Zivilgerichtsbarkeit, Gerichtsaufbau, Gang des Zivilverfahrens
Ordentliche Gerichtsbarkeit in Zivilsachen
Amtsgerichte (AG) §§ 22 ff. GVG (Abteilungen)
Landgerichte (LG) §§ 59 ff. GVG (Kammern)
Oberlandesgerichte (OLG) §§ 115 ff. GVG (Senate)
Bundesgerichtshof (BGH) §§ 123 ff. GVG (Senate)
Instanzenzug in Zivilsachen
1. Instanz
Amtsgericht
Einzelrichter (§ 22 I GVG)
Streitwert bis einschließlich 5.000 € (§ 23 Nr. 1 GVG)
Streitwertunabhängig nach Katalog (insbesondere Wohnraummietrecht § 23 Nr. 2a GVG, Familien-/ Betreuungssachen § 23a GVG)
Landgericht
Grundsatz: Drei Richter
Ausnahme: Einzelrichter (§ 75 GVG, §§ 348, 348a ZPO)
Streitwert über 5.000 € (§§ 71 I, 23 GVG)
Streitwertunabhängig nach Katalog (insbesondere Amtshaftungssachen § 71 II GVG)
Oberlandesgericht
Ausnahme: Einzelrichter (§ 122 I GVG)
Musterverfahren nach Kapitalanleger-MusterverfahrensG (§ 118 GVG)
Musterfeststellungsverfahren
2. Instanz
Berufungsgerichte der AG (§§ 511 ff. ZPO)
Beschwerdegerichte der AG (soweit nicht Zuständigkeit der OLG) (§ 72 I 1 GVG)
Beschwerdegericht in Freiheitsentziehungs- sowie Betreuungssachen (§ 72 I 2 GVG)
Beschwerde- und Berufungsgericht in Streitigkeiten nach § 43 II WEG (§ 72 II 1 GVG)
Beschwerde gegen Entscheidungen der Familiengerichte (§ 119 I Nr. 1 Buchst. a GVG)
Beschwerde in Angelegenheiten freiwilliger Gerichtsbarkeit (§ 119 I Nr. 2 Buchst. b GVG)
Berufung und Beschwerde gegen Entscheidungen der LG (§ 119 I Nr. 2 GVG)
3. Instanz
Bundesgerichtshof (§ 133 GVG)
Fünf Richter (§ 139 I GVG)
Revision (§§ 542 ff. ZPO), Sprungrevision (§ 566 ZPO)
Rechtsbeschwerde, Sprungrechtsbeschwerde
Interner Gerichtsaufbau am AG/ LG
Rechtsprechung
Verwaltung (z.B. Personalverwaltung, Referendarausbildung; Behördenleiter [Direktor des AG, Präsident des LG] führen auch Dienstaufsicht)
Präsidium (§§ 21a ff. GVG, insbesondere Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans [Recht auf den gesetzlichen Richter Art. 101 I GG])
Ablauf nach Eingang einer Klageschrift bei Gericht
Eingang (Post, Briefkasten, elektronisch [beA], Fax, mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle)
Eingangsgeschäftsstelle (Eingangsstempel für Fristen und Anhängigkeit)
Verteilung (Turnus- oder Buchstabenverfahren, Spezialzuständigkeiten)
Aktendeckel (mit Aktenzeichen [Abteilung/Kammer/Senat, Registerzeichen, laufende Nummer, Eingangsjahr] und Parteiangaben)
Zählkarte (PEBBSY)
Anforderung Gerichtskostenvorschuss (§§ 6 I Nr. 1, 12 I GKG, Zahlung durch Kostenmarken oder Überweisung zur Gerichtskasse)
Vorlage Richter (Prüfung der Zuständigkeit)
Zustellung Klage (Rechtshängigkeit)
Gang der mündlichen Verhandlung
Aufruf der Sache (§ 220 I ZPO)
Eröffnung der Verhandlung (§ 136 I ZPO)
Feststellung der Anwesenheit der Parteien/ Beteiligten (§ 160 I Nr. 4 ZPO)
Zeugenbelehrung (§ 395 I ZPO vorab alle oder für jeden einzeln)
Güteverhandlung (§§ 278, 279 ZPO)
Antragstellung (§ 137 I ZPO)
Erörterung der Sach- und Rechtslage (§§ 136 III, 137 II ZPO)
Gewährung einer Schriftsatzfrist (§ 283 ZPO)
Beweisaufnahme (§§ 279 II, 284 ZPO)
Erörterung des Sach- und Streitstandes/ des Beweisergebnisses (§ 279 III ZPO)
Verhandlung über das Ergebnis der Beweisaufnahme und Antragstellung (§ 285 I ZPO)
Schluss der mündlichen Verhandlung (§ 136 IV ZPO)
Rechtsstreit entscheidungsreif (Urteil § 300 I ZPO) oder nicht entscheidungsreif (Hinweis- § 139 ZPO oder Beweisbeschluss § 358 ZPO)
Nach Ablauf der mündlichen Verhandlung
Verkündung einer Entscheidung (Stuhlurteil, Entscheidung am Ende der Sitzung, Verkündungstermin in grundsätzlich drei Wochen, § 310 I ZPO)
Ausfertigung der Entscheidung durch Geschäftsstelle und Zustellung an die Parteien
Abrechnung der Kosten durch Kostenbeamten
Streitvermeidung, -beilegung, -schlichtung
Streitvermeidung
Einschaltung eines Notars
Streitbeilegung
Vergleich
Schiedsverfahren
Streitschlichtung
Mediation
Außergerichtliches Schlichtungsverfahren
Prozessmaximen
Zulässigkeit der Klage
Prüfungsschema:
I. Gerichtsbezogene Voraussetzungen
Deutsche Gerichtsbarkeit (§§ 18–20 GVG)
Eröffnung des Zivilrechtswegs (§ 13 GVG)
Zuständigkeit des angerufenen Gerichts
a) Sachliche Zuständigkeit (§ 1 ZPO, §§ 23, 71 GVG)
b) Örtliche Zuständigkeit (§§ 12 ff. ZPO)
II. Parteibezogene Voraussetzungen (Px4)
Parteifähigkeit (§ 50 ZPO)
Prozessfähigkeit (§ 51 ZPO)
Postulationsfähigkeit (§ 78 ZPO)
Prozessführungsbefugnis
III. Streitgegenstandsbezogene Voraussetzungen
Ordnungsgemäße Klageerhebung (§ 253 I ZPO), Bestimmtheit (§ 253 II ZPO)
Keine anderweitige Rechtshängigkeit (§§ 261 III Nr. 1, 253 I ZPO)
Keine entgegenstehende Rechtskraft (§ 322 ZPO)
Rechtsschutzbedürfnis
IV. Besondere Voraussetzungen
Rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung (Feststellungsinteresse, § 256 I ZPO)
Fehlgeschlagenes Schlichtungsverfahren (§ 15a EGZPO i.V.m. § 53 I JustG NRW, vor allem bei Nachbarschaftsstreitigkeiten)
Vereinbarung über die Zuständigkeit, Verweisung
Gerichtsstandsvereinbarung (Prorogation, §§ 38, 40 ZPO)
Voraussetzungen
Bezug auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis (§ 40 I ZPO)
Keine nichtvermögensrechtlichen Ansprüche, die den Amtsgerichten ohne Rücksicht auf den Streitwert zugewiesen sind (§ 40 II 1 Nr. 1 ZPO)
Keine ausschließliche Zuständigkeit (§ 40 II 1 Nr. 2 ZPO)
Bestimmtes oder bestimmbares Gericht
Gerichtsstandsvereinbarung von prorogationsbefugten Parteien (§ 38 I ZPO)
Formfrei „durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung”
Prorogationsbefugnis beider Parteien, insbesondere Kaufleute
Gerichtsstandsvereinbarungen für internationalen Rechtsstreit (§ 38 II ZPO)
Nachfolgende Gerichtsstandvereinbarung (§ 38 III Nr. 1 ZPO), Gerichtsstandsvereinbarung bei erschwerter Rechtsverfolgung (§ 38 III Nr. 2 ZPO)
Zuständigkeit infolge rügeloser Verhandlung (§§ 39, 504 ZPO)
Bindender Verweisungsbeschluss (§ 281 III 4 ZPO)
Sachliche Zuständigkeit (§ 1 ZPO, §§ 23, 71 GVG)
Sonderzuweisung
Wohnraummiete (§ 23 Nr. 2a GVG, bei Mischmietverhältnissen Schwerpunkt)
Amtshaftung (§ 71 II Nr. 1 GVG)
Streitwert
Bis 5.000 € (einschließlich) Amtsgericht (§§ 23 Nr. 1 GVG)
Über 5.000 € Landgericht (§§ 23 Nr. 1, 71 I GVG)
Örtliche Zuständigkeit (§§ 12 ff. ZPO)
Ausschließlicher Gerichtsstand
Ausdrückliche Bezeichnung im Gesetz
Vorrang (vgl. § 12 letzter Hs. ZPO), Unzulässigkeit einer Gerichtsstandvereinbarung (§ 40 II 1 Nr. 2 ZPO) und rügeloser Verhandlung (§ 40 II 2 ZPO)
Dingliche Klagen bei unbeweglichen Sachen (§ 24 ZPO)
Miet- oder Pachträume (§ 29a ZPO)
Allgemeiner Gerichtsstand
Wohnsitz des Beklagten (§§ 12, 13 ZPO i.V.m. § 7 I BGB) bzw. dessen Sitz (§§ 12, 17 I ZPO)
Besonderer Gerichtsstand
Erfüllungsort (§ 29 ZPO)
Verkehrsunfall (§ 20 StVG)
Unerlaubte Handlung (§ 32 ZPO): Da es sich um eine „doppeltrelevante Tatsache“ handelt, genügt es für die Zuständigkeit, dass nach dem Vortrag des Klägers eine unerlaubte Handlung vorliegt.
Widerklage (§ 33 ZPO)
Wahlrecht (§ 35 ZPO)
Fähigkeit, im Rechtsstreit Partei zu sein
Rechtsfähigkeit
Menschen von der Vollendung der Geburt (§ 1 BGB) bis zum Tod
AG (§ 1 I 1 AktG), GmbH (§ 13 I GmbHG)
GbR (§ 705 II Alt. 1 BGB), OHG (§ 105 II HGB), KG (§§ 161 II, 105 II HGB)
Fähigkeit, Prozesshandlungen selbst (oder durch selbst bestellte Vertreter) wirksam vornehmen ider entgegenzunehmen
Gesetzliche Vertretung prozessunfähiger Personen
Minderjährige durch die Eltern (§ 1629 BGB)
AG durch den Vorstand (§ 78 I AktG), GmbH durch den Geschäftsführer (§ 35 I GmbHG)
GbR, OHG, KG durch die Gesellschafter
Befugnis, einen Prozess über ein behauptetes (eigenes oder fremdes) Recht im eigenen Namen zu führen
Abgrenzung
Aktivlegitimation: Wem steht das Recht materiell-rechtlich zu?
Passivlegitimation: Gegen wen richtet sich das Recht materiell-rechtlich (Anspruchsgegner)?
Aktive Prozessstandschaft: Wer darf klagen?
Passive Prozessstandschaft: Wer muss verklagt werden?
Im Regelfall fallen Sachlegitimation und Prozessführungsbefugnis zusammen. -> Geltendmachtung eines eigenen Rechts im eigenen Namen
Ein Auseinanderfallen ergibt sich um Fall der Prozessstandschaft. -> Geltendmachtung eines fremden Rechts im eigenen Namen
Gesetzliche Prozessstandschaft
Parteien kraft Amtes
Insolvenzverwalter (§ 80 I InsO)
Testamentsvollstrecker (§§ 2212, 2213 BGB)
Nachlassverwalter (§ 1984 BGB)
Zwangsverwalter (§ 152 ZVG)
In der ZPO
§ 265 ZPO
Im BGB, z.B.
Miteigentümer (§ 1011 BGB)
Ehegatte bei Unwirksamkeit der Verfügung des anderen Ehegatten wegen fehlender Zustimmung (§ 1368 BGB)
Gewillkürte Prozessstandschaft
Wirksame Ermächtigung des Prozessstandschafters durch den Rechtsinhaber (§ 185 BGB analog)
Eigenes rechtsschutzwürdiges Interesse des Prozessstandschafters, das fremde Recht geltend zu machen, wenn die Einscheidung die eigene Rechtslage beeinflusst (oft problematisch)
Keine unbillige Benachteiligung des Prozessgegners, z.B. wenn durch Vermögenslosigkeit des Prozessstandschafters der Kostenerstattungsanspruch des Gegners gefährdet wird
Ordnungsgemäße Klageerhebung (§ 253 ZPO)
Zustellung der Klageschrift (§§ 166 ff. ZPO)
Zustellung an Prozessbevollmächtigten, sofern bestellt (§ 172 ZPO)
Ersatzzustellung in der Wohnung, in Geschäftsräumen und Einrichtungen an bestimmte Empfangspersonen (z.B. Familienangehörige, in der Familie beschäftigte Person) (§ 178 ZPO)
Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten (§ 180 ZPO)
Heilung von Zustellungsmängeln, Fiktion („gilt”) der Zustellung im Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs (§ 189 ZPO)
Bestimmtheit (§ 253 II ZPO)
Der Anspruch ist zu beziffern.
„Der auf die Zahlung eines angemessenen, nicht konkret bezifferten Schmerzensgeldbetrags gerichtete Klagantrag ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 II Nr. 2 ZPO, da die Höhe des Anspruchs von einer gerichtlichen Schätzung nach § 287 I 1 ZPO abhängt und der Kläger die maßgebliche Tatsachengrundlage darlegt sowie die ungefähre Größenordnung angibt.”
Feststellungsinteresse (§ 256 I ZPO)
Für die Bejahung des Feststellungsinteresses genügt drohende Verjährung.
Durch eine tatsächliche Unsicherheit muss das Rechtsverhältnis gefährdet sein. So, wenn Streit über Art und Umfang besteht, wenn der Beklagte Rechten des Klägers zuwiderhandelt oder sie ernstlich bestreitet.
Das Feststellungsinteresse fehlt, wenn dem Kläger ein einfacherer Weg zu Verfügung steht, um sein Ziel zu erreichen. Es fehlt für die negative Feststellungsklage, wenn der Kläger positive Leistungsklage erheben kann, die in ihren Vorraussetzungen und Risiken für ihn nicht grundlegend verschieden ist (Vorrang der Leistungsklage).
Typische Fälle
„Der Kläger hat gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung
des Annahmeverzugs. Zwar ist der Annahmeverzug kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, sondern eine bloße Vorfrage. Jedoch ist die Feststellung des Annahmeverzugs bei einer Zug-um-Zug-Verurteilung zum Schutz des Klägers aufgrund der Vollstreckungserleichterungen der §§ 756, 765 ZPO zweckmäßig.“
der Ersatzpflicht für künftige Schäden gemäß § 256 Abs. 1 ZPO. Wenn ein Schaden durch die schädigende Handlung bereits eingetreten ist, genügt die bloße, auch nur entfernte Möglichkeit künftiger weiterer Folgeschäden, ihre Wahrscheinlichkeit gehört zur materiellen Klagebegründung.“
der (teilweisen) Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache. Dieses folgt aus einer für ihn günstigeren Kostenfolge.”
Parteistellung und -änderung, Streitgenossenschaft, Streithilfe
Parteistellung und -änderung
Begründung der Parteistellung
Parteiwechsel
Gesetzlicher Parteiwechsel
Gewillkürter Parteiwechsel
Parteierweiterung
Rubrumsberichtigung
Streitgenossenschaft
Es treten mehrere Kläger (aktive Streitgenossenschaft) und/ oder mehrere Beklagte (passive Streitgenossenschaft) auf.
Einfache Streitgenossenschaft
Rechtsgemeinschaft hinsichtlich des Streitgegenstands (§ 59 Alt. 1 ZPO), z.B. bei Gesamtschuldnerschaft
Identität des Anspruchs- oder Verpflichtungsgrunds (§ 59 Alt. 2 ZPO)
Gleichartigkeit des Anspruchs- oder Verpflichtungsgrunds (§ 60 ZPO, Generalklausel)
Folge
Gemeinsame Verhandlung aus Gründen der Prozessökonomie
Prozesse bleiben selbständig und können sich unterschiedlich entwickeln (§ 61 ZPO), daher individuelle Prüfung
Notwendige Streitgenossenschaft
Prozessrechtlich notwendig, wenn Rechtsverhältnis allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden kann (Rechtskrafterstreckung) (§ 62 I Alt. 1 ZPO)
Materiellrechtlich notwendig, wenn mehrere Berechtigte oder Verpflichtete nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts nur gemeinschaftlich Klage erheben oder verklagt werden können (§ 62 I Alt. 2 ZPO), z.B. Erbengemeinschaft (str., M1: nie, M2: nur wenn mehrere Miterben, M3: nur wenn alle Miterben als Gesamthänder)
Selbständige Prozesse (§ 61 ZPO)
Einschränkung: Vertretung der säumigen Streitgenossen durch die nicht säumigen Streitgenossen (§ 62 ZPO)
Streithilfe
Nebenintervention
Streitverkündung
Relationstechnik (Relationsmethode)
Sammlung und Ordnung des Stoffes
Klägerstation: Schlüssigkeitsprüfung (Ergeben der unstreitige Vortrag und der streitige Klägervortrag einen klägerischen Anspruch?)
a) Entweder: Keine Schlüssigkeit = Klageabweisung im Urteil
b) Oder: Schlüssigkeit = 1. Zwischenergebnis
Beklagtenstation: Erheblichkeitsprüfung (Bringt der unstreitige Vortrag und der streitige Beklagtenvortrag den klägerischen Anspruch ganz oder teilweise zu Fall?)
a) Entweder: Keine Erheblichkeit = Klage stattgeben im Urteil
b) Oder: Erheblichkeit = 2. Zwischenergebnis
Beweisstation: Tatsächliche Würdigung (Welchem Vortrag kann gefolgt werden?)
a) Entweder: Einem der beiden Vorträge kann ohne Beweiserhebung gefolgt werden = Urteil
b) Oder: Beweiserhebung und Beweiswürdigung = Beweisbeschluss
(Entscheidungs- oder) Tenorierungsstation: (Entscheidungsreife und) Urteilstenor
Bedeutung
Die Relationsmethode (= Relationstechnik) ist
die schnellstmögliche (Beschleunigungsgrundsatz) und kostengünstigste Methode
zur Erfassung des Sachverhalts bei meist unterschiedlichen Vorträgen,
zur Erarbeitung der rechtlichen (richtigen) Lösung,
zur Klärung, ob der Prozess entscheidungsreif ist oder ob Beweis erhoben werden muss.
Die Relationsmethode müssen nicht nur Zivilrichter, sondern auch Rechtsanwälte und Unternehmensjuristen, die Zivilrechtsfälle zu bearbeiten haben, berücksichtigen.
Klägerstation: Schlüssigkeitsprüfung
In der Klägerstation ist zu prüfen, ob nach dem Klägervortrag (Unstreitiges und streitiger Vortrag des Klägers), welcher als richtig unterstellt wird, der Klageantrag gerechtfertigt ist, also ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die beantragte Rechtsfolge erfüllt sind. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei die letzte mündliche Tatsachenverhandlung. Wird der geltend gemachte Klageanspruch (Haupt- und Nebenansprüche) nach dem Klägervortrag bejaht, ist das Klagevorbringen schlüssig.
Alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen sind abzuhandeln.
Beklagtenstation: Erheblichkeitsprüfung
In der Beklagtenstation ist zu prüfen, ob nach dem Beklagtenvortrag (Unstreitiges und streitiger Vortrag des Beklagten), welcher als richtig unterstellt wird, der Klageantrag nicht gerechtfertigt ist.
Wird die Erheblichkeit einer streitigen Tatsache bejaht, muss geprüft werden, ob damit schon ein endgültiges Ergebnis zugunsten des Beklagten erzielt ist oder ob der Kläger unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg hat. Umgekehrt ist bei Verneinung der Erheblichkeit einer Tatsache zu überlegen, ob der Beklagte möglicherweise mit dieser Tatsache im Zusammenwirken mit anderen Tatsachen den in der Schlüssigkeit (Klägerstation) bejahten Anspruch zu Fall bringt. In beiden Fällen spricht man von Gesamterheblichkeit.
Grundsätzlich ergeben sich auf der Grundlage des Beklagtenvortrags keine neuen Anspruchsgrundlagen. Daher reicht es aus, die nach dem Klägervortrag bejahten Anspruchsgrundlagen unter Berücksichtigung des Beklagtenvortrags erneut zu prüfen.
Ausnahmsweise kann sich nach dem Beklagtenvortrag (auch wenn er sich gegenüber den schlüssig dargelegten Anspruchsgrundlagen erfolgreich verteidigt) eine andere Anspruchsgrundlage ergeben. Dann stellt sich das prozessuale Problem, ob der Klage auch (nur) auf der Grundlage des Beklagtenvortrags stattgegeben werden kann.
Unproblematisch ist, wenn sich der Kläger den Vortrag des Beklagten hilfsweise zu eigen macht, wozu Schweigen nicht genügt.
Problemtaisch ist, wenn sich der Kläger den Vortrag des Beklagten ausnahmsweise nicht hilfsweise zu eigen macht.
M1: Nach der Lehre vom gleichwertigen Parteivorbringen ist eine Alternativverurteilung ohne Beweisaufnahme möglich, wenn die Klage schlüssig ist, das Vorbringen des Beklagten auf demselben Kerngeschehnis beruht, sich ferner ergibt, dass die Klage danach unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt ebenfalls gerechtfertigt ist und der Kläger sich den Vortrag des Beklagten nicht hilfsweise zu eigen macht. Diese Lehre begründet ihre Auffassung damit, dass der Kläger- und der Beklagtenvortrag gleichwertig sind und dass Gründe der materiellen Gerechtigkeit es verbieten, die Klage abzuweisen. Ferner spielt die Prozessökonomie eine Rolle.
M2 (vorzugswürdig): Die Rspr. und die wohl h.L. lehnen die Lehre vom gleichwertigen Parteivorbringen ab. Sie berufen sich auf den Beibringungs- und Dispositionsgrundsatz. Zuvor ist aber ein richterlicher Hinweis nach § 139 ZPO notwendig.
Beweisstation: Tatsächliche Würdigung
Im Rahmen Beweisstation ist festzustellen, ob bei der Entscheidung des Rechtsstreits die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen (dann ist eine Entscheidung entsprechend dem Ergebnis der Klägerstation zu treffen) oder die vom Beklagten vorgetragenen Tatsachen (dann ist eine Entscheidung entsprechend dem Ergebnis der Beklagtenstation zu treffen) zugrunde gelegt werden können.
Stoffsammlung und -ordnung
Stoffsammlung
Grundlagen
Schriftsätze bzw. elektronische Dokumente
Urkunden, Privatgutachten, Gutachten in anderen Verfahren
Beiakten
Sitzungsprotokolle
Protokolle über die Beweisaufnahmen und schriftliche Sachverständigengutachten
Beweisbeschlüsse und frühere Entscheidungen desselben Rechtsstreits
Aktenauszug
Stoffordnung
Überholtes Vorbringen
Maßgeblich ist nur der Vortrag der Parteien, an dem sie in der letzten mündlichen Verhandlung festgehalten haben.
Zwischen verschiedenen Sachvorträgen einer Partei besteht ein Widerspruch.
Im Zweifel ist von der Berichtigung des früheren Vorbringens auszugehen.
Jedoch können sich Anhaltspunkte ergeben, dass die Partei an ihrem widersprüchlichen Vorbringen festhalten will.
Grundsätzlich ist widersprüchliches Vorbringen wegen eines Verstoßes gegen die Wahrheitspflicht (§ 138 I ZPO) unbeachtlich.
Etwas anderes kann bei Haupt- und Hilfsvorbringen gelten. Macht sich die Partei hilfsweise das Vorbringen des Gegners, von dessen Wahrheit sie nicht überzeugt ist, zu eigen, weil sie befürchtet, ihr Hauptvorbringen nicht beweisen zu können, liegt eine zulässige prozessuale Taktik vor.
Abgrenzung der Tatsachen von den Rechtsansichten
Tatsachen sind alle gegenwärtigen und vergangenen, äußeren und inneren, positiven und negativen Daten aus der realen Welt des Seins. Tatsachen sind dem Beweis zugänglich.
Der Richter ist grundsätzlich an die Rechtsansichten der Parteien nicht gebunden, sodass diese nur Anregungen darstellen.
In den Tatbestand gehören
grundsätzlich nicht (alle) Rechtsansichten,
Rechtsansichten, die gleichzeitig Tatsachen enthalten (können),
Rechtansichten, wenn deren Mitteilung zum Verständnis des Parteivortrags (z.B. bei normativen Tatbestandsmerkmalen) oder des Rechtsstreits (z.B. wenn Sachvortrag der Parteien unstreitig) erforderlich sind,
Rechtstatsachen (= juristische Tatsachen).
Voraussetzungen für eine Rechtstatsache (z.B. „Kauf“, in der Regel auch „Eigentum“, „Schenkung, Miete, Darlehen“, nicht „Sittenwidrigkeit, Passivlegitimation“) sind, dass
die Parteien den Rechtsbegriff übereinstimmend verwenden,
es sich um einen einfachen Begriff des täglichen Lebens handelt,
sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass den Parteien der richtige Umgang mit dem Rechtsbegriff nicht zuzutrauen ist.
Abgrenzung des Streitigen vom Unstreitigen
Unstreitig ist das Parteivorbringen, wenn
die Parteien übereinstimmend einen bestimmten Geschehensablauf schildern,
der Gegner mit erkennbarem (Geständnis-)Willen gesteht (§ 288 ZPO) und sein Geständnis nicht widerruft (§ 290 ZPO) oder
der Gegner den Sachvortrag nicht bestreitet (§ 138 III ZPO).
Geständnisfiktion des § 138 III ZPO (Fiktion des Zugestehens bei Nichtbestreiten)
Eine Partei kann ausdrücklich oder konkludent bestreiten (Hs. 2).
Der gesamte Vortrag der Partei ist zu berücksichtigen und die Frage zu stellen, ob sich aus dem Gesamtzusammenhang ein konkludentes Bestreiten ergibt. Auf die zeitliche Reihenfolge kommt es nicht an.
Von einem konkludenten Bestreiten ist (entgegen der Formulierung) im Zweifel auszugehen. Jedenfalls muss das Gericht dies bei Zweifeln nach § 139 ZPO klären.
Hat der Gegner bei einem Sachverhaltskomplex verschiedene Punkte bestritten oder hierzu eine Gegendarstellung gegeben, ist anzunehmen, dass er den gesamten, zu diesem Komplex gehörenden Sachvortrag bestreiten will. Nur wenn er zu einem gesamten Komplex überhaupt nichts erklärt, greift die Geständnisfiktion ein.
Streitig ist das Parteivorbringen, wenn
die Parteien einen divergierenden Geschehensablauf schildern,
der Gegner sein Geständnis widerruft oder
der Gegner den Sachvortrag ausdrücklich oder konkludent bestreitet.
Neues Vorbringen einer Partei in Schriftsätzen, die nach der letzten mündlichen Verhandlung bei Gericht eingehen, ist immer als streitig zu behandeln (Grundsatz des rechtlichen Gehörs). Die Kenntlichmachung im Tatbestand erfolgt wie folgt: „In einem am … bei Gericht eingegangenen Schriftsatz behauptet der Kläger weiter…“.
Bestreiten
Einfaches Bestreiten (bloße Verneinung) reicht grundsätzlich.
Qualifiziertes Bestreiten (Gegendarstellung) kann unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie aufgrund der sich aus § 138 I und II ZPO ergebenden Mitwirkungspflicht des Gegners erforderlich sein.
Je detaillierter der Vortrag des Darlegungspflichten ist, desto höher ist die Erklärungslast nach § 138 II ZPO.
Qualifiziertes Bestreiten kann auch erforderlich sein, wenn dem primär Darlegungspflichtigen ein substantiierter Vortrag nicht möglich oder zumutbar ist, der Gegner hingegen die erforderlichen Informationen hat oder in der Lage ist, sich diese leicht zu verschaffen (z.B. negative Tatsachen, Tatsachen aus dem Vermögens- und Steuerbereich). Man spricht insoweit von sekundärer Darlegungslast (keine Umkehr der Darlegungslast, keine Beweiserleichterung). Wenn der primär Darlegungspflichtige greifbare Anhaltspunkte für die Richtigkeit seiner Darlegung liefert, muss der Gegner qualifiziert bestreiten.
Qualifiziertes Bestreiten ist ferner erforderlich, wenn ohne die Gegendarstellung des Gegners (z.B. zur Höhe des Kaufpreises) nach einer (gedachten) Beweisaufnahme keine Entscheidungsreife eintritt oder wenn nicht klar ist, über welche Punkte (z.B. bei verschiedenen Rechnungsposten) Beweis erhoben werden muss.
Bestreitet der Beklagte nicht qualifiziert, obwohl dies ausnahmsweise erforderlich ist, ist sein Bestreiten unbeachtlich und der Vortrag des Gegners gilt nach § 138 III ZPO als zugestanden.
Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 IV ZPO) ist nur anzunehmen, wenn die Parteien sich ausdrücklich darauf berufen. Deshalb ist ein ausdrückliches Bestreiten mit Nichtwissen immer im Tatbestand wörtlich zu erwähnen.
Pauschales Bestreiten („Das Vorbringen des Gegners wird bestritten, soweit es im Gegensatz zum hiesigen Vorbringen steht.“) verstößt gegen § 138 I, II ZPO und ist daher von vornherein unbeachtlich.
Relationstabelle
Aktenzeichen
Gericht
Vorgerichtliche Einigungsversuche
Kurzbeschreibung des Rechtsstreits
Kläger
Blatt
Beklagter
Name
Prozessbevollm.
Antrag
Tatsache
Rechtsansicht
Inhalt und Form von Tatbestand
Bewährte Darstellung des Tatbestands:
Einleitungssatz über den Kern des Rechtsstreits (str.)
Geschichtserzählung (= Unstreitiges)
Streitiger Vortrag des Klägers
Ggf. kleine/ vorgezogene Prozessgeschichte 1
(Sach-)Anträge der Parteien, soweit sie auch in der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung gelten sollen
Streitiger Vortrag des Beklagten
Ggf. Replik und Duplik
Große Prozessgeschichte 2
Allgemeines
§ 313 II ZPO: „Im Tatbestand sollen
die erhobenen Ansprüche (Klagebegehren nach Gegenstand und Grund) und
die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel (vgl. § 282 I ZPO, auch wenn nicht entscheidungserheblich)
unter Hervorhebung der gestellten Anträge
nur ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp (und vor allem verständlich, vgl. §§ 314, 320 I ZPO) dargestellt werden.
Wegen der Einzelheiten des Sach- (= Unstreitiges) und Streitstandes (= Streitiges) soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden.“
Einleitungssatz
Der Einleitungssatz ist im Präsens zu schreiben
„Die Parteien streiten über ...“
„Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Zahlung von … € aus … [z.B. Verkehrsunfall].“
Geschichtserzählung
In die Geschichtserzählung gehört der gesamte unstreitige Tatsachenvortrag beider Parteien.
Die Parteien werden nur mir ihrer ursprünglichen Parteirolle (= Kläger/ Beklagter) bezeichnet.
Die Geschichtserzählung ist historisch aufzubauen.
Zeitformen
Grundsätzlich das Präteritum zu verwenden, da in der Regel ein abgeschlossener Lebenssachverhalt dargelegt wird.
Das Plusquamperfekt ist zu verwenden, wenn von dem historischen Aufbau abgewichen und ein früheres Ereignis nachgeschoben wird.
Im Perfekt sollten Ereignisse geschildert werden, die nach Klageerhebung eingetreten sind oder die in der Vergangenheit abgeschlossen wurden, aber noch in der Gegenwart fortwirken.
Fachausdrücke sind zu vermeiden und kurze Sätze zu bilden.
Wörtliche Zitate sind nur erforderlich, wenn und soweit eine Auslegung erfolgen muss und es auf den genauen Wortlaut ankommt. Sie sind in Anführungszeichen zu setzen.
Als Zeitform ist grundsätzlich das Präsens zu verwenden. Das Streitige selbst sowie die Rechtsansichten werden in indirekter Rede im Konjunktiv dargestellt. Als Zeitform wird für in der Vergangenheit liegende und abgeschlossene Ereignisse grundsätzlich das Perfekt und im Übrigen das Präsens verwendet.
Bei streitigen Tatsachen immer
„Der Kläger behauptet, … sei/ habe …“
Bei Rechtsansichten
„Der Kläger vertritt die Ansicht, …sei/ habe …“
Eine Verknüpfung von Tatsachen und Rechtsansichten (durch einen Kausalsatz) ist unzulässig. Hier empfiehlt es sich, die Sätze zu trennen und den Zusammenhang aufzuzeigen.
„Der Kläger ist der Meinung, …“
„Hierzu behauptet er, …”
„In diesem Zusammenhang behauptet er, …“
Bei qualifiziertem Bestreiten ist der betreffende Sachvortrag sowohl beim Streitigen des Klägers als auch bei dem des Beklagten darzustellen.
Wird eine Tatsache nur einfach bestritten, reicht die Darstellung bei einer der Parteien aus. Bei welcher Partei die einfach bestrittene Tatsache erwähnt wird, hängt von der Darlegungslast ab. Dagegen kommt es nicht darauf an, wer die Tatsache vorgetragen und wer sie (einfach) bestritten hat.
Tragen mehrere Kläger unterschiedlich vor, ist zunächst der gesamte Vortrag eines Klägers (zu 1) und erst im Anschluss daran der Vortrag der anderen Kläger (zu 2 usw.) darzustellen. Tragen sie teilweise einheitlich, teilweise unterschiedlich vor, sollte zunächst der gemeinsame und im Anschluss daran getrennt nach Klägern der unterschiedliche Vortrag erwähnt werden.
Prozessgeschichte 1
Versäumnisurteil
„Das Gericht hat den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den ... anberaumt und die Parteien mit Verfügung vom ..., dem Beklagten zugestellt am ..., geladen. Der Beklagte ist ohne Angabe von Gründen nicht erschienen.“ Oder: „Das Gericht hat mit Verfügung vom … das schriftliche Vorverfahren angeordnet und dem Beklagten eine Frist zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft binnen zwei Wochen ab Zustellung der Klage gesetzt. Die gerichtliche Verfügung und die Klageschrift sind dem Beklagten am … zugestellt worden. Der Beklagte hat seine Verteidigungsbereitschaft nicht rechtzeitig angezeigt.“
„Ursprünglich hat der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, … und hierüber durch Versäumnisurteil zu entscheiden.“
„Das Gericht ... hat den Beklagten mit Versäumnisurteil vom ... antragsgemäß zur … verurteilt. Gegen dieses Versäumnisurteil, das dem Beklagten am ... zugestellt worden ist, hat er mit Anwaltsschriftsatz vom …, bei Gericht eingegangenen am …, Einspruch eingelegt und diesen begründet (sowie zeitgleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt).“
„Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat die Beklagte ausgeführt, dass … Der Kläger hatte rechtliches Gehör zum Wiedereinsetzungsantrag und hält diesen für unbegründet, da er der Meinung ist, dass …“
„Der Kläger beantragt nunmehr,
das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
Der Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.”
Andere vollstreckbare Titel (z.B. Teilurteil, Vollstreckungsbescheid, Vorbehaltsurteil)
Erledigung, Klageänderung
Zeitform des Perfekts
Anträge
Die Darstellung erfolgt im Präsens.
Die in § 313 II ZPO vorgeschriebene Hervorhebung wird dadurch erreicht, dass man den Inhalt der Anträge einrückt.
In Fällen der objektiven Klagehäufung sind die vom Kläger gestellten Sachanträge hintereinander zu erwähnen.
„Der Kläger beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, …
2. festzustellen, dass …
die Klage abzuweisen.”
Maßgeblich sind nur die in der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung gestellten Anträge. Überholte Anträge stellen hingegen Prozessgeschichte 1 dar.
Grundsätzlich ist eine wörtliche Wiedergabe der Anträge geboten. Die Auslegung der Anträge gehört hingegen in die Entscheidungsgründe. Nur bei leicht erkennbaren stilistischen Mängeln, offensichtlichen Unrichtigkeiten oder offensichtlichen Ungenauigkeiten kann bereits eine Klarstellung im Tatbestand erfolgen.
Nicht in den Tatbestand aufzunehmen sind
Anträge zu den prozessualen Nebenentscheidungen, d.h. Kostenanträge und Anträge zur vorläufigen Vollstreckbarkeit, da hierüber von Amts wegen entschieden wird (§§ 308 II, 708, 709, 711 ZPO) (Ausnahmen: Anträge des § 710 und des § 712 ZPO),
der Antrag, den Einspruch gegen das Versäumnisurteil als unzulässig zu verwerfen, da hierüber von Amts wegen entschieden wird (§ 341 I ZPO),
der „Antrag“ einer Partei, ihr zu gestatten, die Sicherheitsleistung in Form einer Bankbürgschaft oder einer anderen Form der Sicherheitsleistung zu erbringen, da das Gericht gemäß § 108 I 1 ZPO nach freiem Ermessen die Art der Sicherheitsleistung bestimmt und bei keiner Bestimmung gemäß § 108 I 2 ZPO immer von einer Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft auszugehen ist,
der Kostenantrag des Beklagten bei einer teilweisen Klagerücknahme, da wegen des Grundsatzes der Einheit der Kostenentscheidung auch über die Kosten des zurückgenommenen Teils der Klage im Urteil zu entscheiden ist (von Amts wegen § 308 II ZPO, Kostenantrag i.S.d. § 269 IV ZPO entbehrlich).
Das Streitige des Beklagten wird in derselben Form dargestellt wie das Streitige des Klägers.
Gruppen/ Reihenfolge
Vorbringen zur Zulässigkeit (= Zulässigkeits- bzw. Prozessrüge)
Vorbringen zur Begründetheit
Klageleugnen
Einreden im Sinne der ZPO
Das Vorbringen zur Zulässigkeit der Klage sollte unmittelbar im Anschluss an den Klageabweisungsantrag dargestellt werden.
„Der Beklagte vertritt die Ansicht, das Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 ZPO fehle. Hierzu behauptet er, …”
Zulässigkeitsvoraussetzungen, bei denen ohne Rüge Heilung eintritt (§§ 39, 267, 295 ZPO), oder die einredeweise geltend gemacht werden müssen (z.B. §§ 269 VI, 1032 I ZPO), sind immer im Tatbestand darzustellen, und zwar im Präsens.
„Der Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit.“
Klageleugnen meint das Bestreiten der anspruchsbegründenden Voraussetzungen, für die der Kläger darlegungs- und beweispflichtig ist.
Einreden im Sinne der ZPO sind alle Tatsachen, die den Tatbestand einer Gegennorm ausfüllen:
rechtshindernde und rechtsvernichtende Einwendungen sowie Einreden im Sinne des materiellen Rechts (z.B. §§ 105, 117, 134, 138 BGB),
auch alle Tatbestandsmerkmale einer Norm, für die der Beklagte die Darlegungs- und Beweislast trägt (z.B. fehlendes Verschulden i.S.d. § 280 I 2 BGB).
Die Erhebung einer Einrede im materiellen Sinn ist in der Regel unstreitig und wird im Abschnitt „streitiger Vortrag des Beklagten“ im Präsens und Indikativ erwähnt.
„Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Hierzu behauptet er…“
Allerdings kann es angebracht sein, die Erhebung der Einrede bereits in der Geschichtserzählung darzustellen, etwa wenn der Kläger qualifiziert bestreitet und dieses Bestreiten bereits im Abschnitt „streitiger Vortrag des Klägers“ erwähnt werden soll.
Replik und Duplik
Replik ist das Verteidigungsvorbringen des Klägers auf Einreden des Beklagten im Sinne der ZPO.
Duplik ist das Verteidigungsvorbringen des Beklagten auf die Replik des Klägers.
Sie sollten, soweit möglich, vermieden werden, weil der ständige Wechsel von Kläger- und Beklagtenvortrag die Verständlichkeit erschweren kann.
Prozessgeschichte 2
Die Prozessgeschichte ist in den Tatbestand nur aufzunehmen, soweit sie für die Entscheidung von Bedeutung ist. Das ist dann der Fall, wenn Ausführungen hierzu in den Entscheidungsgründen erforderlich sind.
Der Eingang eines Schriftsatzes bei Gericht ist entscheidungserheblich, wenn Verspätungsregeln erörtert werden müssen.
Hängt der Zinsbeginn von der Rechtshängigkeit ab, ist das gemäß §§ 261 I, 253 ZPO entscheidende Datum der Zustellung der Klageschrift (§ 187 I BGB) zwingend in der Prozessgeschichte mitzuteilen.
„Die Klageschrift ist dem Beklagten am … zugestellt worden.”
Werden Verfahrensmängel durch rügeloses Einlassen gemäß § 295 ZPO geheilt, sind die betreffenden prozessualen Ereignisse nicht im Tatbestand zu erwähnen.
Eine Beweisaufnahme ist immer am Ende des Tatbestands zu erwähnen.
„Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 10.10.2023 (oder bei fehlendem Beweisbeschluss: durch die Vernehmung des Zeugen …/ die Einholung eines Sachverständigengutachtens). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 12.11.2023 Bezug genommen.“
Sie wird in der Zeitform des Perfekts in direkter Rede dargestellt.
Bezugnahmen
z.B. auf Vertragsurkunde unter Angabe der Anlage
nicht pauschale Bezugnahme
Tenorierung: Hauptsachetenor
Die Formulierung orientiert man sich am Klageantrag. Zu prüfen ist, ob der Klageantrag erschöpfend behandelt und nicht mehr oder etwas anderes zugesprochen wird als beantragt wurde (ne ultra petita, § 308 I 1 ZPO).
Die Formulierung muss eindeutig sein.
Die Klage hat ganz oder teilweise keinen Erfolg.
„Die Klage wird abgewiesen.“
„Der Beklagte wird verurteilt, … Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“
Der Klage wird stattgegeben.
Leistungsklagen
„Der Beklagte wird verurteilt,
an den Kläger 1.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem (jeweiligen) Basiszinssatz seit dem (genauer Tag) zu zahlen.“
an den Kläger den Pkw Marke …, Typ …, Baujahr …, Fahrgestell-Nr. … zu übereignen und herauszugeben.“
zu dulden, dass der Kläger den Fußball, Marke …, Farbe …, aus seinem Garten holt.“
Feststellungsklagen
„Es wird festgestellt,
dass der Kläger Eigentümer des Apfelschimmels „Weißer Blitz“ … ist.“
Tenorierung: Kostentenor
Kosten des Rechtsstreits
Gerichtskosten
Erhebung nach dem Kostenverzeichnis (KV) der Anlage 1 zum GKG (§ 3 II GKG)
Gebühren
Bestimmung nach dem Streitwert (§ 3 I GKG)
Degressive Gebührentabelle der Anlage 2 zum GKG (§ 34 I 3 GKG)
-> Berechnung: Gebührensatz (Anlage 1 zum GKG) x (volle) Gebühr (Anlage 2 zum GKG) = Gebührenhöhe
Erstinstanzliche zivilrechtliche Verfahren vor dem Amts- oder Landgericht
Nr. 1210 KV für das Verfahren im Allgemeinen mit einem Gebührensatz von 3,0
Unter den Voraussetzungen Nr. 1211 KV (z.B. bei frühzeitiger Klagerücknahme oder bei Anerkenntnis- und Verzichtsurteil) Ermäßigung auf 1,0
Fälligkeit mit Einreichung der Klageschrift bei Gericht (§ 6 I Nr. 1 GKG), Zustellung der Klageschrift erst nach Zahlung der Gebühr (§ 12 I 1 GKG)
Berufung und Revision
Nr. 1220, 1230 KV mit jeweils höherem Gebührensatz
Auslagen
Nr. 9000 ff. KV
Außergerichtliche Kosten
Anwaltskosten
Bestimmung der Höhe der Vergütung nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG (§ 2 II RVG)
Berechnung nach dem Gegenstandwert (§ 2 I RVG), der grundsätzlich mit dem gerichtlich festgesetzten Streitwert identisch ist
Gebührentabelle der Anlage 2 zum RVG (§ 13 I 3 RVG)
-> Berechnung: Gebührensatz (Anlage 1 zum RVG) x (volle) Gebühr (Anlage 2 zum RVG) = Gebührenhöhe
Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV – 1,3)
schon mit der Einreichung der Klageschrift
Terminsgebühr (Nr. 3104 VV – 1,2)
erst mit der Wahrnehmung des Termins
nur eine Terminsgebühr, auch wenn mehrere mündliche Verhandlungstermine (§ 15 II RVG)
Ggf. Einigungsgebühr (Nr. 1003 VV – 1,0)
bei gerichtlichem Vergleich in erster Instanz
Auslagen (Nr. 7001, 7002 VV)
Nachweis die tatsächlich entstandenen Auslagen oder
Kostenpauschale, die 20 % der gesetzlichen Gebühren, höchstens jedoch 20 € beträgt
Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV)
auf die Gebühren und die Kostenpauschale
Kosten der Parteien selbst
Einheit der Kostenentscheidung und Kostentrennung
Nach dem Grundsatz der Einheit der Kostenentscheidung wird grundsätzlich einheitlich über alle Kosten des Rechtsstreits unabhängig von einzelnen Prozesshandlungen und Prozessabschnitten entschieden. Daher kann über die Kosten auch erst in dem Urteil entschieden werden, das die Instanz beendet (Schlussurteil, nicht: Teil-, Zwischen-, Grundurteil).
Nur in den im Gesetz hervorgehobenen Fällen gilt die Kostentrennung:
Übergegangener Anspruch (§ 94 ZPO), (sonstige) Säumniskosten (§ 95 ZPO), Kosten erfolgloser Angriffs- oder Verteidigungsmittel (§ 96 ZPO, Ermessen „können“),
Nebenintervention (§ 101 I ZPO),
Kosten der Wiedereinsetzung (§ 238 IV ZPO),
Klagerücknahme (§ 269 III 2 Alt. 2 ZPO),
Verweisung wegen Unzuständigkeit (§ 281 III 2 ZPO),
Säumniskosten bei Versäumnisurteil und Widerspruch (§ 344 ZPO).
Die Vorschriften, sind für die Formulierung des Kostentenors nur dann bedeutsam, wenn die betreffende Partei nicht ohnehin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
Kostenentscheidung nach § 91 ZPO
Wird dem Klageantrag in vollem Umfang entsprochen oder wird die Klage in vollem Umfang abgewiesen, ist grundsätzlich eine Kostenentscheidung nach § 91 I 1 Hs. 1 ZPO zu treffen. Danach hat die Kosten des Rechtsstreits die unterliegende Partei zu tragen.
„Der Kläger/ der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits (nicht: des Verfahrens).“
Kostenentscheidung nach § 92 ZPO
Bei einem teilweisen Obsiegen und teilweisen Unterliegen beider Parteien bestimmt § 92 I ZPO, dass die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen sind.
Die Kosten können gegeneinander aufgehoben werden, wenn die Parteien in etwa in demselben Umfang obsiegen und unterliegen. Die Gerichtskosten fallen jeder Partei zur Hälfe zur Last (§ 92 I 2 ZPO). Außerdem trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
„Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.“
Werden die Kosten verhältnismäßig geteilt, ergibt sich die Kostenquote aus dem Verhältnis des Unterliegens einer Partei (= Verlustquote) zum Gebührenstreitwert (§§ 39 ff. GKG). Ausgedrückt wird die Kostenquote durch Brüche oder Prozentzahlen. Die Nebenforderungen bleiben nach § 43 I GKG bei der Festsetzung des Streitwertes unberücksichtigt. Sie müssen jedoch bei der Ermittlung der Kostenquote jedenfalls dann berücksichtigt werden, wenn sie im Verhältnis zur Hauptforderung nicht unbeträchtlich sind; davon ist auszugehen, wenn die abgewiesene Nebenforderung mehr als 10 % der Hauptforderung beträgt. Der die Nebenforderung mitberücksichtigende Streitwert wird als fiktiver Streitwert bezeichnet.
„Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 2/5 und der Beklagte 3/5.“
„Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 40 % und dem Beklagten zu 60 % auferlegt.“
Nach § 92 II ZPO kann (Ermessen) das Gericht einer Partei die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegen.
Der Hauptanwendungsfall ist § 92 II Nr. 1 ZPO.
Geringfügige Zuvielforderung (Zuvielforderung unter 10% der Klageforderung)
Kein besonderer oder ein nur geringfügig höherer Kostenanfall durch die Zuvielforderung (kein Gebührensprung, keine erforderliche Beweisaufnahme durch Zuvielforderung)
§ 92 II Nr. 2 ZPO betrifft die Konstellation, dass die Klage teilweise abgewiesen wird und der Betrag der Forderung von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war. Es werden demnach Fälle erfasst, bei denen die teilweise Klageabweisung nicht in die Sphäre des Klägers fällt oder jedenfalls von ihm nicht vorauszusehen war. Der Hauptanwendungsbereich ist der des § 287 ZPO.
Kostenentscheidung nach § 93 ZPO
Dem Kläger können bei vollem Obsiegen abweichend von § 91 I Hs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt (§ 307 ZPO) und keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat.
Die Beweislast für die Voraussetzungen des § 93 ZPO liegt beim Beklagten.
„Sofort” bedeutet, dass das Anerkenntnis in der ersten mündlichen Verhandlung oder im ersten Schriftsatz abgegeben werden muss. Allerdings gilt dies nicht für den Schriftsatz, mit dem lediglich die Verteidigungsbereitschaft erklärt wird, ohne dem Klageanspruch entgegenzutreten, wenn das Anerkenntnis innerhalb der Klageerwiderungsfrist erklärt wird.
Kostenentscheidung bei Klagerücknahme
Grundsätzlich muss der Kläger, wenn der die Klage zurücknimmt, nach § 269 III 2 ZPO die Kosten des Rechtsstreits tragen.
Aber wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist, sind die Kosten gemäß § 269 III 3 ZPO nach billigem Ermessen zu verteilen.
Nimmt der Kläger die Klage nur teilweise zurück, ist wegen des Grundsatzes der Kosteneinheit eine Kostenquote zu bilden.
Nimmt der Kläger die Klage vor der mündlichen Verhandlung teilweise zurück, fallen die Nr. 3104 VV-Terminsgebühren der Rechtsanwälte nur noch nach dem verringerten Streitwert an; die Nr. 1210 KV-Gerichtskostengebühr und die Nr. 3100 VV-Verfahrensgebühren fallen hingegen nach dem ursprünglichen Streitwert und daher auch für den zurückgenommenen Teil an. Hierzu wird die Mehrkostenmethode vertreten (a.A. Quotenmethode). Der Kläger muss die Mehrkosten tragen.
Ermittlung der tatsächlich entstandenen Kosten
Ermittlung der Kosten, die entstanden wären, wenn der Kläger von Anfang an lediglich den geringeren Wert eingeklagt hätte
3,0 x Nr. 1210 KV-Gerichtskostengebühr
nach ursprünglichem Streitwert
+ Rechtsanwaltskosten des Klägers
1,3 x Nr. 3100 VV-Verfahrensgebühr nach ursprünglichem Streitwert
1,2 x Nr. 3104 VV-Terminsgebühr nach verringertem Streitwert
+ Rechtsanwaltskosten des Beklagten
(wie beim Kläger)
= tatsächlich entstandene Kosten
nach verringertem Streitwert
1,3 x Nr. 3100 VV-Verfahrensgebühr nach verringertem Streitwert
= hypothetisch geringere Kosten
Differenz (Mehrkosten)
Differenz / tatsächlich entstandene Kosten = Kostenquote des (obsiegenden) Klägers
Kostenentscheidung bei Streitgenossenschaft
Grundsätzlich haften die unterliegenden Streitgenossen für die Kostenerstattung gemäß § 100 I ZPO nach Kopfteilen.
Aber wenn die unterliegenden Beklagten in der Hauptsache als Gesamtschuldner verurteilt werden, dann haften sie gemäß § 100 IV ZPO auch für die Kostenerstattung als Gesamtschuldner.
Nicht im Gesetz geregelt ist der Fall, dass der Kläger bei einer gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme mehrerer Beklagter hinsichtlich der gesamtschuldnerischen Haftung in unterschiedlichem Umfang obsiegt. Hierfür ist die Baumbach’sche Kostenformel entwickelt worden.
Einzelangriffe
Beklagter zu 1)
Beklagter zu 2)
1. Anspruch K gegen B1 10.000 €
2. Anspruch K gegen B2 10.000 €
= fiktiver Gesamtstreitwert 20.000 €
Verluste (gesamt)
Kostenquote
oder
Beklagte zu 1) und 2) als Gesamtsch.
Ggf. Beklagter zu 1)
Unterscheide:
Außergerichtliche Kosten des/ der voll unterlegenen Beklagten -> trägt/ tragen diese(r) selbst
Außergerichtliche Kosten des/ der voll obsiegenden Beklagten -> trägt der Kläger
Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten des Klägers -> sind aufzuteilen nach Kostenquote auf Kläger und unterlegene(n) Beklagte(n)
Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung der Streitgenossen am Rechtsstreit (z.B. unterschiedlich hohe Inanspruchnahme, Anerkenntnis- bzw. Versäumnisurteil gegen einen Streitgenossen und anschließende durch die restlichen Streitgenossen verursachte umfangreiche Beweisaufnahme, Widerklage eines Streitgenossen) kann gemäß § 100 II ZPO nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab der Kostenquote genommen werden.
Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel (§ 282 I ZPO) geltend gemacht, haften gemäß § 100 III ZPO die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten, unabhängig vom Erfolg des Mittels.
Kostenentscheidung nach § 101 ZPO bei Streithilfe
Die Partei, der der Streithelfer beigetreten ist, hat dessen Kosten nach prozessualen Vorschriften nie zu tragen. Soweit der Gegner dieser Partei unterliegt und nach §§ 91 ff. ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, sind ihm auch die Kosten des Streithelfers aufzuerlegen; im Übrigen trägt der Streithelfer seine Kosten selbst (§ 101 ZPO).
Die Kosten der Streithilfe gehören nicht zu den Kosten des Rechtsstreits i.S.d. §§ 91 ff. ZPO.
Tenorierung: Vorläufige Vollstreckbarkeit
Allgemeine Fragen
Nach § 704 ZPO findet die Zwangsvollstreckung statt aus Endurteilen, die formell rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt worden sind. Gundsätzlich muss daher jedes Endurteil von Amts wegen für vorläufig vollstreckbar erklärt werden (§§ 708, 709).
In Ausnahmefällen ist ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit entbehrlich:
Urteile, die von Natur aus oder kraft Gesetzes vorläufig vollstreckbar sind (Anordnung oder Bestätigung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung, Urteile des Arbeitsgerichts [vgl. §§ 62 I, 64 VII, 85 II ArbGG]),
Urteile, die keinen vollstreckungsfähigen Inhalt haben,
Urteile, die mit ihrem Erlass rechtskräftig werden, d.h. für die der Gesetzgeber keine Rechtsmittel vorgesehen hat (Berufungsurteile bei Arrest und einstweiliger Verfügung [vgl. § 542 II 1 ZPO], Revisionsurteile des BGH).
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung (§ 709 ZPO)
Allgemeines und Zweck der Sicherheit
Grundsätzlich ist jedes Urteil nach § 709 ZPO gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Nur in den Sonderfällen des § 708 ZPO sowie auf Antrag des Gläubigers gemäß § 710 ZPO hat eine Sicherheitsleistung zu unterbleiben.
Wird das Urteil gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt, kann bis zum Eintritt der Rechtskraft eine Vollstreckung nur erfolgen, soweit die Sicherheitsleistung erbracht und dies nach § 751 II ZPO nachgewiesen worden ist.
Die Sicherheitsleistung dient dem Schutz des Vollstreckungsschuldners. Er soll für den Fall, dass das für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteil keinen Bestand hat, vor einem Schaden bewahrt werden.
Art und Höhe der Sicherheitsleistung
Die Art und die Höhe der Sicherheitsleistung stehen im freien Ermessen des Gerichts (§ 108 I 1 ZPO).
Den Regelfall bildet die Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft. Soweit das Gericht keine Bestimmung zu der Art der Sicherheitsleistung trifft und die Parteien ein anderes nicht vereinbart haben, ist die Sicherheitsleistung nach § 108 I 2 ZPO durch eine dort näher beschriebene Bankbürgschaft oder durch Hinterlegung zu erbringen.
Die Höhe der Sicherheitsleistung muss sich an einem möglichen Schadensersatzanspruch des Vollstreckungsschuldners aus § 717 II ZPO orientieren.
Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es gemäß § 709 S. 2 ZPO, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Eine Bemessung mit 110 bis höchstens 120 % wird für richtig gehalten.
Ansonsten gilt § 709 S. 1. Das bedeutet, dass die Sicherheitsleistung für den vollstreckbaren Teil, der keine Geldforderung beinhaltet, betragsmäßig ausgewiesen werden muss. So ist bei Herausgabeansprüchen der Wert der Sache zu schätzen. Im Zweifel ist nach oben zu runden.
Tenorierung
Soweit nur ein Vollstreckungsschuldner vorhanden ist und es nur um die Vollstreckung von Geldforderungen geht, lautet die Standardformulierung zu § 709 S. 2 ZPO:
„Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % [120 %] des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.“
Sind mehrere Vollstreckungsgläubiger vorhanden, ist für jeden getrennt zu prüfen, ob eine Vollstreckung mit (§ 709) oder ohne Sicherheitsleistung (vgl. § 708) auszusprechen ist.
Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung (§ 708 ZPO)
Im Fall des § 708 ZPO wird wie folgt tenoriert:
„Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.“
Der Hauptanwendungsfall ist der des § 708 Nr. 11 ZPO. Erfasst sind
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten (prozessualer Anspruch auf Geld oder geldwerte Gegenstände gerichtet),
wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache – hierzu zählen nicht die materiellen Nebenansprüche und die Kosten des Rechtsstreits – 1.250 € nicht übersteigt (Alt. 1) oder
wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 € ermöglicht (Alt. 2).
