Was versteht man unter einer Gesellschaft?
Als Gesellschaft bezeichnet man einen vertraglichen Zusammenschluss von mehreren Personen zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks mit gemeinsamen Mitteln.
Inwiefern ist die AG eine spezielle Gesellschaft, d. h., durch welche grundsätzlichen Merkmale unterscheidet sie sich von den andern, Ihnen bereits bekannten Gesellschaften?
Die AG ist eine Handelsgesellschaft; sie verfolgt im Normalfall einen wirtschaftlichen Zweck.
Die AG ist eine Kapitalgesellschaft; der Beitrag der Gesellschafter besteht in erster Linie in der Beschaffung des Kapitals. Dadurch unterscheidet sie sich von den Personengesellschaften.
Die AG ist eine juristische Person; sie hat eine eigene Rechtspersönlichkeit.
Die AG ist eine Körperschaft. Dadurch unterscheidet sie sich von den Stiftungen (Vermögensrechte)
Das Unternehmen «Meier, Müller und Huber KLG» erwirbt eine Liegenschaft.
A) Unter den Gesellschaftern entsteht ein Streit darüber, wem die Liegenschaft nun gehört – was meinen Sie?
B) Wie wäre die Lösung, wenn das Unternehmen «Aktiengesellschaft Meier, Müller und Huber» hiesse?
A) Aus der Firma des Unternehmens ist ersichtlich, dass es sich um eine Kollektivgesellschaft handelt. Die Eigentumsverhältnisse richten sich somit nach den Regeln der Kollektivgesellschaft. Eigentümer sind also letztlich die drei Gesellschafter gemeinsam, wobei sich die Anteile nach dem Gesellschaftsvertrag richten.
B) Die AG ist die Gesellschaft mit einer juristischen Person und deshalb Alleineigentümerin der Liegenschaft.
Die AG ist als juristische Person rechts- und handlungsfähig. Was bedeutet das?
Die AG als juristische Person wird vom Gesetz über weite Strecken wie ein Mensch aus Fleisch und Blut behandelt. Sie ist selbst Trägerin von Rechten und Pflichten – d. h. rechtsfähig – und nicht etwa die hinter ihr stehenden Gesellschaftsmitglieder. Bei der AG stehen die Vermögensrechte im Vordergrund; die AG kann z. B. Eigentümerin einer Liegenschaft sein.Ihre Rechte und Pflichten erwirbt oder veräussert die AG durch ihre Organe; durch sie ist sie handlungsfähig, d. h., kann sie z. B. Verträge abschliessen und damit eine Liegenschaft kaufen oder verkaufen.
Was unterscheidet eine juristische Person von einer natürlichen Person?
Im Gegensatz zu den natürlichen Personen (= Menschen) ist die juristische Person eine rechtliche Konstruktion. Deshalb kann sie gewisse Rechtspositionen, die notwendigerweise Menschen voraussetzen, nicht besitzen. Sie kann z. B. nicht heiraten, keine Kinder adoptieren und auch nicht sterben (sondern hört auf durch Auflösung oder Fusion usw., also durch rechtliche Massnahmen). So viel zum Unterschied zwischen natürlicher und juristischer Person. Daneben gibt es, wie Sie wissen, sehr viele Gemeinsamkeiten – beide werden im Rechtsleben als «Personen» behandelt. Es gibt insgesamt mehr Gemeinsames als Unterschiede.
Warum ist es für die Rechtsform der AG so wichtig, dass ihre Mitglieder leicht wechseln können?
Die Bindung zwischen der AG und ihren Mitgliedern ist sehr locker; sie basiert auf der Kapitalbeteiligung, d. h., die Aktionäre beteiligen sich an der AG nur mit Kapital; sonst haben sie kaum Einfluss auf das Geschehen in der AG. Wenn nun ein Mitglied seine Kapitalbeteiligung aufgeben will, soll – anders als bei den Personengesellschaften – die Existenz der AG nicht angetastet werden. Da die Rückzahlung des übernommenen Kapitalbetrags an das austrittswillige Mitglied verboten ist, muss die Beteiligung aus der AG übertragbar sein (in der nächsten Lerneinheit lernen Sie im Abschnitt über die Aktie, wie die Übertragung möglich ist). Die leichte Übertragbarkeit der Aktienkapitalrechte sichert also die Existenz der AG. Sie hat immer gleich viel Kapital zur Verfügung; von wem es stammt, interessiert sie nicht.
