Buffl

Anästhesie

MR
by Mai R.

Welche Bereiche untersuchen Sie anästhesiologisch?

Orientierende körperliche Untersuchung

Der Fokus der körperlichen Untersuchung liegt auf dem Erkennen anästhesierelevanter Auffälligkeiten. Die folgende Auflistung gibt die wichtigsten Schritte an, um mögliche Narkoserisiken aufzudecken und entsprechende Vorkehrungen treffen zu können.

  • Körperlicher Gesamteindruck

    • Ernährungsstatus

      • Mangelernährung, bspw. anhand des Nutritional Risk Screening 2002 prüfen

      • Adipositas

    • Gebrechlichkeit /„frailty“ —> unabhängiger Risikofaktor für postoperative Komplikationen

  • Körperliche Belastbarkeit

    • Erfassung der Belastbarkeit mittels Selbsteinschätzung (Treppensteigen) oder metabolischer Äquivalente

    • Diagnostik: Kardiale Belastungstests bzw. erweiterte kardiovaskuläre Diagnostik

      • Indikation bei eingeschränkter oder nicht beurteilbarer Belastbarkeit

      • Siehe auch: Diagnostik vor elektiven, nicht herzthoraxchirurgischen Eingriffen

  • Beurteilung des Atemwegs (siehe auch: Präoperative Abschätzung der Intubationsbedingungen, Prädiktoren für eine erschwerte Maskenbeatmung)

  • Klinische Untersuchung der Lunge: Insb. auf Hinweise auf akute Erkrankung/Verschlechterung

  • Klinische Untersuchung des Herzens (siehe auch: Körperliche Untersuchung in der Kardiologie)

    • Symptome der Herzinsuffizienz

    • NYHA-Klassifikation

    • Pathologische Herzgeräusche

    • Herzrhythmusstörungen

    • Pulsdefizit

  • Erhebung des neurologischen Status (siehe auch: Neurologische Untersuchung, Psychopathologischer Befund)

    • Dokumentation von Motorik und Sensibilitätsstörungen (pDMS)

    • Dokumentation von Orientierungsstörungen

    • Sonstige Auffälligkeiten

  • Haut

    • Lokale Entzündungen oder Infektionen der Haut

    • Petechien (siehe auch: Blutungsanamnese)

    • Lymphödem

  • Bewegungsapparat

    • Kontrakturen

    • Skoliose

    • HWS-Beweglichkeit (siehe auch: Erschwerte Intubationsbedingungen)

  • Minimaldiagnostik

    • Blutdruckmessung

    • Pulsoxymetrie


Wie erkenne ich potentielle Intubationsschwierigkeiten?

Abschätzung der Intubationsbedingungen

TOP 3:

  • Mallampati —> Sichtbarkeit Uvula + Gaumen

  • Patil/ Thyreomentaler Abstand —> normaler Abstands zwischen Prominentia laryngea und Kinnspitze >6,5cm

  • Upper Lip Bite Test —> Vorschieben des Unterkiefers (Protrusion), vollständige Verdeckung der Oberlippe


Tests und Scores

  • Ziel: Vorhersage einer schwierigen Laryngoskopie bzw. Intubation

  • Limitation: Sichere Vorhersage nicht anhand eines einzelnen Tests bzw. Scores möglich

Es gibt keinen Test oder Score, der für sich allein genommen eine schwierige Laryngoskopie bzw. Intubation sicher vorhersagt!



Modifizierte Klassifikation nach Mallampati


  • Durchführung bei wachen, aufrecht sitzenden Personen (Kopf in Neutralposition)

  • Maximale Öffnung des Mundes bei ausgestreckter Zunge

  • Prüfung der Sichtbarkeit von Uvula und Gaumen

  • Beurteilung: Eingeschränkte Sichtbarkeit der Uvula (Mallampati Grad III oder IV) gilt als möglicher Prädiktor für eine schwierige Intubation

Modifizierte Klassifikation nach Mallampati

Grad

Befund

I

Uvula und weicher Gaumen komplett einsehbar



II

Uvulaspitze wird durch Zunge verdeckt; weicher Gaumen komplett einsehbar

III

Uvula wird von Zunge nahezu vollständig verdeckt; weicher Gaumen weitestgehend einsehbar

IV

Nur harter Gaumen einsehbar

Die Klassifikation nach Mallampati liefert eine hohe Zahl falsch-positiver Ergebnisse, ihr Vorhersagewert beträgt insgesamt nur ca. 50%!