Bei Anwendung des § 708 Nr. 4 bis 11 ZPO sind immer §§ 711 und 713 ZPO zu beachten.
Abwendungsbefugnis (§ 711 ZPO)
Auch die Abwendungsbefugnis dient dem Schutz des Vollstreckungsschuldners.
Die Abwendungsbefugnis gilt in den Fällen des § 708 Nr. 4–11 ZPO und sollte immer entsprechend dem Wortlaut des § 711 S. 1 ZPO tenoriert werden.
Gemäß § 711 S. 2 ZPO gilt § 709 S. 2 ZPO (soweit Geldforderung) entsprechend; für den Schuldner ist jedoch auf den gesamten nach dem Urteil vollstreckbaren Betrag abzustellen, nicht hingegen auf den jeweils zu vollstreckenden Betrag.
Ist nur ein Vollstreckungsschuldner vorhanden, lautet die Formulierung:
„Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger/Beklagte (= Vollstreckungsschuldner) darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte/Kläger (= Vollstreckungsgläubiger) vor der Vollstreckung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.“
Sind zwei Vollstreckungsgläubiger vorhanden, insbesondere Kläger und Beklagter bei Teilerfolg der Klage und Kostenquotierung, und gilt für beide § 708 Nr. 11 ZPO, muss die Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO in Bezug auf beide ausgesprochen werden:
„Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.“
Ggf. müssen bei einem teilweisen Obsiegen und Unterliegen der Parteien §§ 708 Nr. 11, 711 und § 709 kombiniert werden:
„Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages (d.h. für den Beklagten ohne Sicherheitsleistung). Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.“
Keine Schutzanordnung (§ 713 ZPO)
§ 713 ZPO stellt eine Ausnahmeregelung zu § 711 ZPO dar.
§ 713 ZPO greift ein, wenn ein Rechtsmittel offensichtlich unzulässig ist. In diesen Fällen soll der Vollstreckungsschuldner nicht nach § 711 ZPO geschützt werden, da aus der Sicht des Richters (pflichtgemäßes Ermessen) das Urteil in jedem Fall rechtskräftig wird.
Häufigster Fall ist § 495a ZPO (Streitwert 600 € nicht übersteigt).
Sind die Voraussetzungen des § 713 ZPO erfüllt, wird (nur) wie folgt tenoriert:
Urteil
Aufbau des Urteils
Rubrum (§ 313 I Nr. 1 bis 3 ZPO)
a) Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und Prozessbevollmächtigten (§ 313 I Nr. 1 ZPO)
b) Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter (§ 313 I Nr. 2 ZPO)
c) Tag der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung (§ 313 I Nr. 3 ZPO)
Tenor (§ 313 I Nr. 4 ZPO)
Tatbestand (§ 313 I Nr. 5 ZPO)
Entscheidungsgründe (§ 313 I Nr. 6 ZPO)
a) Gesamtergebnis
b) Ggf. Auslegung des Klageantrags und sonstige Vorfragen
c) Zulässigkeit der Klage
d) Begründetheit der Klage
aa) Klageantrag zu 1)
(1) Hauptanspruch
(2) Nebenanspruch
bb) Klageantrag zu 2)
…
e) Prozessuale Nebenentscheidungen
Streitwertfestsetzung
Ggf. Rechtsmittelbelehrung (§ 232 ZPO)
Unterschrift
Rubrum
Oben links
Zusammensetzung
Abteilung des Amtsgerichts oder Kammer des Landgerichts
Registerzeichen (Habersack Anhang „Registerzeichen“, z.B. „C“ bzw. „O“ für allgemeine Zivilsachen beim Amts- bzw. Landgericht 1. Instanz)
Fortlaufende Nummer
Eingangsjahr
Überschrift
Zentriert
Entscheidendes Gricht
„Im Namen des Volkes“ (§ 311 I ZPO)
Urteilsart („Urteil“, „Teilurteil“, „Versäumnisurteil“)
Bezeichnung der Prozessbeteiligten
Es wird ein einheitlicher Satz gebildet.
Eingeleitet wird durch „In dem Rechtsstreit“
Dann wird der Kläger im Genitiv und der Beklagte im Akkusativ dargestellt.
Bei natürlichen Personen sind in jedem Fall der Vor- und Zuname sowie die genaue Adresse anzugeben. Die Anredeform „Frau“ und „Herr“ ist zu verwenden.
Bei juristischen Personen („der … GmbH, …, gesetzlich vertreten durch ihren Geschäftsführer …“) und Personen(handels)gesellschaften (der … GmbH & Co. KG, vertreten durch die GmbH, diese wiederum vertreten durch ihren Geschäftsführer …“; „Gesellschaft bürgerlichen Rechts, vertreten durch deren allein vertretungsberechtigten Gesellschafter …“) ist die Angabe der vollständigen Firmen- bzw. Personenbezeichnung und der gesetzlichen Vertreter erforderlich.
Nach § 17 II HGB kann ein Kaufmann (vgl. § 1 I HGB) auch unter seiner Firma klagen und verklagt werden („des unter der Firma … handelnden Kaufmanns …“).
Bei Parteien kraft Amtes (z.B. Insolvenzverwalter, Testamentsvollstrecker) ist neben dem Namen auch deren besondere Stellung zu erwähnen („in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der…“).
Verstirbt eine Partei während des Prozesses und wird der Rechtsstreit mit den Erben fortgesetzt (vgl. §§ 239, 246 ZPO), sind diese als Partei namentlich aufzuführen („der Erben des am … verstorbenen …, nämlich 1 …, 2 …“); die Bezeichnung „Erbengemeinschaft nach …“ reicht nicht.
Bei Minderjährigen empfiehlt sich die Angabe des Geburtsdatums, soweit dieses bekannt ist (ansonsten „des Minderjährigen …“). Bei Minderjährigen, die unter elterlicher Sorge (§ 1626 BGB) stehen, müssen beide Elternteile erwähnt werden, soweit ihnen die gesetzliche Vertretungsmacht zu steht.
Die Angabe der Parteistellung wird rechts eingerückt. Dabei werden alle Parteistellungen, wie Kläger, Beklagter, Widerbeklagter, Widerkläger, Berufungskläger, angegeben.
Sind Streitgenossen vorhanden, werden diese im Rubrum fortlaufend nummeriert. In den nachfolgenden Abschnitten werden die Streitgenossen dann mit einem Zusatz entsprechend der Nummerierung bezeichnet (z.B. Kläger zu 1, Kläger zu 2, Beklagter zu 1, Beklagter zu 2, Beklagter zu 3).
Da die Prozessbevollmächtigten nicht Parteien sind, werden sie in Parenthese gesetzt. Erfolgt die Vertretung durch einen Rechtsanwalt, ist dies kenntlich zu machen („Rechtsanwalt …“).
Bezeichnung des Gerichts und der Richter sowie Angabe des Tages der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung
Reihenfolge der Angaben in NRW
„hat … (Bezeichnung des Gerichts)
auf … (Angabe der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung)
durch … (Bezeichnung der Richter)
für Recht erkannt:“
Bei der Bezeichnung des Gerichts wird der Spruchkörper angegeben. Das ist beim Landgericht die Kammer. Da es beim Landgericht auch Strafkammern gibt, ist hier von Zivilkammern zu sprechen. Bei den Amtsgerichten kann die Abteilung genannt werden.
Um den Umfang der Rechtskraft und die Präklusionswirkung (vgl. § 767 II ZPO) klarzustellen, hat der Gesetzgeber die Angabe des Tages der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung vorgeschrieben („auf die mündliche Verhandlung vom …“). Im Fall der Entscheidung nach Lage der Akten (§§ 251a, 331a ZPO) wird er durch den versäumten Termin ersetzt („nach Lage der Akten am …“). Wird eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erlassen, ist der durch das Gericht bestimmte Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können (§ 128 II ZPO), anzugeben („im schriftlichen Verfahren mit einer Erklärungsfrist bis zum …“).
Die Namen der am Urteil mitwirkenden Richter und deren Amtsbezeichnung ergeben sich aus dem Sitzungsprotokoll über die letzte mündliche Tatsachenverhandlung. Entscheidet bei einem Kollegialgericht der Einzelrichter (§§ 348, 348a, 349 II, III ZPO), ist dies zu kennzeichnen („als Einzelrichter“).
Streithelfer
Der Nebenintervenient oder der Streitverkündete ist im Rubrum unter der Partei, der er beigetreten ist, zu erwähnen und ggf. sein Prozessbevollmächtigter.
Tenor
Hervorhebung durch Einrücken
Hauptsachetenor, Kostentenor, Tenor über vorläufige Vollstreckbarkeit
Tatbestand
Überschrift „Tatbestand“
Darstellung des Sach- und Streitstands
Absehen von der Darstellung des Tatbestands in den Fällen des §§ 313a, 313b ZPO
Entscheidungsgründe
Überschrift „Entscheidungsgründe“
Absehen von den Entscheidungsgründe in den Fällen des §§ 313a, 313b ZPO
Inhalt
Wertung des Sachverhalts
Es ist klarzustellen, durch welche konkreten Tatsachen die Tatbestandsmerkmale ausgefüllt werden.
Soweit dies problematisch ist, sind auch die Grundlagen der Tatsachenfeststellung anzugeben. Daher sind ggf. Ausführungen zu den Fragen erforderlich, ob ein wirksames Geständnis vorliegt, welche Tatsachen zulässigerweise bestritten oder ob Tatsachen wegen Widersprüchlichkeit, mangelnder Substantiierung, Verspätung unbeachtlich sind.
Hierzu gehören auch Ausführungen zur Beweiswürdigung gemäß § 286 I 2 ZPO.
Fragen des prozessualen Vorrangs (Zulässigkeit vor der Begründetheit, Hauptantrag vor Hilfsantrag, Hauptverteidigung vor Hilfsaufrechnung) können nicht offengelassen werden. Alle (anderen) Fragen, die letztlich das Ergebnis nicht tragen (z.B. Anspruch entstanden – Anspruch untergegangen, Rechtswidrigkeit – Verschulden), können offengelassen werden („jedenfalls“).
K1: Klage begründet
Wird der Klage stattgegeben, ist nur die Anspruchsgrundlage zu erörtern, die den Anspruch ergibt. Sind im Gutachten mehrere Anspruchsgrundlagen bejaht worden, empfiehlt es sich, diejenige auszuwählen, die am leichtesten zu begründen ist. Innerhalb der bejahten Anspruchsgrundlage müssen alle Tatbestandsmerkmale erörtert werden.
Hat sich der Beklagte auf Einreden im Sinne der ZPO berufen, ist nur das Merkmal der Einredenorm zu behandeln, das verneint wird.
Werden auch materielle Nebenansprüche (z.B. Zinsen) bejaht, sind diese ebenfalls anhand der einzelnen Tatbestandsmerkmale in der gebotenen Kürze zu begründen.
K2: Klage unbegründet
Wird die Klage abgewiesen, müssen alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen behandelt werden. Dabei ist jeweils nur das zu verneinende Tatbestandsmerkmal zu erörtern. Bei mehreren negativen Merkmalen ist das auswählen, das am leichtesten abgehandelt werden kann.
Wird die Klage abgewiesen, weil eine Einrede im Sinne der ZPO eingreift, ist die Anspruchsgrundlage nur mit der Einredenorm zu verneinen, wobei alle einredebegründenden Merkmale erörtert werden müssen.
K3: Klage teilweise begründet
Wird der Klage teilweise stattgegeben, werden die vorgenannten Gesichtspunkte kombiniert.
Man beginnt mit dem Teil der Klage, der begründet ist. Im Anschluss daran muss dargelegt werden, warum die Klage im Übrigen keinen Erfolg hat.
Urteilsstil
Gutachtenstil
Ergebnis
Obersatz
Definition/ Voraussetzungen
Definition
Zwischenergebnis
Subsumtion
Die Entscheidungsgründe werden im Urteilsstil abgefasst. Vor dem Niederschreiben muss der Fall immer gutachterlich durchdacht werden (in Lösungsskizze).
Beim Urteilsstil steht am Anfang das Ergebnis. Es folgt eine Begründung dieses Ergebnisses. Die Gedankengänge müssen mit einem „Denn“ (oder „weil“) verbunden werden können.
Ein Ergebnissatz und folgende Formulierungen sind zu vermeiden: „Es ist fraglich/ problematisch …“, „folglich/ somit“, „zwar… aber …“.
Aufbau
Am Anfang der Entscheidungsgründe ist immer das Gesamtergebnis darzustellen („Die Klage ist zulässig und begründet.“; „Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.“).
Im Einzelfall ist der Klageantrag auszulegen („Der Antrag des Klägers ist dahingehend auszulegen, dass er … Für diese Auslegung spricht …“) oder andere Vorfragen (z.B. Klageänderung, teilweise Klagerücknahme, Parteiänderung) zu klären.
Ausführungen zur Zulässigkeit der Klage sind nur erforderlich, wenn diese unzulässig ist oder einzelne Zulässigkeitsvoraussetzungen problematisch sind.
Dann ist auf die Begründetheit einzugehen. Liegt nur ein Antrag vor, werden zunächst der Hauptanspruch und dann die Nebenansprüche abgehandelt. Bei einer objektiven Klagehäufung empfiehlt sich aus, die einzelnen Klageanträge vollständig getrennt hintereinander darzustellen. Am Anfang der rechtlichen Ausführungen muss immer die betreffende Anspruchsgrundlage genannt werden, die zu bejahen oder abzulehnen ist. Soweit der Hauptanspruch verneint wird, braucht auf die Nebenansprüche nicht ein gegangen zu werden, da es selbstverständlich ist, dass diese ebenfalls nicht gegeben sind. Sind entscheidungserhebliche Tatsachen streitig und hat eine Beweisaufnahme stattgefunden, müssen bei dem betreffenden Tatbestandsmerkmal zunächst eine Subsumtion mit der bewiesenen Tatsache und dann die Beweiswürdigung erfolgen („Das Tatbestandsmerkmal X ist zu bejahen, weil … [Subsumtion]. Dass … [Beweisfrage und Beweislast], steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest. Der Zeuge hat den Vortrag des beweisbelasteten Klägers … bestätigt, indem er aussagte, … [Ergiebigkeit]. Der Aussage des Zeugen ist zu folgen, … [Überzeugungskraft].“).
Danach wird zu den prozessualen Nebenentscheidungen (Kostenentscheidung und Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit) Stellung genommen. Grundsätzlich reicht hier ein Hinweis auf die einschlägigen Vorschriften aus („Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf (= folgen aus) §§ 91 I 1 Hs. 1, 709 S. 1, 2 ZPO.“). Nur komplizierte prozessuale Nebenentscheidungen sollen kurz begründet werden. Abgesehen davon ist eine Begründung der Kostenentscheidung dann erforderlich, wenn diese isoliert anfechtbar ist.
Es ist üblich, vor den Unterschriften der Richter den Gebührenstreitwert festzusetzen.
Diese Streitwertfestsetzung ist eigentlich kein Bestandteil des Urteils, da sie in Form eines Beschlusses (§ 63 II 1 GKG) zu ergehen hat, der selbständig anfechtbar ist (§ 68 I 1 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Grundsätzlich besteht gemäß § 232 S. 1 ZPO für jede anfechtbare Entscheidung eine allgemeine Rechtsmittelbelehrungspflicht.
Ausgenommen werden davon gemäß § 232 S. 2 ZPO Verfahren, bei denen ein Anwaltszwang besteht. Das sind insbesondere Verfahren vor dem Landgericht dem Oberlandesgericht und dem BGH (§ 78 I ZPO), soweit nicht in § 78 II–IV ZPO Ausnahmen geregelt sind.
Die Rechtsmittelbelehrung ist Bestandteil der Entscheidung und gehört, soweit sie erforderlich ist, an das Ende des Urteils vor die Unterschrift.
Beschluss
Beweismittel: Zeuge
Beweismittel des Strengbeweises
Regelung in §§ 373 ff. ZPO
Aufgaben und Grenzen
Der Zeuge dient dem Beweis vergangener Tatsachen oder Zustände, die mit den Sinnen wahrnehmbar waren. Nicht hingegen soll er wertende Rückschlüsse ziehen oder Rechtsfragen beantworten.
In Betracht kommt auch ein Zeuge vom Hörensagen. Die Erhebung und Verwertung von Zeugenaussagen über den Inhalt eines mitgehörten Telefongesprächs verstößt allerdings, wenn nicht das Mithören durch höherrangige Interessen (Abwägung) oder von einer Zustimmung des Gesprächspartners gedeckt war, gegen dessen Recht am gesprochenen Wort als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG).
Beweisangebot
Der Zeugenbeweis wird angetreten durch die Benennung des Zeugen mit ladungsfähiger Anschrift und die Bezeichnung der Tatsachen, über welche die Vernehmung stattfinden soll (§ 373 ZPO).
In „Zeuge N.N.“ (= nomen nominandum) liegt nur die Ankündigung eines Beweisangebots. Wenn hingegen die Partei nachvollziehbar darlegt, weshalb sie zur Benennung derzeit nicht in der Lage ist, ist ihr eine (Ausschluss-)Beibringungsfrist zu setzen (§ 356 ZPO).
Das Beweisangebot: „Beweis: wie vor“ oder: „Beweis: Zeuge X, b.b. (= bereits benannt)“ ist zulässig.
Der Ausforschungsbeweis ist nicht zulässig, da er mit dem Beibringungsgrundsatz nicht zu vereinbaren ist. Ausforschung liegt vor, wenn die beweisbelastete Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürliche Behauptungen aufs Geratewohl oder ins Blaue hinein aufstellt, um durch die Beweisaufnahme beweiserhebliche Tatsachen erst zu erfahren und sie dann zur Grundlage ihres Parteivortrages zu machen. Die Rspr. lässt in Grenzfällen Beweisanträge eher großzügig zu. Das geforderte minimale Maß an Substantiierung hinsichtlich der gemäß § 487 Nr. 2 ZPO zu bezeichnenden Beweistatsachen ist erst dann nicht erreicht, wenn der Antragsteller in lediglich formelhafter und pauschaler Weise Tatsachenbehauptungen aufstellt, ohne diese zu dem zugrunde liegenden Sachverhalt in Beziehung zu setzen.
Die Partei kann auf einen Zeugen, den sie vorgeschlagen hat, bis zum Abschluss der Vernehmung (auch konkludent) verzichten, mit der Einschränkung des § 399 ZPO. Der Verzicht wirkt nur für die Instanz.
Abgrenzung des Zeugenbeweises von der Parteivernehmung
Wer nicht Partei des Rechtsstreits ist und auch nicht gemäß § 455 I ZPO als Partei zu vernehmen wäre (z.B. vertretungsberechtigte Organe juristischer Personen und Personengesellschaften), kann grundsätzlich als Zeuge vernommen werden.
Wenn eine nicht prozessfähige Partei am Rechtsstreit beteiligt ist, muss grundsätzlich ihr gesetzlicher Vertreter als Partei vernommen werden (§ 455 I ZPO), wohingegen der Prozessunfähige selbst als Zeuge in Betracht kommt. Umgekehrt: Wenn ein Minderjähriger, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, oder ein unter Betreuung stehender Erwachsener Partei ist, können diese, wenn das Gericht dies für angemessen erachtet, über eigene Handlungen oder Wahrnehmungen selbst als Partei vernommen werden (§ 455 II ZPO). Ihr gesetzlicher Vertreter ist jetzt Zeuge.
Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Zeitpunkt der Vernehmung. Hat eine zulässige Zeugen- oder Parteivernehmung einmal stattgefunden, bleibt sie als solche verwertbar, auch wenn die Stellung des Vernommenen im Rechtsstreit sich später ändert.
Vernehmung des Zeugen
Art und Weise
Grundsätzlich werden Zeugen vor dem erkennenden Gericht vernommen (§ 355 I 1 ZPO, Grundsatz der Unmittelbarkeit).
Die Aufnahme des Zeugenbeweises kann auch einem Mitglied des Prozessgerichts als beauftragtem Richter übertragen werden (§ 361 ZPO).
Eine Vernehmung kann im Wege der Rechtshilfe vor einem anderen Gericht erfolgen (ersuchter Richter, §§ 362, 375 I ZPO i.V.m. §§ 156 ff. GVG).
Bedeutung könnte zunehmend die Video-Vernehmung (§ 128a II ZPO) erlangen.
Das Gericht kann eine schriftliche Beantwortung der Beweisfrage anordnen, wenn dies im Hinblick auf deren Inhalt (Beantwortung ohne ergänzende Fragen des Gerichts oder der Parteien anhand von Unterlagen möglich) und auf die Person des Zeugen (kein Zweifel an Aussagefähigkeit und -bereitschaft) ausreicht (§ 377 III ZPO).
Ablauf
Vor der Vernehmung wird der Zeuge zur Wahrheit ermahnt und darauf hingewiesen, dass er seine Aussage unter Umständen zu beeiden habe (§ 395 I ZPO).
Die Zeugenvernehmung beginnt mit der Aufnahme der Personalien (§ 395 II ZPO), also Name, Vorname, Alter in vollen Jahren, Beruf und Wohnort. Danach fragt man den Zeugen, ob er mit einer Partei verwandt oder verschwägert ist.
Kommt ein Recht zur Zeugnisverweigerung nach § 383 I Nr. 1 bis 3 ZPO in Betracht, ist der Zeuge vor der Vernehmung zur Sache hierauf gesondert hinzuweisen.
Danach erfolgt die Vernehmung zur Sache (§ 396 ZPO). Wenn der Zeuge seine Aussage beendet hat, ist – soweit erforderlich – mit Hilfe von ergänzenden Fragen das Beweisthema näher auszuleuchten. Wenn die Vernehmung durch den oder die Richter abgeschlossen ist, kann den Parteien und sind den Prozessbevollmächtigten Fragen zu gestatten (§ 397 II ZPO). Es ist üblich, Fragen an den Zeugen erst der Seite zu erlauben, die ihn benannt hat. Der Gegner ist als zweiter an der Reihe.
Die Aussagen der Zeugen sind in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen (§ 160 III Nr. 4 ZPO). Nach Abschluss der Vernehmung muss der Zeuge das Protokoll genehmigen (§ 162 I ZPO).
Beweismittel: Sachverständige
Regelung in §§ 402 ff. ZPO
Aufgaben, Abgrenzung zum Zeugen
Der Sachverständige soll dem Gericht die Kenntnis von abstrakten Erfahrungssätzen vermitteln. Er urteilt nachträglich über einen feststehenden Sachverhalt, aus dem er aufgrund seiner Sachkunde Schlussfolgerungen zieht. Sachverständige sind damit ersetzbar; Zeugen sind es nicht.
Der sachverständige Zeuge (§ 414 ZPO) ist Zeuge i.S.d. §§ 373 ff. ZPO. Er soll bekunden, was er tatsächlich beobachtet hat, jedoch im Wesentlichen aufgrund seiner besonderen Sachkunde überhaupt erst zu erfassen imstande war (z.B. Arzt am Unfallort).
Es ist nicht Aufgabe des Sachverständigen, sich zu Rechtsfragen zu äußern (z.B. in Bausachen Frage nach „Mängeln“ und „Minderung“).
Der Sachverständigenbeweis wird durch die Bezeichnung der zu begutachtenden Punkte angetreten (§ 403 ZPO).
Das Gericht kann (Ermessen) die Erhebung des Sachverständigenbeweises auch von Amts wegen anordnen (§ 144 I 1 ZPO).
Die Auswahl der Sachverständigen erfolgt durch das Gericht (§ 404 ZPO). Im Rahmen seines Ermessens kann das Gericht den Gutachter durch die örtliche Industrie- und Handelskammer oder eine andere geeignete Institution, z.B. die Ärztekammer, benennen lassen.
Ein Sachverständiger kann aus bestimmten Gründen abgelehnt werden (§ 406 ZPO).
Beweiserheblichkeit, Beweisbedürftigkeit
Im Anschluss an die Frage der Beweiserheblichkeit entscheidet das Gericht über die Beweisbedürftigkeit, also ob ein Sachverständigengutachten einzuholen ist (Regelfall) oder ob hierauf verzichtet werden kann (etwa aufgrund eigener, im Urteil zu begründender Sachkunde des Gerichts).
Die schriftliche Begutachtung kann durch die Verwertung eines gerichtlich oder staatsanwaltschaftlich eingeholten Gutachtens aus einem anderen Verfahren ersetzt werden (§ 411a ZPO). Es handelt sich dann um einen vollwertigen Sachverständigenbeweis.
Darüber hinaus können auch andere schriftliche Gutachten beigebracht werden. Hierbei kann es sich um Privatgutachten handeln oder um Gutachten, die im Auftrag einer Behörde oder einer anderen Einrichtung erstattet worden sind. Solche Gutachten sind Urkunden.
Grundlage der Begutachtung
Anschlusstatsachen (oder Anknüpfungstatsachen) sind der feststehende Sachverhalt, also Tatsachen, an die der Sachverständige sich „anschließt“, weil er sie als gegeben voraussetzt. Ihre Beibringung ist Angelegenheit der Parteien.
Befundtatsachen sind Tatsachen, die der Sachverständige selbst feststellt, etwa Ergebnisse (ärztlicher, technischer) Untersuchungen. Das Problem liegt in der Wahrung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes (§§ 355 I 1, 402 ZPO). Denn im Regelfall muss das Gericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt selbst feststellen. Die Ermittlung von Tatsachen darf dem Sachverständigen nur insoweit überlassen werden, als dessen besondere Sachkunde es erforderlich macht.
Zusatztatsachen sind Tatsachen, die der Sachverständige bei Erfüllung seines Auftrags nur zufällig wahrnimmt. Insoweit kann er normaler (oder im Einzelfall auch sachverständiger) Zeuge sein.
Hat der Sachverständige ausnahmsweise über seinen Auftrag hinaus Tatsachen ermittelt, muss vorweg geprüft werden, ob nicht eine Partei diese Umstände ausdrücklich oder konkludent zu ihrem Sachvortrag macht. Darüber hinaus ist anerkannt, dass die Parteien einen in eigener Tatsachenermittlung des Sachverständigen liegenden Verfahrensfehler über § 295 ZPO – also auch durch rügelose Einlassung – heilen können.
Anhörung des Gutachters
Das Gericht kann eine schriftliche Begutachtung anordnen (§ 411 I ZPO, Regelfall) oder den Sachverständigen zum Termin laden.
Die Parteien können dem Sachverständigen in der Verhandlung sachdienliche Fragen stellen (§§ 397 I, 402 ZPO).
Weitere Verfahrensfragen
Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, setzt das Gericht dem Sachverständigen eine Frist (§ 411 I ZPO).
Bei Versäumen der Frist soll ein Ordnungsgeld zunächst unter Setzung einer Nachfrist angedroht und dann festgesetzt werden, wobei dessen Höhe 3.000 € nicht überschreiten darf (§ 411 II ZPO).
Bisweilen beantragt die Partei, die mit den vom Sachverständigen erzielten Ergebnissen nicht einverstanden ist, die Einholung eines weiteren Gutachtens. Nach § 412 ZPO ist das Gericht hierzu (auch ohne Antrag) nur verpflichtet, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet.
Beweismittel: Augenschein
Regelung in §§ 371 ff. ZPO
Funktion
Die Einnahme des Augenscheins dient der unmittelbaren Wahrnehmung von Tatsachen. Sie kann sich auf jeden Gegenstand beziehen, der mit den Sinnen zu erfassen ist.
Wichtige Augenscheinsobjekte
„Ortstermin“, also die Inaugenscheinnahme einer Örtlichkeit zur Aufklärung etwa von Unfallereignissen, Nachbarstreitigkeiten oder Baumängeln
Pläne, Skizzen und Fotografien, insbesondere von Unfallorten
Ton- und Videobänder sowie Datenaufzeichnungen
Der Wahrnehmungskreis erfasst den Gesichtssinn, das Gehör (mangelnder Schallschutz in einem Gebäude), den Tastsinn (Elastizität eines Werkstoffs), den Geschmack (Weinprobe) und den Geruchssinn (störender Geruch eines Isoliermaterials).
Streitig geworden ist die Verwertbarkeit von Dashcam-Aufnahmen, die trotz Kollision mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht erfasster Personen grundsätzlich zu bejahen ist (BGH, Urteil vom 15.05.2018, VI ZR 233/17).
Der Beweis durch Augenschein wird durch Bezeichnung des Gegenstandes und durch die Angabe der zu beweisenden Tatsachen angetreten (§ 371 I 1 ZPO). Daneben kann (Ermessen) das Gericht die Einnahme des Augenscheins von Amts wegen anordnen (§ 144 I ZPO).
Unzulässig ist es, dass der Richter sich im laufenden Verfahren die Kenntnis der Örtlichkeiten nebenbei auf dem Heimweg verschafft, ohne die Parteien zu informieren (vgl. § 357 I ZPO).
Verfahrensfragen
Das Ergebnis der Inaugenscheinnahme ist grundsätzlich im Sitzungsprotokoll festzuhalten (§ 160 III Nr. 5 ZPO, Ausnahmen vgl. § 161 ZPO).
