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Zusammenfassung: Grundbegriffe

CC
by Cathérine C.

Typus / Idealtypus und Begriffsbildung in der Soziologie (nach Max Weber)

Die Soziologie entwirft sogenannte Idealtypen:

  • Reine, konsequent einheitliche Konstruktionen, die eine vollständige Sinnadäquanz zeigen.

  • Sie sind abstrakt und treten so in der Realität meist nicht exakt auf

  • Referenz für die Einordnung realer historischer Erscheinungen, die je nach Grad der Übereinstimmung mit diesem Typ eingeordnet werden.

Der Idealtypus ist ein konstruiertes, rein zweckrationales Handlungsschema, das als Vergleichsmaßstab dient, um reale (auch irrationale) Handlungen zu verstehen.

  1. Reales Handeln wird als Abweichung davon analysiert (z. B. durch Affekte, Irrtümer)

  2. Zweck: bessere Verständlichkeit und Vergleichbarkeit komplexer Handlungen

  3. Beispiel: Börsenpanik – zuerst rationale Handlung rekonstruieren, dann irrationale Elemente als "Störungen" einordnen

  4. Die Methode der „verstehenden Soziologie“ ist rationalistisch – nicht, weil sie irrationales ausschließt, sondern weil sie es am Rationalen misst

In der Realität handelt der Mensch oft nicht voll bewusst oder rational, sondern:

  • In Halbbewusstheit oder sogar unbewusst.

  • Triebhaft oder gewohnheitsmäßig.

Durchschnittstypen lassen sich nur dann einigermaßen klar bilden, wenn es sich um Gradunterschiede qualitativ gleichen Verhaltens handelt.

  • Beispiel Wirtschaftstheorie: Idealtypen beschreiben rein wirtschaftlich zweckrationales Handeln, das in der Realität durch Tradition, Affekte, Irrtümer etc. beeinflusst wird.

  • Der Abstand des realen Verhaltens vom Idealtyp hilft, die tatsächlichen Motive besser zu verstehen.

Soziologie bildet demnach Typenbegriffe und sucht nach generellen Regeln sozialen Geschehens. Anders als die Geschichte, die sich mit der kausalen Analyse einzelner, historisch bedeutsamer Handlungen und Persönlichkeiten befasst, abstrahiert die Soziologie. Sie nimmt Handlungsmaterial auch aus historischen Kontexten, abstrahiert aber, um allgemeingültige Begriffe und Regeln zu schaffen.

  • soziologischen Begriffe sind im Vergleich zur konkreten Realität relativ inhaltsleer, dafür aber klar und eindeutig definiert.

  • Diese Eindeutigkeit entsteht durch ein Optimum an Sinnadäquanz – das heißt, die Begriffe entsprechen möglichst genau dem „gemeinten Sinn“ des Handelns.

  • Besonders bei rationalen (zweck- oder wertorientierten) Handlungen gelingt dies sehr gut.

  • Aber auch irrationale Erscheinungen (z.B. mystisch, affektiv, prophetisch) sollen sinnadäquat begrifflich erfasst werden.


Sinnhaft adäquat vs. Kausal adäquat und Kausale Deutung von Handeln

unterscheiden zwei Arten, wie man soziale Phänomene erklären kann:

1. Kausale Adäquanz

Ein Ereignis ist kausal adäquat, wenn es regelhaft mit einem anderen Ereignis verbunden ist – also, wenn A oft (aber nicht zwangsläufig) zu B führt.

Beispiel: Wenn jemand eine Straftat begeht, weil er in Armut lebt, dann könnte man sagen, dass Armut kausal adäquat mit Kriminalität verbunden ist – nicht immer, aber statistisch gehäuft.

Fokus: Wahrscheinlichkeit und Regelmäßigkeit im empirischen Sinne.

Ziel: Erklärung durch Ursache-Wirkung-Zusammenhänge.

👉 Kurz gesagt: Was passiert in der Realität oft gemeinsam?

2. Sinnadäquanz

Ein Handeln ist sinnadäquat, wenn es subjektiv sinnvoll aus Sicht der handelnden Person ist – also, wenn es sich logisch aus ihrem Denken, ihren Motiven oder Zielen ergibt.