Thyreomentaler Abstand (Test nach Patil)

  • Durchführung bei maximaler Streckung des Kopfes

    • Messung des Abstands zwischen Prominentia laryngea und Kinnspitze

    • Abstand beträgt normalerweise >6,5 cm

  • Beurteilung: Werte ≤6,5 cm gelten als möglicher Prädiktor für eine schwierige (bis unmögliche) direkte Laryngoskopie


Upper Lip Bite Test

  • Durchführung bei wachen, sitzenden Personen

    • Vorschieben der unteren Zahnreihe über die Oberlippe (Protrusion des Unterkiefers)

    • Prüfung der durch die unteren Schneidezähne verdeckten Anteile der Oberlippe

  • Beurteilung: Eingeschränkte Erreichbarkeit der Oberlippe mit den unteren Schneidezähnen (Klasse II und III) gilt als möglicher Prädiktor für eine schwierige Intubation

Upper Lip Bite Test

Klasse

Befund

I

Untere Schneidezähne bedecken vollständig die Oberlippe.

II

Untere Schneidezähne erreichen die Oberlippe, Lippenrot nicht vollständig verdeckt.

III

Untere Schneidezähne erreichen nicht die Oberlippe.

Der Upper Lip Bite Test hat eine gute Vorhersagbarkeit für eine schwierige Intubation, muss aber immer in Zusammenschau mit anderen klinischen Hinweisen bewertet werden!

Was gehört mit zum postoperativen Managemant auf Station?

Postoperatives Management auf der Station

Die stationäre Patientenversorgung ist stark abhängig von der Art des Eingriffs und dem Zustand des Patienten. Nachfolgend werden allgemeine Prinzipien des ärztlichen Stationsmanagements abgebildet. Für Details und spezifische Handlungsanweisungen siehe auch: Postoperatives Management nach darmchirurgischen Eingriffen und Postoperative ärztliche Verlaufskontrollen in der Orthopädie und Unfallchirurgie


Aufnahme

  • Durchsicht intraoperativer Befunde

    • OP-Bericht

    • Anästhesie-Protokoll

    • Spezifische postoperative Anforderungen und notwendige Untersuchungen

  • Untersuchung: Erste ärztliche Visite postoperativ auf Station


Ärztliche Anordnungen

Neuverordnung postoperativer Medikation

  • Postoperative medikamentöse Thromboseprophylaxe

    • Bspw. mit niedermolekularen oder unfraktionierten Heparinen

    • Siehe auch: Thromboseprophylaxe - Operative Eingriffe, Risikofaktoren der tiefen Beinvenenthrombose, Thromboseprophylaxe in der Orthopädie und Unfallchirurgie

  • Postoperative Schmerztherapie auf Station

    • Regelmäßige Evaluation der Schmerzintensität (NRS) in Ruhe und unter Belastung

    • Primär nach der Schmerzintensität


Postoperative Flüssigkeitsgabe und oraler Kostaufbau

  • Flüssigkeitszufuhr

    • Patienten frühzeitig zum Trinken motivieren

    • Bei problemlosem Trinken parenterale Volumentherapie nur bei medizinischer Indikation erneut beginnen

  • Kostaufbau

    • Frühzeitige enterale Ernährung anstreben

    • Bei viszeralchirurgischen Eingriffen: Schonender Kostaufbau

      • (siehe auch: Postoperatives Management nach darmchirurgischen Eingriffen)

    • Parenterale Ernährung: Wenn keine orale Ernährung absehbar ist

Weiteres

  • Mobilisation unter physiotherapeutischer Anleitung: Frühzeitiger Beginn

  • Atemtherapie: Verbesserung der Ventilation und Prävention von Atemwegsinfektionen

  • Stuhlregulierende Maßnahmen zur Prävention postoperativer Darmmotilitätsstörungen: Bspw. bei Opioidgabe, längerer Bettlägerigkeit oder viszeralchirurgischen Maßnahmen


Tägliche Visite

  • Untersuchung

    • Des Abdomens und der Lunge

    • Des OP-Gebiets

    • Fadenzug bzw. Entfernung von Klammermaterial, ggf. Verbandswechsel


  • Inspektion von

    • Drainagen

    • Ggf. Blasenkatheter

    • Ggf. Stoma

  • Evaluation des Schmerzniveaus

    • Anpassung der aktuellen Schmerzmedikation

  • Evaluation der Analgosedierung bei intubierten Patienten: Auf der Intensivstation

    • Sedierung/Dämpfung von Reflexen: Benzodiazepine (bspw. Midazolam) oder Propofol

    • Analgesie mit Opioiden (bspw. Fentanyl, Sufentanil)

  • Anordnung von

    • Laborkontrollen


Was machen Sie, wenn der Patient eine LAE hat? Wie sieht die Therapie aus?

