Horaz
Primär deskriptiv: Aristoteles beschreibt und ordnet Dichtkunst – er gibt keine direkten Vorschriften zum „richtigen Dichten“.
Philosophischer Fokus: Es geht ihm um Verstehen und Erklären der Gattungen der Dichtkunst.
Vergleich: Wie ein Tischler oder Töpfer seine Werke in Formen und Materialien unterscheidet, so unterscheidet Aristoteles die Dichtungen.
Bevorzugung der Tragödie: Er hebt Tragödien hervor, lässt aber die lyrischen Formen außen vor. 🎭
Ars Poetica von Horaz (65-8 v. Chr.) ist normativ: Sie gibt Anleitungen zur Dichtkunst.
Horaz als Dichter: Er spricht als Dichter und nennt die Regeln, die er für wichtig hält.
Zitat: „Discriptas seruare uices …“ – „Wenn ich die festgelegten Unterschiede und den Stil einer Gattung nicht kenne, was soll ich als Dichter tun?“
Ziel: Dichter müssen Gattungen und Stile kennen, um als Dichter anerkannt zu werden. 📝
Poetik als „Rezept“: Horaz sieht Gattungswissen als Grundlage für das Schreiben – ein Dichter schreibt nie „irgendetwas“, sondern immer etwas Bestimmtes.
Gattungspoetik: Poetik wird hier als Gattungspoetik verstanden – Dichter müssen die Regeln und Formen kennen, um gut zu schreiben.
Regelkenntnis als notwendige Bedingung:
Wissen über Gattungen: Ein Dichter muss wissen, in welche Gattung er sein Werk einordnet – ob Tragödie, Komödie oder Versepistel.
Kritik an der Rezeptbeachtung:
Manche finden es zu starr, da sie denkt, dass man „nur Regeln befolgen muss, um Dichter zu werden“.
Es könnte das Neue und Innovative verhindern.
Rechtfertigung:
Horaz fordert nicht bloße Regelbefolgung, sondern Regelkenntnis als notwendige Voraussetzung.
Unter dieser Voraussetzung können sich auch neue Gattungen entwickeln (z.B. die Versepistel von Horaz).
Creative Writing Kurse: Auch heute noch vermitteln viele Schreibworkshops und Kurse an Universitäten Gattungswissen.
Aber die Gattungen sind nicht mehr nur Tragödie, Komödie oder Versepistel. Sie sind nun zum Beispiel:
Short Story ✒️
Detektivroman 🔍
Memoir 📖
Aristoteles: Deskriptive Poetik ohne feste Vorschriften für Dichter.
Horaz: Normative Poetik, die sich als Anleitung für das Schreiben versteht und die Kenntnis von Gattungenerfordert.
Heute: Gattungswissen ist weiterhin wichtig, aber moderne Gattungen haben sich weiterentwickelt.
Unterschied Regelpoetiken zur heutigen Zeit
Kontext: Die normativen Poetiken entstehen vor allem im praktischen Bereich, wo Literaturproduzenten ihr Wissen weitergeben.
Philosophischer Fokus? → Nicht so sehr philosophisch!
Kein wissenschaftlicher Ansatz in der Antike – Literaturwissenschaft entsteht erst im 19. Jahrhundert.
Lyrische Formen sind besonders schwer zu systematisieren:
Beispielhafte Formen: Versepisel, Sonett, Ode, Elegie.
Kein vernunftgegründeter Grund, warum eine Form genau so sein muss, wie sie ist.
Beschreibung statt Regelsetzung: Man beschreibt, was sich bewährt hat und empfiehlt es zur Nachahmung.
Latein als Sprache der Poetik:
Frage: Wie integrieren wir volkssprachliche Dichtungen in die Gattungspoetik?
Volkssprachige Dichtungsformen:
Dante (1303/1304) in De vulgari eloquentia (Über das Dichten in der Volkssprache) formuliert einen Kanon lyrischer Formen (Kanzone, Ballade, Sonett).
Auch Dante beschäftigt sich mit der Volkssprache und der Liedkunst seiner Zeit.
Kontext: Entstehung während des Barock und des Dreißigjährigen Krieges.
Opitz nimmt Bestimmungen aus der Tradition auf und formuliert normative Gattungsdefinitionen.
Tragödie:
Beschreibt höhere gesellschaftliche Schichten (Könige, Kriege, Verzweiflung, Tod).
Ein hoher Erzählstil, der sich mit „großen Themen“ beschäftigt.
Komödie:
Geringer gesellschaftlicher Stand, Themen wie Hochzeiten, Gastmahl, Betrug, Schalkheiten.