Welche der folgenden Aussagen sind richtig?
A) Jeder Aktioniär ist im Verhältnis zu seiner Beteiligung am Aktienakapital Eigentümer des Vermögens der AG.
B) Für Verbindlichkeiten der AG haftet nur das Gesellschaftsvermögen.
C) Jeder Aktionär riskiert, von den Gesllschaftsgläubigern eingeklagt zu werden.
D) Aktionäre können mit Wirkung für die Gesellschaft Verträge abschließen.
E) Jeder Aktionär ist verpflichtet, im Interesse der AG tätig zu werden.
A) ist falsch. Jeder Aktionär ist zwar mit seinem Kapitalbetrag an der Gesellschaft beteiligt, solange die AG aber existiert, ist sie (als juristische Person) alleinige Eigentümerin des Gesellschaftsvermögens.
B) ist richtig. Rechtsverhältnisse zu Dritten betreffen allein die AG. Zwischen Geschäftspartnern und Aktionären bestehen keinerlei Rechtsbeziehungen.
C) ist aus diesem Grund falsch.
D) ist falsch. Nach dem Prinzip der Drittorganschaft können nur die zuständigen Organe für die AG handeln. Ein Aktionär kann somit nur dann Verträge für die AG abschliessen, wenn er Mitglied des betreffenden Organs ist.
E) ist falsch. Die einzige Pflicht der Aktionäre besteht im Zurverfügungstellen von Kapital. Weitere Pflichten haben sie nicht.
A) Das Aktienkapital ist die Haftungsbasis der AG.
B) Die Höhe des Aktienkapitals ist zum Voraus festgelegt und muss während der ganzen Dauer des Bestehens der AG konstant sein.
C) Das Aktienkapital ist das von den Aktionären gezeichnete Kapital.
Die Aussagen A) und C) sind richtig. Das Aktienkapital stellt die Summe aller durch die Aktionäre übernommenen Kapitalbeträge dar. Bei der Gründung entspricht es dem gesamten Gesellschaftskapital. Da für die Verbindlichkeiten der AG nur das Gesellschaftsvermögen – und nicht die Aktionäre persönlich – haftet, ist es die Haftungsbasis. Im Verlauf der wirtschaftlichen Tätigkeit wird sich allerdings das Gesellschaftsvermögen in der Gesellschaft zurückbilden oder vermehren. Gewinne ebenso wie Verluste wirken sich jedoch weder auf die Haftungsbasis der Gesellschaft (grosses bzw. kleines Aktienkapital) noch auf deren Grundkapital (gezeichnetes Kapital, wie in den Statuten festgelegt) aus.B) ist falsch. Das Aktienkapital kann durchaus verändert werden, allerdings nur unter Einhaltung bestimmter Grundsätze.
Die Z AG schuldet verschiedenen Lieferanten CHF 100 000.–. Einer dieser Gläubiger, Müller, hat erfahren, dass das Aktienkapital nur zu 80 % einbezahlt ist. Um den anderen Gläubigern zuvorzukommen, möchte er den Hauptaktionär Schneebeli auf Bezahlung der restlichen 20 % seines Aktienkapitalanteils einklagen. Damit wäre seine Forderung gedeckt.A) Wie beurteilen Sie dieses Vorgehen?B) Was kann Müller unternehmen?
A) Für die Gesellschaftsschulden haftet nur das Vermögen der AG. Rechtsbeziehungen sind nur zwischen den Gläubigern und der AG möglich, nicht zwischen den Gläubigern und den Aktionären. Deshalb kann Müller nicht direkt gegen den Hauptaktionär Schneebeli vorgehen
.B) Müller muss den geschuldeten Betrag von der AG verlangen. Diese wiederum hat einen Anspruch gegen die Aktionäre auf volle Bezahlung des von diesen übernommenen Kapitalanteils.
Wären die folgenden Firmen zulässig für eine AG?
A) Walter Müller, Musikhaus
B) Larenco
C) Die schönsten Ferien Reisen AG
A) Nein, im Zusammenhang mit einem Familiennamen muss der Zusatz «AG» stehen. Möglich wären: Walter Müller AG, Musikhaus oder Walter Müller, Musikinstrumente AG.
B) Nein, Fantasiebezeichnungen sind zwar zulässig. Sie müssen aber immer den Zusatz «AG» haben (OR 950).
