(Seite 2) Warum sind Theorien in der Entwicklungspsychologie überhaupt wichtig?
Theorien dienen als Leitlinien der Forschung:
Sie liefern kohärente Annahmen, um Wirklichkeitsausschnitte zu erklären.
Daraus entstehen Hypothesen, die empirisch überprüft werden können.
Details merken:
Eine gute Theorie muss sich an Forschungsergebnissen messen lassen und kann Denkfokus und Fragestellungen steuern (z. B. „Kann Sensibilität Entwicklungsnachteile bringen?“).
(Seite 50) Wie helfen Theorien, Forschungsergebnisse zu ordnen?
Theorien strukturieren empirische Befunde:
Sie schaffen Zusammenhänge zwischen Einzelbeobachtungen.
Dadurch wird das Verständnis komplexer Entwicklungsphänomene vertieft.
(Seite 51–52) Warum ist jede Theorie immer nur ein Ausschnitt der Wirklichkeit?
Theorien reduzieren Komplexität, indem sie Aspekte ausblenden:
Sie zeigen bestimmte Perspektiven auf Phänomene.
Kein Modell erfasst die gesamte Realität – jede Theorie beleuchtet nur einen Ausschnitt.
(Seite 7) Welche fünf grundlegenden theoretischen Ausrichtungen prägen die Entwicklungspsychologie?
Die Entwicklungspsychologie kennt fünf Hauptausrichtungen, die sich im Fokus und Steuerungsmechanismus unterscheiden:
Psychoanalytisch – das Unbewusste und sozioemotionale Prozesse
Lerntheoretisch – Verhalten, exogene Steuerung
Kognitiv – Informationsverarbeitung, endogene Steuerung
Psychobiologisch – evolutionäre Angepasstheit, endogene Steuerung
Ökologisch – Kontext und Umwelt, exogene Steuerung
(Seite 8) Wer sind die wichtigsten Vertreter der zentralen theoretischen Richtungen?
Bedeutsame Vertreter:innen:
Psychoanalytisch: Freud, Erikson, A. Freud, Klein, Winnicott
Lerntheoretisch: Pavlov, Skinner, Watson, Bandura
Kognitiv: Piaget, Vygotsky
Psychobiologisch: Lorenz, Bowlby, Ainsworth
Ökologisch: Bronfenbrenner, Vygotsky
Vygotsky ist sowohl im kognitiven als auch im ökologischen Ansatz zentral, da er die Bedeutung sozialer Kontexte betont.
(Seite 11) Welche drei Bewusstseinsarten unterscheidet Freud in seinem topographischen Modell?
Freud unterschied drei Bewusstseinsarten:
Bewusstes – aktuelle Wahrnehmungen & Gedanken
Vorbewusstes – Erinnerungen, die durch Aufmerksamkeit zugänglich sind
Unbewusstes – verdrängte Triebe & Emotionen, nur durch Psychoanalyse erreichbar
Das Unbewusste ist zentraler Ort innerer Konflikte – nur therapeutisch zugänglich.
(Seite 12) Welche Instanzen prägen laut Freud die Persönlichkeit?
Nach Freuds Drei-Instanzen-Modell:
Es → Quelle unbewusster Triebe, strebt nach unmittelbarer Befriedigung
Ich → vermittelt zwischen Es, Über-Ich & Realität
Über-Ich → verinnerlichte moralische Normen der Umwelt
Das Ich steht ständig im Konflikt zwischen Triebbefriedigung und Normerfüllung.
(Seite 13) Worin bestehen laut Freud die zentralen Entwicklungsprozesse im psychosexuellen Modell?
Freuds psychosexuelles Entwicklungsmodell beschreibt,
dass sich die Quelle der Lust und Triebbefriedigung mit dem Alter verändert.
In jeder Phase können Konflikte zwischen Triebwünschen und Umweltansprüchen entstehen.
Werden sie nicht gelöst, kommt es zu Fixierungen, die spätere Entwicklung beeinflussen.
(Seite 14) Was geschieht im Ödipus- bzw. Elektrakomplex nach Freud?
In der phallischen Phase:
Kinder erkennen Geschlechtsunterschiede
empfinden Zuneigung zum gegengeschlechtlichen Elternteil
fürchten Rivalität oder Strafe durch den gleichgeschlechtlichen Elternteil → Lösung: Identifikation mit diesem Elternteil, Übernahme von Normen & Werten → Ausbildung von Ich und Über-Ich
(Seite 16) Wie unterscheidet sich Eriksons Ansatz grundsätzlich von Freuds Theorie?
Erikson erweitert Freud um die Ich-Entwicklung und den Lebensspannen-Ansatz:
Entwicklung ist ein lebenslanger Prozess.
