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Derrida: Das Ende des Buches und der Anfang der Schrift

AG
by Adele G.

Teil 1: Sprache, Schrift und das Ende des Ursprungs

🌀 Derrida: Sprache, Schrift & das Ende des Ursprungs

💬 Ausgangspunkt: Die Krise der Sprache

  • Das Problem „Sprache“ ist kein gewöhnliches Problem, sondern ein zentrales Symptom unserer Epoche.

  • Heute wird die Sprache abgewertet:

    • „Niederträchtigkeit des Vokabulars“, „Verführung“, „Mode“, „Ignoranz“.

  • Inflation der Sprache = Inflation des Zeichens selbst.

  • Diese Krise zeigt: Die Epoche muss die Totalität ihrer Probleme als Sprachprobleme erkennen.

„Die Inflation des Zeichens ‚Sprache‘ ist die Inflation des Zeichens selbst.“

Sprachkrise als Symptom

  • Sprache droht „aus den Fugen gerissen und entwurzelt“ zu werden.

  • Ihre Grenzen verschwimmen, sie verliert Sicherheit.

  • Sprache ist nicht mehr „selbstgewiss“, sondern konfrontiert mit ihrer eigenen Endlichkeit.

✉️ Die Schrift tritt auf

🪶 Verschiebung

  • Seit mindestens 2000 Jahren: Alles, was „Sprache“ hieß, verschiebt sich nun in den Namen Schrift.

  • Schrift überschreitet die Sprache:

    • Nicht mehr nur „Hilfsform“.

    • Nicht „doppeltes Supplement“ oder „sekundäres Abbild“ (wie Rousseau sagte).

„Der Begriff der Schrift scheint zusehends die Extension der Sprache zu überschreiten.“

🔁 Schrift als „Signifikant des Signifikanten“

  • Früher galt Schrift als sekundär (Verdopplung eines gesprochenen Originals).

  • Derrida: Schon immer war das Signifikat selbst ein Signifikant → Alles ist Teil eines Spiels der Verweisungen.

  • Kein fester Ursprung („Ursignifikat“), sondern unendliches Spiel.

„Es gibt kein Signifikat, das dem Spiel aufeinander verweisender Signifikanten entkäme.“

🧩 Die Logik des Spiels

  • „Heraufkunft der Schrift“ = Heraufkunft des Spiels.

  • Alle scheinbar festen Signifikate werden „mitgerissen“.

  • Die Grenze, die Zeichen und Bedeutungen kontrollieren sollte, zerfällt.

  • Ergebnis: Destruktion des Begriffs „Zeichen“ selbst.

„Das Spiel löscht die Grenze aus, von der aus man die Zirkulation der Zeichen meinte regeln zu können.“

🌀 Sprache als „Verstellung“ der Schrift

  • Derrida sagt: Der westliche Sprachbegriff ist eine Verstellung einer tieferen, ursprünglichen Schrift.

  • Diese „erste Schrift“ ist fundamentaler als das, was man bisher als bloßes „Supplement“ zur Sprache sah.

„Eine Schrift, die viel grundlegender ist als jene, die als einfaches Supplement zum gesprochenen Wort galt.“

⚙️ Technik, Sprache & Schrift

  • Das Vorrangrecht der gesprochenen Stimme (phone) war nicht frei gewählt, sondern geschichtlich notwendig:

    • Bestimmte „Ökonomie“ des Lebens, Geschichte, Seins.

  • Schrift galt lange nur als Technik im Dienst der Sprache:

    • Übersetzung eines vollständigen, gegenwärtigen Wortes.

    • Vermittlung, nicht Ursprung.

💡 Schrift = Technik?

  • Frage nach der Schrift ist tiefer als die Frage nach Technik.

  • Schriftfrage geht der Technikfrage voraus, oder beide sind ineinander verflochten.

  • Deshalb kann man Technik nicht einfach als Schlüssel zum Verständnis der Schrift verwenden.

„Die Frage nach Schrift und Technik gehen ineinander über.“

Zentrale Punkte zusammengefasst

💡 Sprache in der Krise

  • Verlust von Gewissheit, Auflösung der Grenzen.

  • Sprache zeigt ihre Endlichkeit.

💡 Schrift ersetzt Sprache

  • Schrift wird nicht nur Hilfsmittel, sondern ursprüngliches Prinzip.

  • Signifikat selbst ist immer schon Signifikant → Alles ist „Spiel“.

💡 Abschied vom Ursprung

  • Kein „ursprüngliches“, reines Signifikat.

  • Nur Verweisungen ohne letzte Basis → „Spur“, „Schriftlichkeit“.

💡 Spiel & Destruktion

  • Das Spiel der Zeichen ersetzt feste Bedeutungsanker.

  • Begriff „Zeichen“ wird dekonstruiert.

💡 Technik ≠ bloßes Werkzeug

  • Schriftfrage tiefer als Technikfrage.

  • Keine „Instrumentalisierung“ der Schrift durch Sprache.

🟢 Begriffsnetz (vereinfachte Übersicht)

Begriff

Früheres Verständnis

Derridas Verständnis

Sprache

Ursprünglich, authentisch, primär

Verstellung, nicht Ursprung

Schrift

Sekundär, Abbild der Sprache

Ursprüngliches Prinzip, tiefste Struktur

Zeichen

Stabiler Träger von Bedeutung

Nur Teil eines endlosen Spiels

Technik

Werkzeug der Sprache

Untrennbar mit Schrift verknüpft

💬 Schlussgedanke

Sprache war immer schon Schrift. Das „Spiel“ der Zeichen ist endlos. Kein Ursprung, nur Spuren.

