Kredit und Kreditsicherheiten
Rechtsverhältnisse der Kreditsicherung
Personalsicherheiten (Überblick)
Rechtsverhältnisse bei der Bürgschaft
Valutaverhältnis Gläubiger/Hauptschuldner
zu sichernde Forderung (Hauptforderung)
Gläubiger und Hauptschuldner verbindet das Schuldverhältnis, dem die zu sichernde Forderung entspringt (zB § 488 BGB oder § 535 II BGB).
Zur Entstehung der Bürgschaft muss eine solche Forderung bestehen (sog. Entstehungsakzessorietät der Bürgschaft, “ohne Forderung keine Bürgschaft” und Inhaltsakzessorietät)
Außerdem können sich aus diesem Verhältnis Einreden ergeben, die auch der Bürge zur Verteidigung gegen seine Inanspruchnahme erheben kann.
ggf. Sicherungsvertrag (§§ 241 I, 311 I BGB)
Zwischen Gläubiger und Hauptschuldner kann neben dem Hauptschuldverhältnis eine weitere Abrede dergestalt getroffen werden, dass der Hauptschuldner sich verpflichtet, dem Gläubiger einen Bürgen zu stellen.
Außenverhältnis Gläubiger/Bürge
Anspruch des Bürgen aus § 765 I BGB
Die Bürgschaft ist ein einseitig verpflichtender Vertrag. Er begründet für den Gläubiger einen Erfüllungsanspruch gegen den Bürgen zur Sicherung der Hauptforderung. Mithin ist das Verhältnis vor allem durch den Anspruch des Gläubigers gegen den Bürgen aus § 765 I BGB und die Verteidigung des Bprgen dagegen gekennzeichnet.
Denkbar ist, die Bürgschaft in einen gegenseitigen Vertrag aufzunehmen. So wenn die Bürgschaftsübernahme die Gegenleistung für eine Verpflichtung des Gläubigers vereinbart wird, zB Kreditgewährung an Hauptschuldner. Dann hat der Bürge Gegenrechte als Gläubiger (§§ 320 ff. BGB).
Nebenpflichten/Obliegenheiten des Gläubigers
Aufgrund der einseitigen Natur der Bürgschaft werden keine Nebenpflichten des Gläubigers begründet. Auch das Gebot des § 242 BGB begründet nur Obliegenheiten. Im Gegensatz zu Nebenpflichten sind diese nicht einklagbar und führen bei Nichtbeachtung nur zum Rechtsverlust des Bürgen.
Forderungsübergang bei Bürgschaftserfüllung
Nicht zuletzt wechselt in diesem Verhältnis die Hauptforderung den Gläubiger, wenn der Bürge leistet - § 774 BGB.
Deckungsverhältnis Hauptschuldner/Bürge
Sicherungsauftrag oder GoA
Zwischen Hauptschuldner und Bürgen besteht das Rechtsverhältnis, das den Bürgen erst veranlasst, sich gegenüber dem Gläubiger zu verbürgen. IdR besteht ein sog. Sicherungsauftrag. Dabei handelt es sich um ein Auftragsverhältnis iSd § 662 BGB bzw. um das einer entgeltlichen Geschäftsbesorgung iSd § 675 I BGB. Besteht kein Sicherungsauftrag, so ist das Verhältnis nach den Regeln der GoA, §§ 677 ff. BGB zu beurteilen.
Zwischen Hauptschuldner und Bürge entsteht kein Gesamtschuldverhältnis (iSd § 426 BGB), da beide verschiedene Verpflichtungen erfüllen.
Rückgriffsanspruch - § 774 I BGB; i.Ü. zB § 670 BGB
Aus dem Grundverhältnis ergeben sich Regressansprüche des Bürgen gegen den Hauptschuldner bei Zahlung (idR § 670 BGB). Zudem kann der Bürge beim Hauptschuldner stets aus § 774 BGB (cessio legis) Regress nehmen.
Befreiungsanspruch - § 775 BGB
Der Bürge hat nach Maßgabe des § 775 BGB einen Befreiungsanspruch gegen den Hauptschuldner.
Bürgschaftsanspruch aus § 765 I BGB - Grundschema
I. Anspruch entstanden
Die Bürgschaft ist zur gesicherten Hauptforderung akzessorisch. Als Voraussetzungen für den Anspruch aus § 765 BGB ergibt sich daraus:
Bestand der Hauptforderung (zwischen Hauptschuldner und Gläubiger)
Einigung über eine Hauptforderung, zB §§ 488, 145 ff. oder § 535 BGB
Keine Wirksamkeitshindernisse, zB §§ 125, 138 BGB
Bestand der Bürgschaft (zwischen Gläubiger und Bürgen)
Einigung: Die Abrede iSd §§ 765, 145, 147 BGB erfordert einen bestimmten Mindestinhalt (essentialia negotii) und ist von den sonstigen Personalsicherheiten (Schuldbeitritt und Garantie) abzugrenzen.
Keine Wirksamkeitshindernisse, zB
Form, § 125 S. 1 BGB iVm § 766 BGB; § 494 BGB
Sittenwidrigkeit, § 138 I BGB
Verstoß gegen §§ 305 ff. BGB, § 305c BGB; § 307 BGB
Fälligkeit der Hauptforderung (zB § 488 BGB oder § 535 II BGB)
II. Anspruch erloschen
Die Gründe für das Erlöschen einer Bürgschaftsverpflichtung sind mannigfach.
