Farbkonstanz
erklärungsansätze?
Farbkonstanz ist ein Effekt unserer Wahrnehmung, bei dem die Farbe eines Objekts für uns gleich bleibt, obwohl sich das Licht verändert, unter dem wir das Objekt sehen.
Zwei Erklärungsansätze:
Verhältnisse der Rezeptorantworten: Die drei Farbrezeptoren in der Netzhaut (für Rot, Grün, Blau) reagieren unter unterschiedlichem Licht verschieden stark. Aber das Verhältnis ihrer Antworten bleibt oft relativ konstant, sodass das Gehirn trotzdem die gleiche Farbe wahrnimmt.
Gedächtnisfarben (Top-Down-Einfluss): Manche Objekte (z. B. Bananen) haben typische, gelernte Farben. Unser Gehirn nutzt dieses Wissen bei der Farbwahrnehmung. Studie von Hansen et al. (2006):
Aufgabe: Leute sollten am Bildschirm einer Banane die Farbe komplett entfernen.
Ergebnis: Sie machten sie leicht bläulich, um das Gelb “auszugleichen”, das sie unbewusst erwarteten.
Interpretation: Ihr Wissen, dass eine Banane gelb ist, beeinflusste ihre Wahrnehmung – sie kompensierten zu stark.
Größen- und Formkonstanz
Größen- und Formkonstanz bedeuten, dass wir Objekte als gleich groß und gleich geformt wahrnehmen, obwohl sich ihr Bild auf der Netzhaut verändert.
Beispiele:
Wenn sich ein Mensch von dir entfernt, wird sein Bild auf der Netzhaut kleiner – trotzdem wirkt er nicht geschrumpft, sondern einfach weiter weg.
Wenn sich ein rechteckiges Buch dreht, ändert sich seine Form auf der Netzhaut – aber wir sehen es weiter als rechteckig.
Warum?
Das Netzhautbild allein ist mehrdeutig – es liefert keine klare Info über Größe, Form oder Entfernung.
Deshalb nutzt das Gehirn Entfernungsschätzungen (z. B. durch Tiefenhinweise) und verrechnet sie mit dem Netzhautbild, um eine konstante Wahrnehmung zu erzeugen
Laterale Hemmung
Beispiel: Mach’sche Bänder
Was sieht man?
An Übergängen zwischen unterschiedlich hellen Flächen (z. B. von Hellgrau zu Dunkelgrau) erscheinen schmale, übertriebene Helligkeitsstreifen: ein heller Streifen auf der hellen Seite und ein dunkler Streifen auf der dunklen Seite – obwohl sie physikalisch gar nicht da sind.
Warum passiert das?
Laterale Hemmung: Nervenzellen (Ganglienzellen) in der Retina hemmen sich gegenseitig – besonders stark, wenn ihre Nachbarn unterschiedlich viel Licht erhalten.
Eine Zelle, die viel Licht empfängt, hemmt ihre Nachbarn stärker.
An Kanten (z. B. von Hell zu Dunkel) ist das Hemmungs-Verhältnis unausgeglichen, und das führt zu einem Kontrastverstärkungseffekt.
Verhältnisbildung:
Das Gehirn nutzt also relative Helligkeitsunterschiede (nicht nur absolute Lichtwerte), um Kontraste zu erkennen – ein ähnliches Prinzip wie bei der Farbkonstanz: Es kommt auf Verhältnisse an, nicht auf absolute Werte.
anderes Beispiel Hermann-Gitter
Gestaltungspsychologie
differenzieren zur Elementenpsychologie
Die Gestaltpsychologie ist ein Ansatz innerhalb der strukturellen Psychophysik. Ihre Grundidee ist:
Wahrnehmung ist mehr als die Summe ihrer Teile. Man kann sie nicht verstehen, indem man nur einzelne Reize isoliert betrachtet.
Stattdessen:
Unser Gehirn organisiert Reize nach bestimmten Gestaltprinzipien (z. B. Nähe, Ähnlichkeit, gute Fortsetzung).
Es entstehen so Ganzheiten (Gestalten), die neue Eigenschaften haben, die nicht direkt im Reizmaterial stecken.
Beispiel:
Bei der stroboskopischen Scheinbewegung (wie im Film) sehen wir Bewegung, obwohl eigentlich nur einzelne Bilder gezeigt werden – die Bewegung ist also ein Produkt der Gesamtstruktur, nicht einzelner Reize.
Kurz: Die Gestaltpsychologie untersucht, wie Reize als Ganzes organisiert werden, und nicht, wie Einzelreize verarbeitet werden.
Differenzieren zur Elementenpsychologie
Elementenpsychologie (klassische Psychophysik)
Geht davon aus, dass Wahrnehmung aus einzelnen Sinneseindrücken (Elementen) aufgebaut ist.
