorsatz

  • In der Sachversicherung kann der VR nach § 81 Abs. 2 VVG grob fahrlässig herbeigeführte Schäden anteilig kürzen.

  • In der Haftpflichtversicherung sind grob fahrlässig verursachte Schäden vom Versicherungsschutz umfasst.

  • § 103 VVG: Nur bei „vorsätzlich und widerrechtlich“ herbeigeführten Schäden kann der VR die Leistung verweigern.

  • Grund für diesen Schutz: Der Versicherungsumfang soll den geschädigten Dritten absichern.

  • grobe Fahrlässigkeit zeigt Verschulden d. VN und kann somit Haftung + Deckung fördern.

2. Vorsatz-Ausschluss nach Ziffer 7.1 AHB

  • Schäden, die auf vorsätzlicher Herbeiführung beruhen, sind ausgeschlossen.

  • Die Vorschrift entspricht § 103 VVG und setzt den „versicherungsrechtlichen Vorsatzbegriff“ (wissentlich & willentlich) voraus.

  • Der Vorsatz muss sich auf den gesamten Geschehensablauf inklusive Kausalzusammenhang und Schadensfolge beziehen.

  • Beweislast: Der VR muss den Vorsatz nachweisen – Anscheinsbeweis gilt nicht.

3. Versicherungsschutz bei vorsätzlicher Tat

  • Problemstellung: Ein VN begeht eine vorsätzliche Tat mit Schadensfolge. Besteht dennoch Versicherungsschutz?

  • Entscheidender Punkt: Der Vorsatz muss sich nicht nur auf die Handlung, sondern auch auf die Schadensfolge erstrecken.

  • Nach ständiger Rechtsprechung (BGH) sind Ausschlüsse eng auszulegen.

  • Folge: Wenn sich der Vorsatz nur auf die Handlung, nicht aber auf die Schadensfolge bezieht, bleibt der Versicherungsschutz bestehen.

4. Fallbeispiel

  • Sachverhalt:

    • A sticht im Streit auf O ein.

    • O stirbt an den Folgen der Verletzung.

    • Strafgericht: A wird wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt.

    • Die Familie von O fordert Unterhalt.

    • A meldet den „Schaden“ seiner privaten Haftpflichtversicherung.

  • Rechtliche Einordnung:

    • § 103 VVG schließt Versicherungsschutz nur für vorsätzlich und widerrechtlich verursachte Schäden aus.

    • Das Strafgericht stellte keinen Vorsatz hinsichtlich der Todesfolge fest → Nur grob fahrlässig verursacht.

    • Entscheidend: Der Vorsatz muss sich auf den Schaden selbst erstrecken, nicht nur auf die Handlung.

5. Ergebnis & Konsequenzen

  • Kein Ausschluss: Da A hinsichtlich der Todesfolge nur grob fahrlässig handelte, besteht Versicherungsschutz.

  • Beispiel zur Abgrenzung:

    • Ein Autofahrer verursacht absichtlich einen Unfall → Kein Versicherungsschutz.

    • Ein Autofahrer fährt mit überhöhter Geschwindigkeit und verursacht einen Unfall → Grobe Fahrlässigkeit, Versicherungsschutz bleibt bestehen.


Trennungsprinzip in der Haftpflichtversicherung

1. Grundsatz des Trennungsprinzips

  • Das Verhältnis VN ↔ VR bezeichnet man als Deckung.

    • VN trägt die Beweislast für den Versicherungsschutz.

    • VR trägt die Beweislast für einen Ausschluss.

    • “VN fordert Hilfe von VR + Prüfung von Kostenübernahme”

  • Das Verhältnis VN ↔ Geschädigter bezeichnet man als Haftung.

  • Eine fehlende Haftung des VN ändert nichts an der Deckungspflicht des VR – er muss dennoch unberechtigte Ansprüche abwehren.

  • ABER: Nicht jeder Haftungsfall bedeutet Versicherungsschutz!


