Funktion Konservierung
Die Konservierung soll allein das vorhandene Material erhalten.
-> Selbstverständlich muss die Konservierung Vorrang haben, denn die Lesbarkeit kann ja nur an vorhandenem Material verbessert werden !
Funktion Restaurierung
Die Restaurierung soll die Lesbarkeit des Kulturguts verbessern oder zurückgewinnen.
Die Rangordnung der Maßnahmenkategorien
Konservierung
ist die vorrangige Tätigkeit bei der Kulturguterhaltung, weil sie den “Text“ des Kunstwerks erhält, der an das Material gebunden ist. Materialverluste stellen endgültige Informationsverluste dar !
Restaurierung
ist ein untergeordneter Maßnahmenbereich, weil bei der Erzeugung von ästhetischen Veränderungen Subjektivität nicht auszuschließen ist. Vor allem für Kunstwerke können Restaurierungsmaßnahmen gefährlich sein.
Das Problem der Wahrnehmung:
Eine gute Konservierung sieht man nicht. Die Ergebnisse von Restaurierungsmaßnahmen werden dagegen leicht zur Kenntnis genommen, eine Verbesserung der Lesbarkeit ist ja ihr Sinn !
Die Rangordnung der Maßnahmenkategorien - Liste
1: Die Präventive Konservierung
2: Die Kurative Konservierung
3: Die Restaurierung
Die Präventive Konservierung
Bezeichnet alle Maßnahmen in der Umgebung des Kunstwerks, die Schäden, Verluste und Veränderungen am Kunstwerk verhindern.
Beispiel: Klimatisieren von Museumsräumen, schonende Beleuchtung
Hier gilt das Motto: „Vorbeugen ist besser als Heilen.“
Ziel: verhindert Verluste generell.
Die Kurative Konservierung
Maßnahmen zur Materialerhaltung, die unmittelbar am Objekt stattfinden.
Beispiel: Festigen gelockerter Malschichten
Ziel: verhindert weitere Verluste, wenn Schäden bereits eingetreten sind.
Die Restaurierung
Bezeichnet alle Maßnahmen zur Verbesserung der Lesbarkeit eines Kunstwerks.
Beispiel: Retusche von Fehlstellen
Ziel: kann eingetretene Verluste nicht rückgängig machen, sie kann nur durch Ergänzungen ihre Wahrnehmung kaschieren.
Andere Restaurierungsmaßnahmen, wie z. B. das Entfernen von Schmutz, farblich veränderten Firnissen oder späteren Überarbeitungen, können ebenfalls die Lesbarkeit verbessern oder wiederherstellen. Sie stellen tiefgreifende Eingriffe in Kunstwerke dar, die nicht rückgängig zu machen sind.
Wissenschaftliche Theorien, die sich mit der Erhaltung des Kulturguts befassen, können das Kulturgut in seiner Gesamtheit betreffen oder nur einzelne Kulturgutbereiche. Ein erster Entwurf nur für die bildende Kunst wurde 1963 von dem italienischen Kunsthistoriker Cesare Brandi veröffentlicht.
All diese Theorien sollen die Eigenschaften von Kulturgütern beschreiben, soweit sie für deren Erhaltung relevant sind, und die dadurch gegebenen Möglichkeiten des Handelns bei der Konservierung und Restaurierung begründen.
Im Rahmen der angestrebten Verwissenschaftlichung der Konservierung/Restaurierung ist hier noch viel zu tun.
Zur Geschichte gehört auch, dass sich das für die Erhaltung des materiellen Kulturguts zuständige Fachgebiet der Konservierung und Restaurierung zurzeit in einem Prozess der Verwissenschaftlichung befindet.
Das angestrebte Ziel, eine eigenständige Konservierungs- und Restaurierungswissenschaft zu etablieren, muss aber noch als eine Vision betrachtet werden.
Immaterielle vs. materielle Kulturgüter
1. Das immaterielle Kulturgut besteht aus
Handlungen, Fähigkeiten, Ereignissen und
Lebensweisen. Es wird durch die Teilnahme von genügend vielen Menschen von allein erhalten, verändert sich aber permanent – es ist Teil des Kulturprozesses. Es gibt keine Erhaltungsdisziplin.
2. Materielle Kulturgüter können durch
den Einsatz von Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen erhalten werden. Eine darauf spezialisierte Disziplin führt sie durch.