Ziel: Wahrnehmung verstehen, indem man sie in kleinste Bestandteile zerlegt (z. B. Helligkeitspunkte, Töne).
Psychophysischer Zusammenhang = lokale Reiz-Reaktions-Beziehungen.
Wahrnehmung = Summe der Einzelreize.
Beispiel: Ein Gesicht ist einfach die Summe von Augen, Nase und Mund.
Gestaltpsychologie (strukturelle Psychophysik)
Reaktion auf die Elementenpsychologie.
Wahrnehmung lässt sich nicht durch Einzelteile erklären.
Entscheidend ist die Organisation des Gesamtreizes nach Gestaltprinzipien (z. B. Nähe, Ähnlichkeit).
Psychophysischer Zusammenhang = Beziehung zwischen Gesamtstruktur des Reizes und der Gesamtstruktur der Wahrnehmung.
Wahrnehmung kann Eigenschaften haben, die nicht im Einzelreiz stecken.
Beispiel: Ein Gesicht wird als Ganzheit erkannt, nicht als Summe einzelner Merkmale – z. B. auch bei Karikaturen.
Zusammenfassung:
Die Elementenpsychologie schaut auf die Teile, die Gestaltpsychologie auf das Ganze – sie sagt: Nur durch das Zusammenspiel der Teile erkennen wir das, was wir wahrnehmen.
Figur-Grund-Trennung
Die Figur-Grund-Trennung ist ein grundlegender Prozess der Wahrnehmung:
Unser Gehirn gliedert automatisch das, was wir sehen, in eine Figur (im Vordergrund) und einen Hintergrund (im Hintergrund).
Eigenschaften:
Figur: wirkt „dinghafter“, hebt sich ab, steht „vorne“.
Grund: wirkt formlos, „hinter“ der Figur.
Faktoren, die eine Fläche zur Figur machen:
kleiner als der Rest
geschlossene Kontur
Symmetrie
Parallelität
Zentrale Lage oder hervorgehobene Farbe
Diese Faktoren wirken meist kombiniert, nicht einzeln.
Beispiel: In der bekannten Vase/Gesichter-Illusion siehst du entweder eine Vase oder zwei Gesichter – je nachdem, was dein Gehirn als Figur interpretiert.
Frühe kortikale Aktivität
Früher dachte man, solche Trennungen passieren erst „später“ im Gehirn.
Neuere Forschung (z. B. durch EEG oder fMRT) zeigt aber: Schon früh im visuellen Kortex wird stärker auf Figuren reagiert als auf den Hintergrund.
Das heißt:
Das Gehirn erkennt eine Fläche nicht erst nachträglich als Figur, sondern beginnt bereits sehr früh, sie als wichtig (Figur) oder unwichtig (Hintergrund) zu verarbeiten.
Aufmerksamkeit und Gestaltmerkmale (wie Kontur oder Symmetrie) verstärken die neuronale Antwort auf die Figur.
Fazit:
Die Figur-Grund-Trennung ist kein „später Denkprozess“, sondern ein grundlegender, früher Teil der Wahrnehmungsverarbeitung im Gehirn.
Binnengliederung
apperzeptive Agnosie
Bei der Wahrnehmung strukturieren wir nicht nur Figur und Hintergrund, sondern auch das Innere einer Figur – das nennt man Binnengliederung.
Gestaltprinzipien der Binnengliederung:
Prinzip der Fortsetzung: Linien oder Kurven, die eine gleichmäßige Richtung haben, werden als zusammengehörig wahrgenommen – auch wenn sie unterbrochen sind (Fortsetzung im Raum).
Gemeinsames Schicksal: Elemente, die sich gleichzeitig in dieselbe Richtung bewegen, erscheinen als zusammengehörig (Fortsetzung in der Zeit).
Fehlende Gestaltorganisation bei apperzeptiver Agnosie:
Bei bestimmten Hirnschädigungen (z. B. apperzeptive Agnosie) können Patienten zwar sehen, aber sie organisieren das Gesehene nicht sinnvoll.
Beispiel: Statt einfache Formen wie Quadrate oder Kreise als Ganzes zu erkennen, zeichnen Patienten sie Linie für Linie nach – sie erkennen nicht die Gesamtgestalt, weil die Binnengliederung und Gestaltorganisation gestört ist.
Die Fähigkeit zur Binnengliederung ist zentral für normales Sehen – sie kann aber durch Hirnschädigung beeinträchtigt sein.
Nähe und Ähnlichkeit
Gestaltprinzip der Nähe:
Elemente, die räumlich nah beieinander liegen, werden als zusammengehörig wahrgenommen.