In jeder Lebensphase tritt eine psychosoziale Krise auf.
Die Bewältigung dieser Krisen prägt die Persönlichkeit.
Nicht Triebe, sondern der Umgang mit sozialen Anforderungen und Identitätsfragen stehen im Vordergrund.
(Seite 17) Welche acht psychosozialen Krisen beschreibt Erikson?
Urvertrauen vs. Urmisstrauen
Autonomie vs. Selbstzweifel
Initiative vs. Schuldgefühl
Fleiß vs. Minderwertigkeitsgefühl
Identität vs. Rollendiffusion
Intimität vs. Isolation
Generativität vs. Stagnation
Ich-Integrität vs. Verzweiflung
(Seite 53) Was prägt laut Erikson die erste Phase – Urvertrauen vs. Urmisstrauen?
Zentrale Aufgabe: Entwicklung von Urvertrauen durch verlässliche Bindung.
Bei liebevoller Zuwendung → Sicherheit & Vertrauen
Bei Vernachlässigung → Ängste & Hilflosigkeit, Gefahr von Urmisstrauen
Die Bezugsperson repräsentiert die Welt – ihre Reaktion prägt das grundlegende Sicherheitsgefühl.
(Seite 54) Welche Entwicklung steht im Fokus der zweiten Stufe – Autonomie vs. Selbstzweifel?
Kinder (1–3 J.) entwickeln Autonomie durch Exploration und Selbstwirksamkeit.
Gelingt es, eigene Wünsche auszudrücken → Selbstvertrauen & Identität
Wird Exploration unterdrückt → Scham & Zweifel an eigenen Bedürfnissen
Balance zwischen eigenem Willen und sicherer Bindung ist entscheidend.
(Seite 55) Was steht im Mittelpunkt der dritten Stufe – Initiative vs. Schuldgefühl?
Kinder (3–5 J.) entwickeln Initiative durch zielgerichtetes Handeln.
Übermäßige Strenge → Schuldgefühle, moralische Starrheit
Erfolgreiche Bewältigung → „ungebrochene Initiative“ & gesundes Leistungsstreben
(Seite 56) Was beschreibt die vierte Stufe – Fleiß vs. Minderwertigkeitsgefühl?
Kinder (bis Pubertät) streben nach Kompetenz und Werksinn:
Erfolg & Anerkennung → Gefühl von Fähigkeit & Stolz
Überforderung oder Unterschätzung → Minderwertigkeit
Kinder wollen produktiv sein, an der „Erwachsenenwelt“ teilhaben und Bestätigung erleben.
(Seite 57) Was passiert in Eriksons fünfter Stufe – Identität vs. Rollendiffusion?
In der Adoleszenz bildet sich eine kohärente Identität:
Ziel: ein stabiles Selbstbild entwickeln, das zur Gesellschaft passt.
Misslingt dies → Rollendiffusion: Rückzug oder Anschluss an Gruppen zur Identitätssuche.
Erfolgreiche Bewältigung führt zur Tugend der Treue – Fähigkeit, sich trotz Unvollkommenheit der Welt zu engagieren.
(Seite 58) Was kennzeichnet die sechste Stufe – Intimität vs. Isolation?
Im frühen Erwachsenenalter:
Ziel ist der Aufbau intimer, emotional naher Beziehungen.
Misslingt dies → Isolation oder Rückzug aus Gemeinschaften.
Erfolgreiche Bewältigung → Fähigkeit zur Liebe, Akzeptanz von Unterschieden.
(Seite 59) Was steht im Zentrum der siebten Stufe – Generativität vs. Stagnation?
Im mittleren Erwachsenenalter:
Generativität = Sorge für die nächste Generation (Kinder, Lehren, soziales Engagement).
Stagnation = Selbstbezogenheit, Vernachlässigung anderer.
Ausgewogene Generativität → Fähigkeit zur Fürsorge ohne Selbstaufgabe.
(Seite 60) Wie beschreibt Erikson die achte Stufe – Ich-Integrität vs. Verzweiflung?
Im höheren Erwachsenenalter:
Aufgabe: auf das eigene Leben zurückblicken und es annehmen.
Gelingt dies → Ich-Integrität, Weisheit, Frieden mit dem Tod.
Misslingt dies → Verzweiflung, Reue, Angst vor dem Lebensende.
Weisheit bedeutet, Fehler und Glück gleichermaßen anzuerkennen.
(Seite 19) Welche zentralen Stärken und Schwächen weist die Psychoanalyse als Theorie auf?
