Arbeitsleistung
Arbeitsleistung bzw. Arbeitsverhalten ist die wichtigste abhängige Variable in der Arbeits- und Organisationspsychologie
=> Sehr unterschiedlich verwendeter Begriff
Campbell et al. (1993): Unterscheidung von...
Performance
tatsächliches VH, das zur Erreichung der Organisationsziele relevant ist (=produktives VH)
vollständig unter Kontrolle der Mitarbeitenden
Effectiveness
Folge des Leistungsverhaltens
Ergebnisse der MA bzgl. Erreichung der Organisationsziele
nicht unter vollständiger Kontrolle
Productivity
Verhältnis zwischen Arbeitsergebnissen (=Output) und Kosten (=Input)
Wie gut gelingt diese Messung?
Kriteriumskontamination, -defizienz und -relevanz
Erfassen subjektive und objektive Indikatoren Leistungsergebnisse gleich gut?
subjektive Indikatoren:
i. d. Regel Ratings dieser Ergebnisse
viele mögliche objektive Indikatoren für die Erfassung von Leistungsergebnissen:
Umsatz, bearbeitete Stückzahl, Anzahl Fehler,...
Metaanalytische Korrelation zw. subjektiven und objektiven Leistungs- Indikatoren (Bommer et al., 1995):
nur r=.32
höhere Korrelation für Quantitäts- als für Qualitäts-Indikatoren
etwas höhere Korrelation im Vertriebsbereich
Welche Determinanten für Leistungsverhalten gibt es?
Campbell et al. ́s (1993) Theorie beruflicher Leistung:
Lässt sich Arbeitsleistung tatsächlich multiplikativ durch
Fähigkeit x Motivation vorhersagen?
Metaanalyse
Metaanalyse von Van Iddekinge et al. (2018):
Vergleich, wie gut Arbeitsleistung vorhergesagt werden kann durch...
separate Berücksichtigung von Fähigkeit und Motivation
zusätzliche Berücksichtigung der Interaktion Fähigkeit x Motivation
Ergebnisse:
Fähigkeit & Motivation sind ungefähr ähnlich wichtig
Interaktion Fähigkeit x Motivation verbessert die Vorhersage kaum im Vergleich zu einer additiven Verknüpfung
Gefundene interaktive Effekte haben nicht immer die vorhergesagte Form
Verbreitete Annahme:
Leistung = Fähigkeit x Motivation
Aber: Ist dies tatsächlich so?
Typische vs. maximale Leistung
Ausgangssituation:
Unterschiedliche Indikatoren von Leistung bzw. Leistungsergebnissen korrelieren oft nur sehr niedrig miteinander
Warum ist dies so?
Idee Sackett et al. (1988):
Leistungsunterschiede innerhalb von Personen
Endpunkte des Leistungskontinuums:
typische Leistung
maximale Leistung
Beispielstudie von Sackett et al. (1988)
Stichprobe: Kassiererinnen in amerikanischen Supermärkten
Typische Leistung
Items pro Minute
Korrekturen pro Schicht
über vier 1-Wochen-Zeiträume
Maximale Leistung
Zeitdauer
Fehler
für 4-6 Standard-Einkäufe mit jeweils 25 Produkten
Ergebnisse
=> Niedrige Korrelation zwischen Maßen für typische und für maximale Leistung
selbst wenn beide Geschwindigkeit oder beide Genauigkeit erfassen
z. B. bei neu eingestellten Kassiererinnen r = .14 für Korrelation
typische Leistung: Anzahl der getippten Artikel über längere Zeit
maximale Leistung: Zeit für Eintippen eines Mustereinkaufs
=> Unterschiedliche Prädiktoren:
Maximale Leistung lässt sich besser durch Intelligenz vorhersagen
Für Vorhersage typischer Leistung wird Persönlichkeit ebenfalls wichtig (DuBois et al., 1993)
Typische Merkmale
Merkmale:
Längerer Zeitraum
Keine explizite Anweisung, starke Leistung zu zeigen
Kein Beurteilungskontext
Interindividuelle Unterschiede in der Motivation, Leistung zu zeigen = „will do“-Maß (d. h. von Motivation abhängig)
Relativ kurzer Zeitraum
Explizite Anweisung, starke Leistung zu zeigen
Beurteilungskontext
Hohe Motivation aller Personen, gute Leistung zu zeigen = „can do“-Maß (d. h. von Fähigkeiten abhängig)
Was ist, wenn jemand mehr als nur Dienst nach Vorschrift macht?