Das Gericht kann zur Inaugenscheinnahme Sachverständige hinzuziehen (§ 372 I ZPO), was geboten ist, wenn das Beweisergebnis Grundlage eines Sachverständigengutachtens sein soll.
Beweismittel: Urkunde
Regelung in §§ 415 ff. ZPO
Arten von Urkunden
Der Urkundsbegriff des Zivilprozessrechts umfasst nur schriftlich verkörperte Gedankenäußerungen (vgl. § 142 I, §§ 415 ff. ZPO).
Öffentliche Urkunden, z.B.
notariell beurkundete Erklärungen und Verträge (§ 415 ZPO)
Gerichtsurteile sowie Vernehmungsprotokolle (§ 417 ZPO)
Zustellungsurkunden und Eingangsstempel (§ 418 ZPO)
Privaturkunden (§ 416 ZPO), z.B.
privatschriftlicher Vertrag
Quittung und andere schriftliche rechtsgeschäftliche Erklärungen
Empfangsbekenntnis
Beweiswirkungen kommen Urkunden nur zu, wenn sie echt sind (vgl. §§ 437 ff. ZPO).
Formelle (äußere) Beweiskraft
Sie ist in §§ 415–419 ZPO geregelt.
Der „volle“ Beweis bedeutet eine nachhaltige Einschränkung des in § 286 ZPO normierten Grundsatzes der freien Beweiswürdigung. Leidet die Urkunde an den in § 419 ZPO aufgeführten Mängeln, bleibt es hingegen bei der freien Beweiswürdigung.
Öffentliche Urkunden
Öffentliche Urkunden über Erklärungen begründen vollen Beweis des beurkundeten Vorgangs (§ 415 I ZPO). Ein notarieller Kaufvertrag beweist nur die Tatsache seines Abschlusses, nicht hingegen etwa die Richtigkeit der von den Vertragsparteien erklärten vertraglichen Zusicherungen oder eine bestimmte, am Wortlaut orientierte Auslegung.
Öffentliche Urkunden über eine amtliche Anordnung, Verfügung oder Entscheidung begründen vollen Beweis ihres Inhalts (§ 417 I ZPO). Das Urteil beweist nichts anderes, als dass das betreffende Strafgericht den Beklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt und hierzu die in den Gründen des Strafurteils nach § 267 StPO dargestellten tatsächlichen Feststellungen getroffen hat. Deren Richtigkeit ergibt sich aus der Urkunde nicht. Das Zivilgericht muss also im Rahmen einer eigenständigen Sachverhaltsaufklärung alle Umstände des Falls selbst würdigen, wobei es an die Wertungen des Strafrichters nicht gebunden ist.
Öffentliche Urkunden mit anderem Inhalt begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen (§ 418 I ZPO). Die Zustellungsurkunde (vgl. § 168 I 2) beweist die Zustellung, nicht den Wohnsitz. Der Eingangsstempel des Gerichts beweist Datum und Uhrzeit des Eingangs.
Der Beweis der unrichtigen Beurkundung bzw. der Unrichtigkeit setzt die gesetzliche Beweisregel außer Kraft (§§ 415 II, 418 II ZPO).
Privaturkunden
Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind (§ 416 ZPO). In keinem Fall beweisen sie als solche die inhaltliche Richtigkeit der Erklärung.
Sonderfall Telefax-Protokoll (OK-Vermerk):Für den Zugang einer Willenserklärung trägt derjenige die Beweislast, der sich auf den Zugang beruft. Der BGH hat betont, dass das Telefax-Protokoll aufgrund nicht auszuschließender Störanfälligkeit technischer Einrichtungen zwar ein Indiz für den Zugang liefert, dass es jedoch weder den Zugang des Fax beweist noch auch nur einen Anschein des Zugangs schafft. Es beweist nur das Zustandekommen einer Verbindung mit der aufgeführten Nummer. Die Vorlage des Sendeberichts des Ausgangsfaxgeräts mit passender Faxnummer und OK-Vermerk stellt jedoch qualifizierten Parteivortrag dar. Der vermeintliche Empfänger kann sich dann nicht auf bloßes Bestreiten des Zugangs beschränken. Ihn trifft eine sekundäre Darlegungslast.
Materielle (innere) Beweiskraft
Materielle Beweiskraft meint die Bedeutung der durch die Urkunde formell bewiesenen Tatsache für das Beweisthema.
Privaturkunden sind zunächst auszulegen und alsdann auf ihre materielle Beweiskraft zu untersuchen. Ein Beispiel ist die Quittung, die bei echter Unterschrift und eindeutigem Inhalt formell lediglich beweist, dass der Gläubiger dem Schuldner den Empfang einer Leistung bestätigt hat. Auf die Tatsache der Leistung selbst kann erst aus den Gesamtumständen und aufgrund der Lebenserfahrung (tatsächliche Vermutung) geschlossen werden.
Beweisantrag
Der Urkundenbeweis wird durch Vorlegung des betreffenden Dokuments im Original angetreten (§ 420 ZPO). Bei unstreitiger Echtheit reicht das Einreichen einer Ablichtung der Urkunde aus.
Befindet sich die Urkunde in den Händen des Gegners oder eines Dritten, muss der Beweisführer nach §§ 421 ff. ZPO vorgehen.
Wird die Beiziehung von Akten anderer Gerichte oder Behörden beantragt (z.B. bei polizeilich aufgenommenen Verkehrsunfällen), gehören zum ordnungsgemäßen Beweisantrag nach § 432 ZPO die genaue Angabe der Behörde und des Aktenzeichens.
Verwertung von Beiakten
Inhalt von Beiakten
In Beiakten findet sich eine Vielzahl von Dokumenten, die beweisrechtlich als Urkunden eingestuft werden können.
Hervorzuheben sind insbesondere die Vernehmungsprotokolle, wobei ein solches Protokoll vollen Beweis nur für die Tatsache der von dem Vernommenen abgegebenen Erklärung bietet, nicht hingegen für deren Wahrheit.
Zulässigkeit der Verwertung
Der Beweisführer hat die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten: Antrag auf unmittelbare Erhebung des (Zeugen-)Beweises, Antrag auf Verwertung alleine der Beiakten, namentlich der Vernehmungsprotokolle.
Die unmittelbare Verwertung des Beweismittels hat Vorrang vor dem Rückgriff auf die Urkunde. Man prüfe sorgfältig, ob der Beweisführer (trotz vollständiger Beweisangebote) mit einer Auswertung alleine der Beiakten einverstanden ist.
Die Verwertung der Beiakten ist nur zulässig, wenn sie Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, d.h. wenn ihr maßgeblicher Inhalt erörtert worden ist.
Erwähnung im Tatbestand
Die Beiziehung von Akten muss zur Klarstellung in der (großen) Prozessgeschichte 2 erwähnt werden, insbesondere wenn ihr Inhalt für die Beweiswürdigung von Bedeutung ist.
„Die Ermittlungsakten der StA … – Az.: … – sind beigezogen worden und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.“
Gutachten und andere schriftliche Äußerungen
Eine bedeutsame Regelung enthält § 411a ZPO für Gutachten aus anderen gerichtlichen Verfahren. Das Gericht entscheidet über ihre Verwertung nach freiem Ermessen.
Beweismittel: Parteivernehmung
Regelung in §§ 445 ff. ZPO
Zweck
Die Parteivernehmung dient, wie der Zeugenbeweis, der Aufklärung vergangener Tatsachen oder Zustände. Die Partei soll eigene Wahrnehmungen wiedergeben, nicht aber den Streitstoff würdigen, wozu sie häufig neigt.
Gemäß § 445 I ZPO ist die Parteivernehmung subsidiär. Sie steht nur derjenigen Partei zu, die den „ihr obliegenden Beweis“ (Hauptbeweis) mit anderen Beweismitteln nicht vollständig geführt oder andere Beweismittel nicht vorgebracht hat.
Eine Partei kann den Beweis dadurch antreten, dass sie beantragt, den Gegner über die zu beweisenden Tatsachen zu vernehmen (§ 445 I ZPO).
Auch die beweispflichtige Partei kann vernommen werden, wenn eine Seite dies beantragt und die andere ihr zustimmt (§ 447 ZPO, selten).
Die Parteivernehmung kann von Amts wegen angeordnet werden (§ 448 ZPO). Ein Anlass kann das Gebot der Waffengleichheit sein.
Abgrenzung von Parteivortrag und Geständnis
Das Gericht soll auch im Anwaltsprozess die Parteien persönlich hören, soweit es zur Klarstellung des Sachvortrags von Bedeutung ist.
Nur die Parteivernehmung setzt einen förmlichen Beweisbeschluss voraus (§ 450 I 1 ZPO) und ist Beweisaufnahme. Sie ist kein Sachvortrag. Räumt die Partei im Rahmen der Vernehmung Tatsachen ein, die der Gegner behauptet hat, liegt hierin kein Geständnis i.S.d. §§ 288 ff. ZPO.
Verfahrensfehler
Wird entgegen der Regelung des § 445 ZPO die beweisbelastete Partei vernommen, ohne dass die Voraussetzungen der §§ 447 f. ZPO erfüllt sind, ist die Aussage nicht verwertbar; selbst die Möglichkeit einer Heilung nach § 295 I ZPO ist streitig.
Vernehmung
Die Folgen einer Weigerung ergeben sich aus § 446 ZPO.
Beweismittel: Amtliche Auskünfte
Eine Regelung hierzu enthält das Gesetz nicht. Jedoch setzen einzelne gesetzliche Vorschriften die Verwertung amtlicher Auskünfte voraus, z.B. § 273 II Nr. 2 ZPO.
Die Auskunft wird praktisch immer schriftlich erteilt und ist Urkunde.
Glaubhaftmachung
Zulässigkeit und Voraussetzungen
Die Glaubhaftmachung nach § 294 ZPO ist eine Beweisführung mit reduziertem Beweismaß, bei der ein geringerer Grad an Wahrscheinlichkeit aus reicht. Eine Behauptung ist schon dann glaubhaft gemacht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft.
Die Glaubhaftmachung ist nur da ausreichend, wo das Gesetz sie ausdrücklich zulässt. Hauptanwendungsbereiche sind die Wiedereinsetzung (§ 236 II ZPO), Arrest und einstweilige Verfügung (§§ 920 II, 936 ZPO) sowie das selbständige Beweisverfahren (§ 487 Nr. 4 ZPO).
Der Beweisführer kann sich zur Glaubhaftmachung aller erdenklichen Beweismittel einschließlich der – notfalls eigenen – eidesstattlichen Versicherung bedienen. Insbesondere für Wiedereinsetzungsfälle kommt auch die anwaltliche Versicherung in Betracht.
Wichtig ist, dass die angebotenen Beweismittel nach § 294 II ZPO „präsent“ sein, also in der mündlichen Verhandlung sofort zur Verfügung stehen müssen.
Wiedereinsetzungsantrag
Die Tatsachen, aus denen sich das fehlende Verschulden ergibt, sind glaubhaft zu machen (§ 236 II ZPO).
Beweiswürdigung
Ausgangspunkt: Beweisfrage
Vor der Beweiswürdigung ist immer erst das Beweisthema und die Beweislast zu klären. Die Beweisfrage richtet sich nach der Beweislast.
Freie Beweiswürdigung
Das Gericht ist in der Beweiswürdigung frei (§ 286 I ZPO). Beweisregeln, an die das Gericht gebunden ist (§ 286 II ZPO), wie diejenigen der §§ 415 ff. ZPO, sind selten.
In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (§ 286 I 2 ZPO). Die Begründung hat ausführlich und mit Bezug auf den Einzelfall, also ohne formelhafte Wendungen, zu erfolgen.
Hauptteile der Beweiswürdigung
Auslegung des Inhalts des Beweismittels (z.B. bei Zeugenaussagen)
Ergiebigkeit des Beweismittels (positiv-ergiebig, negativ-ergiebig oder unergiebig)
Überzeugungskraft des (positiv) ergiebigen Beweismittels (Beweiswert)
Ergiebigkeit des Beweismittels
Positive Ergiebigkeit liegt vor, wenn durch das Beweismittel die Beweisfrage positiv (mit „ja“) beantwortet wurde, also der Vortrag der beweisbelasteten Partei bestätigt wurde. Nur in diesem Fall ist weiter zu prüfen, ob das Beweis mittel Überzeugungskraft hat.
Negative Ergiebigkeit liegt vor, wenn durch das Beweismittel der Vortrag des Gegners bestätigt wurde. Im Regelfall ist ein Beweislasturteil empfehlenswert. Hier kann man sich auf die Feststellung beschränken, dass der Vortrag der beweisbelasteten Partei durch das Beweismittel nicht bestätigt worden ist und dementsprechend nach der Beweislast entscheiden. Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, zunächst festzustellen, ob der Beweis des Gegenteils erbracht ist. Das gilt insbesondere dann, wenn die Frage der Beweislast schwierig zu beantworten und die Überzeugungskraft der negativ ergiebigen Beweismittel leicht festzustellen ist.
Unergiebigkeit liegt vor, wenn durch das Beweismittel die Beweisfrage nicht beantwortet wurde.
Ein non liquet liegt vor, wenn das Beweismittel nicht positiv ergiebig (also negativ ergiebig oder unergiebig) war.
Überzeugungskraft des Beweismittels
Für die richterliche Überzeugung ist ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit erforderlich, der vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Absolute Sicherheit wird nicht verlangt.
Innere Beweiskraft
Zuerst ist jedes einzelne Beweismittel für sich daraufhin zu untersuchen, inwieweit es zur Wahrheitsfindung beiträgt.
Zeuge und Partei
Ist die Aussage präzise oder verliert sie sich in schwammigen Umschreibungen?
Werden Tatsachen bekundet oder lediglich Wertungen bzw. Schätzungen wiedergegeben?
Ist die Aussage reich an Details?
Enthält die Aussage originelle, situationstypische Details, die man „schwer erfinden kann“?
Betrifft die Aussage nur das Kerngeschehen oder auch das Randgeschehen?
Werden eigene Wahrnehmungen bekundet oder lediglich Kenntnisse vom Hören sagen?
Ist die Aussage in sich widerspruchsfrei?
Sachverständiger
Wird die Beweisfrage präzise beantwortet oder verliert der Gutachter sich in allgemein gehaltenen wissenschaftlichen Erläuterungen?
Ist der Sachverständige von den zutreffenden Anschlusstatsachen ausgegangen? Hat er den Sachverhalt vollständig gewürdigt?
Sind seine Ausführungen in sich verständlich?
Hat der Sachverständige die Grundlagen seiner Erkenntnisse, etwa Fachliteratur, Rechenformeln etc. mitgeteilt?
Stimmen die Berechnungen?
Sind die Darlegungen in sich schlüssig oder widersprechen sie sich?
Hat er sich im Fall mehrerer Stellungnahmen einheitlich geäußert?
Augenschein und Urkunde
Ist das Augenscheinsprotokoll inhaltlich genau und detailliert? Enthält es tatsächliche Angaben oder Wertungen des Protokollanten?
Ist die Urkunde äußerlich unversehrt (§ 419)? Besteht der Verdacht einer Fälschung? Wurden nachträglich Änderungen vorgenommen?
Beweismittel im Gesamtrahmen des Rechtsstreits
Vergleich mit anderen Beweisen
Im Grundsatz ist von der Gleichwertigkeit aller Beweismittel auszugehen. Vorurteile, namentlich gegenüber der Parteivernehmung oder der Partei persönlich verbundenen Zeugen, und die gefühlsmäßige Bevorzugung vermeintlich objektiver Beweismittel verstellen den Blick auf die wesentlichen Elemente der Beweiswürdigung.
Häufig weichen die Zeugenaussagen inhaltlich voneinander ab. Der eine Zeuge bestätigt die Behauptung des Beweisführers, wohingegen der andere deren Wahrheitsgehalt in Abrede stellt. Abgesprochene Aussagen kennzeichnen sich durch Übereinstimmung in den Kernpunkten und Widersprüche in den Randbereichen.
Gegensätzliches findet sich nicht selten dann, wenn man Bekundungen, die ein Zeuge bei verschiedenen Vernehmungen gemacht hat, vor Gericht und bei der Polizei etwa, miteinander vergleicht.
Beachtung verdienen auch Privatgutachten, die von den Parteien vorgelegt werden, um die Überzeugungskraft eines durch das Gericht eingeholten Sachverständigengut achtens zu erschüttern. Man lasse sich nicht von dem Vorurteil leiten, es handele sich hierbei in der Regel um Gefälligkeitsäußerungen.
Weitere Erkenntnisse ergeben sich aus Vergleichen unterschiedlicher Beweismittel. So kann etwa die Inaugenscheinnahme eines Unfallortes zu der Überzeugung führen, dass ein Zeuge schlechthin nicht in der Lage war, das geschilderte Ereignis von seinem Standort aus genau zu beobachten. Der Sachverständige mag zu dem Ergebnis gelangen, von Zeugen bekundete Vorgänge, etwa ein Unfallablauf, seien naturgesetzlich ausgeschlossen.
Vergleich mit dem Sachvortrag
Stimmt er in wesentlichen Fragen nicht mit den Ergebnissen der Beweisaufnahme überein und versucht die betroffene Partei gar, zwischen ihren Behauptungen sowie den Zeugenaussagen nachträglich eine Synthese herzustellen, darf der Wahrheitsgehalt ihrer Sachverhaltsschilderung mit Recht bezweifelt werden. Gleiches gilt bei Widersprüchen im Parteivortrag.
Zusätzliche Erkenntnisse lassen sich vielfach aus der zwischen den Parteien gewechselten vorgerichtlichen Korrespondenz gewinnen.
Verwertbar sind auch die erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze, in denen die Parteien zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung nehmen.
Besonderheiten bei Zeugenbeweis und Parteivernehmung
Schema für eine Überprüfung von Aussagen
Wahrnehmungs-
Wiedergabe-
-möglichkeit
-fähigkeit
-bereitschaft
Wahrnehmungsfehler
Örtlichkeit, Lichtverhältnisse, Hintergrundlärm, Wetterbedingungen, Sichtfenster
Alter, Seh- und Hörschwäche, intellektuelle Fähigkeiten, Trunkenheit, Müdigkeit, Stress, Sachkunde, Unvermögen des Erfassens schneller Bewegungen, Über- oder Unterschätzen von Zeiträumen und Entfernungen
Interesse am Vorgang, Aufmerksamkeit, Voreingenommenheit
Wiedergabefehler
Kann der Zeuge hinsichtlich des streitigen Geschehens überhaupt eine Erinnerung haben (z.B. Amnesie nach Unfall)?
Ist der Zeuge intellektuell in der Lage, sich zu erinnern (z.B. schlechtes Kurzzeitgedächtnis, Ausfüllen von Erinnerungslücken, „Anreicherungstendenz“)?
Hat die Person Hemmungen, sich genau auszudrücken (z.B. vulgäre Beleidigungen, ehrenrührige Vorfälle)?
Eigene Interessen
Das Interesse des Zeugen am Ausgang des Rechtsstreits mag sich aus vielfältigen Gesichtspunkten herleiten lassen, z.B. aus familiären (oder freundschaftlichen) oder geschäftlichen Bindungen an eine Partei.
Ausschließliches Abstellen auf die Nähe eines Zeugen zu einer Partei ohne Auseinandersetzung mit den sonstigen Kriterien der Beweiswürdigung verstößt gegen § 286 I ZPO.
Verhalten des Zeugen, persönlicher Eindruck
Rotwerden, Stottern, schuljungenhafte Aufsässigkeit oder hilflose Blicke zu einem der Anwälte hinüber können Anzeichen für eine Falschaus sage sein. Vielleicht ist der Zeuge aber auch nur nervös, weil er mit dem Gericht noch nie etwas zu tun hatte.
Persönliche Eindrücke darf man nur verwerten, wenn man Gelegenheit hatte, von dem Beweismittel einen eigenen Eindruck zu gewinnen oder wenn der Akteninhalt in dieser Hinsicht nähere Aufschlüsse bietet (z.B. Protokoll, Aktenvermerk).
Vereidigung
Der Gesetzgeber hat eine Vereidigung nicht zwingend vorgeschrieben (§ 391 ZPO). Da der Eid nur die Wiedergabebereitschaft fördern kann, hat er wenig praktische Bedeutung. Der bewusst lügende Zeuge wird außerdem vor einem Meineid kaum zurückschrecken.
Indizien
Allgemeine Grundsätze
Indizien im engeren Sinne
Haupt- und Hilfstatsachen
Haupttatsachen sind (von einer Partei vorgetragene) Tatsachen, die das Tatbestandsmerkmal einer Norm unmittelbar ausfüllen.
Hilfstatsachen sind Tatsachen, die den Schluss auf das Tatbestandsmerkmal erlauben. Hilfstatsachen untermauern Haupttatsachen.
Beispiel für das Tatbestandsmerkmal der Arglist: „Der Beklagte hat mir einen Vorschaden am Pkw verschwiegen, obwohl er wusste, dass der Wagen zuvor von einem Lkw gerammt worden war und ich unter keinen Umständen einen Unfallwagen kaufen wollte.“ „Der Beklagte hat den Wagen auf einem Schrottplatz erworben und selbst wieder aufgebaut.“
Logischer Beweiswert
Unter Indizien versteht man Tatsachen, die für sich allein oder in ihrer Gesamtheit den Rückschluss auf das Vorliegen der Haupttatsache zulassen. Mit ihrer Hilfe wird ein mittelbarer Beweis geführt.
Der Richter ist berechtigt, sich in freier Beweiswürdigung ausschließlich auf Indizien zu stützen.
Verwertbar sind Indizien nur dann, wenn sie unbestritten oder bewiesen sind. Daher können sie selbst Gegenstand einer Beweisaufnahme sein.
Zweistufige Prüfung
1. Stufe: Lässt das Indiz oder eine Gesamtschau der Indizien den Schluss auf die Haupttatsache zu?
2. Stufe: Ist eine streitige Indiztatsache aufgrund der allgemeinen Regeln der Beweiswürdigung bewiesen?
Exkurs: Fingierter Verkehrsunfall
Beweislast und Beweisführung
Im Verkehrsunfall-Prozess kommt es nicht selten vor, dass vom beklagten Haftpflichtversicherer der Einwand erhoben wird, das Schadensereignis sei vorgetäuscht.
Das Vorliegen eines schadenstiftenden Ereignisses muss der Kläger beweisen. Der Versicherer darf sich nach § 138 IV mit Nichtwissen erklären. Man muss darauf achten, dass der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für das von ihm im Detail zu schildernde Unfallgeschehen trägt und nicht nur für irgendeinen Zusammenstoß („So-nicht-Unfall“).
Steht der vorgetragene Zusammenstoß fest, trägt der Versicherer die Beweislast dafür, dass der geschädigte Kläger in die Herbeiführung des Schadens eingewilligt hat. Die einverständliche Herbeiführung des Unfalls muss also, da sich Zeugen insoweit kaum finden lassen, regelmäßig aufgrund von Indizien festgestellt werden, meist im Rahmen einer Gesamtschau mehrerer verdächtiger Umstände. Häufiger vorzufindende Anzeichen für ein Zusammenwirken der Unfallbeteiligten sind:
Ein einleuchtender Grund für die Unfallfahrt oder die Wahl der Fahrtstrecke ist nicht ersichtlich,
Beschädigung eines Wagens der Luxusklasse,
Schädiger benutzt ein kürzlich erst angemeldetes, wertloses Fahrzeug oder ein vollkaskoversichertes Mietfahrzeug mit hoher Betriebsgefahr (Lkw),
abgelegener Unfallort,
Unfall zur Nachtzeit,
nach Sachverständigengutachten nachweislich falsche Angaben des Klägers,
keine neutralen Zeugen,
Unfallbeteiligte sind einander bekannt (dies wird verschwiegen),
wirtschaftlich desolate Lage zumindest eines Unfallbeteiligten,
Schädiger benutzt ein in der Nähe des Unfallortes entwendetes Fahrzeug und verlässt den Unfallort unerkannt („Berliner Modell“),
Vorschäden werden verschwiegen.
Den unfallbedingten Schadensumfang muss der Kläger beweisen.
Prozessuale Fragen
Meist ist der Unfallgegner selbst im Rechtsstreit säumig oder er versucht, dem Kläger mit einem gerichtlichen Geständnis (§ 288 ZPO) beizustehen. Dieses ist grundsätzlich nur dann unbeachtlich, wenn eine Kollusion zwischen Kläger und beklagtem Unfallgegner zum Nachteil des Versicherers feststeht, z.B. bei Unmöglichkeit oder offenkundiger Unwahrheit.
Die Abweisung der gegen den Versicherer gerichtete Klage wirkt gemäß § 124 I VVG jedenfalls bei Rechtskraft auch zugunsten des beklagten Unfallgegners. Die Vorschrift ist auch dann anwendbar, wenn Unfallgegner und Versicherer im selben Rechtsstreit als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden. Ein in letzter Instanz erkennendes Gericht kann demzufolge die gesamte Klage abweisen, wenn nur der gegen den Versicherer gerichtete Anspruch abweisungsreif ist. Die Frage, ob Gerichte, gegen deren Urteile Rechts mittel eingelegt werden können, ebenfalls in dieser Weise verfahren dürfen, hat der BGH bisher offengelassen. In Anbetracht der höchstrichterlichen Rspr. zur petitorischen Widerklage kann man sich für diese Lösung aussprechen.
Vermutungen und Anscheinsbeweis
Grundlage: Erfahrungssätze
Vermutungen finden ihre Grundlage in besonders zuverlässigen Erfahrungssätzen, die nicht auf individuellen, sondern auf typischen Sachverhaltsgestaltungen aufbauen.
Gesetzliche Vermutungen
Vermutungstatbestand
Tatsachenvermutungen, z.B. §§ 363, 477, 1117 III, 1253 II, 1377 I, III, 2255 S. 2 BGB, §§ 437 I, 440 II ZPO, § 34 GenTG
Rechtsvermutungen, z.B. §§ 891, 1006, 1362 BGB
Wenn der Vermutungstatbestand vorliegt, tritt die Vermutungsfolge ein. Den Vermutungstatbestand bilden die tatsächlichen Voraussetzungen der Norm, die ggf. durch Auslegung zu klären sind. Den Vermutungstatbestand muss die Partei dartun, die sich auf das Eingreifen der Norm zu ihren Gunsten beruft.
Beispiel zu § 1006 BGB
Es reicht grundsätzlich aus, dass lediglich der unmittelbare Besitz als tragendes Merkmal des Vermutungstatbestands vorgetragen wird.
Es wird vermutet, dass der Besitzer bereits bei Besitzerwerb Eigenbesitz erlangt hat, wobei sich diese Vermutung unmittelbar aus Sinn und Zweck des § 1006 I 1 BGB herleitet (Auslegung der Norm).
Möglichkeiten des Beweisgegners
Zwei Ebenen
Der Beweisgegner kann zunächst die Voraussetzungen des Vermutungstatbestands bestreiten.
Erst wenn die Voraussetzungen der Vermutungsnorm zu bejahen sind, ist zu prüfen, ob der Gegner das Gegenteil vorgetragen und im Bestreitensfall bewiesen hat (§ 292 ZPO).
Eine Sonderregelung stellt § 1006 I 2 BGB dar. Werden die Voraussetzungen der Vorschrift vom Gegner des Besitzers dargelegt und im Bestreitensfall bewiesen, greift die Vermutung aus S. 1 nicht ein; vielmehr kommt umgekehrt § 1006 II BGB zum Zuge.
Tragweite
Welche Anforderungen an den Beweis des Gegenteils zu stellen sind, beurteilt sich anhand der Tragweite der Vermutungsnorm. Diese ist insbesondere nach dem Sinn und Zweck der Regelung durch Auslegung zu klären.
Tatsächliche Vermutungen, Anscheinsbeweis (!)
Grundlage
Lebenserfahrung
Bei einer tatsächlichen Vermutung wird aus einem Erfahrungssatz auf das Vorliegen einer bestimmten Tatsache (z.B. Kausalverlauf) geschlossen, der starke indizielle Bedeutung zukommt und daher nur schwer zu widerlegen ist.
Beim Anscheinsbeweis wird von einem typischen Ablauf unmittelbar auf ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal (z.B. Fahrlässigkeit) geschlossen, ohne dass der Sachverhalt im Detail aufgeklärt werden muss. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Typizität des Geschehensablaufs.
Zwei von der Struktur her verschiedene Erfahrungssätze
Vermutungsfolge
Immer wenn die Folge A eingetreten ist,
so ist sie in aller Regel durch B verursacht worden.
Immer wenn die Ursache A vorliegt,
ist die Folge B darauf zurückzuführen.
Klare Formulierungen des Erfahrungssatzes
Der bei tatsächlicher Vermutung und Anscheinsbeweis angewandte Satz der Lebenserfahrung muss, ähnlich einer Norm, allgemein gehalten und präzise formuliert werden.
Wenn ein Kraftfahrer auf einwandfreier Straße und bei guten Sichtverhältnissen von der Fahrbahn abgerät, dann spricht der erste Anschein dafür, dass er den hierdurch hervorgerufenen Schaden fahrlässig verursacht hat.