Die erste Frage bei Verdacht auf eine Lungenembolie sollte sein: Ist der Patient hämodynamisch stabil?



a) Stabiler Patient

  • Bedingung: Stabiler systolischer Blutdruck >90 mmHg

  • Vorgehen: Einschätzen der klinischen Wahrscheinlichkeit, dass eine LE vorliegt (bspw. Wells-Score)

    • Hohe WahrscheinlichkeitAngio-CT → Nachweis/Ausschluss

    • Niedrige/mittlere Wahrscheinlichkeit Bestimmung der D-Dimere

      • Negative D-Dimere → Ausschluss

        • Zu den verschiedenen Grenzwerten siehe auch: D-Dimer-Erhöhung

      • Positive D-Dimere → Angio-CT → Nachweis/Ausschluss


b) Instabiler Patient

  • Bedingung: Erfüllung eines der folgenden Kriterien

    • Reanimationspflichtigkeit oder

    • Obstruktiver Schock oder

    • Persistierende Hypotonie und Minderdurchblutung von Endorganen

  • Vorgehen: Ist der Patient stabil genug für ein Angio-CT?

    • Stabil genug → Angio-CT → Nachweis/Ausschluss

    • Nicht stabil genug für CT → Echokardiografie

      • Keine rechtsventrikuläre Dysfunktion → Ausschluss (andere Ursache der Instabilität suchen)

      • Rechtsventrikuläre Dysfunktion → CT falls doch möglich, sonst → Behandlung wie Nachweis (Lyse)



Therapie

Akut

  • Allgemeines

    • Halbsitzende Lagerung

    • Sauerstoffgabe über die Nasensonde oder Maske (6 L/min) unter Monitoring mittels Pulsoxymetrie

      • Ggf. Intubation

  • Medikation

    • Analgesie bei Schmerzen, ggf. Anxiolyse bzw. Sedierung

      • Bspw. Morphin oder Diazepam

  • Initiale Antikoagulation: Gabe von niedermolekularem Heparin (NMH), Fondaparinux oder unfraktioniertem Heparin (UFH) als Bolus oder direkten oralen Antikoagulanzien (Rivaroxaban, Apixaban)

  • Verlegung auf Intensivstation: Bei hämodynamischer Instabilität

    • In Arzt- und Pflegebegleitung

    • Reanimationsbereitschaft und unter Fortführung der O2-Gabe

    • EKG-Monitoring sowie Kontrolle der Sauerstoffsättigung


Spezifisch

Bei Lungenembolie ohne akute Lebensgefahr: Therapeutische Antikoagulation

  • Weiterführung der Antikoagulation für 3–6 Monate: Mit DOAK (1. Wahl) oder Vitamin-K-Antagonisten


Bei massiver Lungenembolie mit Lebensgefahr: Rekanalisierende Maßnahmen

  • Thrombolyse

    • Indikation

      • Bei hämodynamischer Instabilität oder Reanimationspflichtigkeit

      • Präklinische Lyse

    • Bei Reanimationspflichtigkeit (bspw. bei ventrikulären Tachykardien/Kammerflimmern) und hochgradigem V.a. eine hämodynamisch instabile Lungenembolie

    • Ziel: Verringerung der Rechtsherzbelastung durch Reduktion der Thrombuslast infolge der Lyse

  • Durchführung

    • Fibrinolyse, vorzugsweise mit rekombinantem Gewebeplasminogen-Aktivator (rt-PA, bspw. Alteplase)

    • Kombination durch vorherige und begleitende Gabe von intravenösem unfraktioniertem oder niedermolekularem Heparin notwendig

Komplikationen

  • Blutungsgefahr unter Lysetherapie beachten

  • Beachtung der Kontraindikationen für eine Lysetherapie

  • Alternative: Operation/Intervention


Bei Blutung unter Lysetherapie

  • Sofortiger Abbruch der Lysetherapie

  • Gabe von Aprotinin oder Tranexamsäure als Antidot (Antifibrinolytika)

  • Das begleitend verabreichte Heparin kann durch Gabe von Protamin (unter PTT-Kontrolle) antagonisiert werden

  • Gabe von Fresh frozen Plasma (FFP, gerinnungsaktives Frischplasma) kann versucht werden


Eine Überdosierung von Protamin kann zur Hemmung der Fibrinpolymerisation mit zusätzlicher Blutungsgefahr führen!

Bei Reanimationspflichtigkeit gibt es keine Kontraindikationen für eine systemische Lysetherapie!





