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Wiederholungsfragen

JT
von Jasmin T.

Frage 8:

Eine wichtige Modifizierung des bürgerlichen Rechts durch das Handelsrecht stellt beispiels- weise die Vorschrift des § 377 HGB dar. Wie wird diese Regelung im Rahmen einer Fallbear- beitung berücksichtigt?

Antwort zu Frage 8:

§ 377 HGB hat seine Bedeutung im Rahmen der Frage nach Mängelrechten des Käufers gegen den Verkäufer gem. §§ 437 ff. BGB. Nach § 377 Abs. 1 HGB hat der Käufer – wenn der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft darstellt – die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsgemäßem Geschäftsgange tunlich ist, zu un- tersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen. Unterlässt der Käufer die Anzeige, so gilt die Ware gem. § 377 Abs. 2 HGB als genehmigt (es sei denn, dass es sich um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war). Hieraus ergibt sich, dass der Käufer im Rahmen eines beiderseitigen Handelskaufs die gelie- ferte Ware untersuchen muss und einen entsprechenden Mangel unverzüglich beim Verkäufer zu rügen hat. Verletzt der Käufer diese Obliegenheit, so gilt die Ware als genehmigt und Män- gelrechte des Käufers sind ausgeschlossen.

Die Verletzung der Rügeobliegenheit durch den Käufer führt deshalb zu einem Ausschluss sei- ner Mängelrechte gem. § 437 ff. BGB. Für die Fallbearbeitung bedeutet dies, dass Mängel- rechte zunächst nach den einschlägigen bürgerlich-rechtlichen Vorschriften zu untersuchen sind, mithin nach den §§ 437 ff. BGB und den Voraussetzungen der entsprechenden An- spruchsgrundlagen (insbesondere Vorliegen eines wirksamen Kaufvertrages, Vorhandensein eines Mangels bei Gefahrübergang, kein Ausschluss der Mängelrechte). Im Rahmen der Frage nach dem Ausschluss der Mängelrechte ist der besondere Ausschlussgrund des § 377 HGB zu untersuchen.

Mithin handelt es sich bei § 377 HGB um eine typische Modifizierung des Bürgerlichen Rechts durch das Handelsrecht.

Frage 15:

Gibt es auch ein Handelsprozessrecht und eine Gerichtsbarkeit speziell für handelsrechtliche Streitigkeiten? Sind Ihnen vielleicht auch prozessuale Regelungen bekannt, die innerhalb des Handelsrechts von besonderer Bedeutung sind?

Es gibt weder ein Handelsprozessrecht noch eine besondere Handelsgerichtsbarkeit. Vielmehr gehören handelsrechtliche Streitigkeiten als bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten vor die or- dentlichen Gerichte gem. § 13 GVG.

Innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit gibt es bei handelsrechtlichen Streitigkeiten eine Besonderheit: Bei den Landgerichten entscheiden bei handelsrechtlichen Streitigkeiten beson- dere Spruchkörper, nämlich die Kammern für Handelssachen (§§ 93 ff. GVG). Für Handelssa- chen (vgl. § 95 GVG) tritt nach § 94 GVG die Kammer für Handelssachen an die Stelle der Zivilkammer, wenn der Kläger dies in der Klageschrift beantragt (vgl. § 96 GVG). Die Kammer für Handelssachen ist mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt (vgl. § 105 Abs. 1 GVG); sog. Handelsrichter (§ 45a DRiG). Trotzdem genießen alle drei Richter gleiches Stimmrecht, vgl. § 105 Abs. 2 GVG. Die (ehrenamtlichen) Handelsrichter sollen als eingetragene Kaufleute, Prokuristen, Geschäftsführer usw. für eine höhere Praxisnähe sorgen. Weitere wichtige prozessuale Vorschriften mit Bezug zum Handelsrecht finden sich in der ZPO in §§ 29 Abs. 2, 38 Abs. 1 ZPO: Diese Vorschriften erleichtern die Vereinbarungen über die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts (Gerichtsstandsvereinbarung bzw. Prorogation) unter Kaufleuten.

