(Seite 2) Welche drei psychologischen Grundbedürfnisse nennt die Self-Determination-Theory?
Nach Ryan & Deci (2000):
Bindung – Bedürfnis nach emotionaler Zuwendung und Sicherheit
Autonomie – Bedürfnis nach selbstständigem Erkunden
Kompetenz – Bedürfnis, sich als wirksam zu erleben
(Seite 5) Was besagt Bowlbys evolutionsbiologische Perspektive auf Bindung?
• Bindungsverhalten ist ein angeborenes, universelles Verhaltensprogramm.
• Es dient der Bildung starker emotionaler Bänder zu wichtigen Bezugspersonen.
• Diese Bindung sichert Überleben und Schutz.
Details merken:
→ John Bowlby sah Bindung als eigenständiges motivationales System, biologisch verankert.
(Seite 8) Wie definiert Mary Ainsworth den Begriff „Bindung“?
„Ein im Gefühl verankertes Band zwischen einer Person und einer besonderen anderen Person, das räumlich verbindet und zeitlichen Bestand hat.“
→ beschreibt die besondere Beziehung des Kindes zur primären Bezugsperson.
(Seite 8) Was ist das Bindungssystem?
Ein genetisch vorgeformtes motivationales System,
das sich nach der Geburt zwischen Säugling und Bezugsperson entwickelt.
→ Aktiviert durch Nähebedürfnis und dient der Sicherheit.
(Seite 10) Welche Funktion erfüllt Bindung aus evolutionärer Sicht?
• Bei Bedrohung: Nähe zur Bezugsperson suchen („sicherer Hafen“)
• Eltern zeigen komplementäres Fürsorgeverhalten („intuitives Elternprogramm“)
→ Ziel: physische und psychische Sicherheit wiederherstellen.
(Seite 11) Welche vier Phasen der Bindungsentwicklung unterscheidet Ainsworth?
Vorphase der Bindung (0–6 Wochen): Angeborene Signale an jede Person zur Bedürfnisbefriedigung.
Entstehende Bindung (6 Wo.–6/8 Mon.): Zunehmend spezifische Reaktionen auf Vertraute, Erwartungsbildung.
Ausgeprägte Bindung (6/8 Mon.–1,5/2 J.): Aktive Kontaktaufnahme, Trennungsprotest, Fremdenangst.
Reziproke Beziehung (ab 1,5/2 J.): Entwicklung eines inneren Arbeitsmodells, Akzeptanz von Trennung.
(Seite 13) Wozu dient der „Fremde-Situations-Test“ und wann wird er eingesetzt?
• Experimentelle Beobachtung zur Erfassung der Bindungsqualität.
• Durchführung im Alter von ca. 1 Jahr.
• Entwickelt von Mary Ainsworth (1973).
→ Beobachtet wird, wie Kinder auf Trennung und Wiedervereinigung mit der Bezugsperson reagieren.
(Seite 15) Was versteht man unter „Bindungsrepräsentationen“?
• Innere Vorstellungen über Beziehungen, abgeleitet aus Bindungserfahrungen.
• Beeinflussen Gedanken, Gefühle und Verhalten in späteren Beziehungen.
• Erfassung über Fragebögen oder besser: Adult Attachment Interview (AAI),
das auch unbewusste Anteile misst.
(Seite 17) Welche Art von Fragen enthält das Adult Attachment Interview (AAI)?
Das AAI untersucht die Erinnerungen an Bindungserfahrungen mit Eltern.
Beispielfragen:
• Wie erinnerten Sie sich an Mutter/Vater in der Kindheit?
• Was taten Sie bei Kummer oder Krankheit?
• Erinnerungen an Trennungserlebnisse?
→ Ziel: emotionale Kohärenz und Bewertung der Beziehung erfassen.
(Seite 18) Welche Bindungstypen werden im Adult Attachment Interview unterschieden?
Sicher-autonom:
Kohärente, realistische Darstellung.
Beziehungen werden wertgeschätzt, auch mit negativen Aspekten.
Unsicher-distanzierend:
Beziehungen werden abgewertet oder idealisiert ohne echte Erinnerungen.
Wirkung von Bindung wird bestritten.
Unsicher-verwickelt (präokkupiert):
Emotionale Verstrickung mit früheren Beziehungen.