Sekundärprophylaxe

  • Umstellung der initialen Antikoagulation auf Erhaltungstherapie für 3–6 Monate: Mit DOAK (1. Wahl) oder Vitamin-K-Antagonisten

  • Dauer

    • Mind. 3 Monate (siehe: Therapie der Phlebothrombose)

    • Ggf. länger, je nach individuellem Rezidivrisiko

  • Einsetzbare Substanzen (siehe auch: Therapeutische Antikoagulation - Klinische Anwendung)

    • 1. Wahl: Direkte orale Antikoagulanzien (Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban und Dabigatran)

    • Vitamin-K–Antagonisten (bspw. Phenprocoumon)

    • INR-Zielbereich: 2,0–3,0

  • Niedermolekulare Heparine


Weiteres Prozedere

  • Ursachensuche: Thrombophilie-Screening und/oder Malignom-Suche, analog zur weiterführenden Diagnostik bei Phlebothrombose

  • Nachsorge siehe: Nachsorgeempfehlungen bei Lungenembolie


Mögliche Komplikationen

  • Rechtsherzversagen

  • Hohe Rezidivgefahr (ohne Antikoagulation ca. 30%)

    • Chronisch-thromboembolische pulmonale Hypertonie als Folge von Rezidiven bzw. ungenügender Rekanalisation der Lungenarterien

  • Atelektase (ca. 20%)

  • Lungeninfarkt (ca. 10–50%)

  • Infarktpneumonie

    • Röntgen-Thorax: Peripheres Infiltrat (typischerweise dreieckig = Hampton's hump)


Was machen Sie, wenn der Patient eine TVT hat? Wie sieht die Therapie aus?

Betroffenes Bein

  • Typische Trias (nur in 10% der Fälle): Schwellung, dumpfer Schmerz, Zyanose

  • Überwärmung

  • Schweregefühl/Spannungsgefühl

  • Verstärkte Venenzeichnung

  • Allgemein: Plötzlich auftretende Luftnot, Schwindel- und Schwächegefühl bei einer Lungenembolie

Die klinische Symptomatik ist nicht zuverlässig! Bei klinischem V.a. eine Thrombose kann nur in der Hälfte der Fälle eine Thrombose nachgewiesen werden. Nicht selten tritt eine Thrombose durch Tachypnoe und/oder Thoraxschmerzen als Symptome einer Lungenembolie zutage!


Weitere klinische Untersuchungsbefunde

  • Meyer-Zeichen: Wadenkompressionsschmerz

  • Homans-Zeichen: Wadenschmerz bei Dorsalextension des Fußes

  • Payr-Zeichen: Fußsohlenschmerz bei Druck auf mediale Fußsohle

Laborbefunde

  • D-Dimere↑


Bildgebende Verfahren

  • Goldstandard: Duplexunterstützte vollständige Kompressionssonografie der Beinvenen

    • Von der proximalen V. femoralis bis zu den distalen Vv. tibiales und fibulares werden die tiefen Beinvenen in Abständen von wenigen Zentimetern durch Ausüben von Druck mit dem Schallkopf auf ihre Komprimierbarkeit geprüft

    • Strömungsprofil der V. femoralis communis mittels Farbduplex darstellen Bei klinischem Verdacht : Flussbeurteilung der proximal des Leistenbandes gelegenen Venen (Beckenvenen, V. cava inferior) mittels Farbduplex


WELLS-Score bei TVT


Differenzialdiagnosen

  • Oberflächliche Venenthrombose (Thrombophlebitis)

    • Definition: Thrombose und Entzündung einer oberflächlichen Vene bzw. einer varikös veränderten Vene (Varikophlebitis)

  • Muskelfaserriss und posttraumatische Schwellungszustände/Hämatom

  • Kompartment-Syndrom

  • Lymphödem

  • Erysipel

  • (Rupturierte) Baker-Zyste


Rezidivierende Thrombophlebitiden ohne Vorliegen einer Varikosis bzw. ohne andere erkennbare Ursachen können auf eine Systemerkrankung mit Vaskulitis oder als Paraneoplasie auf ein Malignom hinweisen!



Therapie

Allgemeinmaßnahmen bei Phlebothrombose

  • Kompressionstherapie für mind. 3 Monate: Initial mittels elastischem Wickelverband , im Verlauf tagsüber mittels angepasstem Kompressionsstrumpf der Klasse II

  • Symptomadaptierte Vollmobilisation – keine Bettruhe!


