Warum wird am Menschen geforscht?
Therapeutischer Imperativ in Medizin und Gesundheitsberufen
Recht auf Gesundheit
-> Pflicht der medizinischen Wissenschaft zu therapeutischer Forschung
Was ist die Forschungsverantwortung?
entsprechend dem Würdeprinzip des Grundgesetzes sollen Menschen niemals nur als Mittel, sondern immer auch als Zweck angesehen werden
-> Ziel? Alternativen? Risiken? Freiwilligkeit der Beteiligten? Ökonomischer Nutzen?
Forschung an Menschen. Wie sahen ethisch fragwürdige Anfänge der Forschung an Menschen aus? (Medizinskandal um Albert Neisser)
Was war der Vorwurf im Prozess?
Medizinskandal um Albert Neisser, 1892 Breslau
Injektionsversuch mit Serum an Syphilis Erkrankter bei acht Patientinnen (3 Minderjährige)
Ziel : Serum gegen Syphilis
Vorwurf im Prozess:
Fehlende Aufklärung und Einwilligung • Versuch an Minderjährigen
Was veränderte sich in der Medizin im 19. Jahrhundert?
„Naturwissenschaftliche Wende“
Forschung nach dem Modell der Naturwissenschaften (Physik)
Experimentelle Methodik auch für Forschung am Menschen
Ziel: Objektivierbare Erkenntnisse
-> Untersuchung von Menschen als Versuchsobjekten zur Findung von Theorien und allgemeinen Gesetzmäßigkeiten entsprechend dem Vorbild der naturwissenschaftlichen Vorgehensweise
Was entstand nach den Skrupellosen Menschenversuchen als Medizinverbrechen im Nationalsozialismus?
1947 Nürnberger Kodex
-> Internationales Regelwerk zur Durchführung von Experimenten am Menschen
Es besteht die Pflicht der medizinischen Wissenschaft zu therapeutischer Forschung. Aber was ist zu berücksichtigen nach Hans Jonas?
Hans Jonas, 1985:
„ Das Experiment im methodischen Sinn des Wortes wurde ursprünglich sanktioniert durch die Naturwissenschaften. In seiner klassischen Form hat es mit leblosen Objekten zu tun und ist damit sittlich neutral. Aber sobald lebende, fühlende Wesen Versuchsobjekte werden, wie dies in biologischen Wissenschaften und speziell in medizinischer Forschung geschieht, verliert die Suche nach Erkenntnis diese Unschuld, und Gewissensfragen erheben sich. „(...)
Was sind ethische Konflikte bei der Forschung am Menschen?
Wahrung der Würde: Instrumentalisierung / Verzwecklichung
Wahrung von Freiwilligkeit / Autonomie
Wahrung des Nicht-Schadens-Prinzips in Abwägung zu therapeutischem /gesellschaftlichem Nutzen
Gerechtigkeit
Was meint der Ehthische Konflikt “Verzwecklichung” bei der Forschung am Menschen?
Verzwecklichung
Unterschied zum physikalischen Versuch: Arbeit mit dem „Original“, kein Stellvertreter-Modell möglich:
Konflikt mit dem Grundsatz der Unverfügbarkeit und Selbstzwecklichkeit des Menschen
-> „Das grundsätzlich Anstößige bei der Nutzung einer Person als Versuchsobjekt ist, (...) daß wir sie zu einem Ding machen – zu etwas bloß Passivem für die Einwirkung von Akten .“ (...) Einwirkungen (...)für einen sie nicht betreffenden Zweck.
Was ist wichtig bei der Forschung am Menschen?
Wahrung von Freiwilligkeit als Ausdruck von Autonomie
Unterschied zwischen gesunden Probanden und Kranken
Was fällt unter die Gefährdung der Freiheit von kontrollierender Fremdsteuerung bei Forschungen an Menschen?
Gefährdung der Freiheit von kontrollierender Fremdsteuerung
Leidensdruck
Überredung
Abhängigkeit
Asymmetrie
Alternativlosigkeit
Pflichtgefühl gegenüber der Gesellschaft
Wie geht man mit Studien mit Nicht-Einwilligungsfähigen Menschen um?
Nicht-Schadens-Prinzip in Abwägung zum Prinzip des Wohltuns
Frage der etwaigen Schädigung des Subjekts
„Wir müssen die Verletzung einer primären Unantastbarkeit rechtfertigen, die selber keiner Rechtfertigung bedarf; und die Rechtfertigung muss sich auf Werte stützen, die dem zu opfernden an Rang ebenbürtig sind.“
Ist der zu erwartende Nutzen für das Subjekt selbst und/oder für andere ausreichend hoch, um das eventuelle Risiko zu rechtfertigen? -> Genaue Abwägung erforderlich
Was meint Gerechtigkeit in Hinblick auf Forschung an Menschen?