Erlöschensgründe bezüglich der Hauptforderung
Das Erlöschen der Hauptforderung (zB durch Erfüllung, Anfechtung, Aufrechnung etc.) führt wegen der Akzessorietät gem. § 767 I BGB zum Wegfall der Bürgenpflicht.
Erlöschensgründe bezüglich der Bürgschaftsforderung
Erfüllung der Bürgschaftsforderung (§ 362 I BGB) durch Leistung des Bürgen oder Erbringung eines Erfüllungssurrogats (zB § 364 I, 389 BGB).
Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) kann neben der Vertragsanpassung auch die Auflösung der Bürgschaft zur Folge haben
Kündigung, Bedingungseintritt bzw. Fristablauf sind mögliche Erlöschensgründe, die sich aus dem Bürgschaftsvertrag selbst ergeben
Anfechtung der Bürgschaft (§ 142 I BGB) bei zB Täuschung/Drohung (§ 123 BGB)
Sonstige Gründe für ein Erlöschen der Bürgenpflicht
Bei freier Schuldübernahme (§ 418 I BGB) oder einer Vertragsübernahme (§§ 241 I, 311 I BGB) wird nicht nur der Altschuldner, sondern auch der Bürge frei (§ 418 I direkt bzw. analog).
Die Freigabe von Sicherheiten iSv § 776 BGB durch den Gläubiger führt zum Freiwerden des Bürgen.
III. Anspruch durchsetzbar
Eigene Einreden des Bürgen
aus besonderer Parteiabrede, §§ 241, 311 I BGB
Einrede der Vorausklage und Verwertungspflicht, §§ 771-773 BGB
sonstige gesetzliche Einreden, zB § 214 BGB
Einreden bezüglich der gesicherten Hauptforderung
alle Einreden des Schuldners, § 768 BGB
Einrede aufgrund Anfechtbarkeit, § 770 I BGB
Einrede aufgrund Aufrechenbarkeit, § 770 II BGB
IV. Rechtsfolge
Bürgenpflicht entspricht der Hauptschuld
Inhaltlich richtet sich der Anspruch des Gläubigers gegen den Bürgen auf die gleiche Leistung wie gegen den Hauptschuldner. Dies gilt zunächst nur für vertretbare Leistungen (§ 91 BGB). Wird eine unvertretbare Sache bzw. höchstpersönliche Leistung geschuldet, hat der Bürge das Gläubigerinteresse in Geld zu befriedigen.
Umfang der Bürgenschuld
Der Bürge haftet im gesamten Umfang der Hauptschuld, sofern nichts anderes vereinbart wurde. Unklarheiten gehen zu Lasten des Gläubigers. Kosten der Kündigung und Rechtsverfolgung trägt der Bürge; § 767 II BGB. Im Einzelfall kann die Auslegung ergeben, dass die Haftung auch weitere Nebenansprüche (zB Zinsen, Provision) umfasst. Bei sog. “Erfüllungsbürgschaften” wird auch für Sekundäransprüche - insbes. Schadensersatz wegen Nichterfüllung gehaftet.
Anspruch aus § 765 BGB
Akzessorietät und Einigung
§ 767 I 1 BGB ist zwingend. Es bestehen
Entstehungsakzessorietät: Ohne zu sichernde Forderung entsteht der Bürgschaftsanspruch nicht. Ist die Hauptschuld eine kpnftige oder bedingte Forderung, ist die Bürgschaft zunächst schwebend unwirksam. Zu beachten ist, dass sich der Bürge auch für “alle Forderungen in Zusammenhang mit der Hauptschuld” verbürgen kann und die Bürgschaft somit auch entsteht, wenn infolge des Nichtbestehens/ Erlöschens der Hauptforderung (nur) Schadensersatz- oder Bereicherungsansprüche gegeben sind. Ohne besondere Abrede ist eine solche Erweiterung jedoch nur bei vom Hauptschuldner verschuldeten Leistungsstörungen anzunehmen (“Erfüllungsbürgschaft”).
Erlöschensakzessorietät: Erlischt die Hauptforderung, erlischt die Bürgschaft. Entsprechendes gilt für Leistungsstörungen bei der Hauptschuld.
Inhaltsakzessorietät (eingeschränkt): Inhalt und Umfang der Bürgenhaftung bestimmen sich nach der Hauptschuld. Uneingeschränkt gilt dies für Minderungen der Hauptschuld. Eine Haftungsverschärfung ist jedoch so nicht möglich, § 767 I 3 BGB. Gleichwohl kann der Bürge sich nicht auf alle Beschränkungen in der Sphäre des Hauptschuldners berufen. So haben haftungsbeschränkende Maßnahmen des Erben des Hauptschuldners keine Wirkung für Bürgen, § 768 I 2 BGB. Gerade hier soll die Bürgschaft greifen.
Bestand der Hauptforderung § 767 I BGB
Hauptforderung-Einigung
Zu sichernde Hauptforderung kann jeder Anspruch sein:
Ist die Hauptforderung ein Darlehen oder ein Mietvertrag (§ 535 II BGB, “Mietbürgschaft”), muss eine wirksame Einigung iSd §§ 145, 147 BGB vorliegen.
Gesichert werden können aber auch Schadensersatz- oder Bereicherungsansprüche.
