(Seite 3) Wie erklären Lerntheorien, wie Individuen zukünftige Ereignisse und ihr Verhalten vorhersagen?
Sie basieren auf drei Formen des Lernens:
Klassisches Konditionieren – Ausbildung von Reiz-Ergebnis-Erwartungen.
Operantes Konditionieren – Bildung von Verhaltens-Ergebnis-Erwartungen.
Beobachtungslernen – Lernen durch Beobachtung von Kontingenzen bei anderen.
(Seite 3) Warum sind Lerntheorien für die Persönlichkeitspsychologie differenziell relevant?
• Unterschiedliche Lernerfahrungen → führen zu unterschiedlichen Verhaltensdispositionen.
• Persönlichkeit = individuelles Profil dieser Dispositionen.
(Seite 3) Welche praktische Bedeutung haben Lerntheorien?
• Erklären klinische und pädagogische Phänomene.
• Grundlage verhaltenstherapeutischer Interventionen.
(Seite 3) Wie lassen sich Lerntheorien wissenschaftshistorisch einordnen?
• Entstanden als Reaktion auf psychodynamische & phänomenologische Ansätze.
• Lehnten Introspektion & intrapsychische Vorgänge ab.
• Später → kognitive & humanistische Ansätze als Gegenbewegung.
• Heute: Integration in der Cognitive Neuroscience.
(Seite 5–6) Was kennzeichnet die „kognitive Wende“ in der Psychologie?
• Abkehr vom Behaviorismus: Denken als zentraler Aspekt des Verhaltens.
• Handlungen beruhen auf vernünftigen Überlegungen & Entscheidungen.
• Betonung des Menschen als aktiven Gestalter seiner Persönlichkeit.
(Seite 6) Welche drei zentralen Theoretiker prägen die kognitiven & Handlungstheorien der Persönlichkeit?
George A. Kelly – Mensch als „Wissenschaftler“, der persönliche Theorien über die Realität bildet.
Julian Rotter – Verhalten = Funktion von Erwartung × Verstärkerwert.
Albert Bandura – Betonung von Selbstregulation und Selbstwirksamkeit.
(Seite 7) Welche Grundannahmen teilt die kognitive Wende über den Menschen?
Der Mensch kann…
• sich Ziele setzen,
• Mittel bewerten,
• Konsequenzen antizipieren,
• langfristig planen,
• Handlungen evaluieren und daraus lernen.
→ Handlungen = Ergebnis vernünftiger Entscheidungen.
(Seite 8) Wie beschreibt George Kelly das Menschenbild seiner Theorie?
Der Mensch ist ein:e Wissenschaftler:in, der/die…
• künftige Ereignisse vorhersagen & beeinflussen möchte,
• Hypothesen über die Realität bildet,
• diese an Erfahrungen überprüft und bei Bedarf anpasst.
→ Grundlage: individuelle Theorien über die Welt, nicht objektive Realität.
(Seite 8) Was ist Kellys Basispostulat?
Menschen antizipieren Ereignisse auf Basis ihrer individuellen Konstrukte (Theorien über die Realität).
Diese bestimmen ihr Verhalten.
→ Jede Person interpretiert die Welt einzigartig (idiographische Perspektive).
(Seite 9) Wozu dienen persönliche Konstrukte laut dem Konstruktionskorollarium?
• Sie helfen, Wiederholungen von Ereignissen vorherzusehen (Replikation).
• Durch Bestätigung oder Verwerfung entwickeln wir unsere Realität.
Beispiel: Wir lernen, was eine „Prüfung“ oder „Party“ bedeutet.
(Seite 9) Was besagt das Individualitätskorollarium?
• Konstrukte sind individuell geprägt durch persönliche Erfahrungen.
• Unterschiedliche Konstrukte → unterschiedliches Verhalten.
Beispiel: Eine Aussage kann als „aggressiv“ oder „nachdrücklich“ wahrgenommen werden.
(Seite 10) Wie sind persönliche Konstrukte organisiert?
Laut Organisationskorollarium:
• Hierarchisch (über- & untergeordnete Konstrukte).
• Wichtigkeit variiert (z. B. Religion > Familie).
• Unterschiedliche Organisationen → Konflikte möglich.
Beispiel: Arbeit vs. Familie als Priorität.
(Seite 11) Was bedeutet das Dichotomiekorollarium?
Jedes Konstrukt besteht aus zwei Polen.
Beispiel: „gut“ ↔ „schlecht“.