    Ergebnis:

    ✅ Haftung & Deckung gegeben → Versicherung zahlt

    ❌ Keine Haftung → Versicherung wehrt die Forderung ab

    ❌ Haftung besteht, aber kein Versicherungsschutz → VN muss selbst zahlen

2. Prozessuales & materielles Trennungsprinzip

  • Haftungsprozess: Klärung der Ersatzpflicht des VN gegenüber dem Geschädigten.

  • Deckungsprozess: Klärung der Eintrittspflicht des VR gegenüber dem VN.

  • Neue Betrachtung seit 2008: VN kann einen Anspruch anerkennen und an den Geschädigten abtreten (§ 108 Abs. 2 VVG).

3. Trennungsprinzip nach Abtretung

  • BGH 2011:

    • Der Haftungsprozess klärt, ob und in welcher Höhe VN haftet.

    • Der Deckungsprozess klärt, ob VR dafür eintrittspflichtig ist.

  • BGH 2016:

    • Ausnahme: Wenn der Deckungsanspruch wirksam an den Geschädigten abgetreten wird, vereinigen sich Haftung und Deckung in einer Hand.

    • VR muss sich dann direkt mit dem Geschädigten auseinandersetzen.

4. Ausnahmefälle & Probleme

  • Trennung von Haftungs- und Deckungsprozess sollte bleiben, wenn sonst VN-Interessen gefährdet werden.

    • Z. B. wenn der VR eine vorsätzliche Schädigung des VN im Prozess behauptet (damit er nicht zahlen müsste).

  • Abtretung des Freistellungsanspruchs (§ 108 Abs. 2 VVG) führt dazu, dass der Geschädigte direkt gegen den VR vorgehen kann.

  • Der Anspruch auf Prüfung der Haftpflichtfrage (Ziffer 5.1 AHB i. V. m. § 100 VVG) geht bei Abtretung ebenfalls an den Geschädigten über.

    • Abtretung ≠ Anerkenntnis – Man kann den Anspruch abtreten, ohne Schuld einzugestehen.

    • Durch Abtretung geht nur der Versicherungsanspruch auf den Geschädigten über.

    • VR prüft trotzdem, ob der VN haftet und ob der Schaden gedeckt ist.

    • Anerkenntnis kann riskant sein, wenn der Schaden nicht gedeckt ist: Besser ist Tatsachenerklärung abgeben.

    • ➡ Ohne Abtretung: Der Geschädigte verklagt den VN, aber der VR verteidigt ihn.

    • ➡ Mit Abtretung: Der Geschädigte klagt direkt gegen den VR, der VN bleibt außen vor.

5. Anerkenntnis & Fälligkeit nach Anerkenntnis

  • § 105 VVG: VN kann einen Anspruch grundsätzlich anerkennen.

  • § 106 VVG: Wenn der Anspruch (Haftung + Deckung) bindend festgestellt ist, muss VR innerhalb von zwei Wochen zahlen.

  • Kosten nach § 101 VVG sind innerhalb von zwei Wochen nach Rechnungsstellung zu erstatten.


Was passiert, wenn der VN etwas anerkennt, obwohl er gar nicht haftet?

1. Die Versicherung zahlt nicht automatisch

  • Grundregel (§ 105 VVG): Ein Anerkenntnis des VN verpflichtet die Versicherung (VR) nicht automatisch zur Zahlung.

  • Die Versicherung prüft selbstständig, ob der VN tatsächlich haftet.

  • Wenn keine Haftung besteht, kann die Versicherung die Zahlung verweigern.

Beispiel:

  • Dein Nachbar behauptet, du hättest sein Auto zerkratzt.

  • Um Streit zu vermeiden, sagst du: „Okay, ich übernehme das!“ und gibst ihm deine Versicherung.

  • Die Versicherung prüft aber den Fall und stellt fest: Der Kratzer war schon vorher da!

  • Ergebnis: Die Versicherung zahlt nicht, weil du gar nicht haftest.

2. Gefahr für den VN – Er muss dann selbst zahlen!

Wenn der VN etwas anerkennt, ohne dass er wirklich haftet, riskiert er, dass die Versicherung nicht zahlt.

  • Die Versicherung übernimmt nur berechtigte Ansprüche.