Zugangsgerechtigkeit:
Haben alle Interessierten dieselbe Chance zur Teilnahme?
Interessen Dritter:
Wer profitiert von der Forschung?
Was muss gegeben sein für eine Legitimation der Forschung am Menschen, sodass Menschenwürde gewahrt bleibt?
Was ist der Nürnberger Ärztekodex 1947?
Erster kodex, der zusammenfasst, welche Bedingungen gegeben sein müssen, um an Menschen zu forschen
Maximaler Schutz für den PBN
Was beinhaltet grob der Nürnberger Ärztekodex 1947?
1. Die freiwillige Zustimmung der Versuchsperson ist unbedingt erforderlich. Das heißt, daß die betreffende Person im juristischen Sinne fähig sein muß, ihre Einwilligung zu geben; daß sie in der Lage sein muß, unbeeinflußt durch Gewalt, Betrug, List, Druck, Vortäuschung oder irgendeine andere Form der Überredung oder des Zwanges, von ihrem Urteilsvermögen Gebrauch zu machen; daß sie das betreffende Gebiet in seinen Einzelheiten hinreichend kennen und verstehen muß, um eine verständige und informierte Entscheidung treffen zu können. Diese letzte Bedingung macht es notwendig, daß der Versuchsperson vor der Einholung ihrer Zustimmung das Wesen, die Länge und der Zweck des Versuches klargemacht werden; sowie die Methode und die Mittel, welche angewendet werden sollen, alle Unannehmlichkeiten und Gefahren, welche mit Fug zu erwarten sind, und die Folgen für ihre Gesundheit oder ihre Person, welche sich aus der Teilnahme ergeben mögen. Die Pflicht und Verantwortlichkeit, den Wert der Zustimmung festzustellen, obliegt jedem, der den Versuch anordnet, leitet oder ihn durchführt. Dies ist eine persönliche Pflicht und Verantwortlichkeit, welche nicht straflos an andere weitergegeben werden kann
2. Der Versuch muss so gestaltet sein, dass fruchtbare Ergebnisse für das Wohl der Gesellschaft zu erwarten sind, welche nicht durch andere Forschungsmittel oder Methoden zu erlangen sind. Er darf seiner Natur nach nicht willkürlich oder überflüssig sein.
3. Der Versuch ist so zu planen und auf Ergebnissen von Tierversuchen und naturkundlichem Wissen über die Krankheit oder das Forschungsproblem aufzubauen, dass die zu erwartenden Ergebnisse die Durchführung des Versuchs rechtfertigen werden.
4. Der Versuch ist so auszuführen, dass alles unnötige körperliche und seelische Leiden und Schädigungen vermieden werden.
5. Kein Versuch darf durchgeführt werden, wenn von vornherein mit Fug angenommen werden kann, dass es zum Tod oder einem dauernden Schaden führen wird, höchstens jene Versuche ausgenommen, bei welchen der Versuchsleiter gleichzeitig als Versuchsperson dient.
6. Die Gefährdung darf niemals über jene Grenzen hinausgehen, die durch die humanitäre Bedeutung des zu lösenden Problems vorgegeben sind
7. Es ist für ausreichende Vorbereitung und geeignete Vorrichtungen Sorge zu tragen, um die Versuchsperson auch vor der geringsten Möglichkeit von Verletzung, bleibendem Schaden oder Tod zu schützen.
8. Der Versuch darf nur von wissenschaftlich qualifizierten Personen durchgeführt werden. Größte Geschicklichkeit und Vorsicht sind auf allen Stufen des Versuchs von denjenigen zu verlangen, die den Versuch leiten oder durchführen.
9. Während des Versuches muss der Versuchsperson freigestellt bleiben, den Versuch zu beenden, wenn sie körperlich oder psychisch einen Punkt erreicht hat, an dem ihr seine Fortsetzung unmöglich erscheint.
10. Im Verlauf des Versuchs muss der Versuchsleiter jederzeit darauf vorbereitet sein, den Versuch abzubrechen, wenn er auf Grund des von ihm verlangten guten Glaubens, seiner besonderen Erfahrung und seines sorgfältigen Urteils vermuten muss, dass eine Fortsetzung des Versuches eine Verletzung, eine bleibende Schädigung oder den Tod der Versuchsperson zur Folge haben könnte
Welche weiteren Regelungen neben dem Nürnberger Ärztekodex gibt es heute?