Patient:innen mit einer Venenthrombose jedweder Lokalisation und Morphologie sollen nicht immobilisiert werden, es sei denn zur Linderung starker Schmerzen! (DGIM - Klug entscheiden in der Notaufnahme)



Medikamentöse Therapie bei Phlebothrombose

Initialtherapie bei Phlebothrombose

  • Zeitpunkt: Nach Diagnosesicherung sofortige Antikoagulation in therapeutischer Dosis für 5–21 Tage

  • Wirkstoffe

    • Direkte orale Antikoagulanzien: Apixaban oder Rivaroxaban

    • Heparine

      • Niedermolekulares Heparin oder Fondaparinux

      • Ggf. unfraktioniertes Heparin


Erhaltungstherapie bei Phlebothrombose

  • Zeitpunkt: Im Anschluss an die initiale Antikoagulation, Behandlungsdauer richtet sich nach Genese, Anzahl der vorherigen Thrombosen, Risikofaktoren und Komorbidität

  • Wirkstoffe

    • Direkte orale Antikoagulanzien: 1. Wahl

      • Apixaban, Rivaroxaban, Dabigatran, Edoxaban

    • Vitamin-K-Antagonisten (Ziel-INR 2,0–3,0)

  • Dauer der Antikoagulation: Grundsätzlich mind. 3 Monate (eher 6 Monate bei hohem Risiko eines postthrombotischen Syndroms)

  • 3 Monate i.d.R. ausreichend bei

    • Transientem Risikofaktor (vorangegangene OP, Immobilität)

    • Distalen Thrombosen idiopathischer Genese (Unterschenkel)

    • Armvenenthrombosen

    • Thrombosen der Vena jugularis interna

  • Eher 6 Monate (bzw. verlängerte Erhaltungstherapie) bei

    • Proximaler Thrombose des Beines bzw. Beckenvenenbeteiligung, insb. bei unklarer Ätiologie

    • Lungenembolie, insb. bei unklarer Ätiologie

    • Relevanter Thrombophilie, danach verlängerte Erhaltungstherapie nach individuellem Risiko

    • Malignomerkrankung

    • Rezidiv



Sekundärprävention bei Phlebothrombose

  • Zeitpunkt: Im Anschluss an die Erhaltungstherapie

  • Ziel: Verhinderung von Rezidiven bei erhöhtem Risiko

Die Zeitdauer einer langfristigen medikamentösen Sekundärprophylaxe nach venöser Thromboembolie (VTE) soll jährlich bzgl. der VTE-Rezidiv- und Blutungsrisiken neu abgewogen werden (DGIM - Klug entscheiden in der Angiologie).

Bei alleinigem Nachweis einer heterozygoten Faktor-V-Leiden-Mutation oder eines Prothrombin-Polymorphismus soll eine dauerhafte medikamentöse Sekundärprophylaxe nach venöser Thromboembolie (VTE) nicht erfolgen (DGIM - Klug entscheiden in der Angiologie).



Maßnahmen zur Rekanalisierung


  • Methoden

    • Chirurgische Thrombektomie

    • Lokale Lyse (Katheterthrombolyse)

    • Pharmakomechanische Thrombektomie

      • Indikation

        • Beckenvenenthrombosen mit ausgeprägter Symptomatik, insb. bei jüngeren Patient:innen

        • Phlegmasia coerulea dolens: Zur Verhinderung einer Extremitätenamputation



Sonderformen der Phlebothrombose

Phlegmasia coerulea dolens

  • Definition: Maximalvariante einer Phlebothrombose mit Verschluss aller Venen einer Extremität → Sekundäre Kompression des arteriellen Flusses

  • Symptome/Klinik

    • Starke Schwellung, Ödem

    • Starke Schmerzen

    • Kalte Extremität, Zyanose, Pulse nicht tastbar

  • Diagnostik: Doppler-Sonografie

  • Therapie

    • Notfall-OP

      • Venöse Thrombektomie

      • Fasziotomie

      • Fibrinolysetherapie, bei Versagen der operativen Therapie

      • Grenzzonenamputation als Ultima Ratio

  • Komplikationen

    • Volumenmangelschock

    • Gangrän

    • Rhabdomyolyse mit akuter Nierenschädigung

  • Prognose: Hohe Letalität



Tiefe Armvenenthrombose inkl. Thrombose par effort (syn. Paget-von-Schroetter-Syndrom)

  • Definition: Akute Thrombose der V. brachialis, V. axillaris oder V. subclavia

  • Ätiologie

    • Primäre Form im Rahmen eines Thoracic-Inlet-Syndroms

    • Sekundär

      • „Thrombose par effort“: Durch extreme Belastung des Arms (z.B. durch Sport)

      • Fremdkörper (ZVK, Schrittmachersonde)

  • Symptome/Klinik: Analog zu den allgemeinen Symptomen einer Beinvenenthrombose

  • Diagnostik: Duplexsonografie, wenn nötig ergänzt durch eine Phlebografie

  • Therapie: Antikoagulation für 3 Monate i.d.R. ausreichend



Thrombose in Schwangerschaft und im Wochenbett

  • Bedeutung: Thrombembolien sind in der Schwangerschaft und im Wochenbett eine der häufigsten tödlich verlaufenden Erkrankungen. Das Risiko ist gegenüber nicht schwangeren Frauen etwa vierfach erhöht.