Gestaltprinzip der Ähnlichkeit:
Elemente, die sich ähneln (z. B. in Farbe, Form oder Größe), werden als zusammengehörig wahrgenommen.
Konflikt und Dominanz von Gestaltprinzipien
Wenn mehrere Gestaltprinzipien gleichzeitig anwendbar sind, gewinnt nicht immer das “offensichtlichste” – sondern oft das stärkere Prinzip wie Farbe oder Form, abhängig von Situation und Aufgabe.
Erklärung ChatGPT
Quinlan & Wilton (1998):
Frage: Wenn mehrere Gestaltprinzipien gleichzeitig wirken – nach welchem Prinzip wird gruppiert?
z. B.:
Wird nach Seitenanordnung (links/rechts) oder nach Farbe/Form gruppiert?
Ergebnis:
Farbe hat oft stärkere Wirkung als räumliche Nähe oder Seitenlage.
Das zeigt: Manche Prinzipien dominieren andere, wenn sie im Konflikt stehen.
Beck (1966):
Frage: Was dominiert – Form oder Orientierung?
Mehrere Objekte haben dieselbe Form (z. B. Kreise), aber unterschiedliche Ausrichtungen (z. B. gedreht).
Formähnlichkeit wird stärker wahrgenommen als Ähnlichkeit in der Orientierung.
Auch hier: Gestaltprinzipien haben eine Rangordnung, die vom Kontext abhängen kann.
Knst der Tarnung
Tarnung ist effektiv, weil sie gegen unsere natürlichen Gestaltprinzipien arbeitet – sie verhindert, dass wir Reize als sinnvolle, zusammenhängende Objekte organisieren können. Das macht Erkennen oder Lokalisieren viel schwieriger.
ChatGPT
Die Kunst der Tarnung
Tarnung nutzt gezielt Gestaltprinzipien, um die Wahrnehmung von Objekten zu stören – besonders die objektgemäße Gruppierung (also das Erkennen eines Gegenstands als zusammenhängende Einheit).
Wie funktioniert das?
Zerlegung der Figur-Grund-Trennung: Durch Muster, die sich nicht klar vom Hintergrund abheben, wird die Trennung zwischen Figur und Grund erschwert.
Störung von Gestaltprinzipien: Tarnmuster brechen Kontinuität, vermeiden Symmetrie oder täuschen Ähnlichkeit mit dem Hintergrund vor – so kann das Gehirn keine zusammenhängende Gestalt bilden.
Beispiel: Tarnkleidung oder Tierfell (z. B. Zebra) Die Muster sorgen dafür, dass man nicht klar erkennen kann, wo ein Körper anfängt oder aufhört – besonders in Bewegung oder komplexem Umfeld.
Produktive Wahrnehmung
Gestaltprinzipien produzieren auch Informationen, die zunächst einmal gar nicht
objektiv erscheinen: Tiefeninformationen
Prägnanz (5/21)
Tendenz zur guten Gestalt
„Jedes Reizmuster wird so gesehen, dass die resultierende Struktur so einfach wie möglich ist.“ (Goldstein, 2007)
Nenne die Gestaltgesetze
5
Prinzip der Nähe:
Prinzip der Ähnlichkeit:
Ähnliche Elemente (z. B. in Form, Farbe oder Größe) werden als Gruppe organisiert.
Prinzip der Fortsetzung (gute Fortsetzung):
Linien oder Muster werden so wahrgenommen, als würden sie sich glatt und kontinuierlich fortsetzen.
Prinzip der Prägnanz (gute Gestalt):
Reize werden so organisiert, dass die resultierende Struktur möglichst einfach, geordnet und „gut“ ist.
Prinzip der guten Gestalt (Teil des Prägnanzprinzips):
Unsere Wahrnehmung bevorzugt einfache, symmetrische, vollständige Formen gegenüber komplexen oder unregelmäßigen.
Objektwahrnehmung
Schablonenvergleich
Schablonenvergleich (Template-Matching):
Reize werden mit gespeicherten „Schablonen“ im Gedächtnis verglichen – also mit typischen Mustern (Prototypen) für bekannte Objekte.
Wahrnehmung funktioniert durch Abgleich von Sinnesdaten mit Gedächtnisinhalten.
Bruner (1957): Wir nehmen Dinge direkt als Kategoriezugehörig wahr (z. B. sehen sofort „Stuhl“, nicht nur „vier Beine und eine Sitzfläche“).
Kritik:
Damit der Ansatz funktioniert, müsste es für jede mögliche Ansicht jedes Objekts eine eigene Schablone geben.
Das wäre extrem speicheraufwendig und erklärt nicht, wie wir neue oder variierte Reize erkennen können.
Deshalb wird das Modell heute als zu starr und unflexibel betrachtet.