  • Ein vorschnelles Anerkenntnis kann dazu führen, dass der VN selbst für den Schaden aufkommen muss.

Beispiel:

  • Ein Kunde rutscht in deinem Geschäft aus und fordert Schmerzensgeld.

  • Du willst keinen Ärger und sagst: „Ja, ich übernehme das!“.

  • Später stellt sich heraus: Der Kunde ist auf seinen eigenen Schuhen ausgerutscht, nicht auf deinem Boden!

  • Ergebnis: Deine Versicherung zahlt nicht, weil keine Haftung besteht – du musst selbst zahlen.

3. Wann ein Anerkenntnis unproblematisch ist

  • § 105 VVG untersagt Anerkenntnisverbote, d. h. du darfst einen Anspruch anerkennen.

  • Aber: Es ist besser, vorher mit der Versicherung zu sprechen, ob du wirklich haftest.

  • Alternative: Statt ein Anerkenntnis abzugeben, kannst du eine „Tatsachenerklärung“ machen:

    • „Ja, ich war dabei, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich schuld bin. Bitte klären Sie das mit meiner Versicherung.“

4. Fazit – Was sollte der VN tun?

Nicht vorschnell einen Anspruch anerkennen – erst prüfen, ob man wirklich haftet. ✅ Im Zweifel die Versicherung informieren, bevor man etwas verspricht. ✅ Nur berechtigte Ansprüche anerkennen, um keine Kosten selbst tragen zu müssen.

Zeitliche Geltung des Versicherungsschutzes

✅ 1. Wann gilt der Versicherungsschutz?

🔹 Grundsatz: Versicherungsschutz besteht, wenn der Schaden während der Vertragslaufzeit eintritt (Ziffer 1.1 AHB).

🔹 Ereignisprinzip als Standardmodell:

  • In den meisten Fällen gilt das Ereignisprinzip → Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Schädigung, nicht der Verursachung.

  • BGH: Entscheidend ist die letzte schadensauslösende Tatsache (z. B. Serienklauseln greifen hier).

🔹 Herausforderungen bei Langzeitschäden:

  • Schäden mit langer Entstehungsdauer (z. B. Umwelt-/Gesundheitsschäden) erschweren die Zuordnung.

  • Ohne Serienschadenklausel kann es zu Kumulationen kommen, da Versicherer mehrerer Jahre einbezogen werden könnten.

📌 Beispiel 1: Ein Chemieunternehmen leitet über 20 Jahre Schadstoffe ins Grundwasser. 👉 Ohne Serienschadenklausel: Alle Versicherungen der betroffenen Jahre könnten in Anspruch genommen werden. 👉 Mit Serienschadenklausel: Alle Schäden werden als ein Versicherungsfall gewertet.


📌 Beispiel 2: Ein Hersteller produziert von 1995–2020 Babywindeln, die allergische Reaktionen verursachen. Schäden treten erst 2023 auf. 👉 Nach dem Ereignisprinzip ist die Versicherung aus dem Jahr der Schädigung (2023) zuständig – nicht aus dem Jahr der Produktion.


2. Alternative Modelle der Schadenzuordnung

🔹 Pflichtenverstoßprinzip

  • Versicherungsschutz greift bei Pflichtverletzung (z. B. Vermögensschaden-HV, Berufshaftpflicht wie Anwalt, Architekt).

  • Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Planungs- oder Beratungsfehlers.

🔹 Manifestationsprinzip

  • Schaden zählt erst bei erkennbaren Folgen (z. B. Umwelt-HV).

  • Zeitpunkt = erstmalige Feststellung des Schadens, z. B. Gesundheitsschaden durch Umweltgifte.

🔹 Claims-made-Prinzip

  • Versicherungsfall = Zeitpunkt der Anspruchserhebung.

  • Deckung nur, wenn Anspruch während der Vertragslaufzeit gemeldet wird (z. B. D&O-Versicherung).

  • Wichtig: Nachhaftung / Rückwärtsdeckung bei VR-Wechsel vereinbaren.