Stärken:
Grundlegend für Bindungstheorien und therapeutische Praxis
Betonung der Lebensspanne & des Menschen als aktiven Akteur
Schwächen:
Empirisch schwer prüfbar
Wenig Bezug zu Kognition & anderen Entwicklungsbereichen
Krisenmodell erfasst menschliche Entwicklung nur teilweise
(Seite 20) Welche Bedeutung hat die Psychoanalyse in der Gegenwart?
Analytische Psychotherapie bleibt anerkanntes Verfahren
Konzepte wie Übertragung, Abwehrmechanismen, Objektbeziehungen weiterhin zentral
Moderne Integration in andere Richtungen (z. B. Schematherapie)
Fokus auf Beziehungs- & Bindungserfahrungen als prägend für Welt- und Selbstbild
Objekte (Bezugspersonen) können idealisiert oder entwertet werden – das prägt spätere Beziehungsmuster.
(Seite 22) Was ist das zentrale Merkmal lerntheoretischer Konzeptionen?
Entwicklung wird exogen gesteuert, also durch Umweltreize.
Das Innenleben gilt als „Black Box“ – relevant ist das beobachtbare Verhalten.
Fast alles Verhalten ist erlernt, nur wenige Reflexe sind angeboren.
(Seite 23–24) Was versteht man unter klassischem Konditionieren?
Beim klassischen Konditionieren wird eine neue Reiz-Reaktions-Verbindung gelernt:
Ein neutraler Reiz (z. B. Glocke) wird mit einem unbedingten Reiz (z. B. Futter) verknüpft.
Der neutrale Reiz löst schließlich eine konditionierte Reaktion (z. B. Speichelfluss) aus.
Begründet durch Ivan Pavlov (1899) anhand des Speichelflusses bei Hunden.
(Seite 26–27) Wie trug John B. Watson zur Lerntheorie bei?
Watson übertrug Pavlovs Prinzip auf den Menschen.
Er zeigte mit dem „Little-Albert-Experiment“ (1920), dass auch Emotionen konditionierbar sind.
Begründete den Behaviorismus – alle Verhaltensweisen folgen Reiz-Reaktions-Mechanismen.
Watsons Experiment demonstrierte die Erlernbarkeit von Angst durch Kopplung neutraler und bedrohlicher Reize.
(Seite 28) Wie erklärt die moderne Psychologie Angst durch Konditionierung?
Amygdala verknüpft bedrohliche Reize mit Emotionen.
Emotionale Ereignisse werden durch Neurotransmitter besonders stark gespeichert.
Nach der Preparedness-Theorie sind bestimmte Reize (z. B. Spinnen, Höhe) biologisch leichter angstbesetzt.
Diese Selektivität erklärt, warum einige Phobien häufiger auftreten als andere.
(Seite 29) Was versteht man unter operantem Konditionieren nach Skinner?
Beim operanten Konditionieren wird Verhalten durch seine Konsequenzen beeinflusst:
Positive Konsequenzen → Verhalten tritt häufiger auf
Negative Konsequenzen → Verhalten tritt seltener auf
Skinner formulierte: „Wir lernen aus den Konsequenzen unseres Verhaltens.“
(Seite 30–31) Wie funktioniert das Prinzip der „Skinner-Box“?
In der Skinner-Box lernt ein Tier, dass bestimmtes Verhalten (z. B. Hebeldruck) → Futter auslöst.
Ohne Lichtsignal (Stimulus) → keine Verstärkung.
Prinzip: Stimulus → Reaktion → Konsequenz
Das Verhalten wird gezielt verstärkt oder gelöscht – Grundlage vieler Lerntheorien.
(Seite 32) Welche vier Konsequenztypen unterscheidet die Lerntheorie?
Konsequenz
Wirkung
Beispiel
Positive Verstärkung
Verhalten ↑
Lob, Belohnung
Negative Verstärkung
Entfernung unangenehmen Reizes
Bestrafung (Typ I)
Verhalten ↓
Tadel, Schmerzreiz
Bestrafung (Typ II)
Entzug angenehmer Reize (z. B. Handyverbot)
„Verstärkung“ bedeutet Erhöhung der Auftretenswahrscheinlichkeit, „Bestrafung“ deren Senkung.
(Seite 33–34) Worin unterscheiden sich klassisches und operantes Konditionieren?
Merkmal
Klassisches Konditionieren
Operantes Konditionieren
Verhalten
unwillkürlich, reflexhaft
willentlich, zielgerichtet
Mechanismus
Reiz -> Reaktion
Reiz ->’ Reaktion -> Konsequenz
Steuerung
Reizabhängig
Konsequenzabhängig
Beim klassischen Lernen wird ein Reiz gekoppelt – beim operanten wird Verhalten aktiv verändert.
Modelllernen (auch Beobachtungslernen, soziales Lernen oder stellvertretendes Lernen):
Menschen lernen durch Beobachtung anderer Personen.