Unterscheidung:
Aufgabenbezogene Leistung (Task Performance, In-Role Behavior)
Leistung bzgl. der Erfüllung der eigentlichen Aufgabe
in der Tätigkeitsbeschreibung vorgegebene, erwartete Leistung
Organizational Citizenship Behavior (OCB)
freiwilliges Verhalten, das über das gemäß der Tätigkeitsbeschreibung erwartete Maß hinausgeht
wirkt sich positiv auf die Funktionsfähigkeit der Organisation aus
keine direkte oder explizite Berücksichtigung im Rahmen des formalen Anreizsystems
andere Bezeichnungen mit ähnlicher Bedeutung: Contextual Performance, Extra-Role-Behavior, freiwilliges Arbeitsengagement,...
Welche Aspekte gehören zu OCB?
Dimensionen bei Organ (1988):
Altruismus
Gewissenhaftigkeit
Arbeitsrelevante Höflichkeit (Courtesy)
Unkompliziertheit (Sportsmanship)
Bürgertugenden (Civic Virtue)
Alternative Konzeption von Williams und Anderson (1991)
Kategorisierung von OCB-Verhalten je nach Ziel des Verhaltens
OCB-I
OCB-O
Verhalten zum Wohl anderer Individuen
Verhalten zum Wohl der Organisation
Altruismus, arbeitsrelevante Höflichkeit
Gewissenhaftigkeit, Sportsmanship, Bürgertugenden
Lassen sich die OCB-Dimensionen unterscheiden?
Unklarheit, ob Unterscheidung verschiedener Dimensionen sinnvoll ist
=> Metaanalysen von LePine et al. (2002), Hoffman et al. (2007) und Podsakoff et al. (2009)
Organ ́s 5 Dimensionen korrelieren sehr hoch miteinander
OCB-I und OCB-O
lassen sich empirisch als getrennte Dimensionen nachweisen
korrelieren aber ebenfalls extrem hoch miteinander
Für OCB-I und OCB-O vergleichbare Korrelationen zwischen Bedingungen und Folgen von OCB
=> OCB ist eher ein eindimensionales Konstrukt, das die Tendenz erfasst, sich bei der Arbeit kooperativ und hilfsbereit zu verhalten
Welche Konsequenzen hat OCB?
Metaanalyse von Podsakoff et al. (2009):
Für das Individuum:
bessere Leistungsbeurteilung
größeres Ausmaß an Belohnungen durch Vorgesetzte
Für das Unternehmen:
auf Ebene der Arbeitsgruppe/-einheit bessere Produktivität u. ä.
höhere Kundenzufriedenheit
weniger Kündigungen
Wie hängen OCB und aufgabenbezogene Leistung zusammen?
=> Sehr hohe Korrelation von OCB mit aufgabenbezogener Leistung (Hoffman et al., 2007)
Aber: OCB und aufgabenbezogene Leistung ...
tragen jeweils einen eigenen Anteil bzgl. der Vorhersage von Karriereerfolg bei (van Scotter et al., 2000)
erklären eigenständige Anteile der Varianz von Leistungs- beurteilungen (Motowidlo & van Scotter, 1994)
Unterschiedliche Prädiktoren:
OCB: z. T. besser vorhergesagt durch einstellungsbezogene Variablen und Persönlichkeit
aufgabenbezogene Leistung: z. T. besser vorhergesagt durch Erfahrung und Fähigkeiten
Wann zeigen Mitarbeitende OCB?
Mitarbeitende zeigen eher OCB...
bei größerer Unterstützung durch den/die Vorgesetzte*n
wenn ihre Tätigkeit mehr Autonomie zulässt
wenn sie gewissenhafter sind
wenn sie zufriedener mit ihrer Arbeit sind
wenn sie fair behandelt werden
wenn sie eine längere zeitliche Perspektive im Unternehmen haben
Weitere Formen von produktivem Verhalten
Frese & Fay (2001):
OCB stellt z. T. eher reaktives Verhalten dar
Eigeninitiative (engl. Personal Initiative) als Leistungsaspekt, der proaktives Verhalten beschreibt
Beispiel-Items:
Ich gehe Probleme aktiv an.
Wenn sich Möglichkeiten bieten, etwas zu gestalten, dann nutze ich sie aus.
Ich ergreife sofort die Initiative, wenn andere dies nicht tun.
Adaptive Leistung
Pulakos et al. (2000):
=> Verhaltensweisen, die der flexiblen Anpassung an eine veränderte Arbeitssituation dienen
Aspekte von adaptiver Leistung:
Umgang mit Notfällen und Krisensituationen
Umgang mit Arbeitsstress
Kreatives Lösen von Problemen
Umgang mit unsicheren und unvorhersehbaren Arbeitssituationen
Erlernen von Arbeitsaufgaben, Technologien und Prozeduren
Interpersonelle Adaptivität
Kulturelle Adaptivität
Körperliche Adaptivität
Was ist kontraproduktives Verhalten?