Teil 2: Sprache, Schrift und das Ende der Buchkultur

🌀 Derrida: Sprache, Schrift & das Ende der Buchkultur

💬 Sprache als Moment der Schrift

  • Sprache ist kein absolut eigenständiger Ursprung, sondern:

    • Ein Moment, ein Modus, ein „Aspekt“ der Schrift.

    • Nur im Verlauf eines „Abenteuers“ (nämlich der Geschichte) konnte sie sich als autonom darstellen.

„Sprache könnte nur ein Moment der Schrift sein.“

⚰️ Das Ende des Buches = Tod des gesprochenen Wortes

  • Tod der Buchkultur = Anzeichen einer Mutation der Schrift.

  • Dahinter: „Tod des gesprochenen Wortes“ → gemeint als Metapher!

  • Das gesprochene Wort wird nicht verschwinden, sondern seine untergeordnete Stellung einnehmen.

„‚Tod des gesprochenen Wortes‘ ist hier eine Metapher.“

🔄 Von Sprache zur Schrift

Begriffserweiterung

  • Früher: „Sprache“ = universaler Ausdruck für Denken, Gefühl, Erfahrung.

  • Heute: „Schrift“ ersetzt „Sprache“ als umfassender Begriff.

  • „Schrift“ bezeichnet nicht nur Zeichen auf Papier:

    • Auch Film (Kinematographie), Tanz (Choreographie), Musik, Bild, Skulptur, militärische und politische Praktiken.

    • Sogar in der Biologie: Genetik als „Programm“, „Schrift der Zelle“.

„Heute neigt man dazu, für alles ‚Schrift‘ zu sagen.“

⚙️ Schrift als Fundament aller Prozesse

  • Auch die Kybernetik arbeitet mit Konzepten von „Schrift“, „Spur“, „Programm“.

  • Selbst wenn die Kybernetik ohne metaphysische Begriffe (Seele, Leben, Gedächtnis) auskommt → sie braucht den Begriff der Schrift.

„Gramma oder Graphem wäre der Name für das Element.“

💡 Gramma / Graphem als Grundelement

  • Gramma = ursprüngliches Element aller Zeichenprozesse.

  • Weder einfach noch atomar, sondern:

    • Ur-Synthese, die nicht als „Erfahrung“, „Ursprung“ oder „Sinn“ fixierbar ist.

  • Widersteht allen klassischen Gegensätzen (innen/außen, Geist/Körper, universell/empirisch).

„Dieses Element wäre kein einfaches.“

Warum erst jetzt sichtbar?

  • Diese „Situation“ ist nicht neu, aber erst jetzt wird sie erkannt.

  • Gründe (Auswahl):

    • Entwicklung der Mathematik (schon früh unabhängig von phonischer Sprache).

    • Wissenschaft und Mathematik stellen das „Ideal der phonetischen Schrift“ in Frage.

    • Phonographie und neue Speichertechniken trennen Sprache vom „anwesenden Sprecher“.

🧬 Mathematische Schrift als Beispiel

  • Mathematik nie abhängig von Lauten.

  • Zeigt die Unzulänglichkeit der phonetischen Schrift.

  • Mathematik = Enklave innerhalb phonischer Kulturen → radikale Infragestellung von „episteme“ und „historia“ (Wissen & Geschichte).

„Die Mathematik war nie ganz an eine phonetische Produktion gebunden.“

🌐 Grenzen der phonetischen Schrift

  • Phonetische Schrift = Zentrum der westlichen Kultur (Metaphysik, Wissenschaft, Technik, Ökonomie).

  • Diese Schrift erreicht ihre Grenzen:

    • Versucht, sich auf alle Kulturen auszudehnen.

    • Gleichzeitig stößt sie auf Widerstände → „Humanwissenschaften“ und Kybernetik dekonstruieren sie.

„Die phonetische Schrift stößt an ihre Grenzen, wo sie ihr Gesetz allen aufzwingen will.“

Zentrale Punkte zusammengefasst

💡 Sprache = Moment der Schrift

  • Kein absoluter Ursprung, sondern Teil eines umfassenderen Systems.

💡 Schrift = umfassenderer Begriff

  • Umfasst alle Formen der Zeichen, Medien, Programme, biologischen Codes.

💡 Gramma als Element

  • Fundament aller Zeichenprozesse.

  • Widersteht klassischen Gegensätzen.

💡 Krise der phonetischen Schrift

  • Neue Medien & Wissenschaften zeigen ihre Grenzen.

  • Keine Herrschaft der Stimme oder phonetischen Präsenz mehr.

💡 Auflösung des Ursprungs

  • Kein ursprünglicher „Sinn“, keine reine Präsenz.

  • Nur Spuren, Verschiebungen, Spiel der Zeichen.

🟢 Begriffsnetz (vereinfachte Übersicht)

Begriff

Früheres Verständnis

Derridas Sicht

Sprache

Ursprung, präsent, autonom

Moment der Schrift, nicht Ursprung

Schrift

Abbild der Sprache, sekundär

Grundstruktur, umfassend

Gramma

Nicht vorhanden

Ursprüngliches Element

Phonetik

Zentrum, Stimme = Sinn

Begrenztes Medium, dekonstruiert

💬 Schlussgedanke

„Sprache war immer schon Schrift. Die phonetische Stimme ist nur eine Episode. Am Ende bleibt: das Spiel der Spuren.“

Author

Adele G.

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