Frage 22:

Das internationale Handelsrecht besteht aus staatlichen und überstaatlichen Rechtsregeln bzw. Gebräuchen, die den Welthandelsverkehr betreffen (Jung, 12. Auflage 2019, § 48 Rn. 1). Dabei geht es auch um Rechtsregeln, die in mehreren Staaten einheitlich gelten, sog. international geregeltes Einheitsrecht (auch: international vereinheitlichtes Sachrecht). Können Sie in diesem Zusammenhang die Abkürzungen CISG und CMR erläutern?

CISG ist die Abkürzung für Convention on Contracts for the International Sale of Goods. Be- kannter ist der deutsche Begriff (Wiener) UN-Kaufrecht. Es handelt sich hierbei um einen völ- kerrechtlichen Vertrag, der in der Bundesrepublik Deutschland am 01.01.1991 in Kraft getreten ist (Jung, Handelsrecht, 12. Auflage 2019, § 49 Rn. 13; Brox/Henssler, Handelsrecht, 23. Auf-lage 2020, § 22 Rn. 422). Das CISG schafft ein Sonderrecht für Kauf- und Werklieferungsver- träge über Waren, bei denen die Vertragsparteien ihre Niederlassungen erkennbar in verschie- denen Staaten haben. Der Konvention sind aktuell deutlich mehr als 90 Staaten beigetreten (siehe https://iicl.law.pace.edu/cisg/page/cisg-table-contracting-states, letzter Abruf am 06.11.2022).

CMR (Convention relative au contrat de transport international de marchandises par route) ist die Abkürzung für das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Stra- ßengüterverkehr. Es handelt sich hierbei um einen völkerrechtlichen Vertrag über die grenz- überschreitende Güterbeförderung.

B) Frage 8

Wann wird eine Tätigkeit „zum Zweck der Gewinnerzielung“ ausgeübt, und welches andere Merkmal soll nach teilweise in der Literatur vertretener Ansicht das Kriterium der Gewinner- zielungsabsicht ersetzen?

Eine Tätigkeit erfolgt zum Zwecke der Gewinnerzielung, wenn die Absicht besteht, einen Über- schuss der Einnahmen über die Ausgaben zu erzielen. Dabei ist es unerheblich, ob tatsächlich ein Gewinn erzielt wird. Ein Gewinn wird nicht bezweckt, wenn die Tätigkeit nur auf Kosten- deckung angelegt ist oder karitative Zwecke verfolgt werden.

Nach in der Literatur teilweise vertretener Ansicht soll stattdessen darauf abgestellt werden, ob eine entgeltliche Tätigkeit vorliegt. Dies wird damit begründet, dass das Wirtschaftsleben zahl- reiche Betätigungsformen kennt, bei denen entgeltliche Leistungen am Markt erbracht werden, ohne dass vordergründig eine Gewinnerzielungsabsicht besteht. Soll das Handelsrecht wirksam der Vereinfachung und Sicherung des Handelsverkehrs dienen, so müsse es auch solche An- bieter erfassen, deren Engagement ideellen Zwecken und nicht der Gewinnerzielung dient. Dies gelte umso mehr, als es sich bei der Gewinnerzielungsabsicht um eine innere Tatsache handelt, die den Geschäftspartnern nicht erkennbar ist. Das Kriterium der entgeltlichen Tätigkeit am Markt sei daher vorzuziehen.

Der BGH hat bisher ausdrücklich offengelassen, ob er im hier maßgeblichen Bereich des Han- delsrechts am Kriterium der Gewinnerzielungsabsicht festhalten will. In anderen Bereichen au- ßerhalb des Handelsrechts, z.B. im Bereich des Verbraucherkreditrechts und des Verbrauchs- güterkaufs, verzichtet der BGH jedoch auf dieses Kriterium (BGH, Urteil v. 29.3.2006 – VIII

B) Frage 24

Können Sie im Zusammenhang mit § 3 HGB den Begriff „Kann-Kaufmann ohne Rückfahr- karte“ erklären?