  • Diagnostik

    • Duplexsonografie der Beinvenen als Goldstandard in der Schwangerschaft

  • Therapie

    • Therapeutische Antikoagulation, vorzugsweise mit niedermolekularem Heparin


Wie erkennen Sie im postoperativen Verlauf eine Sepsis? Wie eskalieren Sie die Therapie?






Schnelleinschätzung via qSOFA (2 positiv = V.a.Sepsis)

  • Veränderter mentaler Status bzw. Vigilanzminderung

  • Systolischer Blutdruck ≤100 mmHg

  • Atemfrequenz ≥22/min

Immer mind. 2 peripher, einzeln abgenommene BK’s vor Beginn antibiotische Therapie!

Bei V.a. ZVK-Infektion

—> zusätzlich BK’s aus Kathetern (KENNZEICHNUNG!! wg. gleichzeitiger Bebrütung —> ZVK-BK schnellerer Wachstum = Fokus )

—> ZVK ex. mit MiBi-Untersuchung der Katheterspitze


Checkliste Sepsis: 1-Hour-Bundle

  • Lactat messen, wiederholt kontrollieren bis Lactat <2 mmol/L

  • Blutkulturdiagnostik vor der antibiotischen Therapie

  • Kalkulierte Antibiotikatherapie („Hit hard and early“)

    • Häufig: Piperacillin/Tazobactam, Ceftazidim bzw. Carbapeneme

    • Bei V.a. MRSA-Infektion: Linezolid oder Vancomycin (je nach Fokus)

  • Volumensubstitution beginnen (kristalloide Infusion, mind. 30 mL/kgKG in 3 h)

  • Vasopressoren bei Hypotension trotz Flüssigkeitsgabe (Ziel: Arterieller Mitteldruck 65 mmHg)


Labormarker:

  • PCT: aktuell sensitivster Sepsismarker, besonders bakteriell

  • CRP

  • kleines Blutbild: Thrombozytopenie, Leukozytose/-penie, Anämie

  • Laktat

  • Gerinnungsparameter (Fibrinogen, Antithrombin III, D-Dimere)


Sepsis ist eine Unterform des SIRS


Was ist SIRS?

Unspezifische Entzündungsreaktion des Körpers, die mit Veränderungen von Körpertemperatur, Herzfrequenz, Atemfrequenz und des Blutes einhergeht und durch infektiöse sowie nicht-infektiöse Ursachen ausgelöst werden kann (siehe auch: SIRS-Trigger)

z.B. neben Infektionen kann ein SIRS auch durch folgende Ursachen ausgelöst werden:

  • Traumata

    • Polytraumata

    • Schwere Operationen

    • Verbrennungen

  • Schwere Erkrankungen

    • Akute Pankreatitis

    • Ischämien und Hypoxien (bspw. auch Reanimationssituationen)

    • Addison-Krise

    • Lungenembolie

Pathomechanismus

  • Zerstörung von Gewebe → Freisetzung zellulärer Strukturen → Aktivierung proinflammatorischer und antiinflammatorischer Kaskaden → Systemische Entzündungsreaktion → Organschädigung



Bei der Sepsis handelt es sich um eine generalisierte entzündliche Reaktion des Körpers; die Ursachen sind jedoch unterschiedlich.

  • Sepsis: Abfolge aus Infektion, Immunreaktion (dysreguliert) und systemischer Entzündungsreaktion

    • Fokus: Prinzipiell kommt jeder Infektionsfokus infrage (z.B. Spondylodiszitis, Endokarditis, Osteomyelitis, Pneumonie, Abszess, Urozystitis)

Pathophysiologie

  • Auslöser der Sepsis: I.d.R. Bakterien, selten auch Pilze, Viren oder Parasiten

  • Immunantwort: Erregerbestandteile (z.B. Lipopolysaccharide bzw. Endotoxine, Exotoxine, DNA) = „Pathogen Associated Molecular Patterns“ (PAMP) lösen eine Immunantwort aus → Systemische Wirkung dieser proinflammatorischen Aktivierung führt zu systemischen Schäden auch an „fokusfernen“ Organen

  • Effekte der Immunantwort: Es resultieren insb. Störungen der Endothelzellfunktion und der Blutgerinnung.