C) Nein, denn diese Firma hat einen bloss reklamehaften Charakter. Sie ist deshalb nicht zulässig.
Welche Schritte sind für die Gründung einer AG obligatorisch?
Schritt: Aufstellen der Statuten durch die Gründer
Schritt: Aufbringen des Aktienkapitals
Schritt: Erstellen der Gründungsurkunde (Errichtungsakt)
Schritt: Eintrag ins Handelsregister
A) Was sind Statuten?
B) Welchen Mindestinhalt schreibt das Gesetz für die Statuten von nicht kotierten Gesellschaften vor?
A) Die Statuten der AG entsprechen dem Gesellschaftsvertrag bei den Personengesellschaften. Man könnte sie als Verfassung der AG bezeichnen.
B) Der Mindestinhalt ergibt sich aus OR 626. Die Statuten müssen im Minimum Angaben enthalten über
Firma und Sitz der Gesellschaft,
Zweck des Unternehmens,
Höhe des Aktienkapitals und Betrag der Einlagen,
Anzahl, Art und Nennwert,
Einberufung der GV und Stimmrecht der Aktionäre,
Bestellung des Verwaltungsrats und der Revisionsstelle,
Form der Bekanntmachung durch die Gesellschaft.
Die X AG umschreibt in den Statuten ihren Geschäftszweck wie folgt: «Die Gesellschaft bezweckt den Handel mit Gütern aller Art.» Um das Unternehmen wirtschaftlich breiter abzustützen, soll nun auch ein Produktionsbetrieb aufgebaut werden. Darf die AG das oder muss sie zuerst den statutarisch bestimmten Geschäftszweck ändern?
Die eigene Produktion von Gütern liegt ausserhalb des statutarisch umschriebenen Gesellschaftszwecks. Der Geschäftszweck muss deshalb geändert werden – durch eine Statutenänderung.
Wie wird die Existenz des Aktienkapitals bei der Gründung gesichert und warum legt das Gesetz so grossen Wert auf diese Sicherung?
Die Sicherung ist gewährleistet durch den Grundsatz der vollständigen Übernahme des Aktienkapitals (OR 630) und die Pflicht zur Einzahlung des Aktienkapitals (OR 633). Damit kann die AG erst nach ihrer Gründung über das Kapital verfügen.Das Gesetz stellt diese Sicherungsvorschriften im Interesse der Gesellschaftsgläubiger auf. Wenn Letztere ihre Ansprüche gegen die Gesellschaft für fällig erklären, müssen sie sich darauf verlassen können, dass auch tatsächlich Kapital vorhanden ist.
Die Gründer der X AG legen in den Statuten fest, dass das Aktienkapital CHF 100 000.– betragen soll. Davon wollen sie insgesamt CHF 50 000.– übernehmen. Die restlichen Aktien wollen sie im Eigentum der AG belassen, um diese später, bei erhöhtem Kapitalbedarf, an Dritte verkaufen zu können.
A) Warum ist dieses Vorgehen nicht zulässig?
B) Was können die Aktionäre tun, wenn sie nicht das gesamte Aktienkapital benötigen?
A) Dieses Vorgehen widerspricht dem Grundsatz der vollen Deckung des Aktienkapitals (OR 630) und ist deshalb unzulässig.
B) Wird nicht das gesamte Aktienkapital benötigt, so können die Statuten vorsehen, dass die Aktionäre nur einen Teil davon liberieren, d. h. einzahlen. Sie sind verpflichtet, den Restbetrag zu bezahlen, sobald die Gesellschaft das Kapital benötigt (OR 632).
A und B, Gründer der Y AG, wollen ihre Aktien nur teilweise liberieren. A zeichnet CHF 150 000.– und zahlt CHF 25 000.– ein. B zeichnet CHF 100 000.– und zahlt ebenfalls CHF 25 000.– ein. Ist das zulässig?
A und B müssen insgesamt 20 % resp. 50 000.– liberiert werden, muss jeder Aktionär mindestens 20 % liberieren. A müsste also mindestens 30 000.– einzahlen (632 I).