Produktives Verhalten:
=> Verhalten, das die Ziele der Organisation unterstützt
Kontraproduktives Verhalten:
=> Englisch = Counterproductive Work Behavior (CWB)
Verhalten, das die legitimen Interessen einer Organisation schädigt
Kann einzelne Mitglieder oder die Organisation als Ganzes betreffen
Klassifikationsvorschläge zu kontraproduktivem Verhalten
Sackett & DeVore
Robinson & Bennett
Kosten von kontraproduktivem Verhalten
Direkte Kosten:
Reparatur beschädigter Vermögenswerte
Lohnfortzahlung bei motivationalem Absentismus (z. B. Blue Monday)
Indirekte Kosten:
Erhöhung von Versicherungsprämien
Schlechteres Betriebsklima
Produktionsausfälle
Wie hängen kontraproduktives Verhalten und OCB zusammen?
Metaanalyse Dalal (2005):
Korrelation zwischen kontraproduktivem Verhalten und OCB rkorr = -.32
Ähnliche begünstigende Faktoren für CWB und OCB
Aber: Zusammenhänge dieser Faktoren z. T. größer für kontraproduktives Verhalten
z. B. Arbeitszufriedenheit, Commitment, ...
=> d. h. CWB und OCB sind nicht unterschiedliche Endpunkte eines Kontinuums, sind aber auch nicht ganz unabhängig voneinander
Welche Faktoren beeinflussen das Auftreten von kontraproduktivem Verhalten?
Umfeld
niedriger wahrgenommene Gerechtigkeit
schlechtere Führungskraft
Arbeitsbezogene Einstellungen
niedriger Arbeitszufriedenheit
niedrigerem Commitment
Persönlichkeit
niedriger Gewissenhaftigkeit und niedriger Verträglichkeit
niedriger Integrität bzw. Ehrlichkeit - Bescheidenheit
hohe Ausprägung der dunklen Triade der Persönlichkeit
niedrigere Selbstkontrolle
=> Effekte sind oft stärker bei Männern
Einflussfaktoren: Dunkle Triade
Paulhus & Williams
=> Subklinische Ausprägung von Persönlichkeitseigenschaften, die sozial unerwünscht und manipulativ sind
Befundlage dunkle Triade
Hohe Werte der dunklen Triade gehen einher mit ...
unsozialem Verhalten (Lügen, Betrügen, ...)
Aggressivität und Delinquenz
riskantem bzw. unangemessenem Sexualverhalten
Insbesondere Psychopathie ist für die Vorhersage dieser Kriterien relevant
Einflussfaktoren: Selbstkontrolle
Gottfredson & Hirschi (1990):
Selbstkontrolle = Tendenz, Handlungen zu vermeiden, deren längerfristige Kosten momentane Vorteile übersteigen.
Zu wichtigen Terminen komm ich schon mal unpünktlich
Ich hätte mir schon viele Schwierigkeiten ersparen können, wenn ich mein Mundwerk besser im Griff hätte
Befunde zum Einfluss von Selbstkontrolle
Marcus & Schuler (2004):
Befragung von zahlreichen Mitarbeitenden zu verschiedenen Prädiktoren von kontraproduktivem Verhalten
Ergebnis: Selbstkontrolle war der beste Prädiktor für kontraproduktives Verhalten
Blickle et al. (2006):
Untersuchung von verurteilten Manager*innen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe:
Verurteilte Manager*innen zeigten:
geringere Werte auf Selbstkontrollskala
höhere Werte auf Hedonismus
höhere Werte auf Narzissmus
Wodurch können Unternehmen kontraproduktives Verhalten vermeiden?
Personalauswahl:
Erfassung relevanter Persönlichkeitsmerkmale
Einholung relevanter Hintergrundinformationen zu vergangenem kontraproduktivem Verhalten
Training:
Umgang mit Konflikten oder Aggressionen
Stressmanagement
Führung:
Faire Behandlung aller Mitarbeitenden und gerechte Verteilung von Ressourcen
Organisation:
Betriebsvereinbarungen (z. B. bzgl. Sanktionen bei aggressivem oder sexuell belästigendem Verhalten)
Vermeidung von Gehaltssystemen, die als unfair empfunden werden
Wodurch können Unternehmen kontraproduktives Verhalten vermeiden? II
Elektronische Überwachung- und Kontrollsysteme:
z. B. Sperrung von Internetseiten, Überwachung des E-Mail-Accounts, versteckte Kameras, etc.
Problem: Psychologische Reaktanz (Brehm & Brehm, 1981)
Abwehrreaktion bzw. Motivation zur Wiederherstellung der eingeschränkt wahrgenommenen Privatsphäre
Zuletzt geändertvor 2 Jahren