Beispiel: Wenn jemand betet, um Trost zu finden, dann ist dieses Handeln sinnadäquat, auch wenn es keine objektiv messbare Wirkung hat. Es ergibt innerhalb des subjektiven Sinnsystems der Person Sinn.

Fokus: Verstehbarkeit des Handelns aus der Perspektive des Akteurs.

Ziel: Verstehen von subjektiv gemeintem Sinn.

👉 Kurz gesagt: Was ist aus Sicht der handelnden Person sinnvoll?

Max Weber wollte zeigen, dass soziales Handeln nicht nur durch äußere Ursachen erklärt werden kann (wie in der Naturwissenschaft), sondern dass man auch den inneren Sinn des Handelns verstehen muss – also, warum Menschen etwas aus ihrer Sicht tun.

Kollektivbegriffen im soziologischen Verstehen

Handeln immer von Einzelpersonen

  • Sinnhaft orientiertes Handeln gibt es nur als Verhalten einzelner Personen (oder Gruppen von Personen).

  • Kollektivgebilde sind kein eigenes handelndes Subjekt, sondern nur Zusammenhänge spezifischen Handelns von Einzelnen.

Drei Beziehungen der Deutung zu Kollektivbegriffen:

  1. Soziologie arbeitet mit ähnlichen Kollektivbegriffen wie Alltags- oder Juristensprache, aber mit anderem Sinn:

    • Z.B. „Staat“, „Nation“, „Familie“, „Aktiengesellschaft“ werden in der Soziologie als

      • soziale Abläufe und Handlungen Einzelner verstanden,

      • nicht als eigenständige handelnde Kollektivpersönlichkeiten.

    • Der juristische Begriff wird benutzt, aber der soziologische Sinn ist anders: → Es geht um menschliches Handeln hinter den Begriffen, nicht um juristische Konstrukte.

  1. Kollektivbegriffe sind für das Handeln der Menschen oft von großer kausaler Bedeutung:

    • Begriffe existieren in den Köpfen der Menschen (Richter, Beamte, Publikum) als Vorstellungen von Geltendem.

    • Menschen orientieren ihr Handeln an der Vorstellung, dass diese „Dinge“ (z.B. Staat, Recht) bestehen oder so bestehen sollen.

    • Dadurch beeinflussen diese Vorstellungen das tatsächliche soziale Handeln maßgeblich.

  2. Organische Soziologie:

    • Sie erklärt gesellschaftliches Zusammenhandeln, indem sie vom Ganzen (z.B. Volkswirtschaft) ausgeht.

    • Einzelne und ihr Verhalten werden dabei analog zu Organen im Organismus gedeutet (funktional im „Haushalt“ des Ganzen).

Achtung: funktionale Betrachtung dient praktischer Veranschaulichung und Orientierung.

= ist hilfreich, um wichtige soziale Zusammenhänge zu finden ABER Soziale Gebilde unterscheiden sich grundlegend von Organismen, denn:

  • Soziologie kann das Verstehen der beteiligten Einzelnen leisten (Subjektverständnis),

  • während Naturwissenschaften nur funktionell erfassen und kausal erklären.


Soziales Handeln nach Max Weber

Soziales Handeln ist sinnhaft orientiertes Handeln, das sich am Verhalten anderer orientiert und dadurch in seinem Ablauf beeinflusst wird.

  • Nicht jedes Handeln ist soziales Handeln – z. B. rein reaktives Verhalten (Reflexe), bloßes Nachahmen ohne Sinnbezug oder Handeln ohne Rücksicht auf andere.

  • Auch nicht jedes gemeinsame Verhalten ist soziales Handeln, sofern kein subjektiver Sinn zugrunde liegt.

= Entscheidend ist der gemeinte subjektive Sinn des Handelnden, nicht objektive Kausalitäten. Soziologie will soziales Handeln verstehend deuten und kausal erklären.


Idealtypische Konstruktion: Soziales Handeln wird oft nur in idealtypischer Form vollständig bewusst und rational ausgeführt; in der Realität meist unbewusst oder habitualisiert.