Beachte: Bei gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichem Übergang der Hauptforderung wechselt auch der Bürgschaftsanspruch auf den neuen Gläubiger, §§ 401, 398, 412 BGB (anders beim Schuldnerwechsel, § 418 I BGB).
Keine Wirksamkeitshindernisse
Einer vertraglichen Hauptforderung (zB § 488 BGB) dürfen keine Wirksamkeitshindernisse entgegenstehen. Es gelten die allgemeinen Grundsätze (§§ 104 ff., § 125, § 138 BGB.
Fälligkeit
Die Hauptforderung muss fällig sein. Ohne deren Fälligkeit lässt sich der anspruch aus § 765 BGB nicht durchsetzen.
Einigung über einen Bürgschaftsvertrag §§ 765, 145 ff. BGB
Einigung, §§ 765, 145 ff. BGB
Die Bürgschaft ist ein zweiseitiges Rechtsgeschäft. Bezüglich des Zustandekommens gilt allgemeines Vertragsrecht (§§ 765, 145, 147 BGB). Die sich als Bürge verpflichtende Partei muss zum Ausdruck bringen, dass sie für die (fremde) Schuld eines Dritten einstehen will (Verbürgungswille). Schwierigkeiten bestehen, wenn der Sicherungsgeber nicht wörtlich eine Bürgschaft übernimmt. Gem. §§ 133, 157 BGB ist zu kumulativem Schuldbeitritt (§§ 241 I, 311 I BGB) und Garantie (§§ 241 I, 311 I BGB) abzugrenzen.
Der Beitretende übernimmt keine “angelehnte”, sondern eine eigene Schuld. Er will als Gesamtschuldner (§§ 421 ff. BGB) neben dem bisherigen Schuldner haften. Akzessorietät der Haftung besteht nur hinsichtlich der gesamtwirkenden Umstände (§§ 433- 424 BGB).
Der Garant verpflichtet sich noch weiter und begründet eine vom Bestand der Hauptforderung völlig abstrakte Schuld und verzichtet auf Einreden. Im Zweifel ist Bürgschaft anzuwenden, denn der Verpflichtete wird sich im Rahmen der gesetzlichen Sicherungsmittel (Bürgschaft) verpflichten wollen (nicht zuletzt wegen § 766 BGB). Für die Begründung eines für ihn ungünstigeren Haftungsverhältnisses müssen weitere Indizien vorliegen, wie zB ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Tilgung der gesicherten Forderung.
Essentialia negotii (erforderlicher Vertragsinhalt)
Gläubiger und Schuldner. Der Bürge muss den Gläubiger nicht kennen. Er kann dem Hauptschuldner eine Blankobürgschaft aushändigen, so dass dieser den Gläubiger selbst einträgt. Entgegen § 167 II BGB ist diese Bevollmächtigung formpflichtig (Warnzweck).
Schuldgrund und Haftungshöhe (auch “Sicherungszweck”). In Individualverträgen genügt unstrittig Bestimmbarkeit.
Mögliche Nebenabreden. Dispositiv sind die Bestimmungen der §§ 771-773 BGB, da “Wo” und “Wann” der Bürgschaftserfüllung.
Formunwirksamkeit
§ 125 S. 1 BGB
Formbedürftigkeit, § 776 S. 1 BGB, § 350 HGB
Formbedürftig ist die Bürgschaft für jede Person, die sich nicht in Kaufmannseigenschaft oder als (Schein)Kaufmann verbürgt (§ 766 BGB).
Ist die Bürgschaft ein Handelsgeschäft (§ 350 HGB), entfällt das Formerfordernis. Was zu den Handelsgeschäften gehört bestimmt sich nach §§ 343, 344 HGB.
Die Kaufmannseigenschaft bestimmt sich nach § 1 I, II HGB bzw. ist in Spezialgesetzen besonders angeordnet. Die tatsächliche Eintragung ins Handelsregister beseitigt den Einwand, nicht Kaufmann zu sein, §§ 2 S.1, 5 HGB.
Als Kaufmann behandeln lassen muss sich jeder, der ggü. gutgläubigen Dritten (Rechtsverkehr) zurechenbar den Rechtsschein veranlasst, Kaufmann zu sein (Scheinkaufmann).
Schriftform, §§ 766, 126 I BGB
Nur die Bürgschaftserklärung (also nicht auch die Willenserklärung des Gläubigers) muss der Schriftform iSd § 126 I BGB entsprechen. Der Bürge muss grds. selbst die Urkunde unterzeichnen. Gem. § 766 BGB muss der bürge alle zur wirksamen Bürgschaftsverpflichtung notwendigen Teile (essentialia negotii) schriftlich abfassen.
Telefax genügt nicht, da sich der Absendende naturgemäß nicht des Originals entäußert und folglich der zugang der schriftlichen Erklärung gem. § 130 I BGB nicht erfolgt. Der Adressat erhält nur eine Kopie.
Die Erklärung muss dem Gläubiger erteilt werden, dh der Bürge hat dem Gläubiger die Bürgschaftsurkunde übergeben.
Nach hM ist auch die Bevollmächtigung iRe Blankobürgschaft entgegen § 167 II BGB (teleologische Reduktion) formpflichtig. Wer eine Blankobürgschaft abgibt muss zu ihrer Formwirksamkeit die Ermächtigung für den, der das Bürgschaftsformular ausfüllen soll, schriftlich abgeben.