Restaurieren als künstlerischer Akt
Der italienische Bildhauer und Goldschmied Benvenuto Cellini erzählt in seiner Autobiografie, dass Großherzog Cosimo de’ Medici, sein Hauptauftraggeber ab 1545, ihm die griechische Marmorskulptur eines Knaben zeigte, von der nur noch Körper und Beine erhalten waren.
Cellini erklärt sich bereit, die Skulptur „(...) wieder herzustellen und Kopf, Arme und Füße zu ergänzen.“ Er fährt fort: „Ich werde auch einen Adler dazumachen und so kann man die Figur einen Ganymed nennen.“
Siehe: Heinrich Conrad (Übers.). Das Leben des Benvenuto Cellini von ihm selbst geschrieben. München 1913, S. 572 f.
Noch im 19. Jahrhundert war die Auffassung weit verbreitet, dass „Restaurierung“ eine künstlerische Tätigkeit sei. Restauriert werden sollte gewissermaßen die künstlerische Idee.
Bedenken Sie den Unterschied zwischen Produktions- und Rezeptionsästhetik!
Der Künstler Tobias Rehberger hat das in einem Interview des Art-Magazins zum Ausdruck gebracht. Auf die Frage „Was ist für Sie gute Kunst?“ antwortete er:
„Dass man durch sie auf Sachen kommt, die mehr mit einem selbst zu tun haben, als mit dem, was der Künstler wollte.“
Der Hauptvertreter der „Ideen-Restaurierung“, der französische Architekt Eugène Emmanuel Viollet-le-Duc (1814–1879), restaurierte zahlreiche bedeutende Baudenkmäler der Gotik in Frankreich – jedoch in Form subjektiver Überarbeitungen nach seinen eigenen Vorstellungen davon, wie Gotik auszusehen habe.
Das war jedoch keine einheitliche Auffassung: Bereits 1805 wies Johann Dominik Fiorillo, der Begründer der universitären Kunstgeschichte, auf den Denkfehler in dieser Restaurierungsidee hin.
Ein weiterer bedeutender Kritiker war zur Mitte des 19. Jahrhunderts der englische Maler, Kunsthistoriker und Oxforder Hochschullehrer John Ruskin. Er lenkte den Blick auf das Material der Kunst, einschließlich seiner Alterungserscheinungen, und forderte eine sorgfältige, aber zurückhaltende Pflege – und explizit keine „Restaurierung“.
Quelle: John Ruskin, The Seven Lamps of Architecture, New York (Dover) 1889. Reprint der 2. Auflage von 1880, die laut dem Vorwort von Ruskin den unveränderten Text von 1849 wiedergibt.
Die weitere Entwicklung im Verlaufe des 20. Jahrhunderts:
Georg Dehio fasste Konservieren und Restaurieren als zwei gegensätzliche Tätigkeiten auf: dem Restaurieren der Ideestand das Konservieren des noch erhaltenen Materials gegenüber.
Es dauerte etwa 50 Jahre, bis die Begriffe Konservierung und Restaurierung neu definiert wurden – als zwei unterschiedliche, sich ergänzende Maßnahmenklassen.
Dabei wurde insbesondere der Vorrang der Konservierung erkannt.
Das künstlerisch-kreative Vorgehen zur vermeintlichen Rückgewinnung einer Idee wurde zunehmend ausgeschlossenund durch die Erhaltung des überlieferten Materials ersetzt.
Die Auffassungen, die Fiorillo und Ruskin bereits vertreten hatten, setzten sich durch – während die Haltung Viollet-le-Ducs als verfehlt erkannt wurde.
Konservierung und Restaurierung wurden nun nicht mehr als künstlerische Tätigkeit, sondern als rein technische Disziplin verstanden.
Inzwischen befindet sich die Disziplin in einem Prozess der Verwissenschaftlichung (Konservierungs- und Restaurierungswissenschaft).
Begründung: Die wissenschaftliche Deutung des Kulturguts durch Historiker und Kunsthistoriker ist nur dann frei von Fehlinterpretationen möglich, wenn auch die Ergebnisse von Konservierungen und Restaurierungen wissenschaftlich erarbeitet werden. (Agnes Ballestrem, 1970er Jahre)
Das bedeutet: Die Konzepte und Arbeitsergebnisse müssen den Charakter einer wissenschaftlichen Aussage besitzen.