Typologie (nach Weber):

  1. Zweckrational: Mittel-Zweck-Abwägung auf Basis kalkulierter Erwartungen.

  2. Wertrational: Handeln aus Überzeugung, unabhängig vom Erfolg.

  3. Affektuelles Handeln: Durch Emotionen geleitet.

  4. Traditionales Handeln: Aus Gewohnheit heraus.


Regelmäßigkeiten sozialen Handelns:

Im sozialen Leben wiederholen sich bestimmte Handlungen auf typische Weise – entweder:

  • bei derselben Person über die Zeit hinweg (z. B. jeden Sonntag in die Kirche gehen),

  • oder bei vielen Menschen gleichzeitig (z. B. Händeschütteln zur Begrüßung).

Solche wiederkehrenden Muster nennt Weber “Regelmäßigkeiten”. Diese sind empirisch beobachtbar und interessieren die Soziologie und unterteilen sich in:

  • Brauch: Wiederholung durch durch Gewohnheit, Übung

  • Sitte: Brauch mit langer Tradition, kulturell stark verankert

  • Interessenbedingt: aus rationalem Eigeninteresse, also Zweckrationalität

Wichtig: Begriffe sagen nichts über den „Wert“ oder „die Moral“ des Handelns aus – es geht nur darum, ob und warum sich etwas regelmäßig wiederholt.


Brauch, Sitte und Interessenlagen sozialem Handeln nach Max Weber

Brauch

  • Brauch = wiederholtes Handeln aufgrund von Gewohnheit.

  • Mode = Sonderform des Brauchs, bei dem gerade Neuheit das Handeln prägt (z. B. Kleidungstrends).

  • Konvention steht der Mode nahe, beide stammen oft aus Prestigeinteressen (z. B. bei gesellschaftlichen Gruppen).

Sitte

  • = nicht verpflichtende Regel, an die man sich freiwillig hält (z. B. Frühstück am Morgen).

  • Kein Zwang, keine äußere Sanktion, sondern: aus Bequemlichkeit, Gewohnheit o. ä.

  • Übergang zu Konvention (gesellschaftlich erwartet) und Recht (gesetzlich gefordert) ist fließend.

  • Die Stabilität der (bloßen) Sitte beruht wesentlich darauf, daß derjenige, welcher sein Handeln nicht an ihr orientiert, »unangepaßt« handelt, d.h. kleine und große Unbequemlichkeiten und Unzuträglichkeiten mit in den Kauf nehmen muß, so lange das Handeln der Mehrzahl seiner Umwelt nun einmal mit dem Bestehen der Sitte rechnet und darauf eingestellt ist.

Interessenlagen

  • rationalem Handeln zur Zielerreichung (Zweckrationalität),

    • ausgerichtet an eigenem Interesse + Erwartungen über das Verhalten anderer.

Beispiel: Preisbildung auf dem Markt = Folge rationaler Entscheidungen aller Beteiligten und Ausgangspunkt der Nationalökonomie


Interessenorientierung bildet den Gegensatz zu Sitte und Wertbindung – und ist ein Teil der Rationalisierung sozialen Handelns.

  • Aber: Die Stabilität der Interessenlage beruht, ähnlich, darauf, daß, wer sein Handeln nicht an dem Interesse der andern orientiert – mit diesen nicht »rechnet« –, deren Widerstand herausfordert oder einen von ihm nicht gewollten und nicht vorausgesehenen Erfolg hat und also Gefahr läuft, an eigenem Interesse Schaden zu nehmen.


Soziale Ordnung und Legitimität: Grundlagen, Formen und Garantien des geltenden sozialen Handelns

  1. Ordnung = mehr als bloße Regelmäßigkeit oder Gewohnheit. gilt, wenn die Beteiligten ihr Handeln an ihr orientieren, weil sie sie als verbindlich oder vorbildlich anerkennen. Das heißt: Akzeptanz beruht oft auf einem inneren Pflichtgefühl, auf Glauben oder auf der Erwartung äußerer Sanktionen.

    Beispiel: Ein Beamter erscheint pünktlich nicht nur aus Gewohnheit oder Eigennutz, sondern auch, weil er das Dienstreglement als verbindlich anerkennt.