Diese Bezeichnung lässt sich mit dem Unterschied zu den „Kann-Kaufleuten mit Rückfahr- karte“ im Sinne des § 2 HGB erklären. Wie schon erklärt (siehe oben Frage 20) hat der Kann- Kaufmann nach § 2 HGB, der sich für eine Eintragung im Handelsregister entschieden hat, jederzeit die Möglichkeit, die Löschung der Eintragung aus dem Handelsregister zu beantragen, wenn nicht inzwischen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 HGB eingetreten sind (§ 2 S. 3 HGB). Er kann sich ohne Weiteres wieder gegen die Kaufmannseigenschaft entscheiden und hat sozusagen eine „Rückfahrkarte“.

Das ist anders beim Land- oder Forstwirt gem. § 3 HGB: Wenn sein Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert und er von der Eintragungsoption Gebrauch macht, kann er gem. § 3 Abs. 2 HGB – anders als der „Kann-Kaufmann“ nach § 2 HGB – die Löschung seiner Firma aus dem Handelsregister und damit den Verlust der Kaufmannseigenschaft nur nach den allgemeinen Vorschriften, welche für die Löschung kaufmännischer Betriebe gelten, herbeiführen. Die in § 2 S. 3 HGB einge- räumte Rückzugsoption für Kleingewerbetreibende, also die Möglichkeit, die Kaufmannsei- genschaft wieder abzugeben, steht also für land- oder forstwirtschaftliche Großbetriebe nicht zur Verfügung. Eine „Löschung nach den allgemeinen Vorschriften“ kommt für Letztere nur in Betracht, wenn die Eintragung von vornherein unzulässig erfolgt ist oder das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetrieb nicht mehr erfordert. Ist eine Löschung nach den allgemeinen Vorschriften aber nicht möglich, be- steht die einmal durch Eintragung erlangte Kaufmannseigenschaft weiter fort. Mit der Aus- übung seines Wahlrechts ist der Unternehmer an seine Entscheidung, Kaufmann zu werden, gebunden und bleibt unwiderruflich dem Handelsrecht unterstellt.

Im Gegensatz zum „Kann-Kaufmann mit Rückfahrkarte“ (§ 2 S. 3 HGB) ist es dem im Han- delsregister eingetragenen Betreiber eines größeren land- oder forstwirtschaftlichen Unterneh- mens i.S.v. § 3 Abs. 2 HGB daher nicht möglich, nach Belieben die Kaufmannseigenschaft wieder abzulegen; er hat deshalb sozusagen keine „Rückfahrkarte“.

Handelt es sich hingegen um land- oder forstwirtschaftliche Kleinbetriebe, die gar keine kauf- männischen Einrichtungen benötigen, ist § 3 Abs. 2 HGB schon nach seinem Wortlaut nicht anwendbar. Sofern man diesen eine Eintragungsoption gem. 2 HGB zubilligt (umstritten, siehe Frage 26), besteht nach der Eintragung durch § 2 S. 3 HGB dagegen die Möglichkeit, die Ein- tragung auf Antrag wieder löschen zu lassen.

B) Frage 26

Eine spannende Frage: Kann ein landwirtschaftliches Unternehmen, das keinen in kaufmänni- scher Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, die Kaufmannseigenschaft gem. §§ 1–3 HGB erlangen?

Gem. § 3 Abs. 1 HGB findet auf ein landwirtschaftliches Unternehmen § 1 HGB keine Anwen- dung; schon aus diesem Grunde kann sich aus § 1 Abs. 2 HGB keine Kaufmannseigenschaft des genannten landwirtschaftlichen Unternehmens ergeben.

Eine Kaufmannseigenschaft aufgrund einer Eintragung in das Handelsregister gem. § 3 Abs. 2 HGB kommt ebenfalls nicht in Betracht: § 3 Abs. 2 HGB gilt zwar für landwirtschaftliche Be- triebe, doch setzt die Eintragungsoption nach dieser Vorschrift voraus, dass das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfor- dert. Diese Voraussetzung fehlt ja gerade im vorliegenden Beispiel.