Widersprüchliche Gefühle (z. B. Ärger und Wunsch nach Anerkennung).
(Seite 19) Welche Rolle spielen elterliche Bindungsmuster für die Bindung ihrer Kinder?
• Sicher gebundene Eltern haben mit hoher Wahrscheinlichkeit auch sicher gebundene Kinder.
→ Nachweis durch Meta-Analyse (Van IJzendoorn, 1995).
→ Bindungsrepräsentationen der Eltern beeinflussen Feinfühligkeit und Reaktionsweise gegenüber dem Kind.
(Seite 20) Was zeigen Studien zur Kontinuität von Bindungsmustern über die Lebensspanne?
• Längsschnittstudien weisen teils hohe, teils geringe Stabilität auf.
• Ergebnisse:
– Hamilton (2000): 77 % Kontinuität bis zur Adoleszenz.
– Fraley (2002): 33 % Stabilität – stark abhängig vom Umfeld.
→ Fazit: Die Stabilität variiert je nach Lebensumständen und Beziehungserfahrungen.
• Die „Prototyp-Hypothese“ nimmt an, dass frühe Bindungserfahrungen eine Basis („Prototyp“) bilden, die späteren Bindungsbeziehungen ähnelt.
• Ob dieses Modell wirklich gilt, ist noch unklar.
(Seite 20) Welchen Anteil haben genetische Faktoren an der Ausprägung des Bindungsstils?
• Forschung zeigt eine teils deutliche genetische Mitwirkung:
– 45 % der Varianz bei ängstlichem Bindungsstil
– 39 % bei vermeidendem Bindungsstil
• Mechanismen sind noch nicht abschließend erklärt.
(Erkoreka et al., 2021)
(Seite 21) Welche langfristigen Effekte hat sichere Bindung laut Längsschnittforschung?
Kindesalter:
• Engere, harmonische Peer-Beziehungen
• Mehr soziale Kompetenz, weniger Angst
• Höhere Empathie und Hilfsbereitschaft
Pubertät / junge Erwachsene:
• Bessere Stressbewältigung
• Weniger emotionale Probleme
→ Sichere Bindung fördert psychische, soziale und kognitive Entwicklung.
(Seite 22) Wie wirkt sich elterliche Sucht auf die Bindung der Kinder aus?
• Kinder alkoholabhängiger Mütter: häufig unsicher gebunden
• Kinder alkoholabhängiger Väter: oft ebenfalls unsicher zur nicht abhängigen Mutter
• Ursache: geringere Feinfühligkeit und emotionale Instabilität
• Substituierte Mütter → mehr Kinder mit desorganisiertem Bindungsmuster
→ Bindungssicherheit leidet unter Suchtbelastung der Familie.
(Seite 23) Warum gilt unsichere Bindung als Risikofaktor bei elterlicher Sucht?
• Biochemischer Bezug zum endogenen Opioid-System (EOS):
– Endorphinmangel bei unsicherer Bindung
– Exogene Opioide (z. B. Drogen) wirken als „chemisches Bindungs-Substitut“
→ Unsichere Bindung erhöht Anfälligkeit für Suchtentwicklung und deren Weitergabe.
(Seite 25) Wie hängen Bindung und Exploration miteinander zusammen?
• Bindung → motiviert, Nähe und Sicherheit zu suchen.
• Exploration → motiviert, die Welt zu entdecken.
→ Beide Systeme sind komplementär:
Sicherheit durch Bindung ermöglicht Exploration.
Unsicherheit oder Bedrohung aktiviert Bindungssystem statt Erkundung.
Neugier gilt als biogenes Motivsystem, das sich durch Erfahrungen verändert (Schneider & Schmalt, 2000).
(Seite 27) Welche Rolle spielt die Bezugsperson in der frühen Exploration?
• Kleine Kinder benötigen den Dialog mit Bezugspersonen als Unterstützung.
• Zentral:
– Gemeinsame Aufmerksamkeit (gemeinsamer Fokus auf Objekt/Situation)
– Soziales Referenzieren (Kind beobachtet Reaktion der Bezugsperson, um eigene Handlung zu steuern).
→ Bezugsperson dient als emotionale und kognitive Sicherungsbasis.
(Seite 28) Welche frühen Warnsignale können auf Vernachlässigung, Misshandlung oder Bindungsstörungen hinweisen?