Nichtigkeitsfolge - § 125 BGB
Eine formunwirksame Bürgschaftserklärung ist nach § 125 BGB nichtig.
Ggf. Heilung - § 766 S. 2 BGB
Eine Heilung des Formmangels erfolgt nur, wenn der Bürge seine Verbindlichkeit erfüllt (§ 362 I BGB oder Erfüllungssurrogate), § 766 S. 2 BGB. Der Vertrag wird dann ex nunc (ab jetzt, dh nicht rückwirkend) wirksam.
§ 494 BGB Verbraucherkreditvertrag
§ 494 BGB stellt für Verbraucherkreditverträge ein Formerfordernis auf, dessen Nichtbeachtung zur Nichtigkeit des Vertrages führt. Umstritten ist, ob Bürgschaften unter den Anwendungsbereich des § 494 BGB fallen. Maßgebend ist, ob der Bürgschaftsvertrag als eine Finanzierungshilfe iSd § 506 I BGB anzusehen ist:
Lit.: unanwendbar
Hinreichender Schutz des Bürgen durch § 766 BGB.
Bewusste Auslassung in § 499 I BGB durch den Gesetzgeber. Es besteht keine Regelungslücke.
Die Bürgschaft ist nicht entgeltlich wie die Verträge iSd § 506 I BGB.
BGH/EuGH: unanwendbar
Die Bürgschaft ist kein Verbraucherdarlehensvertrag, da der Bürge nicht selbst Kreditnehmer ist.
Bürgschaft zur Sicherung eines Kredits, fällt auch dann nicht in den Geltungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie, wenn weder bürge noch Kreditnehmer iR ihrer Erwerbstätigkeit gehandelt haben.
Lit.: anwendbar
§ 766 BGB bietet nur unzureichenden Schutz. Der Bürge muss nach den Vorgaben des § 494 BGB über sein übernommenes Risiko aufgeklärt werden.
Da der Schuldbeitritt nach allg. Auffassung unter den Anwendungsbereich des § 494 BGB fällt, muss das auch für die Bürgschaft gelten, da wirtschaftlich betrachtet dieseelbe Situation vorliegt und der Bürge das gleiche Risiko trägt.
Klauselkontrolle nach §§ 305 ff. BGB
Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich der AGB-Vorschriften, § 310 BGB
Vorliegen von AGB (Begrifftlicher Anwendungsbereich), § 305 I BGB
Einbeziehung der Klausel im Vertrag (Vereinbarung), § 305 II BGB bzw. § 310 I BGB iVm §§ 145 ff. BGB
keine überraschende Klausel, § 305c BGB - (P) Bürgschaft
Vorrang der Individualabrede, § 305d BGB
Klauselkontrolle (Inhaltskontrolle)
Auslegung, § 305c BGB: §§ 133, 157, 242 BGB; § 346 HGB
Abweichung (Kontrollfähigkeit), § 307 III S. 1 BGB
Kataloge und Generalklausel, § 309 BGB - § 308 BGB - § 307 BGB - (P) Bürgschaft
Überraschende Klausel § 305c BGB
Überraschende Klausel
Überraschend ist eine Klausel, wenn sie nach den Umständen des Geschäftes so ungewöhnlich ist, dass der Partner mit ihr nicht zu rechnen braucht. Starkes Überreaschungsmoment; Maßstab: Verständnis des Durchschnittskunden der konkreten AGB (individuelle Betrachtung), Erscheinungsbild des Vertrages.
Überraschend ist die bürgschaftliche Einstandspflicht, wenn die im (AGB)-Vertrag festgelegte Hauptschuld zB nicht mit der in den Verhandlungen besprochenen, zu sichernden Forderungen übereinstimmt. Oder wenn zB der Bürgschaftszweck (konkretisiert durch den Anlass der Bürgschaft) nicht mit dem in den AGB erwähnten Haftungsumfang korrespondiert.
Rechtsfolge
Eine “überraschend” in AGB erwähnte Bürgschaft erlangt mangels Einigung keine Wirksamkeit.
Unangemessene Benachteiligung § 307 BGB
Prüfung der § 307 I S. 1 und II BGB
§ 307 BGB ist ein einheitlicher Tatbestand. Abstatz 2 ist nicht etwa lex specialis, sondern enthält Regelbeispiele, bei deren Vorliegen das Gesetz die Vermutung (“im Zweifel”) knüpft, dass eine Benachteiligung iSd § 307 I BGB vorliegt. § 307 BGB verlangt vom Bearbeiter eine Interessenabwägung zwischen den Positionen des AGB-Verwenders und denen des Bürgen. Es gilt ein abstrakt-genereller Prüfungsmaßstab.
Verbot der Fremddisposition
Ein wesentlicher Grundgedanke des Bürgschaftsrechts ist das Verbot der Fremddisposition, § 307 II Nr. 1 BGB iVm § 767 I 3 BGB. Demnach ist eine vom Bürgen unbeeinflusste Haftungserweiterung nicht zulässig. Dieser Gedanke ist insbesondere für die Fälle nutzbar zu machen, in denen die formularmäßige Verpflichtung über den Anlass der Bürgschaft hinausgeht.