    • Formen der Garantie von Ordnung („Sicherstellung“ der Einhaltung)

      • Innerliche Garantie: z.B. affektive Hingabe, wertrationaler Glaube, religiöse Überzeugung

      • Äußerliche Garantie: durch gesellschaftliche Mißbilligung (Konvention) oder durch organisierten Zwang (Recht)

  2. Geltung = dass soziale Akteure ihre Handlungen an bestimmten Normen oder Maximen orientieren, weil sie diese als verbindlich oder vorbildlich anerkennen. z.B. durch verschiedene innere oder äußere Motive erfolgen: Pflichtgefühl, Glauben, Tradition, Interesse, Angst vor Sanktionen etc.

  3. Unterschiede zwischen Sitte, Konvention und Recht

    • Sitte: unbewusste Gewohnheit, geringe Verbindlichkeit

    • Konvention: bewusste und verbindliche soziale Normen, garantiert durch soziale Mißbilligung, aber ohne speziellen Zwangsapparat

    • Recht: verbindliche Regeln, garantiert durch einen speziell organisierten Zwangsapparat (Richter, Polizei o.ä.)

  4. Legalitätsglaube und Herrschaft

    • Legalität kann auf Vereinbarung (Pakt) oder auf oktroyierter (auferlegter) Herrschaft beruhen.

    • Fügsamkeit (Gehorsam) beruht dabei oft auf einem Glauben an legitime Herrschaft, nicht nur auf Furcht oder Nutzen.

    • Legitimität wird zugeschrieben und beruht auf folgenden Legitimitätstypen

      • Tradition: Ordnung gilt, weil sie immer so war, und wegen der Angst vor magischen oder sozialen Nachteilen bei Änderung

      • Affektueller Glauben: Emotionale Bindung an eine Ordnung, z.B. bei neuen Offenbarungen oder Vorbildern

      • Wertrationaler Glauben: Überzeugung von absoluter Gültigkeit einer Ordnung (z.B. Naturrecht)

      • Legalitätsglaube: Vertrauen in die formale Legitimität von Gesetzen oder Regeln, auch wenn sie oktroyiert (von oben auferlegt) sind

  5. Ethik als spezielle Norm und beruht meist auf innerem wertrationalen Glauben, kann aber auch durch Konventionen oder Recht unterstützt werden.

    • Ethik muss nicht unbedingt durch äußere Zwangsmittel garantiert sein.


Soziale Beziehung (Max Weber)

Eine soziale Beziehung ist ein auf einander eingestelltes und daran orientiertes sinnhaftes Verhalten mehrerer, das in einer bestimmbaren Weise des sozialen Handelns besteht.


Kernmerkmale:

  1. Wechselseitige Orientierung: Mindestens ein gegenseitiger Bezug im Handeln ist notwendig, Inhalt spielt keine Rolle (z. B. Freundschaft, Kampf, Vertrag, Konkurrenz).

  2. Subjektiver Sinnbezug: Es zählt nur der empirisch gemeinte Sinn der Beteiligten, nicht ein „richtiger“ oder „wahrer“ Sinn. → Soziale Beziehungen bestehen nur, solange die Chance für bestimmtes sinnhaftes Handeln besteht

  3. Keine zwingende Gegenseitigkeit des Sinns: → Beziehung kann objektiv einseitig sein, z. B. wenn nur eine Partei Liebe empfindet, aber auf eine bestimmte Einstellung beim Gegenüber vermutet und ihr Handeln daran ausrichtet.

  4. Dauer oder Vorübergehendes: Soziale Beziehungen können kurzfristig oder dauerhaft sein. Entscheidend ist die Wahrscheinlichkeit, dass sinnentsprechendes Handeln wiederkehrt.

  5. Sinnwandel: Der Sinngehalt sozialer Beziehungen kann sich wandeln (z. B. Solidarität → Interessenkonflikt). → Ob man von einer neuen Beziehung oder einem neuen Sinn der bestehenden spricht, ist terminologische Zweckfrage.

  6. Formulierbare Maximen: Besonders bei rational orientierten Beziehungen (zweck- oder wertrational)→ Bei affektuellen Beziehungen (z. B. Liebe, Pietät) ist dies weniger möglich.

  7. Vereinbarung durch Zusage: Beziehungen können durch gegenseitige Versprechen stabilisiert werden. Beteiligte orientieren ihr Handeln an der Erwartung, dass der andere sich an den gemeinten Sinn der Vereinbarung hält (zweck- und/oder wertrational).


