Wie verläuft das körperliche Größenwachstum beim Menschen von der Geburt bis zum Erwachsenenalter, und wann treten die wichtigsten Wachstumsschübe auf?
Das körperliche Wachstum des Menschen wird vor allem durch Hormone gesteuert (z. B. Wachstumshormone, Sexualhormone). Im Vergleich zu anderen Säugetieren dauert diese Wachstumsphase beim Menschen besonders lange.
Dabei verläuft das Wachstum nicht gleichmäßig:
Bei der Geburt ist ein Baby etwa 48–53 cm groß.
Im 1. Lebensjahr wächst es sehr schnell – ca. 18–25 cm.
Im 2. Jahr verlangsamt sich das Wachstum auf etwa 10–13 cm.
In den Folgejahren wächst ein Kind etwa 5–6 cm pro Jahr.
In der Pubertät kommt es erneut zu einem deutlichen Wachstumsschub.
Das endgültige Größenwachstum endet meist zwischen 14 und 18 Jahren – bei Mädchen oft etwas früher als bei Jungen.
Was beschreibt das cephalocaudale Prinzip und wie zeigt es sich in der körperlichen Entwicklung nach der Geburt
Cephalocaudales Prinzip: Entwicklung verläuft von Kopf zu Füßen
Bereits in der Embryonalentwicklung sichtbar
Auch nach der Geburt gültig
Säuglinge: Überproportional großer Kopf
Körper holt in den ersten Lebensjahren auf → veränderte Proportione
Welche Faktoren tragen zur Variabilität körperlicher Entwicklung bei und welche Trends wurden beobachtet?
Körperliche Entwicklung zeigt hohe individuelle und gruppenbezogene Variabilität
Ursachen: genetische Faktoren und Umwelteinflüsse (z. B. Ernährung, Bewegung)
Jahrhunderttrend: Anstieg von durchschnittlicher Körpergröße und -gewicht
Unter- und Überversorgung beeinflussen körperliche Entwicklung und Wachstum
Welche Umweltfaktoren tragen zur Entstehung von kindlichem Übergewicht bei?
10–20 % der Kinder in Deutschland übergewichtig, 7–8 % adipös
Folgen: gesundheitliche, psychische und soziale Beeinträchtigungen
Frühe Einflussnahme durch Eltern (z. B. Geschmacksprägung im Mutterleib)
Preisgünstige, ungesunde Ernährung begünstigt Übergewicht
Weniger Bewegung: weniger freies Spielen, seltener aktive Schulwege
Medienkonsum (TV, Smartphone) reduziert Aktivität
Unregelmäßiger oder fehlender Schulsport
Fettreiche Mahlzeiten im Ganztagsangebot als zusätzlicher Risikofaktor
Wie verändert sich das Gehirn in der frühen Entwicklung im Hinblick auf Axone und Dendriten?
Hirnentwicklung ist zentraler Bestandteil der körperlichen Entwicklung
Axone wachsen zielgerichtet und verlängern sich dabei
Dendritenbaum wächst stark in Umfang und Komplexität
Vermehrte Verästelung und Dornenbildung („Arborisierung“)
Arborisierung verbessert die Fähigkeit zur neuronalen Vernetzung
Intensivste Wachstumsphase: direkt nach der Geburt
Wie entwickelt sich das Gehirngewicht in den ersten Lebensjahren und was ist der Hauptgrund dafür?
Gehirn bei Geburt: ca. 25 % der Erwachsenengröße
Bis zum 5. Lebensjahr: Vervierfachung der Größe
Mit 6 Jahren: ca. 90 % der Erwachsenengröße erreicht
Hauptursache für Wachstum: Synaptogenese
Was versteht man unter Synapsenreduktion (Pruning) und welche Vor- und Nachteile hat dieser Prozess?
Pruning: Abbau wenig genutzter Synapsen in der Gehirnentwicklung
Synaptogenese erzeugt zunächst überschüssige Verbindungen (z. B. auditiv-visuell)
Ca. 40 % der Synapsen werden nach der Geburt selektiv abgebaut
Prinzip: „Use it or lose it“
Vorteil: hohe Plastizität – Anpassungsfähigkeit des Gehirns durch Erfahrung
Nachteil: erhöhte Verletzlichkeit bei fehlender Stimulation (z. B. in sensiblen Phasen)
Nach welchem Prinzip verläuft die motorische Entwicklung und wie zeigt sich das?