3. Herausforderungen bei Langzeitschäden



Zeitliche Bestimmung des Versicherungsfalls: Übersicht der 4 Modelle (Vor- und Nachteile)

1. Ereignisprinzip (Schadenereignismodell – AHB-Standard)

🔹 Vorteile für VN:

  • Klar verständlich, keine Deckungslücken bei VR-Wechsel.

  • Schutz unabhängig von Anspruchserhebung.

  • Vorteilhaft für langlaufende Verträge mit hohen Versicherungskapazitäten.

🔹 Nachteile für VN:

  • Problematisch bei Spätschäden (z. B. Umwelt, Gesundheit).

  • Risiko der Kumulierung über mehrere Versicherungsjahre → Serienschadenklauseln begrenzen Deckung.

🔹 Vorteile für VR:

  • Eindeutige Abgrenzung des Versicherungsfalls.

  • Jede Versicherungsperiode bietet eine separate Deckung.

  • Gefahr der Kumulation → Serienschadenklauseln werden zur Begrenzung eingesetzt.

🔹 Nachteile für VR:

  • Erhöhtes Risiko durch langfristige Schäden & hohe Versicherungssummen.

2. Pflichtenverstoßprinzip

🔹 Vorteile für VN:

  • Früher Schutz für Beratungs- & Planungsfehler.

  • Sicherheit für Kammerberufe (z. B. Anwälte, Architekten).

  • Schutz unabhängig von später eintretenden Schäden.

🔹 Nachteile für VN:

  • Fehler, die erst Jahre später auffallen, könnten unversichert sein.

🔹 Vorteile für VR:

  • Frühe Risikobewertung möglich.

  • Vermeidung langfristiger Schäden.

🔹 Nachteile für VR:

  • Ältere Versicherungsverträge könnten später noch betroffen sein.

3. Manifestationsprinzip

🔹 Vorteile für VN:

  • Schutz bei spät erkennbaren Schäden (z. B. Umwelt, Gesundheit).

  • Sinnvoll bei schleichenden Schäden (z. B. Asbest, Grundwasserbelastung).

  • Höhere Planungssicherheit, da Versicherungsfall erst mit Feststellung des Schadens eintritt.

🔹 Nachteile für VN:

  • Gefahr, dass der damalige VR nicht mehr existiert oder Vertrag nicht mehr besteht.

  • Begrenzung der Versicherungsleistung auf aktuelle Versicherungsperiode.

🔹 Vorteile für VR:

  • Vermeidung langer Haftungszeiträume.

  • Passend für Umweltschäden & Gesundheitsschäden.

🔹 Nachteile für VR:

  • Schwierige Feststellung des Versicherungszeitraums.

  • Begrenzte Deckung kann zu Streitigkeiten über das „Erstmanifestationsdatum“ führen.

4. Claims-made-Prinzip

🔹 Vorteile für VN:

  • Klare Deckung, wenn Anspruch während Vertragslaufzeit erhoben wird.

  • Planbarkeit für bestimmte Berufsgruppen (z. B. D&O-Versicherung).

🔹 Nachteile für VN:

  • Gefahr von Deckungslücken ohne Nachhaftung oder Rückwärtsversicherung.

  • Versicherungsleistung oft auf aktuelle Versicherungsperiode beschränkt.

  • Serienschadenklauseln helfen, zusammenhängende Schäden einer Deckungsperiode zuzuordnen.

🔹 Vorteile für VR:

  • Begrenzung auf aktuelle Versicherungsperiode → vermeidet Spätschäden.

  • Klare Zuordnung von Versicherungsfällen.

  • Serienschadenklauseln begrenzen das Risiko durch Kumulschäden.

🔹 Nachteile für VR:

  • Gefahr der AGB-rechtlichen Unwirksamkeit ohne sachgerechte Nachhaftung.

  • Notwendigkeit von angemessenen Rückwärts- und Nachhaftungsversicherungen.


Beispiel: AGB-Kontrolle von Kostenklauseln (Gutachtenstil)

1. Sachverhalt (Beispiel) VN hat eine Betriebshaftpflichtversicherung mit einer Kostenklausel: "Kosten der Rechtsverteidigung werden auf die Versicherungssumme angerechnet." VN sieht sich im Haftpflichtfall benachteiligt, da ihm weniger Versicherungssumme für Schadenersatz zur Verfügung steht.