A, B und C sind daran, eine AG zu gründen. Der Eintrag ins Handelsregister ist noch nicht erfolgt. Da die Marktlage gerade günstig ist, beschliessen sie, ihre Geschäftstätigkeit jetzt schon aufzunehmen. Durch eine Fehlinvestition gelangen sie aber rasch in grosse finanzielle Bedrängnis. Die Schulden übersteigen das Aktienkapital der zukünftigen AG bei Weitem. Der Gläubiger klagt gegen A auf Bezahlung der vollen Schuld. Vor dem Richter stellt sich A auf den Standpunkt, der Gläubiger könne gegen ihn nicht klagen, da nur die AG hafte. Er könne höchstens in der Höhe des Aktienkapitals Entschädigung verlangen. – Was meinen Sie?
Die AG befindet sich noch im Gründungsstadium, hat also ihre Rechtspersönlichkeit noch nicht erlangt. Zu diesem Zeitpunkt bilden die Gründer A, B und C eine einfache Gesellschaft und haften für die Schulden demnach solidarisch mit ihrem ganzen Vermögen. Der Gläubiger geht also zu Recht gegen A vor und kann den ganzen Betrag fordern. A kann dann von B und C anteilmässiges Tragen der Schuld verlangen.
Was versteht man unter «qualifizierter Gründung»?
Unter der qualifizierten Gründung versteht man die Sacheinlagegründung, die Sachübernahmegründung und die Gründung unter Gewährung von Gründervorteilen.
Der geniale Erfinder A und seine Helfer B und C wollen zusammen eine AG gründen, um A’s Erfindung zu verwerten. B und C beteiligen sich am Aktienkapital je mit CHF 50 000.– in bar. A selbst hat kein Bargeld. Die drei kommen überein, dass A seinen Anteil am Aktienkapital zu CHF 50 000.– durch Sacheinlage übernimmt. A bringt folgende Vermögenswerte ein:
Patente über schon gemachte Erfindungen, bewertet zu CHF 40 000.–
Eine Liste mit zehn nächsten Erfindungen, die er in Zukunft machen wird, bewertet zu CHF 10 000.– Ist dieses Vorgehen zulässig? (Denkhilfe: Wozu dient das Aktienkapital?)
Gegen das Vorgehen ist nichts einzuwenden, was die schon bestehenden Patente betrifft. Sie stellen einen realen Wert dar und können die Haftungsfunktion des Aktienkapitals gewährleisten. Anders steht es mit den zukünftigen Erfindungen. Hier liegt noch kein realer Wert vor. Deshalb können sie nicht als Sacheinlage verwendet werden (der Erfinder kann im Konkurs der AG nicht seinen Kopf verwerten lassen).
Worin liegt das besondere Problem der Sacheinlage- und der Sachübernahmegründung und welche Vorkehrungen trifft das OR?
Die besonderen Probleme liegen in der richtigen Bewertung der eingebrachten bzw. übernommenen Gegenstände.Sind diese überbewertet, so ergibt das Aktienkapital keinen genügenden Deckungswert für die Gesellschaftsschulden.Aus diesem Grund stellt das OR die besonderen Anforderungen von OR 628.
Das OR überträgt der GV verschiedene Aufgaben. Welche sind es? Nennen Sie mindestens drei.
Die GV ist das oberste Organ der AG. Ihr kommen deshalb die Aufgaben der Willensbildung zu (OR 698). Drei der folgenden sollten Sie genannt haben:
Festsetzung und Änderung der Statuten
Wahl und Abberufung des Verwaltungsrats und der Revisionsstelle
Abnahme der Jahresrechnung und Beschlussfassung über die Verteilung des Gewinns
Entlastung des Verwaltungsrats
Beschlussfassung über weitere statutarisch der GV vorbehaltene Belange (bei kotierten Gesellschaften ausserdem: Abstimmung über die Vergütung des VR, der Geschäftsleitung und des Beirats)
Was bedeutet die Dechargeerteilung?
Dechargeerteilung bedeutet Entlassung der Organe aus ihrer Verantwortung.
Der Verwaltungsratspräsident der Y AG ist zugleich Hauptaktionär. In der Generalversammlung wird von einem Minderheitsaktionär ein Antrag gestellt, die Dechargeerteilung sei zu verweigern, da gewisse Unregelmässigkeiten in der Geschäftsführung zuerst geklärt werden müssten. Dank seiner «Stimmenmacht» setzt der Präsident die Dechargeerteilung durch. Ist dieser Vorgang rechtlich in Ordnung?
Nach OR 695 darf der Verwaltungsratspräsident bei seiner eigenen Dechargeerteilung nicht stimmen. Der Beschluss der GV ist deshalb ungültig.
