Definition: Klinische Psychologie
Klinische Psychologie ist diejenige Teildisziplin der Psychologie, die sich mit psychischen
Störungen und den psychischen Aspekten somatischer Störungen und Krankheiten in der
Forschung, der Diagnostik und Therapie beschäftigt. Dazu gehören u. a. die Themen:
• Ätiologie und Bedingungsanalyse;
•Klassifikation und Diagnostik;
•Prävention, Psychotherapie und Rehabilitation;
•Epidemiologie, Gesundheitsversorgung und Evaluation.
Forschungsfelder und fragen in der Klinischen Psychologie:
Beschreibung, Klassifikation, Diagnostik psychischer Störungen ( Was ist gesund, was ist krank und wie kann es diagnostiziert werden?
Epidemiologie und Ätiologie ( Wie häufig kommt es vor, wie entsteht es, und wie verläuft es?
Intervention ( Was ist wirksam und verträglich?
Versorgung ( Wie ist der Zugang zur Versorgung und deren Qualität?
Diese Forschungsfelder lassen sich drei allgemeinen Zielen in den
Wissenschaften zuordnen:
Ein Phänomen:
Beschreiben
Erklären, Vorhersagen
kontrollieren, beeinflussen, bzw. verändern
Definition Diagnostik
In Anlehnung an das DSM 5 (APA 2015, S. 26) lassen sich psychische Störungen definieren als ein Verhaltens oder psychisches Syndrom oder Muster, das durch klinisch bedeutsame „Störungen in den Kognitionen, in der Emotionsregulation und im Verhalten einer Person charakterisiert ist. Diese Störungen sind Ausdruck von dysfunktionalen psychologischen, biologischen oder entwicklungsbezogenen Prozessen, die psychischen und seelischen Funktionen zugrunde liegen. Psychische Störungen sind typischerweise verbunden mit bedeutsamen Leiden oder Behinderung hinsichtlich sozialer oder berufs --/ausbildungsbezogener und anderer wichtiger
Forschungsfragen Diagnostik
Beispiel für eine Studie aus dem Forschungsfeld Beschreibung, Klassifikation,
Diagnostik:
et al. (2011): Wie gut kann Alzheimer anhand von Proteinen
im Blutplasma diagnostiziert werden (Goldstandard: neuropsychologischer Test zur
Epidemiologische Fragestellungen
deskriptive vs analytische Epidemoiologie
deskriptive Epidemiologie
beschäftigt sich mit der räumlichen und zeitlichen Verteilung von Erkrankungen oder anderen gesundheitsrelevanten Variablen in einer genau definierten Zielpopulation, über die man Schlüsse ziehen will. Außerdem beschreibt sie die Häufigkeit ihres Auftretens sowie den Beginn und natürlichen Verlauf in Abhängigkeit von soziodemografischen Faktoren.
analytische Epidemiologie
geht über die Beschreibung von Populationen hinaus, indem sie Faktoren untersucht, die eine Krankheit oder Störung vorhersagen oder gar an deren Verursachung beteiligt sind. Ebenso beschäftigt sie sich mit Faktoren des Verlaufs von Krankheiten oder Störungen. Ziel ist also, Erkenntnisse über Ursachen, Risiko und Auslösefaktoren genetischer (genetische Epidemiologie), biologischer, sozialer, psychologischer und umweltbezogener Art und deren Zusammenwirken zu gewinnen. Die analytische Epidemiologie misst solche Faktoren und quantifiziert deren Zusammenhänge mit Symptomen, Krankheitsepisoden, verläufen und folgen. Epidemiologische Studien, die derartige Fragestellungen an klinischen Kohorten untersuchen (z. B. definierten Krankheitsgruppen), werden auch häufig als klinisch epidemiologische Studien bezeichnet.