→ Ohne Gegensatz kein Konstrukt.
(Seite 11) Was beschreibt das Wahlkorollarium?
Personen wählen bei Anwendung eines Konstrukts den Pol, der bessere Vorhersagen ermöglicht.
Beispiel: Wer glaubt, dass Menschen grundsätzlich gut sind, wird eher Vertrauen schenken.
(Seite 12) Welche Rolle spielt die Reichweite eines Konstrukts?
• Manche Konstrukte sind breit anwendbar (z. B. gut/schlecht).
• Andere gelten nur in spezifischen Kontexten (z. B. spirituell/nicht spirituell).
→ Reichweitenkorollarium.
(Seite 12) Wie verändert Erfahrung unsere Konstrukte?
• Durch neue Erfahrungen können Konstrukte angepasst werden → Erfahrungskorollarium.
• Konstrukte unterscheiden sich in Veränderbarkeit („Durchlässigkeit“) → Modulationskorollarium.
→ Festhalten an starren Konstrukten = Risiko psychischer Störungen.
(Seite 13) Was bedeutet das Fragmentierungskorollarium?
• Das Konstruktsystem kann inkohärent oder widersprüchlich sein.
Beispiel: Jemand gilt als „ehrlich“, obwohl er Steuern hinterzieht.
(Seite 13) Was besagen Gemeinschafts- und Geselligkeitskorollarium?
• Gemeinschaftskorollarium: Ähnliche Konstrukte → ähnliches Verhalten.
• Geselligkeitskorollarium: Wir passen unsere Konstrukte an andere an, um soziale Interaktion zu erleichtern.
(Seite 15) Was meint Kelly mit konstruktivem Alternativismus?
• Menschen haben freien Willen, ihre Ziele selbst zu wählen.
• Diese Ziele bestimmen wiederum ihr Verhalten (→ Determinismus).
→ Es besteht eine Wechselwirkung zwischen Freiheit & Determiniertheit.
Beispiel: Studienabschluss frei gewählt, aber Ziel schränkt Verhalten ein.
(Seite 16) Wie versteht Kelly Persönlichkeit?
Persönlichkeit = Gesamtheit des persönlichen Konstruktsystems.
Menschen unterscheiden sich in:
• Natur, Anzahl, Komplexität, Organisation und Veränderbarkeit ihrer Konstrukte.
→ Nur wer das Konstruktsystem kennt, versteht die Person.
(Seite 19) Wozu dient der Repertory-Grid-Test (RepGrid)?
• Methode zur Erfassung des individuellen Konstruktsystems.
• Anwendung z. B. in Therapieplanung.
• Analysiert:
Anzahl & Art zentraler Konstrukte
Komplexität des Systems
Identifikation unangemessener Konstrukte zur therapeutischen Bearbeitung.
(Seite 21) Was will Rotter mit seiner Verhaltensgleichung erklären?
Er will vorhersagen, welches Verhalten eine Person in einer bestimmten Situation zeigt.
→ Verhalten hängt von Erwartung und Verstärkerwert ab:
VP_{X,S,V} = f(E_{X,S,V} \ \&\ VW_{V,S})
VP = Verhaltenspotential
E = Erwartung, dass Verhalten X zu Verstärker V führt
VW = Wert (Attraktivität) des Verstärkers
(Seite 21–23) Was bestimmt das Verhaltenspotential laut Rotter?
Es hängt ab von …
Erwartung (E) → Wie wahrscheinlich ist es, dass Verhalten X in Situation S zu Verstärker V führt?
Verstärkerwert (VW) → Wie attraktiv ist V für die Person in S?
→ Verhalten mit höchstem Produkt aus Erwartung × Verstärkerwert wird gewählt.
Beispiel:
„Weggehen“ nach Streit = hohe Erwartung & hoher Verstärkerwert → höchstes Verhaltenspotential.
(Seite 25) Wie lässt sich Rotters Verhaltensgleichung allgemein formulieren?
Verhalten = Funktion von
• Erwartung, dass ein bestimmter Verstärker folgt,
• und dem Wert dieses Verstärkers für die Person in dieser Situation.
→ Menschen handeln zielgerichtet & kognitiv auf Basis subjektiver Erwartungen.
(Seite 26) Was passiert laut Rotter in neuen Situationen, wenn keine spezifischen Erwartungen bestehen?
Es werden generalisierte Erwartungen genutzt – gebildet aus bisherigen Lernerfahrungen.