Darlegungs- und Beweisfragen
Eine tatsächliche Vermutung erleichtert die Darlegungslast: Sie enthebt die Partei nicht der Notwendigkeit, die vermutete Tatsache vorzutragen; nur die nähere Substantiierung ist nicht erforderlich. Wenn eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer beweiserheblichen Tatsache spricht, ist diese nicht beweisbedürftig.
Beispiele
Verkehrssicherungspflichten
Tatsächliche Vermutung des Ursachenzusammenhang: Wenn sich im Schadensfall gerade diejenige Gefahr verwirklicht hat, der durch die Sicherungspflicht entgegengewirkt werden sollte, dann wird vermutet, dass die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht (haftungsbegründend) kausal für den Eintritt des Schadens war.
Bei der Prüfung eines Falls muss zuerst der Zweck der Verkehrssicherungspflicht beschrieben und geklärt werden, in welchem Umfang sie zur Schadensabwendung geeignet ist. Daraus ergibt sich die Tragweite der Vermutung. Alsdann muss die typische Verwirklichung der Pflichtverletzung in dem konkreten Schaden prüfen werden. Art und Ausmaß der Pflichtverletzung können für das Eingreifen der Vermutung ebenfalls Bedeutung gewinnen.
Vermutungswirkungen der Urkunde
Gesetzliche Vermutung der Echtheit (§ 440 II ZPO): Wenn die Echtheit der Unterschrift feststeht, dann wird vermutet, dass der über der Unterschrift stehende Text echt ist (also vom Unterzeichner stammt). Das gilt auch bei einer Blankounterschrift und sogar beim Blankettmissbrauch, sodass der Gegner des Beweisführers gemäß § 292 ZPO die Fälschung beweisen muss. Die Echtheit der Unterschrift muss nach § 440 I ZPO beweisen, wer sich darauf beruft.
Tatsächliche Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit: Wenn rechtsgeschäftliche Erklärungen in eine echte Vertragsurkunde aufgenommen worden sind, dann wird vermutet, dass diese Erklärungen inhaltlich richtig und vollständig sind.
Ist nur die Auslegung des beurkundeten Vertragstextes streitig, führt die Urkundsvermutung nicht weiter.
Der Beweisgegner kann zunächst die Vermutungsgrundlage bestreiten.
Greift die tatsächliche Vermutung ein, kann die Vermutungsfolge widerlegt werden. § 292 ZPO gilt nicht. Es reicht aus, wenn der Beweisgegner dartut, dass im konkreten Fall die ernsthafte Möglichkeit eines anderweitigen, untypischen Verlaufs gegeben ist.
Tragweite, insbesondere Beratungspflichten
Zu prüfen ist, wie verlässlich die Vermutung ist und unter Wahrung welcher Anforderungen sie gemessen hieran erfolgreich erschüttert werden kann.
Tatsächliche Vermutung aufklärungsgerechten Verhaltens: Wenn die Verletzung einer Aufklärungspflicht feststeht, dann streitet zugunsten des Beratenen die Vermutung, dass er dem hypothetisch richtigen Rat gefolgt wäre.
Beweislast
Gesetzliche Grundlagen
(Objektive) Beweislast meint das eine Partei aufgrund einer generalisierenden Risikozuweisung des Gesetzgebers treffende Risiko des Prozessverlustes wegen Nichterweislichkeit der ihren Vortrag tragenden Tatsachen.
Subjektive Beweisführungslast meint die Obliegenheit der Partei zur Beibringung von Beweismitteln.
Abgrenzung: Darlegungslast meint das eine Partei treffende Risiko des Prozessverlustes wegen des fehlenden oder nicht hinreichenden Vortrags tatsächlicher Umstände.
Die Substantiierungslast ist Teil der Darlegungslast.
Beweislastentscheidungen können aufgrund nicht bewiesener Tatsachen ergehen. Sie stellen die ultima ratio dar, die erst dann zum Tragen kommt, wenn und soweit das Gericht alle zulässigen Beweismöglichkeiten ohne Erfolg ausgeschöpft hat und weitere Feststellungen nicht mehr möglich erscheinen.
Grundregeln
Für die Beweislast sind die Vorschriften des materiellen Rechts maßgebend.
Nach der Grundregel trägt jede Partei für die ihr günstigen Tatsachen die Darlegungs- und Beweislast, d.h. wer eine Rechtsfolge für sich in Anspruch nimmt, hat die rechtsbegründenden und -erhaltenden Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, sein Gegner die rechtshindernden, rechtsvernichtenden und rechtshemmenden (= Einreden im Sinne der ZPO).
Formulierungen für Ausnahmen von der für den Normalfall bestehenden Beweislastverteilung
„es sei denn, dass“ (§§ 153, 178 S. 1, 284, 287, 406 f., 932 I 1 BGB)
„nicht“ oder „sofern nicht“ (§§ 122 II, 179 I, 814 BGB)
„das gilt nicht“ (§ 280 I 2 BGB)
„ausgeschlossen“ (§§ 815, 861 II, 1004 II BGB)
In diesen Fällen muss der Gegner des Beweisführers, um dessen Anspruch wirksam entgegentreten zu können, die Voraussetzungen eines ihm günstigen Ausnahmetatbestands beweisen.
Negative Tatsachen
Im Einzelfall sind von einem Anspruchsteller auch negative Tatsachen zu beweisen.
Den Schwierigkeiten der beweisbelasteten Partei ist generell durch eine gesteigerte (sekundäre) Darlegungslast des Gegners Rechnung zu tragen, soweit dieser zu weiterem Vortrag in der Lage ist.
Beweislastumkehr
Von Beweislastumkehr spricht man, wenn die Beweislast dem Gegner der an sich beweispflichtigen Partei aufgebürdet wird.
§ 280 I 2 BGB (Gefahrenbereich)
Die Anforderungen an den Entlastungsbeweis hängen vom Einzelfall ab. Soweit etwa der Schuldner den Gefahrenbereich nicht allein beherrscht („Sphärentheorie“), ist der Entlastungsbeweis bereits dann geführt, wenn sein Verschulden in hohem Maße unwahrscheinlich und eine anderweitige Ursache demgegenüber wahrscheinlicher ist.
„Der Beklagte hat die Pflichtverletzung auch zu vertreten. Dies wird nach § 280 I 2 BGB vermutet. Den ihm gemäß § 292 S. 1 ZPO obliegenden Gegenbeweis hat der Beklagte nicht erbracht.“
Beweiserleichterungen
Vielfach ist die Rede davon, dass an die Beweisführung der beweisbelasteten Partei keine „übertriebenen“ oder „überspannten“ Anforderungen gestellt werden dürften.
Einen gesetzlich geregelten Fall der Beweiserleichterung findet sich z.B. in § 252 S. 2 BGB (entgangener Gewinn) und in § 287 ZPO.
Beweiserleichterung meint eine Erleichterung der Beweisführungslast.
Beweisvereinbarungen
Beweisregeln unterliegen der Disposition der Parteien. Diesbezügliche Vereinbarungen sind daher grundsätzlich zulässig und insbesondere in AGB enthalten.
Folgende Fälle lassen sich unterscheiden:
Vereinbarungen über die Beweisbedürftigkeit („Zum Nachweis genügt die Erklärung des Vertragspartners.“)
Beweismittelvereinbarung („Zum Nachweis genügt die schriftliche Erklärung eines Zeugen/das Gutachten eines vereidigten Sachverständigen.“)
Beweislastvereinbarung („Die Beweislast trägt …/Unklarheiten gehen zulasten …“)
Abgrenzung: Unzulässige Beweiswürdigungs- und Beweismaßvereinbarungen wegen Unvereinbarkeit mit § 286 ZPO
Beweisvereitelung
Beweisvereitelung liegt vor, wenn jemand seinem beweispflichtigen Gegner die Beweisführung schuldhaft erschwert oder unmöglich macht.
Eine Partei verwehrt beim Ortstermin dem Sachverständigen den Zugang zum Grundstück.
Eine Partei weigert sich, die Identität eines Zeugen preiszugeben oder ihn von der Verschwiegenheitspflicht zu befreien.
Für bestimmte Fälle ist sie im Gesetz geregelt, vgl. §§ 371 III, 427, 441 III 3, 444, 446, 453 II, 454 I ZPO. Beim Lesen der Vorschriften fällt auf, dass das Gericht in keinem einzigen Fall verpflichtet ist, von bestimmten Beweisergebnissen auszugehen. Ihm wird lediglich das Recht eingeräumt, die Beweisvereitelung im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen.
Schadensschätzung nach § 287 ZPO
Anwendungsbereich
Der Anwendungsbereich des § 287 I ZPO erstreckt sich nicht alleine auf die Schadenshöhe, sondern auf die gesamte haftungsausfüllende Kausalität. Nur die – haftungsbegründende – schadensstiftende Handlung selbst muss nach § 286 ZPO festgestellt werden.
Deutlich wird der Unterschied zwischen den Regelungsbereichen der §§ 286 und 287 ZPO auch im Fall des Mitverschuldens (§ 254 I BGB). Der Beweis für die Umstände, die dem Geschädigten als Verschulden angelastet werden, unterliegt den Regeln des § 286 ZPO. Über die Frage, inwieweit ein auf diese Weise festgestelltes Verhalten oder Unterlassen des Geschädigten von Einfluss auf das Entstehen und die Höhe des Schadens gewesen ist, hat das Gericht dagegen unter Anwendung des § 287 ZPO zu befinden.
Streiten die Parteien über die Entstehung eines Schadens oder dessen Höhe, so ist das Gericht in der Wahrheitsfindung freier als im Normalfall: Es darf sein Urteil auf eine Schätzung stützen. Ausreichend ist insoweit eine erhebliche, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit.
Materielle Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 287 ZPO ist des Weiteren, dass der Schaden zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in einem nicht unerheblichen Ausmaß bereits entstanden ist.
Der Antragsteller muss nur tragfähige Anknüpfungspunkte, auf welche die Schätzung sich stützen soll, vortragen und im Bestreitensfall beweisen.
Unbezifferter Leistungsantrag
Abweichend von § 253 II Nr. 2 ZPO sind unbezifferte Klageanträge zulässig. Der Kläger muss allerdings die ungefähre Größenordnung seines Begehrens mitteilen.
Gleiches gilt für Klagen auf Zahlung von Schmerzensgeld (§ 253 II BGB).
Aufrechnung des Beklagten im Prozess
Rechtsnatur und Wirkungen
Verteidigung gegen Zahlungsforderung des Klägers
Doppelnatur der Aufrechnung
Materiell-rechtliche Seite
Die Erklärung der Aufrechnung (§ 388 I BGB) stellt die Ausübung eines Gestaltungsrechts dar.
Voraussetzungen (§§ 387 ff. BGB)
Zulässigkeit der Aufrechnung, insbesondere kein Aufrechnungsverbot (z.B. §§ 390, 393 f. BGB, § 269 VI ZPO, § 96 InsO, AGB)
Aufrechnungslage (§ 387 BGB)
a) Gegenseitigkeit der Forderungen
b) Gleichartigkeit der Forderungen
c) Erfüllbarkeit der Hauptforderung des Aufrechnungsgegners
d) Bestehen, Fälligkeit und Durchsetzbarkeit der Gegenforderung des Aufrechnenden
Wirksame Aufrechnungserklärung (§ 388 BGB)
Rechtsfolge der Aufrechnung (§ 389 BGB): Die Aufrechnung bewirkt, dass die beiden Forderungen, soweit sie sich decken, von dem Zeitpunkt an als erloschen gelten, zu dem sie sich erstmalig auf rechenbar gegenüberstanden (§ 389 BGB). Die Vorschrift stellt demnach eine rechtsvernichtende Einwendung dar.
Die Wirkung einer Aufrechnungserklärung tritt grundsätzlich unabhängig davon ein, ob sie außerhalb oder im Prozess abgegeben wird.
Prozessuale Seite
Die Aufrechnung stellt als Verteidigungsmittels, als Einrede im Sinne der ZPO eine Prozesshandlung dar. Sie stellt hingegen nicht einen Gegenangriff (wie z.B. die Widerklage) dar.
Wenn der Beklagte die Aufrechnung erstmals und ausschließlich im Prozess erklärt, spricht man von einer Prozessaufrechnung. Die materiell-rechtlichen Wirkungen der Prozessaufrechnung treten grundsätzlich sofort ein. Die Gegenaufrechnung des Klägers geht daher selbst bei der Hilfsaufrechnung ins Leere.
Von der Geltendmachung der Aufrechnung im Prozess kann jederzeit Abstand genommen werden mit der Folge, dass das Gericht nicht über das Bestehen der zur Aufrechnung gestellten Forderung entscheiden kann. Die materiell-rechtlichen Wirkungen treten nicht ein, so als sei die Aufrechnung nie erklärt worden (ex tunc). Abgrenzung: War die Aufrechnung außergerichtlich bereits erklärt und wird dies als Tatsache vorgetragen, bleibt es bei den ggf. eingetretenen Wirkungen. Eine Abstandnahme ist nicht möglich.
Die Aufrechnung hat keinen Einfluss auf die Zulässigkeit der Klage, insbesondere nicht auf die Zuständigkeit des Gerichts.
Die Aufrechnung im Prozess hemmt in Höhe des Betrags der Klageforderung nach § 204 I Nr. 5 BGB den Ablauf der Verjährungsfrist. Die Regelung hat nur Bedeutung, wenn über die Gegenforderung keine nach § 322 II ZPO bindende Sachentscheidung ergeht. Beachte: Die Aufrechnung mit einem verjährten Anspruch ist möglich, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte (§ 215 Alt. 1 BGB).
Ist nur die Klageforderung zur Entscheidung reif, „kann“ (Ermessensentscheidung) nach § 302 ZPO ein Vorbehaltsurteil erlassen werden.
Abgrenzung von Haupt- und Hilfsaufrechnung
Unbedingte Aufrechnung (Primäraufrechnung, Hauptaufrechnung)
Von einer unbedingten Aufrechnung ist auszugehen, wenn sich der Beklagte ausschließlich mit einer Aufrechnung verteidigt.
Ist in derartigen Fällen das Vorbringen des Klägers schlüssig, hängt das Ergebnis des Rechtsstreits ausschließlich von Zulässigkeit und Begründetheit der Aufrechnung ab.
Hilfsaufrechnung (Regelfall)
Verteidigt sich der Beklagte gegenüber der Klageforderung mehrfach, d.h. beruft er sich auf eine Aufrechnung und bestreitet er die anspruchsbegründenden Voraussetzungen oder/ und beruft sich gleichzeitig auf sonstige Einreden im Sinne der ZPO, will er im Zweifel nur hilfsweise aufrechnen (zulässige innerprozessuale Bedingung).
Eine ausdrückliche Erklärung („hilfsweise rechnet der Beklagte …“) ist nicht erforderlich.
Bei einer Hilfsaufrechnung soll nach dem Willen des Beklagten über die Aufrechnung erst entschieden werden, wenn feststeht, dass die Klage ansonsten Erfolg hat.
Rechnet der Beklagte hilfsweise mit mehreren selbständigen Forderungen auf, welche insgesamt die Klageforderung übersteigen, muss er zur Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes (§ 253 II Nr. 2 ZPO), die Reihenfolge festlegen. An diese ist das Gericht gebunden. Der Kläger kann nach § 396 I 2 BGB widersprechen; dann gilt für die materiell-rechtlichen Wirkungen § 366 II BGB.
Der Beklagte kann von der Hilfsaufrechnung auf die Hauptaufrechnung übergehen.
Rechtskraft und Rechtshängigkeit
Wirkungen des § 322 II ZPO
§ 322 II ZPO greift nicht ein, wenn das Gericht aus prozessualen oder materiell-rechtlichen Gründen bereits die Zulässigkeit der Aufrechnung verneint hat.
Soweit das Gericht über die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung in der Sache entschieden hat, erwächst die Sachentscheidung gemäß § 322 II ZPO in Rechtskraft. Das bedeutet, dass eine Klage, mit der die Gegenforderung erneut geltend gemacht wird, insoweit als unzulässig abzuweisen ist.
Beispiel: Klageforderung 10.000 €, Gegenforderung 15.000 €
Klage stattgegeben, Gegenforderung besteht nicht -> 10.000 €
Klage abgewiesen, Erlöschen der Klageforderung durch Aufrechnung -> 10.000 €
Klage abgewiesen, Klageforderung nur 5.000 €, Erlöschen durch Aufrechnung -> 5.000 €
Klage stattgegeben, Gegenforderung nicht substantiiert begründet -> 10.000 €
Seinem Wortlaut nach greift § 322 II ZPO nur ein, wenn der Beklagte aufrechnet. § 322 II ZPO gilt analog, wenn der Kläger die Aufrechnung erklärt. Voraussetzung ist, dass er Schuldner derjenigen Forderung ist, die den Gegenstand des Rechtsstreits bildet und die im Wege der Aufrechnung getilgt werden soll. So liegt es z.B. im Fall der negativen Feststellungsklage und der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO.
Keine Rechtshängigkeit
Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung wird nicht rechtshängig (vgl. § 261 I ZPO).
Wird die Aufrechnung mit einer Forderung erklärt, die bereits in einem anderen Rechtsstreit zur Aufrechnung gestellt ist oder klagt der Beklagte die Gegenforderung in einem anderen Verfahren ein, ist es zweckmäßig, den zweiten Prozess bis zur Erledigung des ersten auszusetzen (§ 148 ZPO).
Zulässigkeit der Aufrechnung
Unzulässigkeit aus prozessualen Gründen
Prozessuale Voraussetzungen des Aufrechnungseinwands
Wie bei jeder Prozesshandlung müssen die Prozesshandlungsvoraussetzungen vorliegen.
Der Aufrechnungseinwand unterliegt dem Bestimmtheitsgrundsatz des § 253 II Nr. 2 ZPO. Dieser wirkt sich insbesondere dann aus, wenn der Beklagte mit mehreren Forderungen aufrechnet, die betragsmäßig insgesamt die Klageforderung übersteigen. In derartigen Fällen muss der Beklagte – für das Gericht bindend – angeben, in welcher Reihenfolge er die einzelnen Forderungen zur Aufrechnung stellen will, wie auch bei der Aufrechnung gegen mehrere Klageforderungen geklärt werden muss, in welcher Reihenfolge sie getilgt werden sollen. Vorrangig ist durch Ausübung des Fragerechts nach § 139 ZPO auf eine Klarstellung hinzuwirken. Gibt der Beklagte gleichwohl die Reihenfolge nicht ausdrücklich an, ist sein Vortrag auszulegen. Oft schafft bereits die Reihenfolge der Auflistung im Schriftsatz hinreichenden Aufschluss. §§ 396 I 2, 366 II BGB können ergänzend herangezogen werden. Erst wenn keine Klarheit geschaffen werden kann, ist die Aufrechnung prozessual unzulässig.
Gehört die Gegenforderung in einen anderen Gerichtszweig (Rechtsweg), ist die Geltendmachung der Aufrechnung nur zulässig, wenn die Gegenforderung unbestritten ist oder über sie bereits rechtskräftig entschieden wurde.
Fällt die Gegenforderung unter eine Schiedsvereinbarung, darf sie auf Rüge des Gegners im laufenden Rechtsstreit nicht berücksichtigt werden.
Bei einer Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO ist die Berufung auf eine Aufrechnung gegenüber der titulierten Forderung nach § 767 II ZPO unzulässig, wenn die Aufrechnungslage schon zur Zeit der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung des Vorprozesses bestand.
Auswirkungen der prozessual unzulässigen Aufrechnung
Ist der Aufrechnungseinwand prozessual unzulässig, wird der Prozess ohne Berücksichtigung der Aufrechnung entschieden.
Ist die Berufung auf die Aufrechnung prozessual unzulässig, hat auch die materiell-rechtliche Aufrechnungserklärung keine Gültigkeit (Rechtsgedanke des § 139 BGB).
Unzulässigkeit aus materiell-rechtlichen Gründen
Die Aufrechnungserklärung und das Nichtbestehen eines Aufrechnungsverbots (z.B. AGB, § 242 BGB) zählen zu den materiell-rechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Aufrechnung, während die Aufrechnungslage die Begründetheitsvoraussetzung darstellt. Diese Unterscheidung ist im Hinblick auf § 322 II ZPO bedeutsam. Nur die Entscheidung über die Aufrechnungslage (Begründetheit der Aufrechnung) kann nämlich in materielle Rechtskraft erwachsen, während dies bei einer Entscheidung über die prozessuale oder materiell-rechtliche Zulässigkeit der Aufrechnung nicht der Fall ist.
Prüfungsreihenfolge
Prozessuale Zulässigkeitsvoraussetzungen
Aufrechnungserklärung (materiell-rechtliche Zulässigkeitsvoraussetzung)
Kein materiell-rechtliches Aufrechnungsverbot (materiell-rechtliche Zulässigkeitsvoraussetzung)
Aufrechnungslage (Begründetheit der Aufrechnung)
Wenn die tatsächliche Grundlage der Gegenforderung streitig ist, erwähnt man die Aufrechnung im streitigen Vortrag des Beklagten.
„Der Beklagte erklärt die Aufrechnung mit einer angeblichen Forderung in Höhe von … Hierzu behauptet er …“
Ist die tatsächliche Grundlage der Gegenforderung unstreitig und wendet der Kläger sich nur gegen die Zulässigkeit der Aufrechnung, kann man die Aufrechnung in der Geschichtserzählung darstellen, um alsdann beim streitigen Vortrag des Klägers dessen Ansicht zur fehlenden Zulässigkeit wiederzugeben. Beim Vortrag des Beklagten wird alsdann nur noch dessen gegenteilige Auffassung kurz dargestellt.
Die Hilfsaufrechnung wird am Ende des streitigen Vortrags des Beklagten dargestellt.
„Hilfsweise erklärt der Beklagte die Aufrechnung mit einer angeblichen Gegenforderung in Höhe von … Hierzu behauptet er, …“
Hierhin gehören Ausführungen zur Entstehung der Klageforderung, ggf. unter Berücksichtigung der Hauptverteidigung des Beklagten, und Ausführungen zur (Hilfs-)Aufrechnung.
Streitwert und Kosten
Die Hauptaufrechnung hat keinen Einfluss auf den (Zuständigkeits- und Gebühren-)Streitwert.
Die Hilfsaufrechnung hat keinen Einfluss auf den Zuständigkeitsstreitwert, kann aber für den Gebührenstreitwert bedeutsam sein. Wird mit einer bestrittenen Gegenforderung hilfsweise die Aufrechnung erklärt, erhöht sich der Gebührenstreitwert nach § 45 III GKG um den Wert der Gegenforderung im Umfang der sich aus § 322 II ZPO ergebenden Rechtskraftwirkung. § 45 III GKG greift nicht ein, wenn die Gegenforderung unstreitig ist, wenn die Klage bereits wegen mangelnder Schlüssigkeit oder wegen der Hauptverteidigung abgewiesen wird oder wenn die Hilfsaufrechnung – sei es aus prozessualen, sei es aus materiell-rechtlichen Gründen – unzulässig ist. Dann nämlich ergeht über die Gegenforderung keine Sachentscheidung.
Führt die Hilfsaufrechnung über § 45 III GKG zur Erhöhung des Streitwerts, muss dies im Rahmen der Kostenentscheidung berücksichtigt werden.
Wenn der Beklagte antragsgemäß verurteilt wird, weil die mit der Hilfsaufrechnung geltend gemachte Gegenforderung nicht besteht, ist er sowohl im Hinblick auf die Klageforderung als auch im Hinblick auf die Gegenforderung in vollem Umfang unterlegen. Dann beruht die Kostenentscheidung auf § 91 I Hs. 1 ZPO. Der Beklagte trägt die gesamten Kosten des Rechtsstreits.
In allen anderen Fällen, in denen § 45 III GKG Anwendung findet, ergibt sich die Kostenentscheidung aus § 92 ZPO. Maßgeblich für die Bildung der Kostenquote sind folgende Überlegungen:
Soweit die Klageforderung ohne Rücksicht auf die Hilfsaufrechnung besteht, scheitert der Beklagte mit seiner Hauptverteidigung; er erleidet also einen Verlust.
Soweit die Hilfsaufrechnung durchgreift, erleidet der Kläger einen Verlust, weil er die Gegenforderung trotz seines Bestreitens mit dem Erlöschen der Klageforderung ausgleichen muss.
Bei der Ermittlung der Kostenquote werden demzufolge die Verlustbeträge der Parteien für die Klage (ohne Aufrechnung) und für die Aufrechnung getrennt errechnet und diese Beträge ins Verhältnis zum Gebührenstreitwert gesetzt.
Klageforderung
Hilfsaufrechnung
Gesamtverlust (= Streitwert)
Kostenanteil (Verlust : Streitwert)
Wird über mehrere hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Forderungen i.S.d. § 322 II ZPO entschieden, vervielfältigt sich der Gebührenstreitwert entsprechend der Anzahl dieser Forderungen, jeweils begrenzt durch die Höhe der noch verbleibenden Klageforderung. Wird mit mehreren im Eventualverhältnis stehenden Gegenforderungen, die insgesamt die Klageforderung wertmäßig übersteigen, die (Haupt-)Aufrechnung erklärt, findet § 45 III GKG entweder direkt oder analog für den Teil der Gegenforderungen Anwendung, die die Klageforderung übersteigen. Auch dieser Teil wird nämlich nur hilfsweise geltend gemacht.
Versäumnisurteil und Einspruchsverfahren
Echte und unechte Versäumnisurteile
Voraussetzungen für den Erlass eines echten Versäumnisurteils
Versäumnisurteil gegen den Beklagten (§ 331 ZPO)
Säumnis des Beklagten
Nichterscheinen (§ 331 I ZPO)
Nichtverhandeln (§ 333 ZPO)
Fehlende oder nicht rechtzeitige Anzeige der Verteidigungsbereitschaft gemäß § 276 I 1 ZPO (§ 331 III ZPO)
Nicht ausreichende Entschuldigung
Keine der Voraussetzungen des § 335 I Nr. 2–4 ZPO
Sachantrag und Antrag des Klägers auf Erlass eines Versäumnisurteils
Prozessvoraussetzungen (= Zulässigkeitsvoraussetzungen)
Schlüssigkeit des Klägervorbringens
Begriff der Säumnis
Antrag des Klägers
Prozessvoraussetzungen
Versäumnisurteil gegen den Kläger (§ 330 ZPO)
Säumnis des Klägers
Sachantrag und Antrag des Beklagten auf Erlass eines Versäumnisurteils
Prozessvoraussetzungen (Zulässigkeitsvoraussetzungen)
Die Schlüssigkeitsprüfung entfällt, da die Abweisung ausschließlich auf der Säumnis des Klägers beruht.
Einspruchsverfahren
Zulässigkeit des Einspruchs
Rechtsnatur und Wirkungen des Einspruchs
Zulässigkeitsvoraussetzungen
Prüfung von Amts wegen (§ 341 I 1 ZPO)
Statthaftigkeit (§ 338 ZPO)
Einspruchsfrist (§ 339 ZPO)
Einspruchsform (§ 340 I, II ZPO)
Nicht: Begründetheit (§ 340 III ZPO), Beschwer
Statthaftigkeit
Ein Einspruch ist nur gegen ein erstes und echtes Versäumnisurteil statthaft. Auch wenn das Versäumnisurteil gesetzeswidrig ergangen ist, ist nur der Einspruch statthaft.
Gegen ein unechtes oder gegen ein zweites echtes Versäumnisurteil findet die Berufung (oder Revision) statt.
Auf die Bezeichnung des Urteils kommt es nicht an.
Einspruchsfrist
Die Einspruchsfrist beträgt nach § 339 I ZPO grundsätzlich zwei Wochen. Bei Auslandszustellungen gilt nach § 339 II ZPO aber eine Mindesteinspruchsfrist von einem Monat.
Die Einspruchsfrist beginnt nach § 339 I ZPO mit der Zustellung des Versäumnisurteils (Ereignisfrist, § 222 I ZPO i.V.m. § 187 I BGB). Maßgeblich bei verkündeten Versäumnisurteilen ist die Zustellung an den Einspruchsführer. Ist das Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren erlassen worden, beginnt die Einspruchsfrist mit der letzten von Amts wegen zu bewirkenden Zustellung zu laufen (§ 310 III ZPO).
Die Einspruchsfrist ist eine Notfrist; sie kann weder verlängert noch verkürzt werden (§§ 339 I, 224 ZPO).
Wenn die Einspruchsfrist nicht eingehalten wurde, können Ausführungen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 233 ff. ZPO erforderlich sein.
Einspruchsform
Der Einspruch muss grundsätzlich durch einen bestimmenden Schriftsatz oder ein elektronisches Dokument i.S.d. § 130a ZPO beim Prozessgericht eingelegt werden.
In Anwaltsprozessen hat dies durch einen zugelassenen Rechtsanwalt zu geschehen.
Die Einspruchsschrift muss die in § 340 II ZPO genannten Angaben enthalten. Das Wort „Einspruch“ muss nicht verwendet werden.
Begründung keine Zulässigkeitsvoraussetzung
§ 340 III ZPO, wonach der Einspruch begründet werden soll, stellt keine Zulässigkeitsvoraussetzung dar. Vielmehr handelt es sich um eine Konkretisierung der allgemeinen Prozessförderungspflicht aus §§ 277, 282 ZPO.