Transparenzgebot - § 307 I S. 2 BGB
Eine unangemessene Benachteiligung und damit ein Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 307 BGB) kann in der Verletzung des vertraglichen Transparenzgebotes liegen. Dies ist der Fall, wenn eine Klausel nicht dem Mindesterfordernissen des formalen Gebots von Klarheit und Bestimmtheit entspricht.
Dogmatisch geht es um die Frage der Zulässigkeit der AGB-mäßigen Vereinbarung von Globalbürgschaften, welche die Rechtsprechung grundsätzlich bejaht.
Rechtsfolge (Teilunwirksamkeit, Anlassrechtsprechung)
Eine formularmäßige Haftungserweiterung per AGB führt zur Teilnichtigkeit gem. § 306 I BGB. Die Rspr. unterscheidet in der Beurteilung des Fortbestandes von AGB-Klauseln zunehmend zwischen dem durch den Anlass der Bürgschaft gedeckten Teil der Bürgenverpflichtung und dem Tiel, der durch die AGB-Klauseln darüber hinausgeht; nur letzterer ist unwirksam.
AGB-Prüfung und § 138 BGB
Die Überprüfung des Bürgschaftsvertrages nach den §§ 305 ff. BGB (abstrakt-generell) geht der Prüfung des § 138 BGB vor. Erst im Anschluss ist der Vertrag hinsichtlich der Wirksamkeit gem. § 138 BGB unter Berücksichtigung der Umstände des zu entscheidenden Einzelfalles zu würdigen.
Unwirksamkeit nach § 138 I BGB
§ 138 I BGB
objektiver Tatbestand
Sittenverstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden (objektiver Maßstab). Konkretisiert durch die BGH-Rechtsprechung zur Bürgschaft bedeutet das:
Finanzielle Überforderung des Bürgen
und (!) eine der folgenden Fallgruppen:
Beeinträchtigung der Entschlussfreiheit
Emotionale Verbundenheit
kein Eigeninteresse des Bürgen und (!)
keine Kompensation des Sittenwidrigkeitsvorwurfs durch berechtigte Interessen
subjektiver Tatbestand
Auf eine sittenwidrige Gesinnung (Motive) kommt es nicht an. Ausreichend:
Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände oder
mindestens grob fahrlässiges Sichverschließen vor Kenntnisnahme
§ 138 II BGB
§ 138 II BGB ist auf Bürgschaften nicht anwendbar. Der Tatbestand der Norm erfordert ein Austauschverhältnis vermögensrechtlicher Art (vgl. Wortlaut: “auffälliges Missverhältnis der Leistungen”). Bei der Bürgschaft findet kein derartiger Leistungsaustausch statt.
Finanzielle Überforderung
Verschuldung ist kein Sittenverstoß, sondern erlaubtes Risiko
Der Grundsatz der Privatautonomie erlaubt es, sich auf riskante und ggf. außerhalb der eigenen Leistungsfähigkeit liegende Rechtsgeschäfte einzulassen. Finanzielle Überforderung des Bürgen kann daher nur iVm weiteren Umständen zum Sittenwidrigkeitsvorwurf führen.
Finanzielle Überforderung (objektiver Tatbestand)
Krasses Missverhältnis zwischen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Bürgen und übernommener Verpflichtung. Anzunehmen, wenn der Bürge:
bei Eintritt des Bürgschaftsfalles voraussichtlich nicht einmal in der Lage sein wird, die Zinsen des gesicherten Kredits aufzubringen oder
binnen 5 Jahren ab Fälligkeit der Bürgschaftsforderung 1/4 der Bürgschaftssumme aus eigenen pfändbaren Einkünften zu bestreiten
Kenntnis der Überforderung (Kennenmüssen)
Hat sich der Gläubiger nicht um die Vermögensverhältnisse des Bürgen gekümmert, muss er dessen Überforderung als bekannt gegen sich gelten lassen.
Beeinträchtigung durch Gläubiger oder Schuldner
Freie Entscheidung ist die Grundlage privatautonomer Rechtsgestaltung. Dies gilt insbesondere bei der Übernahme von Verpflichtungen über die eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hinaus. Bei bewusster Manipulation der Entschlussfassung ist die vereinbarte Bürgschaft unwirksam.
Gläubiger verharmlost Tragweite der Verpflichtung; verschweigt erhebliche Haftungsrisiken; drängt “überrumpelt” zur Haftungsübernahme
Schuldner manipuliert Bürgen bzw. Gläubiger nutzt dies aus
Kompensation nicht möglich
Der durch die unzulässige Beeinflussung der Entschlussfreiheit des Bürgen begründete Sittenwidrigkeitsvorwurf ist nicht zu entkräften.
Da eine emotionale Verbundenheit des Bürgen zum Schuldner generell eine schwächere Verhandlungsposition des Bürgen bedingt, sind auf diesen Motiven resultierende Bürgschaften (bei finanzieller Überforderung) unwirksam:
Ehegatten- und Kinderbürgschaften
ebenso für Lebenspartner und Verlobte
Geschwister (bei ähnlicher emotionaler Bindung)
idR nicht bei Gesellschaftern für ihre Gesellschaft
Kompensation möglich
Den Sittenwidrigkeitsvorwurf entkräften können einige als berechtigt anerkannte Gläubigerinteressen bzgl. der Verpflichtung vermögensloser Bürgen:
Sicherung vor Vermögensverlagerung auf den Bürgen
Sicherung erwarteten Vermögensanfalls
Kein Eigeninteresse oder Vorteil des Bürgen
Ähnlich der altruistischen Motivation emotionaler Verbundenheit beurteilt sich die Situation, in der ein Bürge aus rein fremdnützigen Motiven handelt, dh ihm aus der Bürgschaftsübernahme im Deckungsverhältnis (Bürge-Schuldner) keine Vorteile erwachsen. Strittig ist jedoch, ob bereits mittelbare Vorteile (zB erhöhte Unterhaltsleistungen) Vorteilhaftigkeit begründen.