Offene und Geschlossene Soziale Beziehungen

Offene Beziehung: Eine soziale Beziehung ist offen, wenn niemand, der tatsächlich fähig und willens ist, an dem gegenseitigen sozialen Handeln (das diese Beziehung ausmacht) nach den geltenden Regeln ausgeschlossen wird.

  • Motivation: Beteiligte erhoffen sich durch Offenheit eine Verbesserung ihrer eigenen Chancen bezüglich Art, Maß, Sicherheit oder Wert der sozialen Beziehung.

Geschlossene Beziehungen: Eine soziale Beziehung ist geschlossen, wenn ihr Sinngehalt oder die geltenden Ordnungen die Teilnahme beschränken, ausschließen oder an Bedingungen knüpfen.

  • Arten der Schließung: traditionell, affektuell, wertrational oder zweckrational

  • Motivation für Schließung:

    • a) Qualitätserhalt und Prestige (z.B. Orden, Sekten, Beamtenverbände)

    • b) Knappheit der Konsumtionschancen („Nahrungsspielraum“)

    • c) Knappheit der Erwerbschancen („Erwerbsspielraum“)

  • Motivation Rationaler Schließung: Chancen auf Vorteile oder Ressourcen exklusiv zu kontrollieren oder zu begrenzen = Monopolisierung, werden auch als “Rechte” bezeichnet. Es gibt verschiedene Formen, wie diese Rechte verteilt und reguliert werden können:

    • Frei - Beteiligten dürfen diese Chancen frei nutzen und weitergeben, wie sie wollen.

      • Beispiel: Jemand besitzt ein Haus und kann es verkaufen oder verschenken, wie er möchte.

    • Reguliert oder rationiert - Chancen wird durch Regeln eingeschränkt

    • Dauernd und unentziehbar appropriiert - Beispiel: Erbliches Eigentum oder Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, die bestimmte Vorteile vererbt.


Formen geschlossener Beziehungen

  • a) Traditional geschlossen: z.B. Familiengemeinschaften

  • b) Affektuell geschlossen: z.B. persönliche, erotische oder pietätmäßige Beziehungen

  • c) Wertrational geschlossen: z.B. strikte Glaubensgemeinschaften

  • d) Zweckrational geschlossen: z.B. ökonomische Verbände mit Monopolcharakter

Abstufungen zwischen Offenheit und Schließung

  • Übergänge sind oft fließend: Zulassungsleistungen, Ballotage, Noviziate, Mitgliedsanteile, Gebürtigkeit oder Erwerb von Rechten

  • Schließung nach innen kann die Konkurrenz unter Mitgliedern komplett freigeben oder stark regulieren.

  • Das Maß von Offenheit oder Schließung kann stark variieren und wird oft durch soziologische Einzelanalyse bestimmt.

  • Die „Repressalie“ (Rache oder Pfand) ist ein alter und wichtiger Tatbestand in diesem Zusammenhang.


Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung

Vergemeinschaftung: Soziale Beziehung, die auf subjektiv gefühlter Zusammengehörigkeit beruht (affektuell oder traditional).

  • Beispiele: Familie, Brüdergemeinde, nationale Gemeinschaft, kameradschaftliche Truppe.

  • Radikaler Gegensatz zum „Kampf“.

  • Gemeinsame Merkmale (z.B. Sprache, Erbgut) allein schaffen keine Vergemeinschaftung – erst das aufeinander bezogene Verhalten mit gefühlter Zusammengehörigkeit macht Gemeinschaft aus.

  • Gemeinsame Sprache erleichtert soziale Beziehungen, ist aber zunächst nur Verständigungsmittel, keine Vergemeinschaftung.

  • Erst bewusste Gegensätze gegen Außenstehende können Gemeinschaftsgefühl und Vergemeinschaftung erzeugen.

Vergesellschaftung: Soziale Beziehung, basierend auf rational motiviertem Interessenausgleich oder -verbindung (wert- oder zweckrational).

  • Meist auf Vereinbarungen oder gegenseitigen Zusagen beruhend.

  • Reine Typen:

    • a) Zweckrationaler, frei paktierter Markt-Tausch

    • b) Zweckverein (kontinuierliche, sachliche Interessenverfolgung)

    • c) Wertrationaler Gesinnungsverein (rationale Sekte)

  • Häufig Kompromisse zwischen widerstreitenden Interessen, die nur Teile des Konflikts lösen, nicht den Interessengegensatz oder Konkurrenz an sich.