Der Verwaltungsrat der Z AG kündigt die Generalversammlung durch ein Inserat im Schweizerischen Handelsamtsblatt an. Ein Aktionär, der die Ankündigung nicht gesehen und die GV deshalb verpasst hat, ist der Meinung, die GV-Beschlüsse seien ungültig.
A) Wo wird festgelegt, wie die Einladung zur GV zu erfolgen hat?B) Was müsste der Aktionär unternehmen, falls die Einladung nicht richtig erfolgt ist?
A) Nach OR 626 Ziff. 7 legen die Statuten die Form der Bekanntmachung fest.
B) Falls die Bekanntmachung statutenwidrig erfolgt ist, kann der Aktionär die Beschlüsse der betreffenden GV anfechten.
An der ordentlichen GV der Z AG sind alle Aktionäre anwesend. Einer von ihnen stellt den Antrag, es sei gleich über ein Traktandum abzustimmen, das nicht auf der Traktandenliste steht.
A) Kann an der GV gültig darüber abgestimmt werden?
B) Der Aktionär Z will sich nicht auf eine Abstimmung einlassen. Kann er etwas unternehmen, wenn über das Traktandum nicht abgestimmt wird?
A) Ja, wenn alle Aktionäre an einer GV anwesend sind, spricht man von einer Universalversammlung. Und die Universalversammlung kann auch über Traktanden beschliessen, die nicht in gehöriger Form angekündigt wurden.
B) Ja, der Aktionär kann die GV vor der Behandlung des betreffenden Traktandums verlassen. Dadurch verliert sie ihre Beschlussfähigkeit betreffend nicht angekündigter Traktanden.
Der Aktionär Z ist der Meinung, die schlechte Wirtschaftslage erfordere eine ausserordentliche Generalversammlung, um die nötigen Sanierungsmassnahmen einzuleiten. Wie kann er die Einberufung einer GV durchsetzen?
Falls er selbst 10 % des Aktienkapitals vertritt, kann er die Einberufung der GV vom Verwaltungsrat verlangen und wenn nötig auch gerichtlich durchsetzen. Falls er weniger Stimmen hat, bleibt ihm nichts anderes übrig, als gleich gesinnte Aktionäre zu suchen, um die 10 %-Hürde zu meistern.
Nach welchen Grundsätzen bemisst sich das Stimmrecht an der GV?
Das Stimmrecht ist kapitalbezogen, d. h., je mehr Anteile am Aktienkapital ein Aktionär besitzt, desto mehr Stimmen hat er.
Wie wird die Mehrheit bei Abstimmungen an der GV ermittelt?
Im Normalfall gilt das absolute Mehr der anwesenden Stimmen. Für besonders wichtige GV-Beschlüsse sieht das Gesetz qualifizierte Mehrheitsverhältnisse vor (OR 654 II und III, 656f IV, 701, 704, 706 II Ziff. 4, 729c III).
Über welche der folgenden Geschäfte darf die GV abstimmen und welche rechtlichen Erfordernisse muss die Abstimmung jeweils erfüllen?
A) Grundlegende Änderung des Geschäftszwecks
B) Wahl eines neuen Marketingdirektors
C) Wahl der Revisionsstelle
D) Beschluss über die Verlegung des Geschäftssitzes
E) Kauf eines grossen Areals zur Produktionserweiterung.
A) Hier geht es um eine teilweise Änderung des Gesellschaftszwecks, die zwei Drittel der vertretenen Stimmen, die die absolute Mehrheit der Aktiennennwerte auf sich vereinigen, erfordert (OR 704, sog. qualifizierte Mehrheit).
B) Dieses Geschäft ist normalerweise Sache des Verwaltungsrats. Die GV kann darauf höchstens über die Wahl des Verwaltungsrats Einfluss nehmen.
C) Die Wahl der Revisionsstelle ist ein typisches Wahlrecht der GV (OR 698 II, Ziff. 2). Erforderlich ist das absolute Mehr.
D) Ist ein Geschäft, über das die GV abstimmen kann; es braucht dazu das qualifizierte Mehr.
E) Ein typisches Geschäft, für das der Verwaltungsrat (nicht die GV) zuständig ist.
Die Aktionäre A, B und C vereinbaren, an der nächsten GV für die Nichtwiederwahl des Verwaltungsratspräsidenten zu stimmen. Zusammen vertreten sie genügend Stimmen, um dies durchzusetzen.
A) Wie viele Stimmen müssen sie mindestens haben?