Entscheidung bei Unzulässigkeit
Fehlt es an einer Zulässigkeitsvoraussetzung, ist der Einspruch nach § 341 I 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
Das Urteil kann ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 341 II ZPO).
Da das Versäumnisurteil bereits eine Kostenentscheidung enthält, ist in dem Urteil nach § 341 I 2 ZPO nur über die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden.
Das Urteil ist für vorläufig vollstreckbar zu erklären, und zwar gemäß § 708 Nr. 3 ZPO ohne Sicherheitsleistung. § 711 ZPO findet keine Anwendung.
„Der Einspruch des Beklagten/Klägers gegen das Versäumnisurteil vom … wird als unzulässig verworfen.
Der Beklagte/Kläger trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.“
Zweites Versäumnisurteil
Zulässigkeit des Einspruchs gegen das erste Versäumnisurteil und Zulässigkeit der Klage
Säumnis der Partei, die den Einspruch eingelegt hat, auch im Einspruchstermin
Wenn im Einspruchstermin die andere Partei (Einspruchsgegner) oder wenn in einem späteren Termin dieselbe Partei erneut säumig ist, nachdem inzwischen zur Hauptsache verhandelt worden ist, handelt es sich um ein technisch (erneutes) erstes Versäumnisurteil.
Gesetzmäßigkeit des ersten Versäumnisurteils (str.)
M1: Für eine Überprüfung des ersten Versäumnisurteils sprechen die Restitutionswirkung des Einspruchs nach § 342 ZPO und die materielle Gerechtigkeit.
M2 (BGH, vorzugswürdig): Der Umkehrschluss zu § 700 VI ZPO und der Gedanke der Prozessbeschleunigung legen eine Verwerfung des Einspruchs alleine aufgrund der Säumnis nahe.
Entscheidung
Die Überschrift lautet „Zweite Versäumnisurteil“.
Das erste Versäumnisurteil bleibt bestehen, was aber nicht in den Tenor auszunehmen ist.
Da das erste Versäumnisurteil bereits eine Kostenentscheidung enthält, muss nur noch über die weiteren Kosten des Rechtsstreits entschieden werden.
Das Urteil ist für vorläufig vollstreckbar zu erklären, und zwar nach § 708 Nr. 2 ZPO ohne Sicherheitsleistung. § 711 ZPO findet keine Anwendung.
„Der Einspruch des Klägers/Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom … wird verworfen.
Der Kläger/Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
Rechtsmittel
Gegen das zweite Versäumnisurteil steht der Partei ein weiterer Einspruch nicht zu (§ 345 ZPO). Der Einspruch ist nicht statthaft.
Eröffnet ist die Berufung, die nur darauf gestützt werden kann, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe (§ 514 II 1 ZPO).
Sachentscheidung nach Einspruch
Aufhebung des Versäumnisurteils
Steht nach Überprüfung von Zulässigkeit und Begründetheit der Klage fest, dass das Versäumnisurteil in vollem Umfang unrichtig ist, wird es aufgehoben (vgl. § 343 ZPO) und die richtige Entscheidung getroffen.
Bei der Kostenentscheidung ist § 344 ZPO zu beachten.
Im Hinblick auf die vorläufige Vollstreckbarkeit gelten die allgemeinen Regeln (z.B. §§ 708 Nr. 11, 709, 711, 713 ZPO).
Tenor bei Klageabweisung nach Versäumnisurteil gegen den Beklagten:
„Das Versäumnisurteil des … vom … wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten seiner Säumnis. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Beklagten jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.“
Tenor nach abweisendem Versäumnisurteil gegen den Kläger:
„Das Versäumnisurteil des … vom … wird aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, ...
Der Kläger trägt die Kosten seiner Säumnis; die übrigen Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur …”
Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils
Ist das Versäumnisurteil richtig, wird es aufrechterhalten (§ 343 ZPO).
Die weiteren Kosten des Rechtsstreits sind dem Unterlegenen aufzuerlegen. § 344 ZPO findet keine Anwendung.
Bei der Frage, ob das Urteil ohne (§ 708 Nr. 11 ZPO) oder mit Sicherheitsleistung (§ 709 S. 1 ZPO) für vorläufig vollstreckbar zu erklären ist, sind das Versäumnisurteil und das auf den Einspruch ergehende Schlussurteil als Einheit zu betrachten. Es ist zu prüfen, ob das Urteil, wenn es nicht ein Versäumnisurteil aufrechterhalten, sondern die Rechtsfolge eigenständig aussprechen würde, ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar wäre.
Liegt danach ein Fall des § 708 ZPO vor, gelten keine Besonderheiten. Es ist wie in allen anderen Fällen an §§ 711, 713 ZPO zu denken.
Ist das Urteil nach § 709 S. 1 ZPO gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, ist zunächst gemäß § 709 S. 1, 2 in der üblichen Weise zu tenorieren. Im Anschluss daran ist entsprechend dem Wortlaut des § 709 S. 3 ZPO auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden kann.
„Das Versäumnisurteil des … vom … wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass sich seine vorläufige Vollstreckbarkeit nach diesem Urteil richtet.
Der … trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.“
Teilweise Aufhebung und teilweise Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils
Ist das Versäumnisurteil nur teilweise richtig, werden die zuvor dargestellten Tenorierungsmöglichkeiten kombiniert.
„Das Versäumnisurteil des … vom … wird in Höhe von … € nebst … % Zinsen seit dem … aufrechterhalten; im Übrigen wird es aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.“
Oder: „Das Versäumnisurteil vom … wird teilweise aufgehoben [Rangwahrung] und wie folgt neu gefasst: Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger … € zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. …“
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
I. Zulässigkeit
Statthaftigkeit (§ 233 ZPO)
Wiedereinsetzungsantrag (§ 236 ZPO)
Zuständigkeit des Gerichts (§ 237 ZPO)
Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 ZPO)
II. Begründetheit
Verhinderung an der Fristwahrung ohne (eigenes und zurechenbares) Verschulden
Ursächlichkeit des Hindernisses für die Fristversäumnis
Zulässigkeit
Notfrist (§ 224 I 2 ZPO), insbesondere Einspruchsfrist gegen ein Versäumnisurteil (§ 339 I ZPO)
Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde
Frist des § 234 I ZPO
Antrag in der Form der versäumten Prozesshandlung (§ 236 I ZPO)
Angabe und Glaubhaftmachung (§ 294 I ZPO) der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen (§ 236 II 1 ZPO)
Nachholung der versäumten Prozesshandlung (§ 236 II 2 ZPO)
Zuständig ist das Gericht, dem die Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung zusteht.
Fristdauer zwei Wochen (§ 234 I 1 ZPO) bzw. ein Monat bei der Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde (§ 234 I 2 ZPO)
Fristbeginn mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist (§ 234 II ZPO)
Ausschluss nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet (§ 234 III ZPO)
Begründetheit
Verhinderung an der Fristwahrung ohne Verschulden
Ein Fehlen des Verschuldens wird gemäß § 233 S. 2 ZPO vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters (§ 51 II ZPO) und das Verschulden des Bevollmächtigten (§ 85 II ZPO) steht dem Verschulden der Partei gleich, wird ihr also zugerechnet. Das Verschulden eines Dritten (insbesondere auch Personal des Rechtsanwalts) wird der Partei nicht zugerechnet.
Ursächlichkeit des Hindernisses (bzw. des Versehens) für die Fristversäumnis
Verfahren
Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden (§ 238 I 1 ZPO).
Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar (§ 238 III ZPO).
Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind (§ 238 IV ZPO).
Der Wiedereinsetzungsantrag als Teil der kleinen Prozessgeschichte 1 darzustellen.
„Der Beklagte/ Kläger hat mit Schriftsatz vom …, bei Gericht eingegangenen am …, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und hierzu vorgetragen: …“
„Der Kläger/ Beklagte hatte rechtliches Gehör zum Wiedereinsetzungsantrag und hält diesen für unbegründet, da er der Meinung ist, dass …“
Da der Wiedereinsetzungsantrag kein Sachantrag ist, wird er nicht wie die Sachanträge dargestellt.
Hier ist auf die Zulässigkeit und Begründetheit der Wiedereinsetzung einzugehen.
Prüfungsstandort: Zulässigkeit des Einspruchs gegen Versäumnisurteil, Einspruchsfrist (§ 339 ZPO)
„Dem Beklagten/ Kläger ist aber gemäß §§ 233 ff. ZPO Wiedereinsetzung zu gewähren.“
„Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist zulässig.
Der Wiedereinsetzungsantrag ist statthaft gemäß § 233 S. 1 ZPO, da er sich auf die Einspruchsfrist bezieht, die gemäß § 339 I ZPO eine Notfrist ist.
Der Wiedereinsetzungsantrag ist formgerecht eingelegt worden. Die Umstände zum fehlenden Verschulden hat der Beklagte/ Kläger durch … (die anwaltliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten und die eidesstattliche Versicherung der Bürokraft) ausreichend glaubhaft gemacht i.S.d. §§ 236 II 1, 294 I ZPO. Der Beklagte/ Kläger hat die versäumte Prozesshandlung, nämlich die Einlegung des Einspruchs, nachgeholt i.S.d. § 236 II 2 ZPO.
Der Wiedereinsetzungsantrag ist bei dem nach § 237 ZPO zuständigen Gericht gestellt worden, nämlich bei dem (Prozess-)Gericht, dem die Entscheidung über den Einspruch zusteht (§ 340 I ZPO).
Der Wiedereinsetzungsantrag ist fristgerecht eingelegt worden. Nach § 234 I, II ZPO muss die Wiedereinsetzung innerhalb von zwei Wochen beantragt werden, wobei die Frist mit dem Tag beginnt, an dem das Hindernis behoben ist.”
„Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist begründet.
Gemäß § 233 ZPO ist einer Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, eine Frist i.S.d. § 233 I 1 ZPO einzuhalten. Der Beklagte/ Kläger war vorliegend ohne sein Verschulden verhindert, die Einspruchsfrist einzuhalten. Der Beklagte/ Kläger muss sich das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters (§ 51 II ZPO) bzw. des Prozessbevollmächtigten (§ 85 II ZPO) zurechnen lassen, nicht hingegen das Verschulden eines Dritten, auch nicht des Personals des Prozessbevollmächtigten. … Es ist grundsätzlich zulässig mit der Erstellung von Schriftsätzen bis zum letzten Tag zu warten, die Frist also voll auszuschöpfen. Mit unvorhersehbaren und unvermeidbaren Ereignissen muss nicht gerechnet werden. …
Das (Büro-)Versehen war für das Versäumnis der Einspruchsfrist ursächlich. Ohne das Versehen wäre die Einspruchsschrift fristwahrend eingegangen.”
Mahnverfahren und Vollstreckungsbescheid
Zweck des Mahnverfahrens
Erlassvoraussetzungen eines Mahnbescheids
Erlass und Zustellung des Mahnbescheids
Widerspruch gegen den Mahnbescheid
Durchführung des streitigen Verfahrens
Erlassvoraussetzungen des Vollstreckungsbescheids
Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid
Verspätete Angriffs- und Verteidigungsmittel
Bedeutung der Verspätungsvorschriften
Grundsatz der Einheit der mündlichen Verhandlung
Berücksichtigung des gesamtes Sachvortrags der Parteien
Ausnahme: Verspätungsvorschriften (§§ 296, 530 ff. ZPO)
Berücksichtigung nur des nicht verspäteten Vortrags
Zweck: Beschleunigung des Verfahrens
Verfassungskonforme Einschränkung des grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 I GG)
Systematik des Gesetzes
§ 296 ZPO gilt für das erstinstanzliche und über § 525 ZPO auch für das zweitinstanzliche Verfahren.
§ 296 I ZPO (!): Zwingende Zurückweisung bei Versäumung (nur) von gerichtlichen Fristen
§ 296 II ZPO: Ermessensvorschrift bei Verstoß gegen die allgemeine Prozessförderungspflicht des § 282 ZPO
§ 296 III ZPO: Verzichtbare Prozessrügen
Die §§ 530 ff. ZPO gelten für die zweite Instanz.
Tatbestandsvoraussetzungen der Verspätungsvorschriften
Angriffs- und Verteidigungsmittel i.S.d. § 282 I ZPO
Verstoß gegen eine vom Gericht wirksam gesetzte Frist oder die Prozessförderungspflicht
Verzögerung des Rechtsstreits
Verschulden
Angriffs- und Verteidigungsmittel
Die Verspätungsvorschriften gelten nur für Angriffs- und Verteidigungsmittel i.S.d. § 282 I ZPO.
Die Zurückweisung kann sich nur auf bestimmten Tatsachenvortrag beziehen, nicht global auf einen (verspätet eingereichten) Schriftsatz.
Kein Angriffs- oder Verteidigungsmittel ist der Angriff selbst (z.B. Klage, Klageerweiterung, Widerklage) und Rechtsansichten.
Nicht verspätet ist ein Angriffs- und Verteidigungsmittel, wenn die Partei seine materiell-rechtlichen Grundlagen erst im Rechtsstreit schafft und alsdann vorträgt, z.B. wenn sie durch Erstellung und Vorlage einer Schlussrechnung die Fälligkeit herbeiführt oder durch Fristsetzung eine Anspruchsvoraussetzung schafft.
Gerichtliche Fristen
Frist nach den in § 296 I ZPO genannten Vorschriften oder nach den Vorschriften, die § 296 I ZPO für entsprechend anwendbar erklären
Erklärungsfristen (§ 273 II Nr. 1 und 5 ZPO)
Frist zur schriftlichen Klageerwiderung bzw. zur schriftlichen Stellungnahme auf die Klageerwiderung (§ 275 I 1, III, IV, § 276 I 2, III und § 277 ZPO)
Einspruchsfrist gegen ein Versäumnisurteil (§ 340 III 3 ZPO)
Frist zur Anspruchsbegründung im Mahnverfahren (§§ 697 III 2 Hs. 2, 700 V Hs. 2 ZPO)
Kriterien für eine wirksame Fristsetzung durch das Gericht
Verfügung mit voller Unterschrift des Richters, grundsätzlich des Vorsitzenden
Eindeutigkeit des Beginns und der Dauer der Frist
Ordnungsgemäße Belehrung der Parteien über die Folgen der Fristversäumung
Förmliche Zustellung
Angemessen lange Frist
Begriff
Nach dem absoluten Verzögerungsbegriff (BGH) ist auf den Vergleich abzustellen, ob der Rechtsstreit allein durch Zulassung des verspäteten Vorbringens länger dauern würde als bei seiner Zurückweisung.
Nicht eingreifen können die Verspätungsvorschriften bei unstreitigem oder jedenfalls nicht beweisbedürftigem Vorbringen.
Von einer Verzögerung sollte nur ausgegangen werden, wenn aufgrund einer Beweisaufnahme über das verspätete und bestrittene Vorbringen ein weiterer mündlicher Verhandlungstermin stattfinden müsste.
Kausalität und Zurechenbarkeit
Die Kausalität fehlt, wenn dieselbe Verzögerung auch bei rechtzeitigem Vorbringen (oder bei sachgerechtem Vorgehen des Gerichts) eingetreten wäre (Einschränkung durch das Verbot der Überbeschleunigung), die Verspätung also nicht alleine kausal für die Verzögerung ist.
Die Verzögerung ist der Partei nicht zuzurechnen, wenn es sich erkennbar um einen Durchlauftermin handelt, bei dem sie aufgrund der gerichtlichen Verfahrensgestaltung davon ausgehen darf, dass er nur der Vorbereitung eines abschließenden Haupttermins dient und es noch nicht zu einer Entscheidung kommt.
Die Verzögerung ist einer Partei nicht zuzurechnen, wenn sie auf der Verletzung der richterlichen Fürsorgepflicht beruht. Davon ist auszugehen, wenn das Gericht die Verzögerung durch ihm zumutbare Maßnahmen nach § 139 IV, § 273 II ZPO oder § 358a ZPO hätte vermeiden können.
Die Verzögerung ist der Partei nicht zuzurechnen, wenn ein von der Partei zu spät benannter, aber gleichwohl geladener Zeuge ausbleibt. Sie beruht auf dem Verhalten eines Dritten.
Anforderungen
§ 296 I und III ZPO: Vermutung des Verschuldens, jeder Grad von Fahrlässigkeit ausreichend
§ 296 II ZPO: Nachgewiesene grobe Nachlässigkeit
Der Partei ist das Verschulden ihres gesetzlichen Vertreters (§ 51 II ZPO) und ihres Prozessbevollmächtigten (§ 85 II ZPO) zuzurechnen.
Einer Glaubhaftmachung des Entschuldigungsgrundes bedarf es nur, wenn das Gericht sie für erforderlich hält und verlangt (§ 296 IV ZPO).
Alle bedeutsamen Daten müssen in die große Prozessgeschichte 2 aufgenommen werden. Hierzu gehören z.B. die gerichtliche Fristsetzung und der Eingang des betreffenden Schriftsatzes bei Gericht.
Auf die Verspätungsregeln geht man bei Erörterung des betreffenden Tatbestandsmerkmals ein.
Haupt- und Hilfsvorbringen
Streitgegenstand
Gesetzliche Ausgangslage
Keine Legaldefinition des Begriffs „Streitgegenstand“, obwohl Verwendung wörtlich oder im übertragenen Sinn (z.B. in §§ 2, 148 ZPO)
Zuständigkeit des angerufenen Gerichts (§ 2 ZPO, §§ 23 Nr. 1, 71 I GVG)
Wirkungen der Rechtshängigkeit (§ 261 III Nr. 1 ZPO)
Wirkungen der Rechtskraft (§ 322 I ZPO)
Objektive Klagehäufung (§ 260 ZPO)
Klageänderung (§ 263 ZPO)
Praktische Handhabung
Zweigliedriger Streitgegenstandbegriff
Nach der am Wortlaut des § 253 II Nr. 2 ZPO orientierten Auffassung ist der Streitgegenstand grundsätzlich „zweigliedrig“ zu bestimmen, d.h. anhand
des Klageantrags und
des zur Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalts.
Für die Leistungsklage ist dies einleuchtend.
Bei anderen Klagearten gelten Besonderheiten.
Der Streitgegenstand der Feststellungsklage ergibt sich regelmäßig bereits aus dem Antrag, da in diesem das streitige Rechtsverhältnis umschrieben werden muss.
Bei der Unterlassungsklage bilden die konkret vorgetragenen Verletzungshandlungen den maßgeblichen Lebenssachverhalt (Klagegrund).
Prozessualer Anspruch
Für die Festlegung des Streitgegenstands ist allein der vom Kläger erhobene prozessuale Anspruch maßgeblich, d.h. das sich aus dem Klageantrag und dem tatsächlichen Klagegrund zusammensetzende Klagebegehren.
Ohne Bedeutung für den prozessualen Anspruch sind
die materielle Rechtslage,
Details des klägerischen Sachvortrags, die die Bestimmung des Lebenssachverhalts unberührt lassen, und
der Sachvortrag und die Anträge des Beklagten.
Lebenssachverhalt (Klagegrund)
Ein Lebenssachverhalt ist gegeben, wenn es sich um ein tatsächliches Geschehen handelt, das bei natürlicher Betrachtungsweise nach der Verkehrsauffassung einen einheitlichen Vorgang darstellt.
Mehrere Lebenssachverhalt sind gegeben, wenn der betreffende Sachverhalt seinem Wesen nach anders ist (wenn er als neues, selbständiges Geschehen erscheint) oder er sich im Kern vom vorgetragenen Sachverhalt unterscheidet.
Mehrfache Anspruchsbegründung
Grundsätze
Ein Streitgegenstand
Unterschiedliche Streitgegenstände
Der Streitgegenstand ist trotz mehrerer, eventuell einander sogar widersprechender Begründungen i.S.d. § 253 II Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt.
Nur wenn der Kläger bei mehrfachen Begründungen deren Verhältnis zueinander (kumulativ, im Einzelfall alternativ, eventualiter) angibt, sind die Voraussetzungen des § 253 II Nr. 2 ZPO erfüllt.
Ein Nachschieben von Begründungen ist keine unter § 263 ZPO fallende Klageänderung.
Auswechseln eines Lebenssachverhalts oder Nachschieben eines solchen stellen eine Klageänderung dar.
Das Gericht ist an die Reihenfolge der vom Kläger gegebenen Begründungen nicht gebunden.
Das Gericht ist an die vom Kläger angegebene Reihenfolge gebunden.
Der Erlass eines Teilurteils betreffend einzelne rechtliche oder tatsächliche Ausführungen des Klägers ist nicht zulässig.
Der Erlass eines Teilurteils ist denkbar.
Klageabweisung im Übrigen, da der Streitgegenstand von dem Urteil vollständig erfasst ist.
Wird der Klageanspruch mit einem Lebenssachverhalt verneint, muss insoweit eine Klageabweisung erfolgen, auch wenn der Klage mit dem zweiten Lebenssachverhalt stattgegeben wird.
Rechtsausführungen oder konkludenter Sachvortrag
Wie Rechtsausführungen der Parteien für das Gericht allgemein nur unverbindliche Denkanstöße sind, haben auch rechtliche Hilfs- oder Alternativbegründungen bzw. Änderungen des von einer Partei vertretenen Rechtsstandpunkts auf die Bestimmung des Streitgegenstandes grundsätzlich keinen Einfluss.
Anders liegen die Dinge nur dann, wenn sich hinter rechtlichen Erwägungen ein konkludenter Sachvortrag verbirgt.
Hilfsvorbringen
Hilfsvorbringen liegt vor, wenn der Kläger
zur Stütze ein und desselben prozessualen Anspruchs
entweder im Rahmen der einschlägigen Anspruchsgrundlage hilfsweise eine Sachverhaltsvariante vorträgt oder
sich hilfsweise auf Tatsachen beruft, die eine andere Anspruchsgrundlage ausfüllen.
Hilfsweise Übernahme von gegnerischem Vortrag oder von Beweisergebnissen
Der Kläger kann sich den von ihm bestrittenen prozessualen Vortrag seines Gegners hilfsweise zu eigen machen.
Ebenso kann eine Partei sich die Ergebnisse einer Beweisaufnahme hilfsweise zu eigen machen.
Alternative Begründung eines prozessualen Anspruchs
Das Vorstehende gilt auch dann, wenn der Kläger die von ihm dargelegten Sachverhaltsvarianten nicht rangmäßig einander zuordnet, sondern alternativ nebeneinander stehen lässt.
„Alternativklage“
Die Grenzen der zulässigen Alternativbegründung sind überschritten, wenn der Kläger, durch die Klagebegründung zwei Streitgegenstände in den Rechtsstreit einführt, ohne deren Verhältnis zueinander festzulegen.
Es ist die Aufgabe des Klägers klarzustellen, aus welchem der beiden Streitgegenstände er den Anspruch herleitet. Lässt er diese Frage offen, verstößt er gegen den in § 253 II Nr. 2 ZPO normierten Bestimmtheitsgrundsatz.
Die Alternativklage ist daher unzulässig.
Der Kläger hat Möglichkeiten, die Zulässigkeit der Klage herbeizuführen. Er kann z.B. zur kumulativen Klagehäufung übergehen (§ 260 ZPO).
Grundsätzlich wird auch das Hilfsvorbringen bereits vor den Anträgen beim Sachvortrag des Klägers wiedergegeben.
Wenn der Kläger eine Behauptung des Beklagten hilfsweise übernimmt, kann es sich aus sprachlichen Gründen empfehlen, dies im Zusammenhang mit dem Beklagtenvortrag zu erwähnen („Der Beklagte behauptet, … Diese Behauptung macht der Kläger sich hilfsweise zu eigen und vertritt dazu die Ansicht, …“).
Wenn der Sachvortrag auslegungsbedürftig ist, wird die Auslegung selbst erst innerhalb der Entscheidungsgründe vorgenommen.
Sachverhaltsvarianten , auf welche es für die Entscheidung nicht ankommt, kann man dahingestellt sein lassen („Die Klage ist begründet. Offenbleiben kann, ob das Hauptvorbringen oder das Hilfsvorbringen des Klägers zutrifft. Aus beiden Gesichtspunkten ergibt sich nämlich der Klageanspruch, …“).
Haupt- und Hilfsantrag
Abgrenzung zum Hilfsvorbringen
Das Hilfsvorbringen bezieht sich auf denselben prozessualen Anspruch wie das Hauptvorbringen des Klägers, es bewegt sich also im Rahmen ein und desselben Streitgegenstands.
Mit dem Hilfsantrag führt der Kläger einen neuen Streitgegenstand in den Rechtsstreit ein. Er stellt mehrere Streitgegenstände in ein Eventualverhältnis („Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn … zu übereignen und herauszugeben, hilfsweise an ihn … € zu zahlen.“). Er könnte die beiden Ansprüche auch in getrennten Verfahren geltend machen. Die eventuelle Klagehäufung ist mithin nichts anderes als ein besonderer Anwendungsfall des § 260 ZPO.
Kein Hilfsantrag liegt vor, wenn das Hilfsbegehren als Minus im Hauptantrag enthalten ist.
Grundlagen und Grenzen der Zulässigkeit
Der Hilfsantrag ist durch den Zuspruch auf den Hauptantrag auflösend bedingt. Es darf über ihn nur entschieden werden, wenn das Gericht den Hauptantrag abweist oder die Hauptsache insoweit für erledigt erklärt wird. Andernfalls bleibt er unberücksichtigt, weil seine Rechtshängigkeit rückwirkend entfällt. Trotz der Bedingungsfeindlichkeit des Prozessrechts ist die eventuelle Klagehäufung zulässig. Der Hilfsantrag ist nämlich nicht von dem Eintritt eines außerhalb des Prozesses liegenden, ungewissen Ereignisses abhängig. Die Entscheidung über den Hauptantrag stellt vielmehr eine innerprozessuale Bedingung dar, deren Eintritt das Gericht durch die Entscheidung über den Hauptantrag selbst herbeiführt.
Nicht zulässig ist es, wenn der Kläger hilfsweise eine weitere Partei in den Rechtsstreit einbeziehen will oder hilfsweise ein weiterer Kläger dem Rechtsstreit beitritt. Die damit gesetzte Bedingung würde aus der Sicht des nur hilfsweise beteiligten Dritten die Grundlage des Prozessrechtsverhältnisses selbst berühren. Der gegen Dritte gerichtete Hilfsantrag oder der Hilfsantrag eines Klägers, der hilfsweise in einer anderen Parteistellung auftritt (im eigenen Namen statt als Insolvenzverwalter), ist daher unzulässig.
Der Hauptantrag als solcher muss unbedingt sein. Nicht zulässig ist es daher, einen Hilfsantrag unter der Bedingung zu stellen, dass über den Hauptantrag Beweis erhoben werden muss. Damit bliebe nämlich offen, ob zum Hauptantrag überhaupt eine Sachentscheidung ergeht, was für den Beklagten eine nicht hinnehmbare Ungewissheit bedeuten würde.
Für die Zulässigkeit des Hilfsantrags gelten im Übrigen die allgemeinen Regeln, namentlich die Voraussetzung der Bestimmtheit eines Antrags.
Soweit die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts vom Streitwert abhängt, ist auf denjenigen Antrag abzustellen, welcher für sich gesehen den höchsten Streitwert hat.
Inhalt und Tragweite der Bedingung
Rechtshängigkeit des Hilfsantrags
Der Hilfsantrag wird bereits mit der Klageerhebung rechtshängig.
Die Rechtshängigkeit entfällt rückwirkend, wenn das Gericht dem Hauptantrag stattgibt und diese Entscheidung rechtskräftig wird.
Teilerfolg des Hauptantrags
Ist der Hauptantrag nur zum Teil erfolgreich, müssen die Auswirkungen auf den Hilfsantrag durch Auslegung der vom Kläger vorgegebenen Bedingung geklärt werden.
Entweder kann der Teilerfolg die Rechtshängigkeit des Hilfsantrags entfallen lassen.
Oder möglicherweise bleibt Raum für eine (teilweise) Entscheidung über den Hilfsantrag (z.B. Hauptantrag 10.000 €, Hilfsantrag 5.000 €, Abweisung des Hauptantrags i.H.v. 2.000 € -> Erhalt der Rechtshängigkeit des Hilfsantrags i.H.v. 2.000 €, Entfallen der Rechtshängigkeit des Hilfsantrags i.H.v. 3.000 €).
Verjährung
Da der Hilfsantrag mit seiner Einführung in den Rechtsstreit auflösend bedingt rechtshängig wird, hemmt er den Ablauf einer Verjährungsfrist (§ 204 I Nr. 1 BGB).
Kommt allerdings der Hilfsantrag nicht zum Zuge, weil der Kläger mit dem Hauptantrag obsiegt, liegt der Fall grundsätzlich so, als wenn in Bezug auf den Hilfsantrag Klage nie erhoben worden wäre. Gleichwohl kann sich der Beklagte, wenn der Kläger den Hilfsanspruch erneut gerichtlich geltend macht, auf die eventuell in der Zwischenzeit eingetretene Verjährung nicht berufen. Das wäre unbillig, da er, solange der erste Rechtsstreit nicht abgeschlossen war, auf den Ablauf der Verjährungsfrist nicht vertrauen durfte. Der Kläger kann sich die unterbrechende Wirkung der Eventualklage dadurch erhalten, dass er den im ersten Rechtsstreit nicht behandelten Hilfsanspruch innerhalb von 6 Monaten erneut einklagt (§ 204 II 1 BGB, Wegfall der Rechtshängigkeit als „anderweitige Beendigung“ des eingeleiteten Verfahrens).