Ätiologische und Prognostische Fragestellungen
–Ätiologische Fragestellungen beschäftigen sich mit den Ursachen von Krankheiten und sind besonders schwierig wegen der Klärung der Kausalität
–Prognostische Fragestellungen beschäftigen sich mit der Vorhersage des Krankheitsverlaufes ohne oder mit Behandlung
Prävalenz
bezeichnet die Häufigkeit einer Erkrankung und beschreibt den Anteil aller Krankheitsfälle unter allen Individuen in einer definierten Population (z. B. in Deutschland lebende Personen im Alter von 18 65 Jahren). Die Krankheit muss zu einem bestimmten Zeitpunkt ( Punktprävalenz an einem bestimmten Stichtag ) bzw. innerhalb einer bestimmten Zeitperiode Periodenprävalenz, z. B. 12 Monats Prävalenz für das vergangene Jahr oder Lebenszeit --(Lifetime --) Prävalenz für die gesamte Lebensspanne) vorliegen. Die ermittelte (geschätzte) Prävalenz ist in besonderem Maße von den eingesetzten Diagnosekriterien (z. B. gemäß ICD versus DSM), Erhebungsmethoden (z. B. standardisiertes diagnostisches Interview versus Screeningfragebogen ; vgl. Bias durch Messfehler) und der Stichprobenziehung (Wahl der Quellpopulation und Ausschöpfungsquote; vgl. Selektionsbias) abhängig.
Inzidenz
versteht man die Häufigkeit des Neuauftretens einer Erkrankung. Die Inzidenzrate bezeichnet den Anteil der Personen in einer definierten Population, die eine Krankheit innerhalb eines bestimmten Zeitraumes neu bekommen haben (z. B. 12 Monats Inzidenz) unabhängig davon, ob die Erkrankung am Ende der Zeitperiode noch besteht oder nicht. Der Nenner (die „Risikopopulation“: alle, die die Krankheit haben könnten) umfasst hier nur die Personen, die die Erkrankung vorher noch nicht hatten. (Genau genommen ist dies die „Fallinzidenz“. Bei der für psychische Störungen weniger gebräuchlichen „Episodeninzidenz“ würden in Zähler und Nenner auch Personen mitgezählt, die die betreffende Störung bereits hatten, und eine neue Episode bekommen könnten.)
prognostischer Faktor
ist ein Merkmal, bei dessen Vorhandensein eine Krankheit
(ohne Behandlung) einen anderen Verlauf nimmt als bei Abwesenheit des
Ein Faktor kann als prognostisch gelten, wenn er…
–Statistisch signifikant ist bezüglich des interessierenden Endpunktes,
–Unabhängig von anderen Faktoren bedeutsam ist
–und klinisch bedeutsam ist.
Beispiel: Bei älteren Personen besteht ein höheres Risiko auf einen schweren Verlauf von Covid 19.
Prädiktiver Faktor
Bezieht sich der Faktor auf den Krankheitsverlauf unter einer Behandlung, spricht man von einem prädikitven Faktor.
Beispiel: Bei einer komorbiden generalisierten Angststörung besteht ein höheres Risiko, dass eine initiale medikamentöse Behandlung einer depressiven Episode nicht anschlägt (Therapieresistenz).
Risiko
Allgemein versteht man unter Risiko die Wahrscheinlichkeit für ein unerwünschtes Ereignis, z. B. eine Krankheit zu bekommen. Das Lebenszeitrisiko ist die Erkrankungswahrscheinlichkeit eigentlich bis zum Lebensende, praktisch aber bis zu dem höchsten in einer Studie untersuchten Alter (wenn dies 65 Jahre beträgt, kann man anhand der Daten nichts über das Alter von über 65 Jahren aussagen). Das Maximalalter in Studien zur Häufigkeit psychischer Störungen bei Erwachsenen beträgt meist 65 Jahre, manchmal aber auch 79 Jahre (oder höher). Hier meint „Lebenszeitrisiko“ also die Wahrscheinlichkeit, eine Störung jemals bis zum Alter von 65 bzw. 79 zu entwickeln.
Risikofaktor
Eine vorausgehende, binäre Variable, die mit einem erhöhten Risiko einer späteren Erkrankung bzw. Störung einhergeht (z. B. frühkindliche Traumatisierung vs. keine frühkindliche Traumatisierung für spätere Angststörung). Ein variabler Risikofaktor kann sich von allein verändern (z. B. Alter oder Körpergewicht, dichotomisiert) oder verändert werden (z. B. Medikamenteneinnahme); ein fester Marker dagegen ist unveränderlich (z. B. Geschlecht). Ein kausaler Risikofaktor ist ein Faktor, der, wenn man ihn verändert, danach auch das Risiko einer Krankheit verändert. Bei einem Faktor, der mit einer Krankheit assoziiert ist, ohne dass der Faktor vorausgeht, spricht man von einem Korrelat (s. auch . Abbildung nächste Folie nach Kraemer et al. 1997).