Das Verhalten anderer wird kognitiv repräsentiert und ggf. nachgeahmt.
Man muss nicht selbst handeln, um zu lernen → stellvertretendes Lernen.
Bandura gilt als Wegbereiter der sozial-kognitiven Lerntheorie.
(Seite 38) Welche vier Voraussetzungen müssen für Modelllernen erfüllt sein?
Vier Prozesse sind notwendig:
Aufmerksamkeit – das Modell wird wahrgenommen.
Behalten – Verhalten wird mental gespeichert.
Motorische Reproduktion – Fähigkeit, das Verhalten auszuführen.
Motivation – Bereitschaft, das Verhalten tatsächlich zu zeigen.
(Seite 39–40) Was beeinflusst die Motivation beim Modelllernen besonders stark?
Motivation steigt, wenn:
das Modell ähnlich oder sympathisch wirkt,
eine emotionale Bindung besteht,
das Modell Erfolg oder Anerkennung erfährt.
→ Unterschied zwischen Kompetenzerwerb (Behalten) und Performanz (Ausführung) – sogenanntes latentes Lernen.
(Seite 41) Wird eher ein Experte oder die Mehrheit imitiert?
Forschung zeigt: Beides!
Kinder orientieren sich je nach Situation entweder an Expert:innen oder an der Mehrheit – und bleiben dabei konsequent bei ihrer Strategie.
(Seite 42) Was bezeichnet die „kognitive Wende“ in der Psychologie?
Die kognitive Wende beschreibt den Übergang vom Behaviorismus zum Kognitivismus:
Betonung innerer Informationsverarbeitungsprozesse.
Das Verhalten wird durch kognitive Bewertung der Umwelt beeinflusst.
Auslöser: Banduras Forschung & Chomskys Kritik am Behaviorismus.
Zitat Chomsky (1988):
„Wir werden immer mehr über das menschliche Leben aus Romanen lernen als aus der wissenschaftlichen Psychologie.“
(Seite 43) Welche Bedeutung hatte die kognitive Wende für die Entwicklungspsychologie?
Fokus auf Kognitionen als aktive Vermittler zwischen Umwelt und Verhalten.
Betonung der Person-Umwelt-Interaktion.
Erhöhung des empirischen Forschungsanspruchs.
Kritikpunkte:
Biologische Faktoren oft vernachlässigt.
Kaum Erklärung für Innovation & Kreativität.
Mensch wird nicht mehr nur als Defizitwesen gesehen.
(Seite 44) Welche Bedeutung haben lerntheoretische Ansätze in der heutigen Psychologie?
Hoher Erklärungs- und Handlungswert für Therapie, Erziehung & Prävention.
Grundlage der Verhaltenstherapie, einem anerkannten Psychotherapieverfahren.
Kombination mit Kognitionen → CBT (Cognitive Behavioral Therapy) = heutiger Standard.
Klassische Prinzipien (z. B. Gegenkonditionierung, Extinktion, Flooding) werden gezielt therapeutisch genutzt.
(Seite 45–46) Wie wird in der Verhaltenstherapie Verhalten analysiert und verändert?
Analyse & Veränderung erfolgen über das SORK-Schema:
S = Stimulus (auslösende Situation)
O = Organismus (innere Bedingungen, z. B. Gedanken, Gefühle)
R = Reaktion (sichtbares Verhalten)
K = Konsequenz (Folgen, die Verhalten verstärken oder hemmen)
Das Schema wird in der CBT genutzt, um z. B. problematisches Verhalten wie Glücksspiel gezielt zu verstehen und zu verändern.
(Seite 61) Was bedeutet der Begriff „Kognitivismus“ im Kontext der Entwicklungspsychologie?
Kognitivismus betont die Rolle innerer Informationsverarbeitungssysteme:
Kognitive Strukturen beeinflussen Wahrnehmung, Lernen und Verhalten.
Das innere System steht ständig in Wechselwirkung mit äußeren Informationen.
Lernen = aktive Verarbeitung neuer Informationen auf Basis vorhandener Schemata.
(Seite 61) Welche Rolle spielt Jean Piaget für den Kognitivismus?
Piaget untersuchte, wie sich das kognitive System von Geburt an entwickelt:
Kinder integrieren neue Erfahrungen in bestehende kognitive Schemata.
Dieses Einpassen erfolgt über zwei Prozesse:
Assimilation – neue Informationen werden in vorhandene Schemata eingeordnet.
Akkommodation – Schemata werden angepasst, um Neues zu integrieren.
Piaget begründete damit die Stufentheorie der kognitiven Entwicklung – zentraler Pfeiler der modernen Entwicklungspsychologie.
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