Klageänderung
Macht der Kläger den Hilfsantrag erst im weiteren Verlauf des Prozesses rechtshängig, liegt eine nachträgliche objektive Klagehäufung vor, die wie eine Klageänderung zu behandeln ist.
Erklärt der Kläger, dass er die Reihenfolge von Haupt- und Hilfsantrag umkehren wolle, ist § 263 ZPO anwendbar, wobei die Sachdienlichkeit dieser Art Klageänderung im Regelfall zu bejahen ist. Haben die Parteien über den ursprünglichen Hauptantrag bereits mündlich verhandelt, so ist dessen „Herabstufung“ zum Hilfsantrag nur unter den Voraussetzungen des § 269 I ZPO, also bei Einwilligung des Beklagten, zulässig.
Geschichtserzählung (Unstreitiges zu Haupt- und Hilfsantrag)
Streitiger Klägervortrag zum Hauptantrag
Streitiger Klägervortrag zum Hilfsantrag
Streitiger Beklagtenvortrag zum Hauptantrag
Streitiger Beklagtenvortrag zum Hilfsantrag
Alternativ:
Geschichtserzählung (Unstreitiges zum Hauptantrag)
Geschichtserzählung (Unstreitiges zum Hilfsantrag) „Mit dem Hilfsantrag begehrt der Kläger … Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde …“
Gesamtergebnis
„Die Klage ist lediglich nach dem Hilfsantrag begründet. Der Hauptantrag bleibt ohne Erfolg.“ Oder: „Der Hauptantrag ist unbegründet, wohingegen der Kläger mit dem Hilfsantrag (zum überwiegenden Teil) durchdringt.“
Zulässigkeit des Hauptantrags
Unbegründetheit des Hauptantrags aus allen Anspruchsgrundlagen
Zulässigkeit des Hilfsantrags
(Un-)Begründetheit des Hilfsantrags aus einer (allen) Anspruchsgrundlagen
Prozessuale Nebenentscheidungen
Streitwert und Kostenentscheidung
Zuständigkeitsstreitwert
Für die Zuständigkeit des Gerichts kommt es auf den höherwertigen der beiden Anträge an; eine Wertaddition findet nicht statt.
Gebührenstreitwert
Verschiedene Gegenstände (§ 45 I 2 GKG)
„Derselbe Gegenstand“ (§ 45 I 3 GKG)
„Soweit“ Sachentscheidung über Hilfsantrag
Keine Sachentscheidung über Hilfsantrag, z.B.
− Positive Entscheidung über Hauptantrag, sodass Rechtshängigkeit des Hilfsantrags rückwirkend entfällt
− Abweisung des Hilfsantrag als unzulässig
Abgrenzungsformel des Reichsgerichts: Derselbe Gegenstand liegt vor, „wenn die beiderseitigen Ansprüche einander ausschließen dergestalt, dass die Zuerkennung des einen Anspruchs notwendig die Aberkennung des anderen bedingt.“
Zusammenrechnung (= Wertaddition)
Keine Bedeutung des Hilfsantrags
Wert des höheren Anspruchs maßgebend
Ermittlung der Kostenquote aufgrund des Verhältnisses der Misserfolgsanteile zum Gesamtstreitwert (§ 92 I 1 Alt. 2 ZPO)
Kosten des Rechtsstreits trägt die unterliegende Partei (§ 91 I 1 ZPO)
Ermittlung der Kostenquote nach dem Unterliegen des Beklagten gemessen am tatsächlich festgesetzten Gebührenstreitwert
Kostenentscheidung
Ausgangsfälle
Wenn der Kläger mit dem Hauptantrag obsiegt, sodass der Hilfsantrag nicht zum Zuge kommt, oder wenn er mit beiden Anträgen verliert, bereitet die Kostenentscheidung keine Schwierigkeiten. Sie ergibt sich aus § 91 I ZPO; im ersten Fall trägt der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits, im zweiten der Kläger.
Wird nach Abweisung des Hauptantrags über den Hilfsantrag oder über mehrere Hilfsanträge ganz oder teilweise im Sinn des Klägers erkannt, sind die Kosten nach Maßgabe von Erfolg und Misserfolg zu quotieren. Hierbei ist zwischen den Fällen mit und ohne Wertaddition zu unterscheiden.
Fälle der Wertaddition
Wenn die Werte von Haupt- und Hilfsantrag zu addieren sind, wird die Kostenquote aufgrund des Verhältnisses der Misserfolgsanteile zum Gesamtstreitwert ermittelt.
Antrag/ Streitwert
Hauptantrag
Hilfsantrag
Gesamtwert
Quote (Verlust : Gesamtwert)
Fälle ohne Wertaddition
Wenn über den Hilfsantrag zwar entschieden wird, die Werte aber nicht zu addieren sind, ist die Kostenquote nur nach dem Unterliegen des Beklagten gemessen am tatsächlich festgesetzten Gebührenstreitwert zu ermitteln.
Um zu verhindern, dass der Kläger eine vom Beklagten nicht bestrittene Forderung nur hilfsweise geltend macht, um an erster Stelle ohne Kostenrisiko eine „faule“ Forderung vom Gericht überprüfen zu lassen, kann der Beklagte auf den Hilfsantrag mit der Kostenfolge des § 93 ZPO ein sofortiges Anerkenntnis erklären, sodass der Kläger bei Abweisung des Hauptantrags gemäß §§ 91, 93 ZPO die Kosten in vollem Umfang zu tragen hat.
Entstehen nur wegen des abgewiesenen Hauptantrags besondere Kosten, z.B. für eine Beweisaufnahme, ist es sachgerecht, diese entsprechend § 96 ZPO dem Kläger aufzuerlegen.
Sonderfälle
Verdeckte Hilfsanträge
Der Kläger stellt äußerlich nur einen Antrag, beruft sich aber hilfsweise auf einen zweiten Lebenssachverhalt, was zur Annahme von zwei Streitgegenständen führt.
Auslegung des Klageantrags
Der Klageantrag ist anhand des vom Kläger begehrten Klageziels auszulegen.
Wenn der Kläger die beiden Lebenssachverhalte dem Gericht gleichsam „zur Auswahl“ vortragen wollen würde, wäre die Klage nach § 253 II Nr. 2 ZPO mangels hinreichender Bestimmtheit des Klagegrunds unzulässig („Alternativklage“). Da der Kläger aber nicht darauf aus ist, seiner Klage die Zulässigkeit zu nehmen, wird der Auslegung im Sinne eines Hilfsantrags regelmäßig der Vorrang zu geben sein.
Verdeckte Hilfsanträge sind zulässig.
Teilklagen
Bestimmtheit
Jeder seiner Natur nach teilbare Anspruch, insbesondere also der Zahlungsanspruch, kann mit der Klage teilweise geltend gemacht werden.
Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt gemäß § 253 II Nr. 2 ZPO, wenn der Kläger angibt, wie viel er von jeder der genannten Schadenspositionen verlangt. Besser stellt er sich allerdings, wenn er die einzelnen Positionen eventualiter hintereinander geltend macht; er muss in diesem Fall nur die Reihenfolge eindeutig festlegen.
Für die Klage gilt etwas anderes (als für den Mahnbescheid): Eine in unverjährter Zeit erhobene unabgegrenzte Teilklage hemmt trotz mangelnder Zulässigkeit die Verjährung auch über den eingeklagten Geldbetrag hinaus für alle in der Klage individualisierten Forderungen, bei Klageerweiterung also bis zu ihrer Gesamtsumme, wenn sie bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch Klarstellung der eingeforderten Beträge zulässig gemacht wird. Dies kann noch nach Ablauf der Verjährungsfrist geschehen.
Widerklage
Ausgangslage
Mit der Erhebung einer Widerklage löst sich der Beklagte von der Rolle des Verteidigers und geht zum Gegenangriff über. § 296 ZPO ist daher insoweit nicht anwendbar.
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Widerklage ist das Bestehen eines Prozessrechtsverhältnisses zwischen den Parteien.
Der früheste Zeitpunkt für ihre Erhebung ist die Klagezustellung, der letzte der Schluss der mündlichen Verhandlung.
Die Widerklage kann sich aufgrund der Verbindung zweier Prozesse nach § 147 ZPO ergeben.
Die einmal zulässige Widerklage bleibt zulässig, unabhängig vom weiteren Schicksal der Klage, also auch bei deren Rücknahme oder Erledigung (konnex, aber nicht akzessorisch, arg. § 301 I 1 ZPO)
Der Kläger kann auf die Widerklage seinerseits mit einem Gegenangriff reagieren und bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Widerklage (hilfsweise) Wider-Widerklage erheben.
Darstellung im Urteil
Im Rubrum ist klarzustellen, in welcher Parteirolle die Streitenden auftreten.
„Klägers und Widerbeklagten“
Wenn sich die Widerklage auch gegen einen Dritten (z.B. Haftpflichtversicherung des Klägers) richtet, ist dieser als neue Partei aufzunehmen („Widerbeklagten“).
„Beklagten und Widerkläger“
Der Tenor muss deutlich erkennen lassen, inwieweit die Entscheidung sich auf die Klage oder die Widerklage bezieht, z.B.
„Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger … zu zahlen. (Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.) Die Widerklage wird abgewiesen.“
„Die Klage wird abgewiesen. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an den Beklagten … zu zahlen. (Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.)“
Über die Kosten muss einheitlich entschieden werden.
Ein Lebenssachverhalt
-> Anträge in einem Block
Verschiedene Lebenssachverhalte
-> zwei Tatbestände
Geschichtserzählung zur Klage und Widerklage
Streitiger Vortrag des Klägers zur Klage
Antrag des Klägers zur Klage
Antrag des Beklagten zur Klage
Antrag des Beklagten zur Widerklage („Widerklagend beantragt er, …“)
Antrag des Klägers zur Widerklage
Streitiger Vortrag des Beklagten zur Klage
Streitiger Vortrag des Beklagten zur Widerklage
Streitiger Vortrag des Klägers zur Widerklage
Geschichtserzählung zur Klage
Geschichtserzählung zur Widerklage (Überleitungssatz: „Mit der Widerklage begehrt der Beklagte … Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: …“)
Antrag des Beklagten zur Widerklage
Gesamtergebnis von Klage und Widerklage
A. Zulässigkeit der Klage
B. Begründetheit der Klage
C. Zulässigkeit der Widerklage
D. Begründetheit der Widerklage
E. Prozessuale Nebenentscheidungen
Allgemeine Prozessvoraussetzungen
Wie jede Klage unterliegt auch die Widerklage den allgemeinen Prozessvoraussetzungen, die insoweit getrennt zu prüfen sind.
Für die Ermittlung des Zuständigkeitsstreitwerts dürfen gemäß § 5 ZPO die Einzelwerte von Klage und Widerklage nicht addiert werden.
Klageforderung 4.000 €
Widerklageforderung 3.500 €
Widerklageforderung 21.000 €
Das Amtsgericht hat sich auf Antrag einer Partei durch Beschluss für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit gemäß § 506 ZPO insgesamt, also unter Einschluss der Klage, an das Landgericht zu verweisen.
Klageforderung 21.000 €
Widerklageforderung 1.000 €
Konnexität (§ 33 ZPO)
Gemäß § 33 ZPO kann bei dem Gericht der Klage eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln in Zusammenhang steht.
Die Praxis handhabt das Konnexitätserfordernis großzügig. Sie lässt einen tatsächlichen Zusammenhang, also ein einheitliches Lebensverhältnis, auch einen rein wirtschaftlichen Zusammenhang ausreichen. Ein rechtlicher Zusammenhang ist nicht erforderlich.
Streit herrscht über die systematische Einordnung des § 33 ZPO.
M1 (vorzugswürdig): Nach der Rspr. des BGH ist die Konnexität der Widerklage als besondere Zulässigkeitsvoraussetzung (= Statthaftigkeit) anzusehen.
M2: Die Literatur sieht in § 33 ZPO nur eine Regelung der örtlichen Zuständigkeit.
Die Relevanz ist nicht besonders groß, weil für den Fall, dass die fehlende Konnexität bzw. Unzuständigkeit nicht gerügt wird, der Mangel jeweils geheilt wird.
M1: Die Heilung richtet sich nach § 295 I ZPO.
M2: Die Zuständigkeit wird durch rügelose Verhandlung begründet nach § 39 ZPO.
Rechtshängigkeit der Klage ist erforderlich.
In derselben Prozessart wie die Klage muss die Widerklage erhoben werden und zulässig sein.
Parteiidentität ist erforderlich, d.h. zwischen den Parteien der Klage muss die Widerklage erhoben sein.
Für die Zuständigkeit des Gerichts sind die Einzelwerte von Klage und Widerklage gemäß § 5 Hs. 2 ZPO nicht zusammenzurechnen.
Verschiedene Gegenstände (§ 45 I 1 GKG)
Verschiedene Gegenstände sind gegeben, wenn die wechselseitigen Klagebegehren sich einander nicht ausschließen, sondern möglicherweise beide Erfolg haben könnten.
Rechtsmittelstreitwert
Ist eine Partei hinsichtlich beider Klagen beschwert (Abweisung der Klage, Verurteilung auf die Widerklage), sind beide Werte insoweit zu addieren. Übersteigt die Summe den Betrag von 600 €, ist die Berufung nach § 511 II Nr. 1 ZPO zulässig.
Grundsatz der Kosteneinheit
Wenn eine Partei sowohl hinsichtlich der Klage als auch hinsichtlich der Widerklage voll obsiegt, trägt der unterliegende Gegner die Kosten des Rechtsstreits.
Wenn im Fall des § 45 I 1 GKG sowohl die Klage als auch die gleich zu bewertende Widerklage abgewiesen werden, werden die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben.
Haben Klage und/ oder Widerklage nur teilweise Erfolg, muss für die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des Grades von Obsiegen und Unterliegen eine Quote gebildet werden.
Kosten, die nur für eine der beiden Klagen aufgewendet worden sind (z.B. Beweisaufnahme ausschließlich über die mit der Widerklage geltend gemachte Forderung), sollten entsprechend § 96 ZPO getrennt aufgeworfen werden („Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu …, der Beklagte zu …; die Kosten der Beweisaufnahme tragen der Kläger zu …, der Beklagte zu …“).
Petitorische Widerklage (!)
Fall
Verbotene Eigenmacht durch Beklagten (§ 858 I BGB)
Possessorische Klage: Herausgabeanspruch aus § 861 I BGB
Petitorische Widerklage: Feststellung Eigentum
Problemstellung
Gemäß § 863 BGB kann der Beklagte sich gegenüber possessorischen Ansprüchen des Klägers mit petitorischen Gegenrechten grundsätzlich nicht verteidigen. Daher könnte man in Erwägung ziehen, auf Klage und Widerklage ein jeweils zusprechendes Urteil zu erlassen. Damit indes wäre dem Rechtsfrieden kein guter Dienst erwiesen, da der Kläger, wenn er seinen Anspruch aus § 861 I BGB durchsetzen würde, die Sache sofort wieder an den Beklagten herausgeben müsste.
Gerade das hat der Gesetzgeber nach § 864 II BGB ausschließen wollen. Direkt gilt die Vorschrift nur, wenn nach Begehung der verbotenen Eigenmacht durch rechtskräftiges Urteil festgestellt wird, dass dem Täter ein Recht an der Sache zusteht, vermöge dessen er die Herstellung eines seiner Handlungsweise entsprechenden Besitzstandes verlangen kann. Ein rechtskräftiges Urteil liegt aber noch nicht vor. Erginge nun auf Klage und Widerklage ein zusprechendes Urteil, müsste der Beklagte sein Heil darin suchen, die Vollstreckung des Herausgabetitels bis zur Rechtskraft des feststellenden Ausspruchs zu vereiteln, sei es durch tatsächliches Handeln, sei es durch Einlegen von Rechtsmitteln, wohingegen der Kläger bestrebt wäre, die Rechtskraft des auf die Widerklage erlassenen Feststellungsurteils durch Einlegen von Rechtsmitteln hinauszuzögern, damit dem Beklagten der Weg des § 767 ZPO versperrt bliebe. Dieses Ergebnis ist nur schwer tragbar. Daher hat sich der BGH für eine analoge Anwendung des § 864 II BGB ausgesprochen: Wenn Klage und Widerklage entscheidungsreif sind, ist die Klage in Analogie zu § 864 II BGB unter Zuspruch auf die Widerklage abzuweisen.
Besonderheiten bei der Zulässigkeit
Wegen der Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 864 II BGB ist die Konnexität i.S.d. § 33 ZPO immer zu bejahen.
Aus demselben Grund besteht Interesse an einer alsbaldigen Feststellung nach § 256 I ZPO.
Die Streitwerte von Klage und Widerklage sind gemäß § 45 I 1 GKG zu addieren. Denn aus der Begründetheit der Klage folgt nicht zwingend die Unbegründetheit der Widerklage.
Aufbau der Entscheidungsgründe
„Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, weil die Widerklage zulässig und begründet ist.“
B. Erläuterungen zu § 864 II BGB analog und dessen Einfluss auf die Begründetheit der Klage
„Da Klage und Widerklage entscheidungsreif sind, folgt aus der Begründetheit der Widerklage die Unbegründetheit der Klage.”
„Dies folgt aus der analogen Anwendung des § 864 II BGB. Hiernach erlischt …”
Planwidrige Regelungslücke: „Ein rechtskräftiges Urteil liegt noch nicht vor.”
Vergleichbare Interessenlage: „Erginge auf Klage und Widerklage ein zusprechendes Urteil, müsste der Kläger, wenn er seinen titulierten Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes aus § 861 I BGB durchsetzen würde, die Sache unmittelbar wieder an den Beklagten herausgeben. Nach dem Rechtsgedanken des § 864 II BGB wollte der Gesetzgeber solch ein sinnloses „Hin- und Her“ ausschließen.”
D. Begründetheit der petitorischen Widerklage
E. Unbegründetheit der possessorischen Klage, Aufgreifen des Ergebnisses aus B.
F. Prozessuale Nebenentscheidungen
Hilfs-Widerklage
Der Beklagte darf gegen den Kläger die Widerklage auch hilfsweise erheben.
Die Hilfs-Widerklage steht unter der zulässigen innerprozessualen Bedingung, dass der Beklagte mit seinem Vorbringen (z.B. Aufrechnungseinwand) nicht durchdringt. Hat er mit diesem Erfolg, so fällt die Rechtshängigkeit der Widerklage rückwirkend fort.
Eine Hilfs-Widerklage gegen einen Dritten ist nicht zulässig, da es ein bedingtes Prozessrechtsverhältnis nicht geben darf.
Beim Zuständigkeitsstreitwert ist die Hilfs-Widerklage ab ihrer Erhebung zu berücksichtigen.
Für den Gebührenstreitwert erlangt die Hilfs-Widerklage erst dann Bedeutung, wenn über sie im Urteil entschieden werden muss. Insoweit gilt § 45 III GKG analog.
Widerklagen unter Beteiligung Dritter
Der BGH lässt die Dritt-Widerklage unter deutlich einschränkenden Voraussetzungen zu, um die Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen zu vermeiden. Einem neuen Widerbeklagten dürfen im Verfahren keine Nachteile entstehen. Er kann insbesondere verlangen, dass eine bereits durchgeführte Beweisaufnahme wiederholt wird.
Widerklage ausschließlich gegen einen Dritten (isolierte Dritt-Widerklage)
Grundsätzlich ist eine Widerklage gegen einen bisher unbeteiligten Dritten unzulässig. Das Gericht kann allerdings bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die beiden Sachen nach § 147 ZPO miteinander verbinden.
Der BGH hat Ausnahmen zugelassen.
So kann der Beklagte mit der Widerklage im Rechtsstreit des Zessionars (als Kläger) eine Forderung, die er zur Hilfsaufrechnung gestellt hat, gegenüber dem Zedenten geltend machen, eine eigenständige Forderung gegen den Zedenten einklagen oder gegen ihn negative Feststellungswiderklage erheben (Drittwiderklage gegen den Zedenten). Für die örtliche Zuständigkeit wendet der BGH § 33 ZPO analog an.
Ein zulässiger Sonderfall ist auch die persönliche Inanspruchnahme des als Partei kraft Amtes vorgehenden Insolvenzverwalters mit der (Dritt-)Widerklage.
Widerklage gegen den Kläger und weitere Personen (streitgenössische Dritt-Widerklage)
Großzügiger entscheidet die Rspr., wenn die Widerklage sich nicht nur gegen einen Dritten (z.B. Haftpflichtversicherung des Klägers, Ehepartner des Klägers als beigetretener Mitschuldner), sondern zugleich auch gegen den Kläger richtet.
Die Zulässigkeit ist in Anlehnung an die Parteierweiterung von folgenden Voraussetzungen abhängig:
Die gegen den Kläger gerichtete Widerklage muss nach § 33 ZPO (oder über § 39 ZPO) zulässig sein.
Die Widerbeklagten müssen Streitgenossen i.S.d. §§ 59 ff. ZPO sein.
Die Widerklage muss, soweit sie sich gegen den Dritten richtet, dessen Zustimmung finden oder i.S.d. § 263 ZPO sachdienlich sein.
Die Widerklage muss unbedingt erhoben werden.
Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts ist für die neuen Widerbeklagten selbständig zu prüfen. Die Regelung des § 33 ZPO gilt für den Dritten nicht. Lässt sich die Zuständigkeit aus den allgemeinen Vorschriften (§§ 12 ff. ZPO) nicht herleiten und erfolgt auch keine Prorogation nach §§ 38 ff. ZPO, ist das zuständige Gericht gemäß § 36 Nr. 3 ZPO zu bestimmen; regelmäßig entspricht es dabei der Prozessökonomie, den Ort zu wählen, an dem der Rechtsstreit stattfindet. Bei Verkehrsunfällen ergibt sich die Zuständigkeit meist aus § 20 StVG.
Hinzutreten eines neuen „Widerklägers“
Die Erhebung einer „Widerklage“ durch einen bis dahin nicht am Rechtsstreit beteiligten Dritten ist unzulässig, da dieser Dritte sich nicht in der nach § 33 ZPO privilegierten Lage eines Beklagten befindet.
Stufenklage
1. Auskunftsstufe
Auskunft über relevante Information (z.B. Vermögen)
zur Bezifferung des Leistungsanspruchs
2. Eidesstattliche Versicherung (optional)
über die Richtigkeit der erteilten Auskunft
bei begründetem Verdacht, dass Auskunft nicht mir der erforderlichen Sorgfalt erteilt wurde
3. Leistungsstufe
bestimmter bzw. bezifferter Leistungsanspruch (z.B. Zahlung eines Geldbetrags, Herausgabe von Gegenständen)
Einführung
Erb- und Gesellschaftsauseinandersetzungen
Streitigkeiten um die Zahlung von Zugewinnausgleich oder Unterhalt
Provisionen der Handelsvertreter
Bausachen
Verfahrensrechtliche Fragen
Klagehäufung und Bestimmtheitsgrundsatz
Prozessual stellt die Stufenklage einen Sonderfall der objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO) dar. Die Besonderheit liegt darin, dass bei Obsiegen des Klägers über die Klageanträge nicht gleichzeitig, sondern stufenweise entschieden wird.
Bei der Klageerhebung darf der Kläger abweichend von § 253 II Nr. 2 ZPO den Leistungsantrag noch unbestimmt lassen. Erst wenn der Beklagte die verlangte Auskunft erteilt und ggf. die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, muss der Kläger die am Ende begehrte Leistung gemäß § 253 II Nr. 2 ZPO beziffern. Unterlässt er dies, wird die Klage als unzulässig abgewiesen.
Umfang der Rechtshängigkeit, Verjährung
Mit der Klageerhebung werden alle vom Kläger geltend gemachten Ansprüche, auch das noch unbestimmte Leistungsverlangen, sofort rechtshängig.
Der Ablauf der Verjährungsfrist wird im Hinblick auf sämtliche geltend gemachten Klageansprüche nach § 204 I Nr. 1 BGB gehemmt.
Materiell-rechtliche Fragen
Gesetzlich geregelte Auskunftsansprüche
Anspruch des Zessionars gegen den Zedenten auf die zur Geltendmachung der Forderung nötige Auskunft aus § 402 BGB
Anspruch des Auftraggebers gegen den Beauftragten auf Auskunft über den Stand des Geschäfts aus § 666 BGB
Anspruch des einen Ehegatten gegen den anderen Ehegatten auf Auskunft über (die Einkünfte und) das Vermögen aus § 1379 (Güterrecht) oder § 1580 BGB (Unterhalt des geschiedenen Ehegatten)
Anspruch einer Person gegen einen Verwandten in gerader Linie auf Auskünfte über die Einkünfte und das Vermögen aus § 1605 BGB (Unterhalt)
Anspruch des Erben gegen den Erbschaftsbesitzer, den Hausgenossen aus §§ 2027 ff. BGB
Anspruch eines Erben gegen einen Miterben auf Auskunft über Zuwendungen zur Ausgleichung aus § 2057 BGB
Anspruch des Nacherben gegen den Vorerben auf Auskunft über den Bestand der Erbschaft aus § 2127 BGB
Anspruch des Handelsvertreters aus § 87c HGB
Anspruch aus § 242 BGB
St. Rspr. zufolge ist nach Treu und Glauben eine Pflicht zur Auskunftserteilung gegeben, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann.
Erfüllung des Auskunftsanspruchs
Schwierig liegt der Fall, wenn sich nicht auf Anhieb erkennen lässt, ob die Äußerung des Gegners eine Auskunft darstellt.
Die Auskunft muss inhaltlich bestimmt und nachvollziehbar sein.
Die Auskunft erfordert eine eigene, verkörperte Erklärung des Schuldners oder seines Anwalts.
Enthält die Auskunft Lücken, die der Auskunftspflichtige seiner Einlassung nach in tatsächlicher Hinsicht noch ausfüllen kann, ergeht ein Urteil auf Auskunftserteilung, das im Regelfall nach § 888 ZPO vollstreckt wird; nur wenn ein Dritter die Auskunft erteilen kann, gilt § 887 ZPO. Zumutbare Maßnahmen der Informationsbeschaffung muss der Schuldner ergreifen.
Eidesstattliche Versicherung
Besteht ein begründeter Verdacht, dass die Rechnung oder das vom Beklagten abgelieferte Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt worden sind, kann der Kläger nach §§ 259 II, 260 II BGB die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verlangen.
Der Auskunftspflichtige hat einzelne Gegenstände verschwiegen.
Er hat seine Angaben im Nachhinein (mehrfach) berichtigt.
Begründet ist der Antrag nur dann, wenn der Kläger die mangelnde Sorgfalt mit bestimmten Anhaltspunkten belegen kann, die im Streitfall zu beweisen sind.
Charakteristische Merkmale der Stufenklage
Stufenweises Vorgehen
Bei der Stufenklage wird über jede Stufe grundsätzlich separat verhandelt und entschieden.
Seinen Abschluss findet der auf den beiden ersten Stufen geführte Streit jeweils durch Erlass eines Teilurteils, mit dem der Beklagte zunächst zur Auskunftserteilung und dann zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verurteilt wird. Bis zur Rechtskraft des jeweiligen Teilurteils und bis zur Erfüllung des dem Kläger darin zuerkannten Anspruchs, ggf. im Wege der Zwangsvollstreckung, ist der Rechtsstreit unterbrochen. Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung auf der nächst höheren Stufe wird auf Antrag einer der Parteien bestimmt.
Ist der Beklagte säumig, kann gegen ihn nur auf der jeweiligen Stufe ein (Teil-)Versäumnisurteil ergehen. Gleiches gilt bei einem umfassenden Anerkenntnis.
Exkurs: Teilurteil im Allgemeinen
Grundlagen und Gegenstand
Gemäß § 301 I 1 ZPO hat das Gericht, wenn der Rechtsstreit teilweise zur Entscheidung reif ist, ein Teilurteil zu erlassen.
In der Praxis wird oft kein Teilurteil erlassen (§ 301 II ZPO).
Ein Teilurteil muss einen klar abgrenzbaren Teil des Streitgegenstands betreffen; es darf nicht erlassen werden, wenn die Gefahr besteht, dass in einem späteren (Schluss-)Urteil eine zum Teilurteil in Widerspruch stehende Entscheidung ergeht (Gefahr der Divergenz). Das Gebot der Widerspruchsfreiheit wird vom BGH weit gefasst und daher streng gehandhabt.
Grund- und Teilurteil
Ist der Anspruch nach Grund und Höhe streitig, kann gemäß § 301 I 2 ZPO ein zusprechendes Teilurteil nur ergehen, wenn zugleich nach § 304 ZPO (unter den Voraussetzungen dieser Regelung) über den Grund des betreffenden Anspruchs mit entschieden (Grund- und Teilurteil) oder der Gefahr der Divergenz durch ein Zwischenfeststellungsurteil begegnet wird.