Drei wichtige Formen:
Problemlöseerwartungen
Interpersonal Trust (Vertrauen in andere)
Locus of Control (Kontrollüberzeugung)
(Seite 27) Was versteht Rotter unter Problemlöseerwartungen?
→ Glaube, auch neue oder schwierige Probleme lösen zu können, selbst ohne passende Strategie.
• Fördert Entwicklung & Anwendung neuer Lösungswege.
• Konzept beeinflusste später Banduras Idee der Selbstwirksamkeit.
(Seite 28) Was bedeutet Interpersonal Trust?
= Erwartung, dass andere vertrauenswürdig sind.
• Entlastet Informationsverarbeitung, da weniger Kontrolle nötig ist.
• Entsteht durch direkte Erfahrungen & Medien.
Beispiel: Hoher Trust → man prüft Geschäftspartner:innen nicht ständig.
(Seite 29) Was beschreibt der Locus of Control (Kontrollüberzeugung)?
= Überzeugung, wer Kontrolle über Verstärker hat:
• Internal: man selbst (z. B. Ernährung, Anstrengung).
• External: äußere Faktoren (z. B. Glück, Zufall, Gott).
→ Einfluss auf Motivation, Gesundheit & Verhalten.
(Seite 31) Welche Folgen hat eine internale Kontrollüberzeugung?
Sie korreliert mit …
• stärkerem Gefühl persönlicher Kontrolle,
• höherer Leistung & Veränderungsbereitschaft,
• besserer psychischer & physischer Gesundheit,
• geringerer Angst, Depression & Aggression,
• aktiverem Patient:innenverhalten.
→ Wird durch Wärme & Unterstützung in der Kindheit gefördert.
(Seite 32) Was zeigt aktuelle Forschung zum Zusammenhang von Locus of Control und Depression?
Studie (N = 8.803):
• Frühe soziale Benachteiligung → mehr externaler LoC.
• Externaler LoC → höheres Depressionsrisiko im Jugendalter.
→ Kontrollüberzeugung vermittelt den Zusammenhang.
(Seite 33) Wann kann eine internale Kontrollüberzeugung problematisch sein?
Bei depressivem Attributionsstil:
• internale, stabile, globale Zuschreibung von Misserfolg („Ich bin immer unfähig“).
→ Verstärkt Selbstabwertung & Hoffnungslosigkeit.
(vgl. Martin Seligman)
(Seite 35) Wodurch unterscheidet sich Banduras Ansatz von reinen Lerntheorien?
Er betont die Selbstregulation des Menschen:
• Menschen gestalten ihre Persönlichkeitsentwicklung aktiv.
• Verhalten hängt ab von:
Selbstverstärkung (Selbstlob / Selbstkritik)
Ergebniserwartung (Erfolgserwartung)
Selbstwirksamkeitserwartung
→ Verhalten entsteht aus dem Zusammenspiel von Überzeugungen & Zielen.
(Seite 36) Was bedeutet Selbstwirksamkeit (self-efficacy)?
= subjektive Erwartung, ein Verhalten kompetent ausführen und damit ein gewünschtes Ergebnis erreichen zu können.
Kann allgemein oder bereichsspezifisch (z. B. Beruf, Beziehungen) sein.
Entstehung von Selbstwirksamkeitserwartungen:
Eigene Erfolge (bei internaler Attribution)
Beobachtung anderer (Modellerfolg)
Soziale Rückmeldung (Lob, Bewertung)
Emotionale Zustände (Anspannung signalisiert Leistungsgrenze)
(Seite 37) Welche Folgen hat eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung?
Menschen mit hoher Selbstwirksamkeit …
• setzen sich anspruchsvollere Ziele,
• zeigen mehr Anstrengung & Ausdauer,
• erzielen bessere Leistungen,
• erleben positivere Stimmung & Befindlichkeit,
• bewältigen Stresssituationen erfolgreicher.
(Seite 38) Welche empirischen Befunde belegen die Bedeutung von Selbstwirksamkeit?
Meta-Analyse (Richardson et al., 2012):
• Performanz-Selbstwirksamkeit korrelierte am stärksten mit der Uni-Abschlussnote (r = .74).
• Akademische Selbstwirksamkeit zeigte ebenfalls eine moderate Korrelation (r = .41).
→ Selbstwirksamkeit ist ein zentrale Erfolgsfaktor im Studium.
(Seite 39) Was ist unter Ergebniserwartung zu verstehen?
= Erwartung über die Konsequenzen des eigenen Verhaltens.