Bürgschaft
Erlöschensgründe
Erlischt die Hauptforderung, geht auch die Bürgenpflicht unter, § 767 I 1 BGB. Dies ergibt sich aus der Rechtsnatur der Bürgschaft als akzessorisches Sicherungsmittel (anders zB Garantie).
§ 142 I BGB
Die Bürgschaft unterliegt den Regeln der Anfechtung gem. §§ 119 ff. BGB:
§ 119 II BGB ist denkbar (verkehrswesentliche Eigenschaft), aber nicht wegen Vorstellungen über Solvenz des Schuldners (teleologische Reduktion von § 119 II BGB, da typisches Vertragsrisiko)
§ 123 I BGB: insbesondere bei irreführenden Angaben bzw. Druckausübung. Beachte Haftung aus cic (Vertragsauflösung), falls Gläubiger selbst täuscht.
§ 313 BGB
Die Erwartung des Bürgen, er werde aus der Bürgschaft nicht in Anspruch genommen bzw. die Vorstellung über Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners kann nicht Geschäftsgrundlage der Bürgschaft sein, insoweit handelt es sich um ein vertragstypisches Risiko. Verbleibende Fälle:
Bürgschaft vermögensloser Angehöriger
Diese Bürgschaften sind nicht unwirksam, wenn der Gläubiger ein berechtigtes Interesse an der Bürgenverpflichtung darlegen kann. Können diese Gründe jedoch endgültig nicht mehr eintreten, zB keine Vermögensverschiebung wegen Scheidung der Ehe, so ist Raum für die StöGG, wenn die weitere Bürgenhaftung schlechthin unzumutbar erscheint (Abwägung).
Bürgschaft unter erkennbaren Vorbehalten
Geschäftsgrundlage sind Vorbehalte des Bürgen, die bei Vertragsschluss erkennbar waren und nicht alleinig der Bürgensphäre zuzurechnen sind. zB Verbürgung in Annahme des Bestehens einer weiteren Sicherheit
Rechtsfolge: Vertragsanpassung an Vermögensverhältnisse des Bürgen oder Auflösung
Befristung/Bedingung
Befristung und auflösende Bedingung können zum Erlöschen des Anspruches aus § 765 BGB führen.
Befristung - §§ 777, 163 BGB
Ein befristeter Vertrag endet mit Eintritt des Fristablaufs. § 777 BGB ermöglicht es dem Gläubiger, die Befreiung nach dem Verfahren des § 777 I BGB zu verhindern. Die Bürgenhaftung bestimmt sich dann nach § 777 II BGB.
Auflösende Bedingung - § 158 II BGB
Ein Fall der auflösenden Bedingung ist § 158 II BGB, wonach eine zunächst wirksame Bürgschaftserklärung im Fall des Eintritts einer vereinbarten Bedingung erlischt.
§ 355 BGB
Für Widerrufsrechte von Verbrauchern ist zu differenzieren:
Geschäft außerhalb von Geschäftsräumen - § 312b BGB
Ein Widerrufsrecht besteht. Nach neuester Rechtsprechung ist es dabei egal, ob die Hauptschuld Geschäfts- oder Verbraucherkredit ist.
Fernabsatzvertrag - § 312c BGB
Ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB besteht nicht. § 312c BGB setzt voraus, dass ein Unternehmer eine Dienstleistung erbringt. Dies wäre der Bürge gerade nicht.
Verbraucherkreditvertrag - §§ 488, 491, 506 BGB
Ein Widerrufsrecht nach §§ 355, 495 BGB besteht nicht. Der Bürgschaftsvertrag ist kein Verbraucherdarlehensvertrag, da der Bürge kein Kreditnehmer ist.
Kündigung
Ohne Vereinbarung ist eine Kündigung nur für Bürgschaften, die Dauerschuldverhältnisse absichern, möglich (zB Kreditbürgschaft). Zeitlich begrenzte Bürgschaften können bei besonderem Grund (zB wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse, § 490 II BGB) gekündigt werden. Für unbegrenzte Bürgschaften genügt ein gewisser Zeitablauf mit angemessener (Abwägung der Parteiinteressen) Kündigungsfrist. Wirkung: ex nunc, dh entstandene Verbindlichkeiten bleiben bestehen.
Verzicht der Forderungsgläubiger auf eine Sicherheit (Freigabe iSv § 776 BGB), die bei Inanspruchnahme des Bürgen auf diesen gem. §§ 774, 412, 401 BGB überginge, wird der Bürge insoweit frei, als er wegen der Rechtsaufgabe nicht Regress nehmen kann (zB Bprge um den ausgleichspflichtigen Betrag des freien Mitbürgen).