B) C hält sich nicht an die Abmachung, der Präsident wird wiedergewählt. Ist die Wahl gültig? Können A und B gegen C vorgehen?
A) Sie müssen mehr als 50 % der Stimmen haben, die an der betreffenden GV anwesend sind.
B) A, B und C haben einen sog. Aktionärbindungsvertrag abgeschlossen. Gegenüber der Gesellschaft hat dieser keinerlei Wirkung. Die Wahl ist also gültig. Im internen Verhältnis zwischen A, B und C gelten die Regeln der einfachen Gesellschaft; danach können A und B gegen C vorgehen.
Welches sind die wichtigsten Aufgaben des Verwaltungsrats?
Das OR umschreibt die wichtigsten Aufgaben des Verwaltungsrats in OR 716a:
Geschäftsführung
Ausführung der GV-Beschlüsse
Führung der Geschäftsbücher
Erstellung des Jahresberichts
Anordnende Massnahmen bei Verlusten und Überschuldung
Unter welchen Voraussetzungen kann der Verwaltungsrat Kompetenzen delegieren?
Wenn die Statuten dies zulassen, kann der Verwaltungsrat einen Teil seiner Aufgaben an einen Delegierten des Verwaltungsrats übertragen oder eine Geschäftsleitung einsetzen (OR 718 II). Er ist dann nicht mehr Exekutiv-, sondern Aufsichtsorgan.
Welche der folgenden Aussagen ist richtig?
A) Der Verwaltungsrat darf seine Befugnisse in jedem Fall an Delegierte oder Direktoren übertragen, da er berechtigt ist, Ausschüsse zu bilden.
B) Direktoren oder Delegierte werden immer durch den Verwaltungsrat gewählt.
C) Bei zulässiger Delegation von Verwaltungsratskompetenzen wird der Verwaltungsrat zum Aufsichtsorgan.
A) ist falsch, und zwar in zweifacher Hinsicht:
Das Recht zur Bildung von Ausschüssen und die Delegation von Kompetenzen haben nichts miteinander zu tun.
Die Delegation von Verwaltungskompetenzen ist nur zulässig, wenn sie durch die Statuten oder durch Reglemente zugelassen wird.
B) ist in dieser Formulierung falsch, denn je nach Ausgestaltung der Statuten bzw. Reglemente ist entweder der Verwaltungsrat oder die GV zur Wahl berechtigt.
C) ist richtig. Soweit der Verwaltungsrat Kompetenzen delegiert, ist er zur Überwachung der Delegierten bzw. Direktoren verpflichtet. Er hat ihnen gegenüber ein umfassendes Auskunftsrecht.
Welche Pflichten hat ein Verwaltungsratsmitglied?
Jedes Verwaltungsratsmitglied übernimmt mit der Annahme seiner Wahl die Pflicht, die Verwaltungsratsaufgaben sorgfältig auszuüben. Es muss die notwendigen Fachkenntnisse besitzen und das gehörige Engagement aufbringen. Zudem hat es eine umfassende Treue- und Geheimhaltungspflicht. Erwächst der Gesellschaft aus der Verletzung dieser Pflichten ein Schaden, so haften die Fehlbaren persönlich.
Die Direktion hat der X AG durch riskante Börsenspekulationen grossen Schaden zugefügt.
A) Kann sie dafür belangt werden?
B) Wer kann Klage erheben?
C) Könnte auch der Verwaltungsrat verklagt werden?
A) Die Direktion (Geschäftsleitung) ist Angestellte und nicht Organ der AG. Für die Haftung der leitenden Angestellten gilt der funktionelle Organbegriff. Unterliegen sie als Entscheidungsträger, die selbstständig entscheiden, der Organhaftung nach OR 754. Sie können also bei entsprechender Funktion und Kompetenz wie Direktoren belangt werden.
B) Folgende Personen können die Klage einreichen:
Die AG selbst; die vertreten wird durch den Verwaltungsrat. Falls dieser in den Fall verwickelt ist, muss die GV einen Vertreter bestimmen.
Die Aktionäre.
Falls die AG sich in Konkurs befindet, der Konkursverwalter.
Gläubiger können klagen, sofern sie in der Generalversammlung erfolglos Klage auf Weisung beantragt haben.
C) Für delegierte Aufgaben haftet der Verwaltungsrat auch nachträglich – nämlich für die Auswahl, Instruktion und Überwachung der Geschäftsleitung. Hat er dies vernachlässigt, kann er ebenfalls belangt werden.