Motorik = Entwicklung von Bewegungsfähigkeiten
Verläuft nach dem cephalocaudalen Prinzip
Erst Kontrolle über kopfnahe Bereiche (z. B. Kopf heben)
Später Kontrolle über weiter entfernte Bereiche (z. B. Hände)
Welche Rolle spielen Reflexe in der motorischen Entwicklung und welche Beispiele lassen sich nennen?
Reflexe: angeborene, automatische Reaktionen auf spezifische Reize
Grundlage der motorischen Entwicklung
Viele Reflexe verschwinden in den ersten Lebensmonaten
Beispiele:
Saugreflex: Reaktion auf Berührung an Mund/Brust/Flasche
Rooting-Reflex: Zuwendung bei Berührung der Wange
Greifreflex: Umgreifen bei Berührung der Handinnenfläche
Schreitreflex: „Laufbewegung“ bei Berührung des Untergrunds
Schwimmreflex: Bewegungen im Wasser
Moro-Reflex: Ausbreiten und Anziehen der Arme bei Erschrecken
Wie ist die Grundstruktur der motorischen Entwicklung aufgebaut?
Motorische Entwicklung verläuft in aufeinander aufbauenden Schritten:
Erlernen einzelner Bewegungsabfolgen
Koordination dieser Bewegungen
Integration in längere Verhaltensketten
Automatisierung der Abläufe
Verfeinerung durch Anpassung an die Umwelt
Warum sind motorische Meilensteine wichtig für die sensorische und umweltbezogene Entwicklung des Kindes?
Motorische Meilensteine erweitern Handlungsmöglichkeiten des Kindes
Jeder Meilenstein verbessert den Zugang zur Umwelt
Fortschritte in der Motorik ermöglichen neue sensorische Erfahrungen
Was sind Skalierungsfehler in der motorischen Entwicklung und wodurch entstehen sie?
Kinder müssen motorische Fähigkeiten in Beziehung zur Umwelt setzen
Auf dem Weg dorthin treten Skalierungsfehler auf
Skalierungsfehler: Kind unterschätzt oder überschätzt eigene Größe im Verhältnis zur Umwelt
Ursache: fehlende Integration visueller Informationen
Welche Faktoren beeinflussen die frühe motorische Entwicklung im Zusammenspiel von Reifung und Erfahrung?
Frühe motorische Entwicklung entsteht durch Zusammenspiel von Reifung und Erfahrung
Wichtige Einflussfaktoren:
Reifung neuronaler Mechanismen
Zunahme an Muskelkraft
Kontrolle der Körperhaltung
Verbesserung der Balance
Entwicklung sensorischer Fähigkeiten
Veränderung der Körperproportionen
Steigende Motivation zur Bewegung
Was versteht man unter sensorischer Entwicklung und welche Sinne sind dabei beteiligt?
Sensorische Entwicklung = Entwicklung der Wahrnehmung über alle Sinne
Umfasst folgende Sinnesmodalitäten:
Sehen
Hören
Riechen
Schmecken
Fühlen/Tasten
Welche Sinneseindrücke nimmt der Fetus bereits im Mutterleib wahr und ab wann reagiert er auf akustische Reize?
Sensorische Entwicklung beginnt bereits im Mutterleib
Fühlen: Kontakt mit Gebärmutterwand und eigenem Körper
Sehen: kaum visuelle Stimulation vorhanden
Schmecken: Aromen im Fruchtwasser werden wahrgenommen
Riechen: Duftstoffe im Fruchtwasser erreichen Geruchsrezeptoren über „Atmung“
Hören: Reaktion auf Geräusche ab 6. Schwangerschaftsmonat, deutliche Reaktionen ab dem 9. Monat
Wie wird die Wahrnehmung der Umwelt unmittelbar nach der Geburt beschrieben und warum?
Nach der Geburt ist die Wahrnehmung noch unsortiert und überfordernd
Sinneseindrücke wirken zunächst ungeordnet und intensiv
Neugeborene müssen lernen, Reize zu strukturieren und zu unterscheiden
Bild: Die Welt erscheint als „großes, schimmerndes und dröhnendes Wirrwarr“
Wie entwickelt sich das Sehen im ersten Lebensjahr und wann wird die volle Sehfähigkeit erreicht?