Sicherheiten Akzessorische Rechte iSd § 401 BGB, zB Pfandrechte, Hypotheken, Rechte von Mitbürgen; Für selbstständige, dh abstrakte Rechte (zB Grundschuld) gilt § 776 BGB analog.
Freigabe ist vorsätzliches, nicht nur fahrlässiges Handeln. Bloßes Unterlassen (zB § 1218 I BGB) genügt nicht.
Einreden des Bürgen
Eigene Gegenrechte des Bürgen
Einrede der Vorausklage, §§ 771 I, 772 I, 773 BGB
Die Bürgenverpflichtung ist ggü. der des Hauptschuldners subsidiär. Darum kann der Gläubiger vor Inanspruchnahme des Bürgen von diesem auf die Zwangsvollstreckung gegen den Bürgen verwiesen werden. Den Umfang der nötigen Befriedigungsversuche regelt für Geldschulden § 772 I BGB.
Ausgeschlossen, wenn Bürgschaft Handelsgeschäft ist, §§ 349, 343 HGB.
Ausgeschlossen nach § 773 BGB, zB selbstschuldnerische Bürgschaft.
Verwertungspflicht, § 772 II BGB
Der Bürgenverpflichtung geht die Sachhaftung des Hauptschuldners vor. Bei Geldforderungen kann daher der Bürge den Gläubiger zunächst auf die Pfandverwertung verweisen. Analog bei Sicherungsübereignung und Eigentumsvorbehalt.
sonstige Einreden kraft Gesetzes
Dem Bürgen stehen auch alle anderen Einreden aus allgemeinem Recht zu. zB Verjährung der Bürgschaftsforderung selbst (nicht der Hauptforderung)
Bürgeneinrede aus § 242 BGB
Ist der Bürge entgegen § 138 I BGB wirksam verpflichtet worden, da der Gläubiger ein berechtigtes Interesse an der Bürgenhaftung hat, kann ihm dennoch ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 242 BGB zustehen, zB
Leistungsverweigerungsrecht bis zum Einritt der Vermögensverschiebung
Leistungsverweigerung des aufgrund erwarteten Vermögensanfalls verpflichteten Bürgen bis zum tatsächlichen Vermögenserwerb, zB Erbfall.
Rechte bezüglich der Hauptforderung § 768 BGB, § 770 BGB
Einreden gegen die Hauptforderung, § 768 BGB (Schuldnereinreden)
Der Bürge kann auch Schuldnereinreden geltend machen, § 768 S. 1 BGB. zB Verjährung, Zurückbehaltungsrechte, Stundung der Hauptforderung. Ausgeschlossen ist die Einrede der beschränkten Erbenhaftung, § 768 I 2 BGB.
Ein Verzicht des Hauptschuldners auf Einreden kommt einer nachträglichen Erweiterung der Hauptverbindlichkeit gleich und ist daher ggü. dem Bürgen unverbindlich (§ 767 I 3 BGB9. Ebenso bei Verzicht, § 768 II BGB.
Einrede aufgrund Anfechtungslage, § 770 I BGB
Gestaltungsrechte sind naturgemäß nur persönlich auszuüben. Gleichwohl hat die Anfechtungslage Wirkung für den Bürgen, indem er solange (zB §§ 121, 124 BGB) die Anfechtbarkeit besteht, die Lesitung verweigern kann, § 770 I BGB gilt analog für Minderung und Rücktritt.
Die Wirkung des Verzichts des Hauptschuldners wird strittig beurteilt:
h.M.: Verzicht beseitigt Einrede
Anders als bei § 768 BGB kann der Bürge nicht Rechte geltend machen. Ihm steht nur eine Einrede zu.
MM: Verzicht ist unverbindlich
§ 768 II BGB analog. Rechtsstellung des Bürgen in gleicher Weise wie beim Einredeverzicht betroffen.
Einrede aufgrund Aufrechnungsrechtes des Gläubigers, § 770 II BGB
Kann der Gläubiger in der Aufrechnung Befriedigung finden, soll der Bürge seine Inanspruchnahme verweigern können (Subsidiarität der Bürgschaft).
§ 770 II BGB analog bei einseitiger Aufrechnungsbefugnis des Schuldners?
h.M.: nicht bei Aufrechnungsbefugnis des Schuldners
Zweck des § 770 II BGB ist es nur, der Aufrechnung als einfachere Befriedigungsmöglichkeit ggü. der Bürgeninanspruchnahme den Vorrang einzuräumen, wenn diese Möglichkeit nicht besteht, haftet der Bürge; Wortlaut
MM: § 770 II BGB analog
Der nicht aufrechnungsbefugte Gläubiger wird sonst ggü. dem Bürgen bevorzugt.
Die Einrede kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Bprgschaft gerade eine Gläubigerforderung aus § 823 I BGB sichert. Wenngleich MIT einer solchen Forderung aufgerechnet werden kann (§ 393 BGB), so darf doch über § 770 II BGB dennoch kein Zwang ausgeübt werden.