Typologie für einen Risikofaktor
Odds Ratio
Das Quotenverhältnis Odds Ratio ) ist ein Maß dafür, um wie viel größer die Chance zu erkranken (im Sinne einer Quote) in der Gruppe mit Risikofaktor ist, verglichen mit der Gruppe ohne Risikofaktor. Das Quotenverhältnis nimmt Werte zwischen 0 und unendlich an. Ein Wert von 1 bedeutet ein gleiches Quotenverhältnis und somit kein erhöhtes Risiko.
(signifikanz lässt sich mit KI überprüfen)
Relatives Risiko
Das heißt, das Risiko einen Herzinfarkt zu erleiden, ist unter Rauchern 7,4-mal so hoch wie unter Nichtrauchern. Das relative Risiko nimmt Werte zwischen 0 und Unendlich an. Ein Wert von 1 bedeutet, dass das Risiko in beiden Gruppen gleich ist. Das attributable Risiko zieht auch in Betracht, wie häufig eine Krankheit überhaupt ist.
Bradford Hill Kriterien für das Vorliegen einer Kausalbeziehung
1.Stärke: Ein kausaler Zusammenhang ist wahrscheinlich, wenn die beobachtete Assoziation stark
2.Konsistenz: Ein kausaler Zusammenhang ist wahrscheinlich, wenn mehrere voneinander unabhängigeStudien ähnliche Assoziationen zeigen.
3.Spezifität: Ein kausaler Zusammenhang ist wahrscheinlich, wenn die Exposition nur mit dem Outcomevon Interesse assoziiert ist und nicht mit weiteren Outcomes.
4.Temporalität: Ein kausaler Zusammenhang ist wahrscheinlich, wenn die Exposition vor dem Auftreten des Outcome vorhanden war.
5.Biologischer Gradient: Ein kausaler Zusammenhang ist wahrscheinlich, wenn eine DosisWirkungsbeziehung zwischen der Exposition und dem Outcome besteht.
6.Plausibilität: Ein kausaler Zusammenhang ist wahrscheinlich, wenn die beobachtete Assoziation inRichtung und Ausprägung so ist, wie man es aufgrund des biologischen Wissens erwarten würde.
7.Kohärenz: Ein kausaler Zusammenhang ist wahrscheinlich, wenn die beobachtete Assoziation nicht dembiologischen Wissen widerspricht.
8.Analogie: Ein kausaler Zusammenhang ist wahrscheinlich, wenn es für die beobachtete Assoziationähnliche Beispiele gibt.
9.Experiment: Ein kausaler Zusammenhang ist wahrscheinlich, wenn sich das Outcome wenn man in einer experimentellen Studie verschiedene Expositionen vergleicht.
manipulative Kausalitätskonzept von Cook & Campbell
Cook und Campbell (1979) definierten drei Bedingungen für den Nachweis eines kausalen Zusammenhanges in einer experimentellen Studie
Kovarianz : Veränderungen in der angenommenen Ursache unabhängige Variable, UV ) müssen mit den Veränderungen im angenommenen Effekt abhängige Variable, AV ) in einem systematischen Zusammenhang stehen (=kovariieren).
Zeitliche Abfolge : Die Ursache (UV) muss zeitlich vor dem Effekt (AV) stattfinden/auftreten.
Keine alternativen Erklärungen : Die angenommene Ursache muss die einzige mögliche Ursache für den Effekt (AV) sein ( ceteris paribus Bedingung ). Es gibt keine Drittvariablen (Störvariablen), die mit der UV konfundiert sind. (am schwierigsten, Kontrolle muss so gut sein, dass sämtliche alternative Erkärungen ausgeschlossen werdem können)
Gliederungsschema für 4 Designtypen
Studiendesigns in der epidemiologischen Forschung
1.