Visuelles System bei Geburt unreif, rasche Entwicklung im 1. Lebensjahr
Anfangs: geringe Sehschärfe, Kontrastempfindlichkeit, kaum Farbsehen
Bevorzugung kontrastreicher Muster und menschlicher Gesichter
Ab 2–3 Monaten: Farbsehen möglich
Ab 7 Monaten: Sensitivität für Tiefenhinweise, ausgeprägte Musterwahrnehmung
Ab 8 Monaten: Sehfähigkeit nähert sich Erwachsenen an
Volle Sehfähigkeit erst mit ca. 6 Jahren erreicht
Wie entwickelt sich das Hören nach der Geburt und warum sind Kleinkinder besonders empfindlich für musikalische Strukturen?
Auditives System bei Geburt relativ gut entwickelt
Neugeborene drehen den Kopf zur Geräuschquelle, Lokalisierung aber noch ungenau
Bevorzugung hoher Töne, da besser hörbar
Kleinkinder erkennen Muster in akustischen Reizen
Sensitivität für musikalische Strukturen basiert auf dieser Mustererkennung
Welche Rolle spielen Geruchs- und Geschmackssinn bei Neugeborenen, und was zeigen Studien zum Wiedererkennen der Mutter?
Neugeborene können von Geburt an Gerüche wahrnehmen
Bevorzugung süßer Geschmäcker und vertrauter Aromen aus der Schwangerschaft
Geruchssinn hilft beim Wiedererkennen der Mutter
Studien zeigen: 2 Wochen alte Säuglinge unterscheiden den Geruch der eigenen Mutter von dem anderer Frauen
Welche Bedeutung hat der Tastsinn für die frühkindliche Entwicklung und welchen Effekt haben Massagen bei Frühgeborenen?
Kinder erkunden sich und die Umwelt aktiv durch Tasten mit Mund und Händen
Neue motorische Fähigkeiten ermöglichen neue haptische Erfahrungen
Körperkontakt (Berührt-werden) ist überlebenswichtig
Spezielle Massageprogramme für Frühgeborene fördern Entwicklung
Untergewichtige Babys mit Massage sind aktiver, wacher und nehmen schneller zu
Was ist intermodale Wahrnehmung und wie zeigt sich ihre Entwicklung in Studien mit Säuglingen?
Intermodale Wahrnehmung: Verknüpfung von Sinneseindrücken aus verschiedenen Modalitäten
Bereits in einfacher Form ab Geburt vorhanden
Komplexere Assoziationen entwickeln sich im Verlauf der Entwicklung
Beispielstudie (VL 5): Säuglinge sehen zwei Videos (Zug nähert sich vs. entfernt sich)
Ton wird lauter oder leiser; Integration von Bild und Ton zeigt sich in Blickrichtung
5 Monate alte Säuglinge zeigen passende Blickreaktionen – Hinweis auf intermodale Verarbeitung
Was zeigt das Experiment mit der visuellen Klippe über die Entwicklung der Tiefenwahrnehmung bei Kleinkindern?
Tiefenwahrnehmung entwickelt sich in Verbindung mit der Motorik
Erfahrung durch Bewegung unterstützt sensorische Differenzierung
„Visuelle Klippe“-Experiment: Glasplatte über scheinbare Tiefe
Ab ca. 6 Monaten weigern sich Kinder, über die „tiefe“ Seite zu krabbeln
Hinweis auf beginnende Tiefenwahrnehmung und Gefahrenerkennung
Was zeigt das Zusammenspiel von angeborenen Fähigkeiten und Lernprozessen in der sensorischen Entwicklung von Kindern?
Neugeborene verfügen über erstaunliche Wahrnehmungsfähigkeiten
Diese Fähigkeiten sind nicht allein durch pränatale Erfahrungen erklärbar
Wahrnehmungsentwicklung wird stark durch Lernprozesse beeinflusst
Im Laufe der Zeit kommt es zur Wahrnehmungsverengung
Kinder passen ihre Wahrnehmung zunehmend an ihre spezifische Umwelt an
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