(Folie 6) Welche 3 Kernsymptome zeichnen eine autistische Störung aus?
Störung der sozialen Interaktion & Kommunikation
Eingeschränkte, stereotype Verhaltensmuster und Interessen
Hypersensibilität (Überempfindlichkeit)
(Folie 7) Wie unterscheidet der ICD-10 verschiedene Formen des Autismus?
• Frühkindlicher Autismus: Symptome treten vor dem 3. Lebensjahr auf
• Atypischer Autismus: Symptome treten erst später oder nicht vollständig auf
• Typischer Autismus (Asperger-Syndrom)
Details merken:
In dieser Vorlesung beziehen sich alle Studien auf typischen Autismus = Asperger-Syndrom.
(Folie 9) Können Autisten Emotionen in Gesichtern erkennen – und wie gut im Vergleich zu Nicht-Autisten?
Studie Dalton et al. (2005):
• Normale Menschen: 98,5 % richtig
• Autisten: 85,3 % richtig
➝ Autisten erkennen Emotionen grundsätzlich, aber langsamer und ungenauer.
Trotzdem deutlich über Zufallsrate (50 %).
(Folie 9) Wie unterscheiden sich Autisten in der Reaktionszeit beim Erkennen von Emotionen?
• Normale Menschen: ~1.110 ms
• Autisten: ~1.330 ms
➝ Autisten brauchen länger, um zu entscheiden, ob ein Gesicht emotional oder neutral ist.
(Folie 11) Wohin schauen Autisten im Gesicht – im Vergleich zu Gesunden?
Studie Klin et al. (2002):
• Gesunde: Fokus auf Augenregion
• Autisten: Fokus auf Mundregion
(Folie 12) Warum schauen Autisten bevorzugt auf die Mundregion?
• Je länger Autisten die Mundregion anschauen, desto besser gelingt soziale Anpassung
• Augenkontakt wird vermieden
• Stattdessen: Emotionserkennung über den Mundbereich
(Folie 14) Ist das fusiform face area (FFA) bei Autisten defekt – also das Hirnareal für Gesichtserkennung?
Studien (Kanwisher & Yovel, 2006):
• FFA ist bei Autisten nicht grundsätzlich defekt
• Aktivierung hängt – wie bei Gesunden – davon ab, wie lange ein Gesicht angeschaut wird
(Folie 15) Was zeigt die Studie von Dalton et al. (2005) über die FFA-Aktivierung bei Autisten?
• Je kürzer ein Gesicht angeschaut → desto weniger Aktivierung im FFA
• Gilt für Autisten und Gesunde
➝ Das FFA funktioniert prinzipiell normal
(Folie 16) Was verrät die Fallstudie von Grelotti et al. (2005) über einen 12-jährigen Autisten?
• Er erkennt Digimon-Figuren besser als die Gesichter seiner Familie
• Seine FFA reagiert stärker auf Digimon als auf Familiengesichter
➝ FFA ist funktionsfähig, aber auf andere Reize spezialisiert
(Folie 17) Wie beschreiben Autisten selbst den Augenkontakt?
(Zitate aus Trevisan et al., 2017)
• „…dreht mir den Magen um, wie Übelkeit“
• „…ist körperlich schmerzhaft“
• „…wie ein Schock, steigert Panik“
➝ Augenkontakt wird oft als unangenehm bis schmerzhaft empfunden.
(Folie 18–20) Was zeigt die Amygdala-Aktivierung beim erzwungenen Augenkontakt?
Studie Hadjikhani et al. (2017):
• Bei Cross-Bedingung (auf Augen schauen müssen):
– Amygdala stärker aktiviert → Angstreaktion, auch bei neutralen Gesichtern
• Bei No-Cross-Bedingung (freies Schauen):
– Amygdala-Aktivierung gering und ähnlich wie bei Gesunden
➝ Das Angstgefühl beim Augenkontakt ist neurowissenschaftlich messbar.
(Folie 22) Was bedeutet Empathie – und welche zwei Formen werden unterschieden?
Kognitive Empathie: Erkennen, was eine andere Person fühlt
Emotionale (affektive) Empathie: • Direkt: Mitfühlen mit der Person • Indirekt: Eigene emotionale Erregung beim Anblick
(Folie 23–24) Wie schneiden Autisten im Multifaceted Empathy Test (Kinder) ab?
Studie Poustka et al. (2010):
• Kognitive Empathie: schwächer – Emotionen schlechter erkannt
• Nach Feedback: konnten sie genauso gut mitfühlen wie Gesunde
• Affektive Empathie: keine Unterschiede
(Folie 25–26) Wie sieht das Ergebnis des Empathie-Tests bei Erwachsenen-Autisten aus?
Studie Dziobek et al. (2008):
• Kognitive Empathie: signifikant schwächer
• Affektive Empathie (direkt & indirekt): keine Unterschiede zu Gesunden
(Folie 27) Was sagt Isabel Dziobek über Empathie bei Autisten?
• Kein generelles Fehlen von Empathie
• Problem liegt im „Lesen“ sozialer Zeichen (z.B. Gesichtsausdruck)
• Mit korrektem Hinweis auf Gefühle reagieren Autisten emotional adäquat
(Folie 29) Was bedeutet das Intense World Syndrom bei Autisten?
• Autisten sind hypersensibel: alle Sinnesreize (Hören, Sehen, Fühlen, Riechen, Schmecken) werden verstärkt wahrgenommen
• Beispiel: Ein Autist hört das Fallen eines Blattes deutlich lauter als ein Nicht-Autist
➝ Überflutung durch Reize = „intense world“
(Folie 30) Welche neurowissenschaftliche Erklärung für das Intense World Syndrom zeigte die Rattenstudie von Markram (2010)?
In Autismus-Modellratten fanden sich:
• Mehr erregende Synapsen in sensorischen Arealen, Amygdala & Hippocampus
• Reaktion auf Reize:
– Mehr EPSPs (postsynaptische Potenziale)
– Mehr Aktionspotenziale
➝ Nervenzellen reagieren überstark
(Folie 31) Was zeigen menschliche Studien zur Gehirnstruktur bei Autisten?
• Bestimmte sensorische Areale (z. B. visueller Kortex) sind größer als bei Gesunden
• Dieser Unterschied zeigt sich schon im Alter von 6–12 Monaten und bleibt auch in der Jugend bestehen
(Folie 32) Wie schützen sich Autisten gegen die Reizüberflutung?
• Stereotype Verhaltensmuster (z. B. immer gleiche Mahlzeiten, starre Tagespläne)
• Eingeschränktes, aber sehr detailliertes Spezialinteresse (z. B. Raumfahrt)
(Folie 33) Welchen Zusammenhang gibt es zwischen stereotypem Verhalten und der Amygdala?
• Je stärker die Stereotypien → desto kleiner die Amygdala
• Erklärung:
– Stereotypes Verhalten beruhigt → weniger Angst
– Amygdala-Neuronen werden weniger gebraucht → können abgebaut werden
Last changed6 days ago