  • Regulierungsordnung: Ordnungen (Regeln, Gesetze) innerhalb einer sozialen Gruppe (Vergesellschaftung) können auf zwei Wegen entstehen, durch:

    • Freie Vereinbarung: Alle oder die meisten Beteiligten stimmen der Ordnung freiwillig und bewusst zu.

    • Oktroyierung und Fügsamkeit: höhere Macht (Regierungsgewalt, Leitung) setzt Regeln durch, ohne dass alle zustimmen. Die anderen müssen sich fügen (fügsam sein), auch wenn sie nicht freiwillig zustimmen.

      • Beispiel: Ein Mehrheitsbeschluss, bei dem die Minderheit sich fügen muss, ist ebenfalls eine Form von Oktroyierung.

Übergänge und Mischformen:

  • Viele soziale Beziehungen haben sowohl Vergemeinschaftungs- als auch Vergesellschaftungscharakter.

  • Zweckrationale Beziehungen können Gefühlswerte entwickeln (z.B. langjährige Kolleg*innen).

  • Vergemeinschaftung kann teilweise zweckrational orientiert werden.


Verband nach Max Weber

Ein Verband ist eine besondere Art von geschlossener sozialer Beziehung, die sich dadurch auszeichnet, dass sie eine festgelegte Ordnung hat — und dass diese Ordnung aktiv durch bestimmte Personen durchgesetzt wird.


Wesentliche Merkmale:

  • Ein Verband ist eine soziale Gruppe mit festen Ordnungen, die von einem Leiter und einem Verwaltungsstab durchgesetzt werden.

  • Es gibt verbindliche Regeln und Hierarchien.

  • Handeln im Verband ist organisiert und auf die Einhaltung der Ordnung ausgerichtet.

  • Nur durch das Vorhandensein eines solchen Leiters und Verwaltungsstabes entsteht ein Verband im soziologischen Sinne.


Leitung und Verwaltungsstab

  • Die Leitung bzw. die sogenannten Regierungsgewalten können:

    • a) Eigentum (Appropriation) sein, also dauerhaft an bestimmte Personen gebunden sein,

    • oder b) durch die Verbandsordnung zeitlich begrenzt bestimmten Personen zugewiesen werden.


Verbandshandeln

  • Das Handeln des Leiters/Verwaltungsstabes, das die Ordnung durchsetzt, nennt man Verbandshandeln.

  • Dazu gehört z.B.:

    • Anordnungen, die von der Leitung erlassen werden,

    • Maßnahmen, die der Verwaltungsstab durchführt,

    • und das von den Mitgliedern (Verbandsbeteiligten) geleitete Handeln, das die Ordnung sicherstellt (z.B. Abgaben zahlen, Militärdienst leisten).

    • „Verfassung“ eines Verbandes beschreibt die tatsächlichen Möglichkeiten und Bedingungen, unter denen die Mitglieder sich der Oktroyierung durch die Regierungsgewalt fügen müssen. Dabei geht es nicht um juristische Verfassungen, sondern um reale Macht- und Akzeptanzstrukturen

Unterschiede zu anderen sozialen Beziehungen

  • Nicht jede geschlossene Gruppe ist ein Verband.

  • Z.B. eine erotische Beziehung oder eine Sippengemeinschaft ohne Leiter sind kein Verband.

  • Ein Verband benötigt zwingend den Leiter oder Verwaltungsstab mit der Aufgabe, Ordnung zu erzwingen.

  • Ohne die Chance auf solches Handeln gibt es nur eine soziale Beziehung, aber keinen Verband.

Beispiele für Verbandshandeln

  • Ein Staat, der Krieg führt.

  • Ein Vereinsvorstand, der einen Beschluss fasst.

  • Ein Vertrag, den der Leiter abschließt und für alle Mitglieder verbindlich ist.

  • Verwaltung und Rechtsprechung.

Autonomie und Hierarchie im Verband

  • Autonomie vs. Heteronomie

    • Autonom: Die Ordnung wird von den Mitgliedern selbst gemacht.

    • Heteronom: Die Ordnung wird von Außenstehenden vorgegeben.