    • Endothelzellfunktion und Kapillarleck: Generalisierte Endothelaktivierung → Vasodilatation durch Freisetzung von NO → Generalisierte und sich weiter verstärkende Ödembildung

    • Blutgerinnung: Gerinnungsaktivierung durch vermehrte Bildung von Gewebefaktor („Tissue Factor“) auf Endothelzellen und Monozyten → Gefahr einer disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC, Verbrauchskoagulopathie)

Eine adäquate Immunreaktion beruht auf einer Balance zwischen der proinflammatorischen (anti-infektiösen) und der antiinflammatorischen Antwort – bei der Sepsis ist diese Immunreaktion dysreguliert!

Eine Sepsis wird zwar durch eine Infektion ausgelöst, für den Krankheitsverlauf ist jedoch die dysregulierte Immunantwort entscheidend!


Erkennen einer Sepsis

Für die Prognose einer Sepsis ist eine frühe Diagnosestellung entscheidend. Wichtig ist hierfür die klinische Beurteilung, die durch Sepsis-Scores unterstützt werden kann.


Erste klinische Beurteilung

  • Vitalparameter (Blutdruck, Puls, Atemfrequenz, spO2) und Körpertemperatur messen

  • Auf Symptome einer Sepsis achten, insb. unspezifische Symptome wie Schüttelfrost, Hyperventilation, Vigilanzminderung, Tachykardie und Hypotension


Die Sepsis ist in erster Linie eine klinische Diagnose – eine genaue Beurteilung und ggf. Verlaufskontrolle der Patient:innen ist entscheidend!

Es sollten frühzeitig Wünsche und Vorstellungen bzgl. des weiteren Prozederes (insb. Frage nach Intensivverlegung, Patientenverfügung) erfragt und besprochen werden!


Diagnostik

—> Erkennen einer Sepsis

—> Erste klinische Beurteilung (insb. Gesamteindruck, Vitalparameter)

—> Sepsis-Scores*: Zur Früherkennung von Personen mit Sepsis bzw. zur Diagnosestellung

—> Fokus- und Erregersuche

  1. Anamnese und körperliche Untersuchung

    —> Blutkulturdiagnostik

    —> Weitere mikrobiologische Diagnostik (je nach Fokus)

  2. Ggf. bildgebende Diagnostik (je nach Fokus)

  3. Weitere Labordiagnostik: Beurteilung der Organfunktionen und Entzündungsparameter


Procalcitonin gilt als empfindlichster Marker bei Diagnose und Verlaufskontrolle der Sepsis!

Die mikrobiologische Diagnostik sollte möglichst vor Einleitung einer antibiotischen Therapie erfolgen!

Die Sepsis ist eine schwere Erkrankung – der Beginn einer (antibiotischen) Therapie sollte durch die Diagnostik nicht verzögert werden!


* Sepsis-Scores

Zum Screening

  • SIRS-Kriterien

    • Parameter:

      SIRS-Kriterien

      Körpertemperatur

      • ≥38 °C oder ≤36 °C

      Herzfrequenz

      • ≥90/min

      Atemfrequenz

      (Leitsymptom des SIRS)

      • ≥20/min oder

      • Hyperventilation bestätigt durch BGA-Analyse

        • Hypokapnie (pCO2 ≤33 mmHg)

      Blutbild

      • Leukozyten >12.000/μL oder <4.000/μL oder

      • >10% unreife neutrophile Granulozyten im Differenzialblutbild

    • Bedeutung: Das Screening gilt als positiv, wenn ≥2 SIRS-Kriterien erfüllt sind


  • qSOFA-Score = abgkürzter/ kleiner SOFA-Score

  • Parameter

    • Veränderter mentaler Status bzw. Vigilanzminderung

    • Systolischer Blutdruck ≤100 mmHg

    • Atemfrequenz ≥22/min

  • Beurteilung: Der Test gilt als positiv, wenn ≥2 der Parameter zutreffen


Symptomatik

Die Sepsis hat kein pathognomonisches Leitsymptom; es zählt immer die Zusammenschau klinischer Parameter und ggf. vorliegender diagnostischer Marker. Erster Hinweis ist häufig ein deutlich reduzierter Allgemeinzustand.

