(Folie 3) Was bedeutet „Lateralisation“ im Gehirn genau?
Definition Lateralisation:
• Eine Funktion wird überwiegend in nur einer Gehirnhälfte verarbeitet.
• Diese einseitige Verarbeitung findet sich bei den meisten Menschen, aber nicht bei allen.
• Es gibt Ausnahmen – Lateralisation ist keine starre Regel.
(Folie 4) Warum reicht ein reines MRT-Bild nicht aus, um Sprach-Lateralisation nachzuweisen?
• Strukturelle Unterschiede (z. B. größerer sekundärer auditorischer Kortex links) zeigen nur eine anatomische Asymmetrie.
• Aber: Funktion = Sprachverarbeitung → muss experimentell überprüft werden, nicht nur aus Struktur abgeleitet werden.
(Folie 5) Wie zeigt der dichotische Hörtest eine Lateralisation der Sprache?
Ablauf:
• Gleichzeitig zwei unterschiedliche Silben ins rechte & linke Ohr.
• Beispiel: rechts „ga“, links „ba“.
Ergebnis:
• Rechtsohrvorteil → rechte Silbe wird bevorzugt gehört.
• Erklärung: Signale vom rechten Ohr gehen stärker in die linke Hemisphäre, wo Sprache bevorzugt verarbeitet wird.
(Folie 6) Wie funktioniert der Wada-Test und was verrät er über Sprach-Lateralisation?
• Natrium-Amobarbital wird in die linke oder rechte Arteria carotis interna injiziert → eine Hemisphäre wird kurzfristig „ausgeschaltet“.
Beobachtung:
• Sprachausfälle (Aphasie) fast nur nach linksseitiger Injektion.
• Zusätzlich: Hemiparese auf der gegengesetzten Körperseite (z. B. rechte Lähmung bei linksseitiger Injektion).
(Folie 7) Was zeigt der Einsatz von TMS (Transkranialer Magnetstimulation) über dem Broca-Areal?
Prinzip:
• Magnetspule stört kurzzeitig elektrische Aktivität → „künstliche Läsion“.
• Nur bei Stimulation des inferioren frontalen Gyrus (Broca-Areal) der linken Hemisphäre: kurzfristiger Sprachausfall.
• Ausnahme: Bei Linkshändern kann das Broca-Areal auch rechts liegen.
(Folie 8) Warum beeinträchtigt Splitbrain nicht das Sehen, aber die Benennung gesehener Objekte?
• Chiasma opticum (Kreuzung der Sehnerven) bleibt bei Splitbrain intakt → visuelle Information gelangt in die jeweils gegenüberliegende Hemisphäre.
• Aber: Bei durchtrenntem Corpus callosum kann die Information nicht mehr zur linken Hemisphäre weitergeleitet werden → keine sprachliche Benennung möglich.
(Folie 9) Wie zeigt sich ein Splitbrain-Effekt konkret im Verhalten?
• Intaktes Corpus callosum: visuelle Info von rechts → kann über Balken in die linke Hemisphäre → Benennung möglich.
• Durchtrenntes Corpus callosum: visuelle Info von links → bleibt in der rechten Hemisphäre → Sehen ja, Benennen nein.
(Folie 10) Welche Haupttypen von Aphasie entstehen typischerweise nach einem linksseitigen Schlaganfall?
Aphasie = Sprachausfall (nach Schädigung sprachrelevanter Areale):
Broca-Aphasie: Sprachproduktion gestört
Wernicke-Aphasie: Sprachverständnis gestört
Globale Aphasie: beides betroffen
(Folie 11) Wie unterscheiden sich Broca- und Wernicke-Aphasie in den Symptomen?
• Broca-Aphasie:
– Sprachverständnis erhalten
– Sprachproduktion: kurze, einfache Wörter → Telegrammstil
• Wernicke-Aphasie:
– Sprachverständnis stark gestört
– Sprachproduktion: lange, verschachtelte, aber sinnlose Sätze
(Folie 12) Wie wirken sich Broca- und Wernicke-Aphasie auf Schreiben und Lesen aus?