Observational Studies (= Studien mit einem korrelativen Design)
2. Experimentelle Studien
•Prospektive Kohortenstudien : Probanden werden nach bestimmten Kriterien ausgewählt und
über einen festgelegten Zeitraum zwei oder mehrmals untersucht
•Fall Kontroll Studien : einer Stichprobe von Fällen (Personen, bei denen ein Outcome aufgetreten ist) wird eine Stichprobe von Kontrollen (Personen, bei denen das Outcome nicht vorliegt) aus derselben Population gegenübergestellt. Beide Gruppen werden hinsichtlich des Auftretens der Exposition verglichen.
• Querschnittstudie : Zu einem Zeitpunkt werden an einer Stichprobe von Personen alle interessierenden Variablen erhoben und in Beziehung gesetzt (z.B. Bestimmung der Prävalenz einer Erkrankung)
•Randomisierte kontrollierte Studien : Die Studienteilnehmer werden auf mehrere experimentelle Bedingungen per Zufall aufgeteilt (= randomisiert) und zu mehreren Messzeitpunkten (Pretest, Posttest etc.) untersucht. Je nach Art der Störvariablen (z.B. situationsgebunden oder Personengebunden) werden neben der Randomisierung weitere Maßnahmen zur Kontrolle dieser Störvariablen angewendet.
Schema Querschnittstudie
Schema Fall-Kontroll-Studie
Passende Vergleichgruppe (Nicht-Erkrankte) müssen den “Fällen” möglichst ähnlich sein (Unterscheidung NUR in Bezug auf untersuchten Risikofaktor)
Fall Kontroll Studie: Wer gilt als krank = Fall:
– Unter Falldefinition versteht man im Zusammenhang mit epidemiologischen Aussagen die exakte Definition und Zielbeschreibung der Zähleinheit. Fallkriterien können beispielsweise sein:
• eine oder mehrere spezifische etablierte Diagnosen, z. B. die DSM 5 Diagnose Panikstörung oder Major Depression,
• eine oder mehrere Syndrome, d. h. störungsübergreifende Symptomcluster, wie z. B. depressives Syndrom (ohne alle DSM 5 Kriterien für die Major Depression voll zu erfüllen),
•einzelne diagnostische Merkmale (z. B. Auftreten von Panikattacken).
–Den Fällen werden sogenannte Controls (= Kontrollen, d.h. Personen, die möglichst vergleichbar sind, aber auf die die Falldefinition nicht zutrifft) gegenübergestellt.
Schematische Darstellung einer Kohortenstudie
Schematische Darstellung einer randomisierten kontrollierten Studie (RCT)
Einige Hinweise zu Vor und Nachteilen einzelner Studiendesigns: Prospektive Studien
•Prospektive Studien sind sehr aufwendig, weil sie große Untersuchungsstichproben erfordern (um so größer, je kleiner die Prävalenz einer Krankheit ist) und weil sie über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden müssen (insbesondere wenn eine Krankheit lange braucht, um zu entstehen), haben aber wegen der zeitlichen Distanz zwischen Exposition und dem Auftreten einer Krankheit eine höhere interne Validität im Vergleich zu Fall Kontroll Studien oder Querschnittstudien.
Einige Hinweise zu Vor und Nachteilen einzelner Studiendesigns: retrospektiven Studien
Bei retrospektiven Fall Kontroll Studien gibt es viele Fehlerquellen:
•Messfehler: Erinnerungsfehler und Verzerrungen
•Wirkungsrichtung bleibt unklar (insbesondere wenn der Risikofaktor nicht vor Ausbruch der Krankheit auftrat)
•Störvariablen können zu Scheinkorrelationen führen
•Stichprobenbias wegen „Ziehen nach dem Ergebnis“
Querschnittstudien
Querschnittstudien haben eine sehr niedrige interne Validität. Ein wichtiger Vorteil ist, das sich leichter repräsentative Stichproben aus einer Zielpopulation ziehen lassen. Zur Schätzung von Prävalenzen sind repräsentative Stichproben wichtig.
RCT Studien
Studien haben die höchste interne Validität. Hier lassen sich am ehesten kausale Schlussfolgerungen ziehen.
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