  • Autokephalie vs. Heterokephalie

    • Autokephal: Leiter und Verwaltungsstab werden intern (aus dem Verband) bestimmt.

    • Heterokephal: Leiter und Verwaltungsstab werden von außen bestimmt.

Mischformen

  • Ein Verband kann in bestimmten Bereichen autonom, in anderen heteronom sein.

  • Ein Verband kann autokephal und in anderen Aspekten heterokephal sein.

  • Beispiel:

    • Deutsche Bundesstaaten vor 1918 waren autokephal (eigene Leitung) aber heteronom (untergeordnetem Reich).

    • Ein Regiment innerhalb eines Heeresverbandes ist heteronom und heterokephal — es gehört zu einem größeren Verband.


Eine Ordnung, welche Verbandshandeln regelt, soll Verwaltungsordnung heißen.

  • Das sind die Regeln, die das Verbandshandeln selbst steuern.

  • Gebietsverband: Ordnungen können auch Nicht-Mitgliedern (Ungenossen) oktroyiert werden, z.B. wenn sie sich im Gebiet des Verbandes aufhalten oder bestimmte Handlungen dort vornehmen.

    • Beispiele: Strafrecht oder andere Rechtsnormen, die aufgrund von Anwesenheit im Gebiet gelten.

  • Verwaltungsverband: Verband, der sich ausschließlich an Verwaltungsordnungen orientiert

    • steuert, wie der Verband funktioniert und wie seine Leitung und Mitglieder ihre Rollen erfüllen, um die gemeinsamen Ziele zu erreichen.

  • Regulierender Verband: Verband, der sich ausschließlich an Regulierungsordnungen

    • bestimmt allgemeine Regeln für das Verhalten der Mitglieder in der sozialen Welt außerhalb des internen Verbandshandelns.

Achtung: Die meisten Verbände kombinieren Ordnungsarten: Sie haben sowohl Regeln für das Verbandshandeln selbst (Verwaltungsordnung) als auch Regeln, die das Verhalten außerhalb des Verbandshandelns regulieren (Regulierungsordnung).

Verein, Anstalt und Betrieb nach Max Weber


Verein: funktioniert durch Eintritt

  • Ein vereinbarter Verband

  • Ordnungen gelten nur für Mitglieder, die durch persönlichen Eintritt beigetreten sind

  • Mitgliedschaft ist freiwillig

  • Beispiel: Gewerkschaft, Fußballverein, Partei, Genossenschaft

Anstalt: funktioniert durh ZWang zur Geldung der Ordnung

  • Verband mit rational gesatzten Ordnungen

  • Diese Ordnungen gelten für alle Personen, auf die bestimmte äußere Merkmale zutreffen (z. B. Wohnsitz, Geburt, Nutzung von Angeboten)

  • Oktroyierte Ordnung: Gültigkeit unabhängig von persönlichem Beitritt

  • Beispiele: Staat, öffentliche Schule, rational organisierte Kirche

Unterschiedung:

Merkmal

Verein

Anstalt

Beitritt

Freiwillig, persönlich

Nicht notwendig – Ordnungen gelten automatisch

Geltung der Ordnung

Nur für Mitglieder

Für alle mit bestimmten äußeren Merkmalen

Zwangscharakter

Keine Oktroyierung

Oktroyierte Ordnung

Beispiel

Partei, Verband

Staat, Kirche, Schule


Betrieb: beschreibt die kontinuierliche Handlung – egal ob im Staat, der Kirche oder im Unternehmen.

  • Kontinuierliches Zweckhandeln bestimmter Art: eine dauerhafte, planvolle Tätigkeit, mit der ein bestimmtes Ziel verfolgt wird.

  • Gilt für politische, religiöse, wirtschaftliche oder sonstige dauerhafte Handlungszusammenhänge

    • Beispiele: Bildungsbetrieb (Schule, Ziel: Bildung), medizinischer Betrieb (Krankenhaus, Ziel: Gesundheitswiederherstellung)

  • Wenn institutionalisiert: → Betriebsverband = Vergesellschaftung mit kontinuierlich zweckhandelndem Verwaltungsstab: Gruppe (ein Verband), die einen solchen Betrieb dauerhaft organisiert und durchführt

    • z.B. Stadtverwaltung betreibt eine Schule



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Cathérine C.

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