Wogegen richtet sich die Anfechtungs- bzw. die Verantwortlichkeitsklage?
Die Anfechtungsklage richtet sich gegen GV-Beschlüsse, die unter Missachtung der Rechte des Aktionärs gefasst wurden.Die Verantwortlichkeitsklage richtet sich gegen den Verwaltungsrat. Mit ihr kann für verursachten Schaden Ersatz verlangt werden.
Welches sind die Wählbarkeitsvoraussetzungen für einen Verwaltungsrat?
Die Wählbarkeit eines Verwaltungsrats ist von folgenden Voraussetzungen abhängig:
Er muss eine natürliche Person sein.
Minderheiten haben Anspruch auf einen Vertreter.
Die GV möchte ihren Verwaltungsrat abberufen. Kann sie das? – Könnte umgekehrt auch der Verwaltungsrat vor Ablauf der Amtsdauer zurücktreten?
Beides ist zulässig.
Welche Arten von Revisionen unterscheidet man?
Ordentliche Revision: wenn die AG als Publikumsgesellschaft auftritt, eine bestimmte Mindestgrösse hat oder eine Konzernrechnung erstellt (OR 727).
Eingeschränkte Revision: für kleinere Unternehmen; es werden nur bestimmte Sachverhalte geprüft.
Verzicht auf Revision: bei ganz kleinen Unternehmen mit weniger als 10 Vollzeitstellen, sofern alle Aktionäre zustimmen (OR 727a).
Der Aktionär Z möchte von der Revisionsstelle einige Auskünfte zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft. Diese werden ihm telefonisch bereitwillig erteilt. Mit seinem Wissen geht der Aktionär zur Konkurrenz und fügt der Gesellschaft erheblichen Schaden zu.
A) Was würden Sie gegen die Revisionsstelle unternehmen?
B) Hätten Sie mit einer Verantwortlichkeitsklage gegen den Aktionär Erfolg?
A) Die Revisionsstelle hat ihre Schweigepflicht verletzt. Für den daraus entstandenen Schaden haftet sie wie der Verwaltungsrat nach den Grundsätzen von OR 754. Sinnvoll wäre also die Erhebung der Verantwortlichkeitsklage.
B) Da der Aktionär keine Organstellung hat (Sie erinnern sich: Prinzip der Drittorganschaft), kommt die Verantwortlichkeitsklage nicht in Betracht. Auch sonst hat er keine Aktionärspflicht verletzt. Gegen ihn kann man deshalb nichts unternehmen.
A) Alle grossen Aktiengesellschaften müssen eine ordentliche Revision durchführen.
B) Auf die Durchführung einer Revision kann nicht verzichtet werden.
C) Der Vorteil der eingeschränkten Revision liegt darin, dass sie weniger umfassend und damit kostengünstiger ist.
A) Richtig, OR 727.
B) Falsch, OR 727a.
C) Richtig, es werden nur bestimmte Sachverhalte geprüft.
Beschreiben Sie das Verhältnis der drei Organe der AG zueinander.
Die Generalversammlung ist das oberste Organ. Sie wählt den Verwaltungsrat und die Revisionsstelle, genehmigt den Geschäftsbericht und entscheidet über die Dechargeerteilung.
Der Verwaltungsrat ist das geschäftsführende Organ. Er bereitet die GV vor und trifft die Entscheidungen im Alltag der AG.
Die Revisionsstelle ist das Bindeglied. Sie kontrolliert die Rechnungslegung des Verwaltungsrats und erstattet der GV Bericht. Sie muss unabhängig sein.
Die Z AG mit CHF 4 Mio. Aktienkapital sucht einen neuen Revisor. Verwaltungsratspräsident Z möchte das Revisionsmandat seinem 21-jährigen Sohn Y erteilen, der am Konservatorium Musik studiert. Was spricht gegen die Wahl von Sohn Y?
Um als Revisor für eine AG mit einem Aktienkapital von CHF 4 Mio. zu walten, müsste sich Sohn Y über umfangreiche Buchhaltungs-, Betriebswirtschafts-, Steuer- und Rechtskenntnisse ausweisen und zudem einige Praxis mitbringen. Das liegt sehr wahrscheinlich nicht vor. Weiter ist zu vermuten, dass Sohn Y den Anforderungen an die gebotene Unabhängigkeit nicht genügt.
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