Der Schablonenvergleich zeigt die Verbindung zwischen Wahrnehmung und Gedächtnis, ist aber theoretisch und praktisch zu eingeschränkt, um komplexe Wahrnehmung vollständig zu erklären.
Objekterkennung
Merkmalsanalyse (feature analysis)
Merkmalsanalyse (feature analysis):
Bei der Objekterkennung wird ein Reiz zuerst in einfache Merkmale zerlegt (z. B. Linien, Formen, Kanten).
Beispiel: Ein Becher wird als Kombination aus Zylinder + Henkel erkannt.
Vorteile:
Man braucht nicht für jedes Objekt eine eigene Schablone, sondern nur eine begrenzte Menge an Merkmalen, die flexibel kombiniert werden können.
Objekte wie Becher und Eimer haben ähnliche Merkmale, unterscheiden sich aber in der Anordnung – auch das wird im Gedächtnis gespeichert.
Beleg aus Experimenten:
Wenn Reize nur ganz kurz gezeigt werden, kommt es oft zu Verwechslungen mit anderen, ähnlichen Reizen.
Beispiel: Der Buchstabe G wird oft fälschlich als C oder O erkannt, weil sie ähnliche Merkmale haben.
Die Merkmalsanalyse ist ein flexibleres Modell als der Schablonenvergleich – sie erklärt, wie wir viele verschiedene Objekte mit wenigen Grundbausteinen erkennen können.
Recognition-by-compoents theory:
Erkennen von 3D-Objekten und Körper
Evidenz für Geon-Theorie
Recognition-by-components (RBC) – Biederman (1987):
Objekte werden durch Zerlegung in einfache 3D-Grundformen erkannt, sogenannte Geone (z. B. Zylinder, Quader, Kegel).
Es gibt nur etwa 36 Geone, aus denen sich nahezu alle Objekte zusammensetzen lassen.
Wichtige Merkmale:
Geone besitzen “nicht-zufällige Merkmale” wie Parallelität, Symmetrie oder Geradlinigkeit.
Diese Merkmale sind blickwinkelunabhängig – das heißt: Ein Objekt kann auch aus verschiedenen Perspektiven erkannt werden, weil die Grundstruktur gleich bleibt.
Die RBC-Theorie erklärt, wie wir komplexe 3D-Objekte effizient und ansichtsunabhängig erkennen können – durch eine Art „Baukastensystem“ aus wenigen, aber bedeutungsvollen Grundformen.
Evidenz für Geon-Theorie:
Beleg für die Geon-Theorie (nach Goldstein & Biederman):
Wenn Geone gezielt unkenntlich gemacht werden (z. B. durch Entfernen charakteristischer Merkmale), wird das Objekt viel schlechter erkannt.
Aber: Wenn Teile weggelassen werden, ohne die Geon-Struktur zu stören, bleibt die Erkennung weitgehend erhalten.
Objektwahrnehmung (Gesichter)
Gesichtswahrnehmung
Prosopagnosie
Holistische Wahrnehmung
Gesichtswahrnehmung:
Menschen erkennen Gesichter besonders gut und detailreich, besser als andere Objektkategorien.
Diese Fähigkeit ist vermutlich evolutionär bedeutsam, z. B. für soziale Kommunikation.
Gesichter werden anders verarbeitet als andere Objekte – insbesondere bei aufrechter Darstellung.
Prosopagnosie:
Prosopagnosie ist eine neuropsychologische Störung, bei der Betroffene keine Gesichter mehr erkennen können, obwohl sie andere Objekte normal identifizieren.
Sie zeigt, dass Gesichtsverarbeitung im Gehirn selektiv lokalisiert ist (z. B. in der Fusiform Face Area, FFA).
Der Ausfall betrifft ganzheitliche Verarbeitung – Einzelmerkmale (z. B. Nase, Augen) können oft noch erkannt werden, das Zusammenspiel aber nicht mehr.
Holistische Wahrnehmung:
Nach Farah (1990) liegt die Verarbeitung von Gesichtern am „holistischen Extrempol“ eines Kontinuums (von analytisch bis holistisch). → Gesichter werden als Ganzheiten, nicht als Einzelteile erkannt.
Häuser zb mehr als Einzelteile
Beweis: Einzelteile von Gesichtern (z. B. nur ein Mund) sind schwerer wiederzuerkennen als z. B. Teile von Häusern oder Autos.
Thatcher-Effekt: Wenn man die Teile eines Gesichts verändert, aber das Gesicht auf den Kopf stellt, wirkt die Veränderung nicht auffällig – erst in aufrechter Position wird die Veränderung sofort bemerkt. → Das zeigt, dass unsere Wahrnehmung stark auf die räumliche Konfiguration der Gesichtsteile achtet – und das nur bei korrekter Orientierung.
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