Komik entsteht durch das Alltägliche und das Normabweichende.
Satire:
Gegenstand: Lehre von guten Sitten, moralischen Werten.
Stil: Schmerzliche Kritik und Spott.
Widersprüchlich: Opitz ordnet sie der epischen Gattung zu, obwohl sie eher nicht-episch ist.
Epigramm:
Kurze Form, ursprünglich eine Inschrift auf Gräbern oder Kunstwerken.
Widerspricht der strikten Kategorisierung und wird unter Satire eingeordnet.
Lyrische Gattungen werden weiter ausgeführt:
Elegien, Hymnen (Lobgesänge), Eclogen (Hirtenlieder), und speziell für die Musik genutzte Lyrik.
Keine klare Lyrik-Definition:
Opitz hat keinen übergreifenden Begriff für Lyrik als Gattung.
Stattdessen behandelt er die Vielfalt der lyrischen Formen.
Lyrik in der Poetik:
Verse gelten als zentrales Merkmal der Dichtkunst.
In der modernen normativen Poetik werden nicht-gebundene Redeformen (wie der Roman) nicht thematisiert.
Einfluss auf die Gegenwart:
Poetik hat immer noch normative Effekte, wenn es um die Lehre von Gattungen geht – in Schreibkursenoder literarischen Workshops.
Normative Poetiken entstanden im praktischen Bereich der Literaturproduktion und fokussieren Gattungswissen.
Opitz’ Poetik war maßgeblich für die deutsche Gattungstheorie im Barock.
Auch heute spielt Gattungswissen eine Rolle, aber die Gattungen haben sich weiterentwickelt und umfassen moderne Formen wie Roman oder Memoir.
Gottscheds Poetik
Zeitlicher Kontext:
Gottsched’s Werk ist die letzte große deutsche Regelpoetik im 18. Jahrhundert.
Einfluss der Aufklärung: Dialog mit den französischen und englischen Entwicklungen in der Poetik und den Systematisierungsbestrebungen der Frühaufklärung.
Gottsched stellt alle Dichtung unter das Diktat der Nachahmung.
Er unterscheidet drei Arten der Nachahmung:
Beschreibung von natürlichen Dingen 🌿:
„Bloße Beschreibung“ oder lebendige Schilderung von natürlichen Dingen, ihren Schönheiten oder Fehlern.
Geringste Form der Nachahmung, dient der Veranschaulichung und Darstellung.
Nachahmung von Gemütsempfindungen 😔:
Der Dichter spielt die Person eines anderen oder beschreibt deren Gefühle in bestimmten Situationen.
Diese Form ist schon anspruchsvoller, da sie tiefere emotionale Empfindungen nachahmt.
Die höchste Form der Nachahmung – die Fabel 🦄:
Nachahmung von handelnden Menschen in Form einer Fabel, die moralische Wahrheiten vermittelt.
Gottsched beschreibt die Fabel als „ein Stücke von einer anderen Welt“, eine erdichtete Geschichte, die tiefere moralische Bedeutungen hat.
Hier ist der Bezug zu Aristoteles' mýthos (Fabel) deutlich.
Gottsched erweitert die Idee der Fabel auf Drama, Epos und den Roman.
Drama und Epos enthalten also ebenfalls Fabeln (erdichtete Geschichten).
Roman als „Historie aus einer anderen Welt“:
Christian Wolff’s Gedanke: Ein guter Roman ist eine Fabel, die nichts Widersprechendes enthält und wie eine Geschichte aus einer anderen Welt erscheint.
Fabel als gattungsübergreifendes Merkmal:
Drama, Epos und Roman enthalten alle Elemente der Fabel.
Lyrische Formen werden nicht berücksichtigt, wenn es um die Definition der Fabel geht.
Die unteren Formen der Nachahmung (Beschreibung von natürlichen Dingen und Nachempfindung von Gemütszuständen) kommen auch außerhalb der lyrischen Formen vor:
Beispiel: In der Ilias finden sich viele Beschreibungen.
Theatralische Poesie basiert ebenfalls auf der Nachahmung von Gemütszuständen und Charakteren.
Gottsched’s Poetik baut auf der Tradition der Nachahmung auf, unterscheidet aber die Formen der Nachahmung in drei Stufen:
Beschreibung (natürliche Dinge)
Nachahmung von Gemütsempfindungen
Fabel (höchste Form) – die auch das Drama, Epos und Roman umfasst.
Fabel als gattungsübergreifendes Element: Sie ist ein zentrales Merkmal aller wichtigen Gattungen, aber lyrische Formen sind nicht Teil dieser Betrachtung.
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