Besonderheiten im Urteil
Aus den Entscheidungsgründen muss unzweideutig hervorgehen, über welchen Teil des Anspruchs entschieden worden ist.
Über die Kosten des Rechtsstreits ist im Teilurteil grundsätzlich nicht zu befinden, da dies dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung zuwiderliefe. Im Tenor des Teilurteils heißt es klarstellend:
„Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.“
Das Teilurteil ist ein Endurteil und als solches rechtsmittelfähig. Für die Beschwer kommt es allein auf den durch das Teilurteil beschiedenen Teil des Streitgegenstands an.
Teilurteil auf einer der ersten Stufen
Unbegründetheit der Klage
Ergebnislosigkeit der Auskunft und „Erledigung“ der dritten Stufe
Im Tatbestand sollten eventuell vorausgegangene Teilurteile vor den gestellten Anträgen als (kleine) Prozessgeschichte 1 kurz Erwähnung finden.
„Mit Teilurteil vom … hat das Gericht den Beklagten verurteilt, über … Auskunft zu erteilen. Dem ist der Beklagte durch … nachgekommen. Durch Teilurteil vom … ist der Beklagte verurteilt worden, an Eides Statt zu versichern, dass ... Der Beklagte hat daraufhin am … eine entsprechende eidesstattliche Versicherung abgegeben. Nunmehr beantragt der Kläger, den Beklagten zu verurteilen, an ihn … € zu zahlen.“
Ermittlung
M1: Zusammenrechnung der Einzelwerte der mit der Klage geltend gemachten Ansprüche nach § 5 ZPO
M2: Orientierung am höchsten Einzelwert wegen wirtschaftlicher Identität der Ansprüche
Wert des Leistungsanspruchs
Der Wert des Leistungsanspruchs ist nach § 3 ZPO zu schätzen, wobei es gemäß § 4 ZPO, § 40 GKG grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung ankommt.
Der Kläger muss sich dazu äußern (vgl. § 61 GKG).
Maßgeblich sind die Vorstellungen des Klägers unter realistischer Würdigung der Sach- und Rechtslage.
Wert des Auskunftsanspruchs
Es kommt auf das Interesse des Klägers an der Auskunft im Hinblick auf das Leistungsbegehren an.
Kann der Kläger diesen auch ohne Mitwirkung des Beklagten weitgehend präzisieren und benötigt er nur einige ergänzende Hinweise, ist der Wert des Auskunftsanspruchs naturgemäß niedriger, als wenn der Kläger ohne Auskünfte des Beklagten überhaupt nicht weiß, woran er ist.
Eingespielt haben sich Werte von 1/10 bis 2/5 (10 bis 40 %) des Leistungsbegehrens.
Wert des Anspruchs auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung
Es kommt auf das Interesse des Klägers an der eidesstattlichen Versicherung an.
Es ist also zu fragen, welche weiteren Auskünfte er sich von der Strafdrohung des § 156 StGB verspricht.
In der Regel nimmt man 1/20 bis 1/4 (5 bis 25 %) der geschätzten zusätzlichen Leistung.
Gemäß § 44 GKG ist für den Gebührenstreitwert der Stufenklage nur der höchste Anspruch maßgeblich. Im Regelfall orientiert man sich daher am Leistungsantrag. Von Bedeutung ist dieser Streitwert nur für die Verfahrensgebühr der Anwälte (Nr. 3100 VV), die Verfahrensgebühr des Gerichts sowie die auf der letzten Stufe anfallenden Gebühren.
Auf den unteren Stufen können Terminsgebühren (Nr. 3104 VV) nach dem dort geltenden Einzelwert entstehen, vgl. § 15 III RVG. Die Summe dieser Teilgebühren darf allerdings gemäß § 15 III RVG den Betrag einer nach der Ge samtsumme der Teilwerte errechneten Gebühr nicht überschreiten, um dem Prinzip der Gebührendegression Rechnung zu tragen.
Wenn das Gericht nach § 63 GKG den Streitwert festsetzt, müssen daher die Einzelwerte jeweils getrennt angegeben werden.
Für den Kläger, der mit der Auskunftsklage abgewiesen wird, bleibt es in der Rechtsmittelinstanz beim Streitwert der Klage.
Für den verurteilten Beklagten kommt es auf die Belastung an, die ihm aus der Auskunftserteilung erwächst. Wenn sich insoweit für ihn keine Probleme ergeben, wird selbst die Berufungsbeschwer nach § 511 II Nr. 1 ZPO verfehlt.
Grundfall
Wenn eine Partei in vollem Umfang obsiegt, bereitet die Kostenentscheidung nach § 91 ZPO keine Schwierigkeiten.
Wenn der Kläger nur Teilerfolge erzielen kann, wird die Kostenquote aufgrund des Verhältnisses der Misserfolgsanteile zu einem fiktiven Gesamtwert, bei dem es sich nicht um den Streitwert nach § 44 GKG handelt, ermittelt.
1. Stufe
2. Stufe
3. Stufe
Fiktiver Gesamtwert
Besondere Kosten auf einzelnen Stufen
Es empfiehlt sich über besondere Kosten auf einzelnen Stufen (z.B. Beweisaufnahme auf der dritten Stufe über den Wert von Nachlassgegenständen) entsprechend § 96 ZPO getrennt zu entscheiden.
Antrag auf Fristbestimmung im Urteil
Drei Anträge, Kombination im Wege der objektiven Klagehäufung
Antrag zu 1): Antrag auf Erfüllung, also primäres Leistungsbegehren (z.B. Herausgabe)
Antrag zu 2): Antrag auf Fristsetzung nach § 255 ZPO, Voraussetzungen des § 259 ZPO
Antrag zu 3): Antrag auf Zahlung von Schadensersatz statt der Leistung wegen Nichterfüllung (Anspruchsgrundlage §§ 280 I, III, 281 I 1 Alt. 1 BGB)
Der Kläger kann unter den Voraussetzungen des § 259 ZPO neben dem Anspruch auf Erfüllung und dem Antrag auf Fristsetzung auch einen Anspruch auf Schadensersatz geltend machen für den Fall, dass der Beklagte innerhalb der gesetzten Frist die primär geschuldete Leistung nicht erbringt. Die erforderliche Besorgnis, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen wird, ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Schuldner den Anspruch ernsthaft bestreitet.
„Der Beklagte wird verurteilt, innerhalb von … (Tagen/ Wochen) nach Rechtskraft dieses Urteils … an den Kläger herauszugeben.“
„Der Beklagte wird weiter verurteilt, nach fruchtlosem Ablauf der Frist von … (Tagen/ Wochen) nach Rechtskraft dieses Urteils … € an den Kläger zu zahlen.“
Kostentenor, Tenor vorläufige Vollstreckbarkeit
Feststellungsklage
Bedeutung und Voraussetzungen
Zuständigkeit
Bei der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts ist der Streitwert der Feststellungsklage zu berücksichtigen.
Ordnungsgemäße bestimmte Klageschrift
Zur Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes (§ 253 II Nr. 2 ZPO) muss insbesondere das streitige Rechtsverhältnis im Antrag genau bezeichnet werden.
Rechtsverhältnis
Ein Rechtsverhältnis ist eine sich aus einem konkreten Sachverhalt ergebende rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einem Gegenstand.
Für die Zulässigkeit reicht es aus, dass der Kläger das Rechtsverhältnis vorträgt; ob es tatsächlich besteht, ist eine Frage der Begründetheit.
Grundsätzlich muss das Rechtsverhältnis gegenwärtig sein. Erforderlich ist nur, dass für die Entstehung des Anspruchs der Grund in der Art gelegt ist, dass eine gegenwärtige Rechtsbeziehung schon besteht (z.B. nicht Feststellung des Erbrechts nach einer noch lebenden Person) und sie die Grundlage bestimmter Ansprüche bilden kann. Ausnahmsweise schadet es nicht, dass es vergangen ist, wenn der Kläger daraus zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung noch Rechtsfolgen herleiten kann.
Das Rechtsverhältnis muss nicht zwischen den Parteien, es kann auch zu oder zwischen Dritten bestehen, wenn es auch für die Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander von Bedeutung ist (z.B. Klage des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers auf Feststellung des Deckungsschutzes) und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung gerade gegenüber dem Beklagten hat.
Kein Rechtsverhältnis sind bloße, auch rechtserhebliche Tatsachen (z.B. Berechnungsgrundlage eines Anspruchs), ferner einzelne Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses (z.B. Schuldfähigkeit des Beklagten, Wirksamkeit einer Vertragsklausel, Schuldnerverzug, Annahmeverzug außer zu dessen Nachweis bei Verurteilung zu einer Zug-um-Zug-Leistung §§ 756, 765 ZPO), ferner abstrakte Rechtsfragen.
Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde (selten)
Die Klage auf Feststellung der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde ist der einzige Fall, in dem eine Tatsache den Gegenstand der Feststellungsklage bildet. Die Beweiskraft von Urkunden soll hierdurch zusätzlich abgesichert werden.
Feststellungsinteresse
Der Kläger muss bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung haben. Die Frage ist von Amts wegen zu prüfen.
Beseitigung einer Ungewissheit
§ 256 I ZPO verlangt zusätzlich zum allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung.
Das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung ist gegeben, wenn dem Recht oder der rechtlichen Lage des Klägers, und sei es nur, weil der Beklagte dessen Rechte ernstlich bestreitet, eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht und das Urteil geeignet ist, die Unsicherheit zu beseitigen.
Ein Rehabilitierungsinteresse reicht nur bei fortdauernden Auswirkungen.
Bei drohender Verjährung darf das Feststellungsinteresse nicht abgesprochen werden. Gemäß § 204 I Nr. 1 BGB hemmt die (auch unzulässige) Feststellungsklage den Ablauf der Verjährung in vollem Umfang.
Der Feststellungsantrag bietet daneben den Vorteil, dass der Grund der vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüche ein für allemal geklärt wird. Kommt es später zu weiteren Folgeschäden, braucht er nur noch den Ursachenzusammenhang mit dem (Verkehrs-)Unfall sowie die Schadenshöhe nachzuweisen.
Das rechtliche Interesse fehlt, wenn der Kläger auf einfacherem Weg zum Ziel gelangen kann.
Das rechtliche Interesse entfällt, wenn der mit einer Feststellungsklage verfolgte Anspruch auch mit der Leistungsklage geltend gemacht wird.
Möglichkeit der teilweisen Bezifferung
Wenn der Kläger die Ansprüche bei Klageerhebung bereits teilweise beziffern kann und ihm die Bezifferung im Verlauf des Rechtsstreits in zunehmenden Umfang möglich wird, darf er sich bei einer noch nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung (z.B. Kläger in ständiger ärztlicher Behandlung) auf einen Feststellungsantrag beschränken.
Die Begründetheit der Feststellungsklage beurteilt sich nach den Vorschriften des materiellen Rechts.
Ausgangspunkt ist die Frage, welche Feststellung genau der Kläger begehrt (z.B. Bestehen oder Nichtbestehen eines Vertrags, eines Leistungsanspruchs, des Eigentums an einer Sache).
Besonderheiten ergeben sich, wenn der Kläger die Feststellung von Schadensersatzansprüchen begehrt, da sich der genaue Schadensverlauf noch nicht absehen lässt. Der volle Schadensnachweis kann vom Kläger nicht verlangt werden. Zugunsten des Klägers genügt daher eine summarische Prüfung. Die Klage ist jedenfalls bereits dann begründet, wenn für den Eintritt eines Schadens eine Wahrscheinlichkeit spricht, was das Gericht in Anwendung des § 287 ZPO zu klären hat.
Rechtskraft
Das feststellende Sachurteil ist nach Maßgabe seines Tenors der materiellen Rechtskraft fähig.
Das Bestehen des Rechtsverhältnisses steht fest, wenn das Urteil der positiven Feststellungsklage stattgibt oder die negative Feststellungsklage als unbegründet abweist (Negation der Negation = Bejahung).
Das Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses steht fest, wenn das Urteil die positive Feststellungsklage als unbegründet abweist oder der negativen Feststellungsklage stattgibt.
Bei Abweisung der positiven Feststellungsklage verliert der Kläger den Anspruch endgültig. Hieraus folgt für diejenigen Fälle, in welchen die Wahrscheinlichkeit künftigen Schadensverlaufs im Streit ist, dass die Klage durch Sachurteil nur dann abgewiesen werden darf, wenn das Gericht sich – notfalls in der Beweisaufnahme – über das Nichtvorhandensein eines Schadens bzw. dessen fehlende Wahrscheinlichkeit Gewissheit verschafft hat. Je wichtiger das betroffene Rechtsgut ist (Eigentum, Körper, Leben) und je höher der Schaden ist, desto höher sind die Anforderungen an eine Abweisung der Klage.
Bei Stattgabe der positiven Feststellungsklage darf das Gericht die Frage inwieweit den Kläger eine Mithaftungsquote (z.B. aus § 254 BGB, § 17 StVG) trifft nicht dahingestellt sein lassen.
„Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger 2/3 des diesem als Folge des Unfalls vom … entstandenen oder noch entstehenden materiellen Schadens zu ersetzen.
Weiterhin wird festgestellt, dass der Beklagte dem Kläger den infolge dieses Unfalls entstandenen oder noch entstehenden immateriellen Schaden zu ersetzen hat, wobei zu berücksichtigen ist, dass den Kläger hinsichtlich der Unfallursache ein Mitverschulden von 1/3 trifft.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“
Negative Feststellungsklage
Zulässigkeit: Antrag und rechtliches Interesse
Es ist erforderlich, dass der Beklagte die Gefahr eines ernsthaften Hindernisses schafft oder treuwidrig keine klarstellende Erklärung abgibt; insbesondere ist das rechtliche Interesse gegeben, wenn er sich eines Anspruchs oder eines sonstigen Rechts berühmt, indem er etwa behauptet, der Kläger schulde ihm noch Geld (aus …).
Die Verjährung wird alleine wegen der negativen Feststellungsklage nicht gehemmt.
Darlegungs- und Beweislast
Der bloße Umstand, dass die negative Feststellungsklage die Parteirollen umkehrt – der angebliche Schuldner ist der Angreifer – ändert nichts an der Darlegungs- und Beweislast.
Bei Stattgabe der negativen Feststellungsklage kann der Beklagte etwa den streitgegenständlichen Zahlungsanspruch in einem neuen Rechtsstreit nicht mehr geltend machen.
Teilerfolg des Klägers
Wenn der Kläger nur teilweise obsiegt, ist im Urteil klarzustellen, in welchem Umfang das Rechtsverhältnis besteht.
Zwischenfeststellungsklage
Die Zwischenfeststellungsklage ist in § 256 II ZPO geregelt.
Ihr Zweck ist, da sich die Rechtskraftwirkung des Urteils nur auf die Entscheidung über den prozessualen Anspruch selbst bezieht, die Ausdehnung der Rechtskraft auf das bedingende Rechtsverhältnis.
Das Rechtsschutzbedürfnis liegt regelmäßig in der Vorgreiflichkeit.
Es fehlt, wenn das Rechtsverhältnis keine weiteren Folgen zeigen kann als die mit der Hauptklage zur Entscheidung gestellten.
Vorgreiflichkeit
Die Vorgreiflichkeit tritt an die Stelle des alsbaldigen Feststellungsinteresses.
Die Vorgreiflichkeit besteht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von dem Bestehen oder Nichtbestehen des streitigen Rechtsverhältnisses ganz oder zum Teil abhängt.
Entscheidung des Gerichts
Das Gericht entscheidet durch Teilurteil nach § 301 ZPO.
Kollision von negativer Feststellungsklage und Leistungsklage
Zulässigkeit der Leistungsklage
Wenn der Beklagte einer negativen Feststellungsklage wegen desselben Anspruchs die Leistungsklage (als Widerklage) erhebt, stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit. Der den Streitgegenstand bildende Anspruch ist bereits mit der negativen Feststellungsklage rechtshängig gemacht worden. Dennoch steht § 261 III Nr. 1 ZPO der Zulässigkeit der Leistungsklage nicht entgegen, da diese auf die Titulierung des Anspruchs gerichtet ist und damit über das vom Kläger der negativen Feststellungsklage verfolgte Ziel einer bloßen Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses hinausgeht.
Wenn der Beklagte des Feststellungsprozesses die von ihm erhobene Leistungs-Widerklage nach mündlicher Verhandlung gemäß § 269 I ZPO nicht mehr einseitig zurücknehmen kann, erlischt das Interesse des Klägers an der negativen Feststellung. Denn aus prozessökonomischen Gesichtspunkten ist es nunmehr sinnvoller, allein über die Leistungsklage zu entscheiden, weil hier der Grund des Anspruchs ohnehin geprüft wird.
Der Kläger muss also, will er einer Abweisung durch Prozessurteil entgehen, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären.
Der Streitwert einer Feststellungsklage ist gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen. Soweit der Vergleich mit einem entsprechenden Leistungsbegehren in Betracht kommt, nimmt man dieses zum Ausgangspunkt.
Da indes das positive Feststellungsurteil in seinen Wirkungen normalerweise hinter dem Leistungstitel zurückbleibt, wird der Ausgangswert in der Regel um 20–50 % vermindert.
Bei der negativen Feststellungsklage ist der Wert, mit Ausnahme irrealer Ansprüche, genauso hoch wie der Anspruch, auf dessen Vernichtung der Kläger aus ist.
Kollidieren Leistungs- und negative Feststellungsklage, ist darauf zu achten, dass, soweit die beiden Klagen sich überschneiden, nicht entgegen § 45 I 3 GKG eine Wertaddition vorgenommen wird.
Erledigung des Rechtsstreits
Ausgangspunkt
Übereinstimmende Erledigungserklärungen
Rechtliche Besonderheiten
Wirksamkeits- und Zulässigkeitsvoraussetzungen
Beschluss nach § 91a ZPO
Teilweise übereinstimmende Erledigungserklärungen
Praktischer Ausgangsfall: Teilzahlung
Streitwert, Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit
Einseitige Erledigungserklärung
Auslegungsfragen
Vollständige Erledigung
Erklärt der Kläger ausdrücklich den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und widerspricht der Beklagte ausdrücklich, kann ohne nähere Darlegung von dem Feststellungsantrag, dass der Rechtsstreit erledigt ist, ausgegangen werden, auch wenn der Kläger den Feststellungsantrag nicht formuliert.
Kommt eine konkludente Erledigungserklärung in Betracht oder widerspricht der Beklagte konkludent, hat eine Auslegung des Klageantrags (§§ 133, 157 BGB analog) zu erfolgen. Der Beklagte widerspricht konkludent, wenn er an seinem Klageanweisungsantrag festhält oder das erledigende Ereignis bestreitet.
Besonderheiten bei der einseitigen Teilerledigung
Es liegen zwei Sachanträge vor (§ 260 ZPO), nämlich der verbleibende ursprüngliche Sachantrag hinsichtlich des unerledigten Teils und zusätzlich ein weiterer Sachantrag auf Feststellung, dass der Rechtsstreit zu einem bestimmten Teil in der Hauptsache erledigt ist.
Grundsätzlich ist die Teilerledigung für die Zuständigkeit nicht von Bedeutung. Es greift § 261 III Nr. 2 ZPO (perpetuatio fori). Etwas anderes gilt, wenn die Teilerledigung im Mahnverfahren vor Abgabe an das Streitgericht eintritt und hierdurch der Streitwert von ursprünglich mehr als 5.000 € auf einen geringeren Betrag sinkt; dies hat die Zuständigkeit des Amtsgerichts zur Folge.
Für die Auslegung, ob der Beklagte der Teilerledigungserklärung konkludent widerspricht, sind aus dem Klageabweisungsantrag keine Rückschlüsse zu ziehen, da dieser (allein) gegenüber dem verbleibenden Sachantrag Bedeutung haben kann.
Häufig formuliert der Kläger folgenden Antrag: „Es wird nunmehr beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 10.000 € nebst 10 % Zinsen seit dem 1.3.2018 abzüglich am 28.2.2019 gezahlter 5.000 € zu zahlen.“ Der Antrag ist grundsätzlich dahin zu verstehen, dass der Kläger die Zahlung des Beklagten in erster Linie auf die bis zum Zahlungstag aufgelaufenen Zinsen und nur den verbleibenden Betrag auf die Hauptforderung verrechnet wissen will, mithin 1.000 € auf Zinsen und 4.000 € auf die Hauptforderung. Im Einklang mit dem materiellen Recht steht der Antrag allerdings nur dann, wenn die Zahlung des Beklagten aufgrund einer Leistungsbestimmung oder gemäß § 367 I BGB auch wirklich vorrangig auf die Zinsen zu verrechnen ist. Das muss man notfalls durch Auslegung des Sachvortrags selbstständig prüfen; dabei sind die wohlverstandenen Interessen des Klägers am Erhalt einer möglichst hohen Forderung mit zu berücksichtigen.
„Das rechtliche Interesse des Klägers (§ 256 I ZPO) an der alsbaldigen Feststellung der (teilweisen) Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ergibt sich aus einer für ihn günstigeren Kostenfolge.“
Begründetheit des Feststellungsantrags
„Der Feststellungsantrag ist begründet, wenn die ursprünglich erhobene Klage zulässig und begründet war und sich durch ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis erledigt hat, also unzulässig oder unbegründet geworden ist.”
Tenor und Streitwert
Hauptsache
„Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache (in Höhe von … €) erledigt ist.“
Kostenentscheidung und Vollstreckbarkeit
Die Kostenentscheidung ergeht nach allgemeinen Kostenregelungen (§§ 91, 92 ff. ZPO), nicht nach § 91a ZPO.
Der Feststellungstenor ist nicht vollstreckbar.
Bei einseitiger vollständiger Erledigung bemisst sich der Gebührenstreitwert im Regelfall nach den bis zur streitigen Erledigungserklärung entstandenen Kosten. Der Streitwert kann das Kosteninteresse übersteigen, wenn der Kläger etwa mit Blick auf Folgeansprüche ein weitergehendes Interesse verfolgt.
Bei einseitiger teilweiser Erledigung sind der Wert des verbleibenden Teils des ursprünglichen Antrags und der Wert des Feststellungsantrags zu addieren.
Hilfsanträge
Hilfsweise erklärte Erledigung (Alt. 1)
Ursprüngliches Klagebegehren als Hilfsantrag (Alt. 2)
Urkundenprozess
Klageänderung, Klagerücknahme
Verkehrsunfall
Prozesskostenhilfe
Zweck: Rechtsschutzgleichheit
Effektiver Rechtsschutz ist unabhängig von der finanziellen Situation zu gewähren (Art. 3, 20 III GG, Art. 6 I EMRK, Art. 47 EUGrCh).
„Effektiver Rechtsschutz darf keine Frage des Geldbeutels sein.“
Die Vorschriften zur Prozesskostenhilfe sind vom Verfahrensrecht, Europarecht und Vorgaben des BVerfG geprägt.
Sozialstaatsprinzip (Art. 20 III GG), insbesondere § 115 ZPO
Rechtssicherheit und Vertrauensschutz: Die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe hat zügig, in der Regel vor der mündlichen Verhandlung zu erfolgen, ist nur begrenzt änderbar und durch die Staatskasse anfechtbar.
Der Schutz wird nicht schrankenlos gewährleistet. Schranken sind z.B. die Erfolgsaussichten im Prozess, Mutwilligkeit, Beibringung von Informationen.
Bedürftigkeit (§§ 114 I, 115 ZPO)
Hinreichende Erfolgsaussichten (§ 114 I ZPO)
Keine Mutwilligkeit (§ 114 I, II ZPO)
Antrag bei dem Prozessgericht (§ 114 I, 117 ZPO)
Bedürftigkeit
Bedürftig ist, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann.
Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erfolgt mittels eines Formulars.
Die Einkommensverhältnisse sind durch geeignete Nachweise glaubhaft zu machen (z.B. Kontoauszüge, Bescheide, Einnahmen-Überschuss-Rechnung).
Es wird geprüft, ob nach Abzug von Freibeträgen (z.B. für Miete, Strom, Versicherungen, Unterhaltspflichten) ein einzusetzendes Einkommen verbleibt.
Hieran sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen, die den Zugang zu Gericht übermäßig erschweren.
Hinreichende Erfolgsaussichten (!)
Einfallstor für die Prüfung in Klausuren!
Erfolgsaussichten in rechtlicher Hinsicht
Hier besteht ein weiter Ermessensspielraum.
Hinreichende Erfolgsaussichten bestehen bereits dann, wenn die zu entscheidende Rechtsfrage schwierig und – unabhängig von der Rechtsauffassung des entscheidenden Spruchkörpers – eine Entscheidung zu Gunsten der bedürftigen Partei vertretbar ist.
Es muss mehr als nur eine theoretische Wahrscheinlichkeit für den Erfolg bestehen.
Prüfungsumfang: Das Hauptsacheverfahren darf nicht in Gänze in das PKH-Verfahren gezogen werden. Durch die Prozesskostenhilfe wird der Rechtsschutz nämlich überhaupt erst ermöglicht.
Erfolgsaussichten in tatsächlicher Hinsicht
Ausreichend ist, wenn eine Beweisaufnahme für die Entscheidung notwendig ist bzw. ernsthaft in Betracht kommt.
Zeitpunkt der Beurteilung der Erfolgsaussichten
Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags, also wenn dieser vollständig vorliegt und der Prozessgegner Gelegenheit zur Äußerung hatte.
Keine Mutwilligkeit
Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (Legaldefinition § 114 II ZPO).
Abwarten eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zumutbar
Vor Klageerhebung gegebene Möglichkeit der außergerichtlichen Streitschlichtung nicht wahrgenommen
Widerklagemöglichkeit nicht wahrgenommen
Antrag bei dem Prozessgericht
Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen.
Prozessgericht ist das Gericht, bei welchem das Hauptsacheverfahren anhängig gemacht werden soll.
Der Antrag kann schriftlich (§ 130 ZPO), elektronisch (§ 130a ZPO) oder vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden (§ 117 I 1 Hs. 2 ZPO).
Es besteht kein Anwaltszwang, auch wenn die Hauptsache als Anwaltsprozess zu führen ist (§§ 117 I 1 Hs. 2, 78 III ZPO).
Es besteht grundsätzlich keine Frist.
Weitere Voraussetzungen sind Partei- und Prozessfähigkeit, Rechtsschutzbedürfnis.
Entscheidung durch das Prozessgericht (§ 127 ZPO)
Zu prüfen ist, ob die Klage von der PKH-Gewährung abhängig gemacht werden soll (Regelfall, dann nur Anhörung des Antragsgegners durch formlose Übersendung des Klageentwurfs) oder ob unbedingt Klage erhoben werden soll (dann Zustellung der Klage).
Bewilligungsverfahren (§ 118 ZPO)
Die Prüfung der Erfolgsaussichten erfolgt rein summarisch. Es darf keine Vorwegnahme der Hauptsache erfolgen.
Kläger beantragt PKH
Beklagter beantragt PKH
Klage schlüssig?
Klage unschlüssig?
Nein à PHK (-)
Ja à Beweisangebot für streitige Tatsache?
Nein à Kann Verteidigungs-vorbringen zur Abwehr führen?
Ja à PKH (+)
Wirkung der beantragten/ bewilligten Prozesskostenhilfe
Hemmung der Verjährung
Der Antrag hat zur Folge, dass der Lauf der Verjährung gehemmt wird (§ 204 I Nr. 14 BGB), wenn das Gericht die Bekanntgabe an den Gegner „demnächst“ veranlasst.
Nachträgliche Änderungen
Die Bewilligung kann rückwirkend aufgehoben werden, wenn sie auf unrichtigen Angaben beruht (§ 124 ZPO).
Die Prozesskostenhilfe kann aber erneut mit richtigen Angaben beantragt werden (schwacher Sanktionscharakter).
In welchem Umfang wird Prozesskostenhilfe gewährt? Wird eine Ratenzahlung angeordnet und wenn ja, in welcher Höhe? Welcher Rechtsanwalt wird der bedürftigen Partei zur Wahrung ihrer Rechte beigeordnet (§ 121 I ZPO)?
Erfolgreicher PKH-Antrag:
„Dem Antragsteller/ Antragsgegner wird Prozesskostenhilfe (für den Antrag …) bewilligt. Zur Wahrnehmung seiner Rechte wird ihm Rechtsanwalt … aus … beigeordnet.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.“
Erfolgloser PKH-Antrag:
„Der Antrag des Antragstellers/ Antragsgegners vom … auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
Gründe
Eine Begründung ist nicht erforderlich, wenn die Prozesskostenhilfe in vollem Umfang bewilligt wird.
Eine Begründung ist erforderlich, wenn die Prozesskostenhilfe (zumindest teilweise) zurückgewiesen wird.
Werden Ausführungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der antragstellenden Partei gemacht und die Prozesskostenhilfe mangels Bedürftigkeit abgewiesen, darf dieser Teil der Gründe dem Gegner nicht zugänglich gemacht werden.
Sofortige Beschwerde durch den Antragsteller (§ 127 I, II ZPO), nicht durch den Antragsgegner
Sofortige Beschwerde durch die Staatskasse (§ 127 III ZPO)
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