→ Auch bei hoher Selbstwirksamkeit wird Verhalten nicht gezeigt, wenn die Erfolgserwartung niedrig ist.
Man kann die Aufgabe lösen, glaubt aber, dass der Prüfer unfair bewertet → geringe Motivation.
(Seite 40) Wie wirken Selbstwirksamkeit und Ergebniserwartung in Prüfungssituationen zusammen?
Vier typische Kombinationen:
Fall
Selbstwirksamkeit
Erfolgserwartung
Verhalten
A
hoch
engagiertes Lernen, gute Leistung
B
niedrig
Anstrengung sinkt („Bringt eh nichts“)
C
passive Hoffnung, wenig Initiative
D
Resignation, Vermeidung
→ Beide Erwartungen wirken interaktiv auf Motivation & Verhalten.
(Seite 41) Wie wirkt Banduras Theorie in Forschung und Praxis fort?
• Betonung kognitiver Prozesse und Erwartungen zur Erklärung von Verhalten.
• Konzepte wie Selbstwirksamkeit sind wichtige Prädiktoren für:
– psychische Gesundheit
– Bewältigung kritischer Lebensereignisse
– akademischen Erfolg.
• Erwartungs-x-Wert-Modelle (z. B. Rotter) weiterhin erfolgreich.
• Einfluss in Psychotherapie (z. B. kognitive Umstrukturierung) und Cognitive Neuroscience.
(Seite 42) Welche Basisannahmen teilen kognitive und Handlungstheorien der Persönlichkeit?
Aktive Rolle des Menschen: Verhalten ist Ergebnis bewusster Entscheidungen.
Kognitive Prozesse (Erwartungen, Bewertungen) steuern Handlungen.
Individuelle Theorien & Überzeugungen bestimmen Wahrnehmung und Verhalten.
→ Persönlichkeit wird als erlerntes, interpretierendes System verstanden.
(Seite 42) Wie beschreibt George Kelly die Persönlichkeit?
• Persönlichkeit = Gesamtheit persönlicher Konstrukte.
• Menschen unterscheiden sich in Anzahl, Komplexität & Organisation ihrer Konstrukte.
• Verhalten ergibt sich aus der individuellen Weltsicht.
Beispiel: Unterschiedliche Interpretation eines Ereignisses → unterschiedliches Handeln.
(Seite 42) Welche Faktoren bestimmen laut Julian Rotter menschliches Verhalten?
→ Kombination aus Erwartung und Verstärkerwert:
VP_{X,S,V} = f(E_{X,S,V} \& VW_{V,S})
• Verhalten hängt davon ab,
– wie wahrscheinlich eine Konsequenz ist,
– und wie attraktiv sie wahrgenommen wird.
(Seite 42) Was versteht Rotter unter Locus of Control und wie hängt dieser mit psychischer Gesundheit zusammen?
• Internale Kontrollüberzeugung → Glaube, Ergebnisse selbst zu beeinflussen.
• Externale Kontrollüberzeugung → Glaube, äußere Faktoren bestimmen Resultate.
→ Internale Orientierung fördert Leistung, Lebensqualität, seelische Stabilität.
Zu starke Internalisierung kann jedoch zu Selbstabwertung bei Misserfolg führen.
(Seite 42) Wie definieren Bandura und Rotter die Rolle von Erwartungen für Verhalten?
• Rotter: Erwartung × Verstärkerwert → erklärt Wahl von Verhaltensalternativen.
• Bandura: Verhalten entsteht aus Selbstwirksamkeit (Fähigkeitsüberzeugung) + Erfolgserwartung (Ergebnisbewertung).
→ Beide betonen Erwartungsprozesse als Schlüsselfaktor menschlichen Handelns.
(Seite 43) Welche Aussage zu Julian Rotter ist korrekt?
✅ a. „Bei der internalen vs. externalen Kontrollüberzeugung handelt es sich um ein großteils erworbenes Persönlichkeitsmerkmal, das auch als Locus of Control bezeichnet wird.“
(Seite 43) Welche Literatur wird als Grundlage empfohlen?
• Schmitt & Altstötter-Gleich (2010) – Differentielle Psychologie und Persönlichkeitspsychologie kompakt, Kap. 6
• Maltby et al. (2011) – Differentielle Psychologie, Persönlichkeit und Intelligenz, Kap. 4 (Bandura), Kap. 5 (Kelly & Rotter)
• Trainex (Online): Originalstudien zu Locus of Control
Last changed13 hours ago