  • Kardinalsymptome

    • Fieber, Schüttelfrost, seltener Hypothermie

    • Veränderter mentaler Status (z.B. Vigilanzminderung)

    • Hypotonie, Tachykardie

    • Erhöhte Atemfrequenz

  • Weitere klinische Hinweise

    • Zentralisation: Zu Beginn oft warme Akren, im Verlauf ggf. Zeichen der Kreislaufzentralisation mit kalten Akren und „marmorierter“, kühler Haut, ggf. Kaltschweißigkeit

    • Ödembildung bei zunehmendem Kapillarleck

    • Ggf. Petechien bei Thrombopenie (Waterhouse-Friderichsen-Syndrom)

  • Symptome nach Fokus

    • Urosepsis (Pyelonephritis): Dysurie, Pollakisurie, Algurie, Flankenschmerzen

    • Pneumonie: Dyspnoe und Husten

    • Meningitis: Kopfschmerzen, Meningismus

    • Katheter- und Fremdkörperinfektion: Entzündungszeichen an der Einstichstelle

    • Abdomineller Fokus: Akutes Abdomen

Die häufigsten Fokusse: Pneumonie ≥ Gastrointestinale Infektionen ≥ Harnwegsinfektionen ≥ Haut- und Weichteilinfektionen ≥ Fremdkörperassoziierte Infektionen ≥ ZNS-Infektionen!



Blutkulturdiagnostik

  • Durchführung: Abnahme von mind. 2 Blutkulturpaaren vor der antibiotischen Therapie

  • Bei V.a. Infektion des Zentralvenösen Katheters

    • Indikation: Immer durchführen!

      • Zusätzlich zu peripheren Blutkulturen Blutkulturpaare aus allen zentralen Venenkathetern sichern!

    • Bestimmung der DTP (differential time to positivity): Gleichzeitige Bebrütung zentraler und peripherer Blutkulturpaare

      • Positive DTP: 2–3 Stunden früherer Nachweis des Erregers zentral spricht für ZVK als Fokus

Bei Personen mit Verdacht auf schwere Infektionen sollten vor der Gabe der Antibiotika mind. 2 Paar Blutkulturen an separaten Punktionsstellen abgenommen werden! Die Einhaltung eines zeitlichen Mindestabstands zwischen den BK ist dabei nicht erforderlich. (DGIM - Klug entscheiden in der Notaufnahme)

Bei klinischer Symptomatik und Nachweis eines Erregers in der Blutkultur (Blutstrominfektion) liefert dieser entscheidende Hinweise auf den Fokus!



Weitere mikrobiologische Diagnostik und Bildgebung: Je nach (vermutetem) Fokus

Die weitere Fokussuche richtet sich nach den zuvor gewonnenen anamnestischen und klinischen Hinweisen und sollte insb. den Ausschluss der häufigsten Fokusse umfassen.

  • Bei V.a. Infektion des Zentralvenösen Katheters

    • Kultur der Katheterspitze

      • Indikation: Bei V.a. Katheterassoziierte Infektion immer durchführen!

Bei V.a. Sepsis sollte aus allen Bereichen Material untersucht werden, die als Fokus in Betracht kommen (bspw. Drainagesekret, Urin, Trachealsekret)!



Therapie

Für das Überleben ist die adäquate Therapie innerhalb der ersten Stunde entscheidend! In vielen Kliniken ist diese entscheidende Therapiephase in Form von Sepsis-Bundles standardisiert.


Checkliste Sepsis: 1-Hour-Bundle

  • Lactat messen, wiederholt kontrollieren bis Lactat <2 mmol/L

  • Blutkulturdiagnostik vor der antibiotischen Therapie

  • Kalkulierte Antibiotikatherapie („Hit hard and early“)

  • Volumensubstitution beginnen (kristalloide Infusion, mind. 30 mL/kgKG in 3 h)

  • Vasopressoren bei Hypotension trotz Flüssigkeitsgabe (Ziel: Arterieller Mitteldruck 65 mmHg)

Intravenöse Antiinfektiva

  • Kalkulierte Antibiotikatherapie: Breitspektrumantibiotikum innerhalb der ersten Stunde, möglichst unter Beachtung des (wahrscheinlichen) Fokus

    • Eingesetzte Substanzen

      • Häufig: Piperacillin/Tazobactam, Ceftazidim bzw. Carbapeneme

      • Bei V.a. MRSA-Infektion: Linezolid oder Vancomycin (je nach Fokus)

      • Umstellung der antimikrobiellen Therapie bei klinischer oder laborchemischer Notwendigkeit

  • Therapiedauer: Je nach klinischem Bild i.d.R. max. 7–10 Tage

  • Reevaluation der antibiotischen Therapie: Alle 48–72 h anhand klinischer und diagnostischer Parameter

    • Nachweis eines Erregers: Umstellung auf gezielte Antibiotikatherapie

    • Klinische Verbesserung nach 72 h: Bei Kombinationstherapie Umstellung auf eine Monotherapie auch ohne Nachweis eines Erregers möglich

Bei der Sepsis und beim septischen Schock soll rasch eine kalkulierte und hochdosierte Antibiotikatherapie begonnen werden!



Author

Mai R.

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