Dazu zählen z. B. die Beschreibung der Herstellungstechnik
sowie der historisch gewachsene Erhaltungszustand der Kulturgüter,
aus dem sich die Möglichkeiten und Folgen des Handelns ableiten lassen.
Diese Aspekte sollen in einer wissenschaftlichen Theorie der Konservierung und Restaurierung zusammengefasst werden.
Heute beinhaltet die Ausbildung ein Hochschulstudium. Der Anwendungsbezug führt dazu, dass sich die Studiengänge in hohem Maße auf die Methodik konzentrieren – und weniger auf die Theorie.
Kulturgüter als Dokumente Alle Kulturgüter stellen in gewisser Weise Dokumente dar: Sie vermitteln Bedeutungen über etwas Bestimmtes, das nicht mehr unmittelbar wahrgenommen werden kann. Dokumente sind damit ein geschlossenes Bedeutungsangebot.
Kunstwerke als Sonderform Gegenstände wie Kunstwerke sind einerseits ebenfalls Dokumente, vermitteln jedoch andererseits auch ästhetische Bedeutungen, die in hohem Maße subjektiv wahrgenommen werden. In dieser Hinsicht sind Kunstwerke ein offenes Bedeutungsangebot.
Problematisierung des Kulturbegriffs Unter einem weit gefassten Kulturbegriff stößt man auch auf „Kulturgüter“ wie etwa Krieg oder den Klimawandel – was den Kulturbegriff teilweise absurd erscheinen lässt. Denn: Kultur ist nicht immer positiv.
Natürlich sind solche (negativen) Kulturfolgen nicht erhaltenswert – wohl aber die Dokumente, die Bedeutungen über sie vermitteln können.
Das Wesen von Kulturgütern liegt also in der Vermittlung von Bedeutungen. Diese Fähigkeit zu erhalten muss daher das oberste Ziel der Konservierung und Restaurierung sein.
Um diese Frage zu beantworten, ist ein kurzer Blick auf den Prozess unserer Wahrnehmung notwendig:
Kulturgüter besitzen Zeichenbestände, die vergleichbar sind mit dem Text der Literatur oder dem Notentext der Musik – also ein Text-Analogon. (Vgl. Bildsemiotik in der Kunstgeschichte)
Der Wahrnehmungsprozess:
Zeichen = potentiell informationshaltige, materiell codierte Elemente, die „gelesen“ werden können
Information = neue Gedankeninhalte, die kognitiv verarbeitet werden
Bedeutung = das subjektive Ergebnis dieser Wahrnehmung – ein mentaler Zustand
Da Bedeutungen subjektiv und immateriell sind, sind sie nicht konservierbar!
Konservierbar ist allein das Material als Zeichenträger – also jene Voraussetzung, die Bedeutungsgewinnung überhaupt erst ermöglicht.
Ideen-Restaurierung gegen Material-Konservierung
Georg Dehio (1901) wendete sich gegen die herrschende Praxis der Denkmalpflege mit seinem Wahlspruch:
„Konservieren, nicht restaurieren!“
Gemeint war, dass die Ideen-Restaurierung des Historismus abgelöst werden sollte durch die Konservierung des erhaltenen historischen Materials.
Die Vermittlung von Bedeutungen.
-> Diese Fähigkeit zu erhalten muss daher das oberste Ziel der Konservierung und Restaurierung sein.
Grundlegende Aussagen der Theorie
Der Hauptsatz: Konserviert und restauriert wird das Material, das der Künstler zu einem Kunstwerk zusammengefügt hat.
Begründung: Das vom Künstler bearbeitete Material des Kunstwerks ist der Träger von Zeichen und damit der Vermittler von Informationen. Die anhand dieser Informationen gebildeten Bedeutungen können nicht konserviert, sondern lediglich tradiert werden.
Die Theorie der Konservierung und Restaurierung – Zusammenfassung
Das übergeordnete Ziel der Kulturguterhaltung ist die Erhaltung von Zeichenbeständen. Diese stellen die Grundlage jeder Informationsvermittlung dar (potentielle Informationen) und führen zur Gewinnung von (individuellen) Bedeutungen.
Für die Erhaltung relevante Eigenschaften des Kulturguts Der Begriff „Bedeutungen“
Das Wesen von Kulturgütern liegt also in der Vermittlung von Bedeutungen. Diese Fähigkeit zu erhalten, ist das wichtigste Ziel der Konservierung und Restaurierung.