Typische Beobachtungen laut Schlack (2013):
• Leerer Blick, fehlendes Lächeln, geringe Kontaktfreude
• „Frozen Watchfulness“ – starres Erdulden von Schmerz ohne Reaktion
• Freudlosigkeit, Apathie, fehlende Spielaktivität
• Distanzlosigkeit oder indifferentes Bindungsverhalten
• Teilweise motorische Unruhe, stereotype Bewegungen, Autoaggressionen
• Sprachliche Entwicklungsverzögerungen
→ Frühwarnzeichen für Bindungsstörung oder Deprivation.
(Seite 31) Inwiefern ähneln Liebesbeziehungen Bindungsbeziehungen?
Gemeinsamkeiten:
• Suche nach Nähe und Sicherheit
• Unersetzbare Person als emotionale Basis
• Trennungsprotest und starke Gefühle bei Verlust
• Bindungsverhalten wird durch Bedrohung aktiviert
• Lange Dauer der Bindung, auch bei Konflikten
Unterschiede:
• Beziehung erfolgt auf gleicher Ebene (Partner statt Eltern-Kind)
• Physischer Kontakt ist nicht zwingend nötig, um Sicherheit zu empfinden
(Seite 32) Welche drei motivationalen Systeme beschreibt Helen Fisher in Bezug auf romantische Liebe?
Sexualtrieb → dient der Reproduktion
Attraktion → führt zur Partnerwahl durch „Hingezogenfühlen“
Bindung → fördert Zusammenhalt, Sicherheit und gemeinsame Fürsorge
→ Zusammenspiel dieser Systeme erklärt Liebe als evolutionsbiologisch nützliches Verhalten.
(Seite 33) Wie beeinflussen innere Arbeitsmodelle der Bindung Partnerschaften?
Sie steuern:
• Aktivierung des Bindungssystems (z. B. bei Konflikt oder Nähe)
• Erwartungen an emotionale Verfügbarkeit des Partners
• Zugang zu Gefühlen und deren Ausdruck
• Affektregulation und Konfliktverhalten
• Fürsorge- und Autonomieverhalten
→ Bindungsstil prägt also die Qualität emotionaler Intimität.
(Seite 34) Welche drei Bindungsstile in Partnerschaften identifizierten Hazan & Shaver (1987)?
Sicher-autonom: – Nähe fällt leicht, Vertrauen und Abhängigkeit sind angenehm. – Keine Angst vor Verlassenwerden.
Vermeidend: – Nähe wird als unangenehm erlebt, Vertrauen fällt schwer. – Angst vor zu viel Intimität.
Ambivalent (ängstlich-präokkupiert): – Starkes Bedürfnis nach Nähe, Angst, nicht genug geliebt zu werden. – Neigung zur Überforderung des Partners.
(Seite 35) Was zeigen Forschungsergebnisse zur Veränderung von Bindung in Partnerschaften?
• Zu Beginn einer Beziehung: häufig Kontinuität zu früheren Bindungserfahrungen.
• Im Verlauf: oft Diskontinuität, da sich Bindung durch Beziehungsdynamik verändert.
→ Die Qualität der Beziehung wird ko-konstruiert – Partner beeinflussen sich gegenseitig.
• Einfluss der Familie der Herkunft nimmt ab, je stärker gegenseitige Anpassung in der Partnerschaft erfolgt.
• Mehrere Studien (z. B. Cassidy 2000; Roisman et al. 2005) belegen diese Entwicklungsdynamik.
(Seite 36) Welche neueren Forschungsarbeiten von Bröning & Kolleg*innen befassen sich mit Bindung im Erwachsenenalter?
Beispiele für aktuelle Studien:
Intimität in nicht-monogamen Beziehungen (Bröning et al., 2024)
Bindungsorientierungen & dyadisches Coping – Zusammenhang mit Selbstregulation in Paarbeziehungen (Bröning & Wartberg, 2024)
Identität und Sichtbarkeit bei bi+ Personen (Korinth et al., 2024)
Partner-Phubbing & Bindung – Nutzung von Smartphones als Einflussfaktor auf Beziehungserleben (Bröning & Wartberg, 2022)
→ Zeigt: Bindungsforschung wird heute auf vielfältige Beziehungskontexte ausgedehnt.
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