Weltärztebund, Deklaration von Helsinki, 1964
Ethische Grundsätze für die medizinische Forschung am Menschen
In der Revision von 1975: Beratung und Zustimmung klinischer Studienprotokolle durch unabhängige Forschungs-Ethikkommission
-> Ab 1970 Einrichtung von Ethikkommissionen in Deutschland
Belmont Report 1979: verbindliche Richtlinien für Forschung an Menschen
Good Clinical Practice (GCP)
1977 USA GCP-Regeln; 1991 GCP in der EU
1996 gemeinsame ICH-GCP-Guideline (USA, Japan, Europa)
Wie ist der heutige Stand der Arzneimittelforschung in Hinblick auf Zulassungsverfahren?
Arzneimittelprüfung nach strengem Zulassungsverfahren
Arzneimittelgesetz 1976 und nachfolgende Neuregelungen
Europäische Leitlinien
Zulassungsverfahren, 4 Phasen:
I Verträglichkeit, Testung an gesunden Freiwilligen
II Testung der Wirksamkeit für bestimmte Erkrankung an kleiner Gruppe von Patienten
III Testung Wirksamkeit und Verträglichkeit im Vergleich zu Standardpräparat oder Placebo
IV Prüfung des Präparates in der breiten Anwendung nach Zulassung zur Bestätigung der Nutzen-Risiko-Kalkulation
Was ist der Zweck und das Ziel von Ethikkommissionen?
Zweck:
Beratung und Kontrolle bei Forschung am Menschen
nehmen Stellung zur ethischen Vertretbarkeit der Ziele und Verfahrensweisen eines Forschungsvorhabens
Ziel:
Schutz von Probanden in Forschungsvorhaben im Sinne der Deklaration von Helsinki
Forschung an Nicht-Einwilligungsfähigen: Welche Menschen fallen unter “Nicht-Einwilligungsfähigen”?
Psychiatrische Patienten
Bewusstlose
Demenzpatienten
Kinder
Forschung an Nicht-Einwilligungsfähigen: Welche “Art” von Forschung werden unterschieden?
Unterschied von eigen- und fremdnütziger Forschung
Ausschluss von Forschung bedeutet
Benachteiligung durch nicht ausreichende Medikamentensicherheit
Fehlenden Fortschrit
Was wären Voraussetzungen für selbstbestimmtes Entscheiden und Handeln?
Absichtlichkeit
Urteilsfähigkeit
Verstehen und
Freiheit von kontrollierender Fremdsteuerung
Was bedeutet es für die Forschung, wenn Informierte Einwiligung nicht gegeben ist?
Frage nach der Legitimation von
Forschung an Nicht-Einwilligungsfähigen
Forschung an Minderjährigen
Forschung an Nicht-Einwilligungsfähigen: Was sind Ethische Konflikte bei eigennütziger Forschung?
ABER: Bedeutet potentiell eigennützige Forschung an Nicht-Einwilligungsfähigen immer ein Verstoß gegen die Würde?
Bedeutet jede Instrumentalisierung notwendig Verletzung der Würde?
-> Gibt es eine Form von ethisch legitimierter (weil nicht würdeverletzender) Instrumentalisierung?
Wie bleibt die Legitimation der Forschung am Menschen/ Menschenwürde gewahrt, bei der Forschung an Nicht-Einwilligungsfähigen bei eigennütziger Forschung?
Wie bleibt die Legitimation der Forschung am Menschen/ Menschenwürde gewahrt, bei der Forschung an Nicht-Einwilligungsfähigen bei nicht eigennütziger Forschung?
Forschung am Menschen: Was klärt der Europarat, Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin 1997?
Art. 17.2
In Ausnahmefällen und nach Maßgabe der durch die Rechtsordnung vorgesehenen Schutzbes_mmungen darf Forschung, deren erwartete Ergebnisse für die Gesundheit der betroffenen Person nicht von unmilelbarem Nutzen sind, zugelassen werden, wenn (...) die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
i Die Forschung hat zum Ziel, durch eine wesentliche Erweiterung des wissenscha[lichen Verständnisses des Zustands, der Krankheit oder der Störung der Person letztlich zu Ergebnissen beizutragen, die der betroffenen Person selbst oder anderen Personen nützen können, welche derselben Altersgruppe angehören oder an derselben Krankheit oder Störung leiden oder sich in demselben Zustand befinden, und
ii die Forschung bringt für die betroffene Person nur ein minimales Risiko und eine minimale Belastung mit sich.
Zuletzt geändertvor 2 Jahren