Wie werden Zeichen zu Bedeutungen? Das beantworten die Kognitionspsychologie und die Semiotik (Zeichentheorie), die sich mit unserer Wahrnehmung beschäftigen.
Der Prozess der Wahrnehmung:
Kunstwerke besitzen Zeichen – potentielle Information, materiell codiert, die „gelesen“ werden.
Wir erhalten Informationen – neue Gedankeninhalte, die individuell und in einem hoch komplexen Prozess mit bestehendem Wissen, Erfahrungen und Einstellungen abgeglichen und verarbeitet werden.
Wir erhalten Bedeutungen – subjektive Wahrnehmungsergebnisse.
Das heißt: Bedeutungen sind subjektive mentale Zustände, also etwas Immaterielles, und das ist nicht konservierbar.
Konsequenz für die Erhaltung: Konservierbar ist nur das Material als Zeichenträger, also die Voraussetzung für die Bedeutungsgewinnung.
Die Theorie der Konservierung und Restaurierung Der Begriff „Zeichen“
Die hier vorgestellte Theorie geht also davon aus, dass Werke der Bildenden Kunst in ähnlicher Weise wie die der Literatur Zeichenbestände aufweisen und damit als textanalog zu betrachten sind. Die Zeichen dieser Text-Analoga sind natürlich nonverbaler Natur; sie werden von der Bildsemiotik untersucht.
Für die Konservierung und Restaurierung reicht es aus, die Zeichen entsprechend der Klasse zu berücksichtigen, der sie angehören.
Der ästhetisch wirksame Teil des Text-Analogons besteht aus drei unterschiedlichen Zeichenklassen, den Zeichen der Form, des Kolorits und des Materialcharakters – letztere wird oft übersehen. Sie stellen zusätzlich historisch dokumentarisch wirksame Zeichen dar.
Eine weitere Zeichenklasse, die nicht zur Ästhetik beiträgt, enthält die kunsttechnologischen Zeichen; sie machen jedes Kunstwerk auch zu einem Dokument der Technikgeschichte.
Die Zeichen von Form, Kolorit und Materialcharakter bestimmen gemeinsam die Ästhetik eines Gemäldes.
1. Der Gegenstandsbereich der Konservierungs- und Restaurierungswissenschaft
Konserviert und restauriert wird das Material des Kunstwerks.
Das Material des Kunstwerks ist der Träger der Zeichenbestände, die Informationen zur Ästhetik und zur Geschichte vermitteln – es hat bei der Erhaltung keinen Eigenwert. Die so gewonnenen Bedeutungen sind mentale Zustände und können nicht konserviert und restauriert werden.
Im Grunde genommen, konservieren und restaurieren wir Datenträger und betreiben Datenrettung !
Daten sind potentielle Informationen !
2. Umfang des Gegenstandes
Die Zeichen des Kunstwerks vermitteln Informationen über …
seine Ästhetik
seine Entstehungszeit (primäre historische Informationen)
die Zeit nach der Herstellung (sekundäre historische Informationen)
die Technikgeschichte (ebenfalls primäre historische Informationen)
1 und 2 sind im ästhetischen Sinne nicht zu trennen. Auch die sekundären historischen Informationen werden bei Konservierungen und Restaurierungen berücksichtigt.
Im Konfliktfall werden die künstlerisch-ästhetischen und die primären historischen Informationen aber höher bewertet.
In seltenen Fällen kann für historische Veränderungen (3.), obwohl sie die Lesbarkeit der ursprünglichen Zeichenbestände beeinträchtigen oder verhindern, ein historischer oder auch ästhetischer Wert erkannt werden. In diesen Fällen können die Veränderungen erhalten werden.
Zu 2. Umfang des Gegenstandes, jüngere Theorie-Erweiterungen
Der vom Künstler geschaffene Materialcharakter (Beispiel: glänzende oder matte Oberfläche) ist Bestandteil des Kunstwerks.
Funktionelle Bestandteile, die nicht unmittelbar am Erscheinungsbild des Kunstwerks beteiligt sind, gehören zum Material des Kunstwerks (Dokumente der Technikgeschichte).
Die natürlichen Alterungserscheinungen, die für das Material und die vom Künstler angewendeten Techniken charakteristisch sind, gehören zum Kunstwerk.