• Broca-Aphasie: gleiche syntaktische Störung wie beim Sprechen → kurze, fehlerhafte Satzfragmente.
• Wernicke-Aphasie: paraphasische Entstellungen (Wortverwechslungen), stark beeinträchtigtes Textverständnis.
(Folie 13) Was passiert bei einer globalen Aphasie?
• Defekte in Broca- und Wernicke-Areal
• Sprechen & Sprachverständnis massiv gestört:
– oft nur einzelne Silben/Wörter
– stereotype Wiederholungen
– kaum Sprachverständnis
(Folie 14) Was beschreibt das Wernicke-Geschwind-Modell der Sprachverarbeitung?
Phasenmodell – Zuordnung von Funktionen zu Arealen:
Primärer auditorischer Kortex: Analyse von Lauten (Tonhöhe, Lautstärke)
Wernicke-Areal (sek. auditorischer Kortex): Sprachverständnis → „Was für ein Wort?“
Broca-Areal (inf. frontaler Kortex): Sprachproduktion
Motorischer Kortex: Artikulation & Aussprache
Merken: Wernicke & Broca sind bei den meisten Menschen linkshemisphärisch.
(Folie 16) Wie verteilt sich die Sprach-Lateralisation bei Rechts- vs. Linkshändern?
• Rechtshänder: fast alle mit Broca- & Wernicke-Areal links
• Linkshänder: sehr uneinheitlich →
– 23–78 %: linksseitig
– 9–66 %: beidseitig
– 11–19 %: rechtsseitig
(Folie 16) Haben alle Linkshänder ihre Sprachverarbeitung rechts?
Nein! Bei Linkshändern gibt es drei Möglichkeiten:
Linksseitige Sprachareale (häufigster Fall)
Beidseitige Sprachareale
Rechtsseitige Sprachareale (seltener)
(Folie 18) Welche Theorie zur Entstehung von Händigkeit stellte Fred Previc (1991) auf?
• Lage des Fötus im Mutterleib beeinflusst Händigkeit:
– Kopf nach unten & rechtes Ohr nach außen → rechtsseitiges Gleichgewichtssystem trainiert
– Folge: rechte Körperseite übernimmt mehr Fähigkeiten, inkl. Händigkeit
Details merken:
• Nur eine Theorie von vielen – bis heute keine endgültige Erklärung.
(Folie 20) Wie zeigt sich Neglekt im Verhalten von Patient:innen?
• Aufmerksamkeit wird nach rechts verzogen, selbst wenn dort nichts ist.
• Patient:innen übersehen Personen oder Objekte, die direkt vor ihnen stehen.
(Folie 21) Warum ist Neglekt keine Sehstörung, sondern eine Aufmerksamkeitsstörung?
• Visueller Kortex bleibt intakt → Sehen grundsätzlich normal.
• Betroffen: Aufmerksamkeitsareale der rechten Hemisphäre, z. B.:
– inferiorer parietaler Kortex
– superiorer & medialer temporaler Kortex
– ventraler präfrontaler Kortex
(Folie 22) Was passiert bei Neglekt mit Objekten auf der linken Seite?
• Linksseitige Objekte oder Teile werden nicht wahrgenommen.
• Ursache: Aufmerksamkeit nach rechts verschoben.
• Typische Tests: „Linien durchstreichen“ → linke Linien bleiben unmarkiert.
(Folie 23) Wie verarbeitete der Künstler Anton Räderscheidt seinen Neglekt nach einem Schlaganfall?
• In seinen Selbstporträts zeigte er anfangs nur die rechte Seite seines Gesichts.
• Mit der Genesung erschienen nach und nach auch die linken Gesichtshälften wieder in den Bildern.
(Folie 24) Betrifft Neglekt nur die Wahrnehmung oder auch die Vorstellungskraft?
• Neglekt betrifft auch die räumliche Vorstellung.
• Beispiel: Patient:innen stellen sich nur die rechte Seite eines mentalen Bildes vor.
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