2. Prüfungsaufbau nach Gutachtenstil

1. Frage: Ist die Kostenklausel wirksam oder benachteiligt sie den VN unangemessen?

  • Prüfung nach §§ 305 ff. BGB, insbesondere § 307 BGB (unangemessene Benachteiligung & Transparenzkontrolle).

2. Anwendbarkeit der AGB-Kontrolle

  • § 305 Abs. 1 BGB: Klausel ist vorformuliert → AGB liegen vor.

  • § 305c BGB: Überraschende Klausel? VN konnte nicht mit dieser Einschränkung rechnen → strittig.

3. Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 BGB

  • Pro VR: Erhaltung der Wirtschaftlichkeit, Ermöglichung hoher Versicherungskapazitäten.

  • Pro VN: Haftpflichtversicherung soll Kernrisiko abdecken, nicht Verteidigungskosten.

  • § 101 VVG: VR muss Kosten unabhängig von der VS tragen → Klausel könnte unwirksam sein.

4. Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB

  • Klausel muss klar & verständlich sein.

  • Problem: Wird der VN nicht ausreichend über die Kostenanrechnung aufgeklärt?

  • Wenn unklar bleibt, dass Verteidigungskosten von der VS abgezogen werden → Transparenzverstoß → Unwirksamkeit möglich.

5. Ergebnis

Die Klausel verstößt gegen § 307 Abs. 2 BGB (unangemessene Benachteiligung) und ggf. gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB (Intransparenz).VR muss Verteidigungskosten zusätzlich zur Versicherungssumme tragen.

6. Fazit für die KlausurAGB-Kontrolle nach § 305 ff. BGB prüfen.§ 101 VVG als Maßstab nutzen – Kosten gehören nicht zur Versicherungssumme.Transparenzkontrolle beachten – Klauseln müssen klar und verständlich sein.Interessen von VN und VR sorgfältig abwägen.

Mit- und Anschlussversicherungen

1. Warum Mit- oder Anschlussversicherungen?

  • Risiko zu groß für einen einzelnen VR.

  • VN möchte verschiedene VR beteiligen.

  • Erhöhte Vertragssicherheit & Kompetenzbündelung.

2. Mitversicherung (Konsortium)

  • Mehrere VR teilen sich ein Risiko, einer übernimmt die Führung.

  • Führender VR entscheidet, andere folgen (Führungsklausel).

  • Kein eigenes Gesetz in Deutschland, geregelt durch Mitversicherungsrichtlinie (78/473/EWG).

📌 Beispiel:

  • VR 1 (führend) 40 %, VR 2: 30 %, VR 3: 15 %, VR 4: 15 %.

  • Führender VR ist prozessführungsbefugt, Entscheidungen binden alle Beteiligten.

3. Rechtsnatur des Konsortiums

  • Keine eindeutige gesetzliche Regelung, verschiedene Modelle denkbar:

    • BGB-Gesellschaft (gemeinsame Risikoübernahme).

    • Geschäftsbesorgung/Auftrag (führender VR verwaltet für andere).

  • Bedeutung für Schadenersatzpflichten und Wettbewerbsrecht.

4. Anschlussversicherungen (Exzedentenversicherung)

  • Zusätzliche Versicherungskapazität über den Grundvertrag hinaus.

  • „Drop-Down-Klausel“: Schützt, falls Grundvertrag ausgeschöpft ist.

  • Vorteil: Größere Vertragssicherheit, da Kündigung nur für betroffenen Vertrag gilt.

📌 Beispiel:

  • Grundvertrag: 20 Mio. €, Exzedent 1: 10 Mio. € nach 20 Mio. €, Exzedent 2: 10 Mio. € nach 30 Mio. €.

💡 Kurz gesagt:

Mitversicherung: Alle VR teilen sich von Anfang an ein Risiko und entscheiden gemeinsam.

Anschlussversicherung: Es gibt einen Grundvertrag – wenn dieser nicht reicht, greifen weitere Verträge nach.

Author

Marius M.

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