3. Ziele von Maßnahmen der Konservierung/Restaurierung und ihre Rangfolge
Konservierungsmaßnahmen dienen dem Schutz und der Erhaltung des Materials eines Kunstwerks.
Maßnahmen zur Schadensverhütung (präventive Konservierung) haben Vorrang vor allen anderen Maßnahmen. Sie finden in der Umgebung des Kunstwerks statt (Aufbewahrungsbedingungen, Klima, Licht etc.).
Konservierungsmaßnahmen am Kunstwerk (kurative Konservierung) haben Vorrang vor den Restaurierungsmaßnahmen. Ergebnisse von kurativer Konservierung sind in der Regel unsichtbar.
Restaurierungsmaßnahmen dienen der Verbesserung oder Wiederherstellung der Lesbarkeit des Kunstwerks. Sie sind mit sichtbaren Veränderungen verbunden, bei deren Erzeugung ein subjektiver Anteil nie ganz auszuschließen ist.
-> Deshalb sind sie der Konservierung untergeordnet.
4. Grundlegende Aussagen zur Methodik
Die bei einer Konservierung/Restaurierung zugefügten Materialien werden zur Senkung der Bearbeitungsfrequenz so ausgewählt, dass sie sich so wenig wie möglich verändern.
Zugefügte Materialien, die nicht wieder zu entfernen sind, be- oder verhindern zukünftige Maßnahmen.
Der kleinstmögliche Eingriff in das Materialgefüge erhält die meisten Daten und hat die geringsten Nebenwirkungen.
Zum Thema Ergänzungen
1. Wenn Ergänzungen die vom Künstler bearbeitete Oberfläche verdecken, dann wird die Lesbarkeit des Kunstwerks behindert. Begründung: Das Abdecken kommt einem Verlust gleich; es stellt einen „Text“-Verlust dar.
2. Ergänzungen, die sich nicht ohne Gefahr für das Kunstwerk wieder entfernen lassen, behindern spätere Restaurierungen und damit die Lesbarkeit. Begründung: Jede Ergänzung kann von einer späteren Generation als ästhetisch unbefriedigend erkannt werden oder sich materiell so verändern, dass sie ihre Aufgabe nicht mehr erfüllt.
3. Lassen sich Ergänzungen nicht vom Original unterscheiden, wird die Lesbarkeit des Kunstwerks behindert. Eine Ergänzung, die mit keiner Methode vom Original zu unterscheiden ist, käme einer partiellen Fälschung gleich. Rezipienten, vor allem Kunsthistoriker, würden Original und Ergänzung in gleicher Weise deuten.
Zwei unterschiedliche Auslegungen des Begriffs „Unterscheidbarkeit“:
Keine Verwendung von Materialien oder Techniken, die dem Original entsprechen. Begründung: Erkennung mit naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden ist gewährleistet. Zumindest wird so der Fälschungsvorwurf entkräftet.
Verwendung von Retuschiertechniken, die es jedem Betrachter ermöglichen, die Ergänzungen bei näherer Betrachtung zweifelsfrei zu erkennen.
Zum Thema Schmutz und Firnis
Schmutz behindert die Lesbarkeit des Kolorits.
Schmutz kann unter Umständen mit historischen Informationen verbunden sein.
Ein gegilbter Firnis behindert die Lesbarkeit des Kolorits. Später aufgetragene Firnisse sind kein Bestandteil des Kunstwerks.
Ein vom Künstler aufgetragener Firnis ist Bestandteil des Kunstwerks. Wenn er Veränderungen aufweist, kann er ebenfalls die Lesbarkeit behindern.
Die angebliche Schutzfunktion eines Firnisses erzeugt ein Problem: Aus kunsttechnologischer Sicht hat ein Firnis eine ästhetische Funktion. Künstler tragen Firnisse nur dann auf, wenn es ihrer künstlerisch-ästhetischen Absicht entspricht. Einen Firnis aufzutragen, den der Künstler gar nicht vorgesehen hat, verbietet sich.
-> Wenn die Schutzfunktion bestehen würde, hätte ein Firnisauftrag aber den Charakter einer präventiven Konservierungsmaßnahme und damit höchste Priorität.
Diese beiden Aussagen widersprechen sich! Ein Widerspruch in den Theorien einer Wissenschaft ist nicht akzeptabel, weil man dann jeden Unfug begründen könnte.