Besondere Erscheinungsformen
Bürgschaft auf erstes Anfordern
Üblich im Baugewerbe, Bankgeschäft und internationalen Wirtschaftsverkehr. Der Bürge verpflichtet sich, auf einfaches Anfordern des Gläubigers hin zu leisten, egal ob ggf. Einwendungen gegen die Hauptforderung bestehen. Diese Einstandspflicht ähnelt der Garantie. Der Bürge ist jedoch berechtigt, seine Einwendungen später in einem Rückforderungsprozess geltend zu machen. Damit bleibt letztlich die Akzessorietät der Bürgenpflicht zur Forderung gewahrt. Diese Vertragsgestaltung ist für den Gläubiger komfortabel, da der Bürge nur ein Minimum an Einreden (Rechtsmissbrauch, § 242 BGB) zur Verfügung hat. Der Bürge trägt hingegen das gesamte Prozess-, Verzögerungs- und Solvenzrisiko. Aufgrund dieser Gefährlichkeit schuldet der Gläubiger dem Bürgen Aufklärung über das Vertragsrisiko. Im Falle unterbliebener Aufklärung entsteht nur eine gewöhnliche Bürgschaft. Dies ist notwendig, damit der Bürge geeignete Maßnahmen treffen kann, sein Risiko ggü. dem Schuldner abzusichern (Entgelt mit Risikoaufschlag, sonstige Sicherungsmaßnahmen). In AGB kann nach Rechtsprechung des BGH eine Bürgschaft auf erstes Anfordern nur wirksam vereinbart werden, wenn der Bürge Kreditinstitut iSd § 1 KreditwesenG ist.
Ausfallbürgschaft
Der Bürge haftet nur, soweit der Gläubiger Befriedigung trotz Anwendung gehöriger Sorgfalt nicht erlangen konnte. Hervorzuhebende Besonderheiten: Die Einrede aus § 771 BGB ist entbehrlich. Da der Ausfall des Hauptschuldners Anspruchsvoraussetzung ist, bedarf es nicht der Einrede der Vorausklage.
Freiwerden des Bürgen bei Gläubigerverschulden. Verursacht der Gläubiger schuldhaft den Ausfall des Hauptschuldners (zB nachlässige Forderungseinziehung), haftet der Bürge nicht.
Nachbürgschaft
Der Bürge verpflichtet sich ggü. dem Gläubiger für den Fall, dass der Vor- bzw. Hauptbürge ausfällt. Gesicherte Forderung ist hier der Gläubigeranspruch aus der Hauptbürgschaft. Akzessorietät besteht unmittelbar zur Forderung gegen den Hauptbürgen und mittelbar auch zur Forderung, die der Hauptbürge absichert. Bei Leistung des Nachbürgen geht auf ihn gem. § 774 I BGB die Gläubigerforderung gegen den Hauptbürgen und damit auch die gegen den von diesem gesicherten Hauptschuldner über.
Rückbürgschaft
Bürgschaft ggü. einem Hauptbürgen für dessen Rückgriffsansprüche gegen den Hauptschuldner. Der Rückbürge sichert mithin das Risiko des Hauptbürgen als Gläubiger gegen den Hauptschuldner. Erfüllt der Rückbürge ggü. dem Hauptbürgen, geht nach h.M. der Anspruch des Hauptbürgen gegen den Hauptschuldner auf den Rückbürgen über, § 774 I BGB (Argument: Rückbürge rückt durch Zahlung in Gläubigerstellung ein). Nach a.A. soll eine gesonderte Abtretung nötig sein, da die Rückbürgschaft in keinem unmittelbaren Zusammenhang zur Hauptbürgschaft stehe und damit die Wirkung des § 774 I BGB auch nicht erstreckt werden könne.
Teilbürgschaft/ Anzahlungsbürgschaft
Die Teilbürgschaft begründet für den Bürgen eine Einstandspflicht für einen feststehenden, limitierten Betrag der gesicherten Hauptforderung. Dies unterscheidet sich von der Höchstbürgschaft, denn bei einer solchen Vereinbarung wird für mehrere, künftig entstehende Einzelforderungen (zB aus Geschäftsbeziehung) gehaftet, deren Gesamtumfang durch einen Höchstbetrag begrenzt ist. Sonderfalls - Anzahlungsbürgschaft: Der Gläubiger lässt sich (meist selbstschuldnerisch) versprechen, dass erbrachte Anzahlungen zurückerstattet werden, wenn der Autragnehmer die geschuldete Leistung nicht ordnungsgemäß erbringt.
Kontokorrentbürgschaft §§ 355, 356 HGB
Kontokorrentbürgschaft ist eine Bürgschaft für Forderungen, die in laufende Rechnung aufgenommen sind (Conto corrente = laufende Rechnung). sie sichert somit ein Dauerrechtsverhältnis. Unter dem Begriff sammeln sich mehrere Konstellationen der Bürgenhaftung:
Bürgschaft für Saldo: Die Bürgschaft für ein Rechnungssaldo der in das Kontokorrent eingestellten Forderungen ist eine Bürgschaft für eine zukünftige Forderung. Sie ist im Betrag unbestimmt, aber bestimmbar.
Bürgschaft für Einzelforderungen: In ein Kontokorrent aufgenommene Forderungen verlieren ihre rechtliche Selbstständigkeit. Die Bürgschaft bleibt gem. § 356 I HGB dennoch bestehen. Sie erstreckt sich fortan auf den Saldo in dem Umfang, in dem dieser sich mit der gesicherten Forderung deckt.
Teilbürgschaft für Saldo: Eine Teilbürgschaft ist vereinbart, wenn für die Saldoforderung aus dem Kontokorrent nur in Höhe eines begrenzten Teils gehaftet werden soll.
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