Die behauptete Schutzfunktion muss für alle Theorien der Konservierungs- und Restaurierungswissenschaft als irrelevant erkannt werden; bei der Erhaltung geht die künstlerische Absicht vor.
Zum Thema Veränderungen
Natürliche Alterungserscheinungen, die charakteristisch sind für das verwendete Material und angewendeten Techniken, sind Bestandteile des Kunstwerks.
Farbveränderungen gehen auf einen natürlichen Alterungsprozess zurück. Ein Teil des Kolorits und seine ästhetischen und inhaltlichen Informationen gehen dabei verloren.
Jeder Versuch, die Farbigkeit zurückzugewinnen, würde diese abdecken oder zerstören. Der Prozess, der die Veränderung bewirkt hat, ist irreversibel.
-> Das Wissen um die Veränderung reicht aus, um die Ikonographie gedanklich zu rekonstruieren.
Aber: Anthropogene Veränderungen behindern in der Regel die Lesbarkeit des ursprünglich geschaffenen Kunstwerks.
Wenn einer Überarbeitung ein ästhetischer oder historischer Wert zugewiesen werden kann, tritt ein Konflikt auf, weil eine Bewertung erforderlich ist.
-> Die Bewertung eines Kunstwerks würde einen Streit provozieren, der nicht zu schlichten ist (offenes Bedeutungsangebot!). Dieser Streit und eventuelle Geschmacksentscheidungen sind irrelevant für die Konservierung und Restaurierung.
Historische Dokumente stellen dagegen ein geschlossenes Bedeutungsangebot dar. Sie vermitteln etwas Bestimmtes über eine bestimmte Zeit. Deshalb kann nur die Überarbeitung, die eine abgeleitete Leistung ist, bewertet werden.
Es können nicht alle Spuren der Geschichte als gleichwertig betrachtet werden, ohne Beliebigkeit zu erzeugen.
Restaurierungsmaßnahmen, die Spuren der Geschichte beseitigen, müssten grundsätzlich ausgeschlossen werden.
Im Umgang mit anthropogenen Veränderungen am Kunstwerk liegt bei Konservierungen/Restaurierungen das größte Konfliktpotential.
Materialvielfalt und Experimentierfreude Moderne Kunst nutzt häufig unkonventionelle Materialien (z. B. Kunststoffe, Industrieprodukte, Mixed Media) und neue Techniken. Diese Materialien altern oft anders oder sind sogar von vornherein vergänglich gedacht. Deshalb sind klassische Konservierungsmethoden nicht immer anwendbar oder sinnvoll.
Künstlerische Absicht und Konzeptualismus Bei moderner und zeitgenössischer Kunst steht oft die Konzeption und Idee im Vordergrund, nicht nur das physische Objekt. Das bedeutet, dass der Erhalt der ursprünglichen Materialsubstanz manchmal weniger wichtig ist als die Bewahrung der künstlerischen Intention.
Akzeptanz von Veränderung und Vergänglichkeit Veränderung, Zerfall oder sogar bewusste Zerstörung sind bei moderner Kunst teilweise Teil des Werks selbst (z. B. Performance Art, Installationen). Konservierung muss hier oft abwägen, wie viel Veränderung zum Werk gehört und was verhindert werden soll.
Dokumentation statt materielle Erhaltung Weil manche moderne Werke nicht dauerhaft erhalten werden können, spielt die Dokumentation (Fotos, Videos, technische Beschreibungen) eine große Rolle, um das Werk und seine Idee für die Zukunft zu bewahren.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit Konservierung moderner Kunst erfordert häufig enge Zusammenarbeit mit den Künstler:innen selbst (wenn möglich), Kurator:innen, Technikern und sogar Informatiker:innen, besonders bei digitalen oder interaktiven Werken.
Flexiblere Restaurierungsstrategien Die Restaurierung ist oft minimalistisch und reversibel, oder es wird ganz auf Eingriffe verzichtet, um den ursprünglichen Zustand möglichst nicht zu verfälschen. In manchen Fällen kann auch eine Neuinterpretation oder Neukonzeption Teil der Erhaltung sein.
Kurz gesagt: Moderne Kunst fordert von Konservator:innen, mehr als nur den physischen Zustand zu bewahren, sondern auch die Idee und den Kontext des Werks zu respektieren – selbst wenn das bedeutet, Veränderungen oder Vergänglichkeit zu akzeptieren.
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