Also stellt sich die Frage, ob das in Rede stehende kleingewerbliche landwirtschaftliche Unter- nehmen die Kaufmannseigenschaft gem. § 2 HGB erlangen kann.

Auf den ersten Blick überrascht diese Möglichkeit, denn § 3 Abs. 2 HGB bestimmt ja gerade ausdrücklich, dass landwirtschaftliche Betriebe, die einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb er- fordern, das Recht zur Eintragung in das Handelsregister haben und die Möglichkeit, auf diese Weise die Kaufmannseigenschaft zu erlangen. Man könnte deshalb die Auffassung vertreten, § 3 HGB sei abschließend und nur die dort genannten land- und forstwirtschaftlichen Betriebe hätten die Möglichkeit, durch Eintragung in das Handelsregister die Kaufmannseigenschaft zu erlangen.

Jedoch sieht die wohl herrschende Ansicht das anders: Danach gelangt für land- und forstwirt- schaftliche Betriebe, die keinen kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordern (und für die § 3 Abs. 2 HGB damit nicht eingreift), gleichwohl § 2 HGB zur Anwendung. Insoweit lässt sich argumentieren, § 3 Abs. 1 HGB schließt für land- und forstwirtschaftliche Betriebe lediglich die Anwendung des § 1 HGB aus; § 2 HGB bleibt damit anwendbar. Außerdem wird angeführt, auch land- und forstwirtschaftliche Betriebe übten ein Gewerbe aus (– früher wurde dies abgelehnt; vgl. Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, 39. Auflage 2020, § 3 Rn. 3 m.w.N. –), sodass der Weg zu § 2 HGB eröffnet sei. Schließlich lässt sich die Anwendbarkeit des § 2 HGB damit begründen, dass § 3 HGB keinen abschließenden Charakter hat: § 3 Abs. 2 HGB solle lediglich land- und forstwirtschaftliche Betriebe, die einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb erfordern, privilegieren, und stelle diesen (abweichend von § 1 Abs. 2 HGB) eine Eintra- gungsoption zur Verfügung. § 3 Abs. 2 HGB bezwecke aber nicht, land- und forstwirtschaftli- chen Kleinunternehmen (, die keinen kaufmännischen Geschäftsbetrieb erfordern,) die Mög- lichkeit zu verschließen, sich in das Handelsregister eintragen zu lassen (so etwa Jung, Han- delsrecht, 12. Auflage 2019, § 5 Rn. 21; Körber in: Oetker, Handelsgesetzbuch, 6. Auflage 2019, § 3 Rn. 5, aber str.). Nach dieser herrschenden Ansicht hat damit ein land- oder forstwirt- schaftliches Kleinunternehmen (, das eben keinen kaufmännischen Geschäftsbetrieb erfordert,) gem. § 2 HGB die Möglichkeit zur Anmeldung in das Handelsregister und kann auf diese Weise die Kaufmannseigenschaft erlangen.

C) Frage 11

Kaufmann B, der einen Schlüsseldienst betreibt, will im Telefonbuch möglichst weit vorne zu finden sein. Deshalb hat er sich überlegt, die Firma „AAAA Schlüsselnotdienst e. K.“ zu wäh- len. Kaufmann A würde gerne das Zeichen „@“ in seiner Firma führen, um seine Erreichbarkeit über das Internet zu dokumentieren. Ist dies jeweils firmenrechtlich zulässig?

Aus § 17 Abs. 1 HGB wird hergeleitet, dass der Name grundsätzlich aus Worten bestehen muss, wobei er aber auch mit anderen Zeichen als Buchstaben (z.B. Anführungszeichen, Punkt, Klam- mern, mathematische Zeichen) kombiniert werden darf, wenn diese wörtlich aussprechbar sind. Ob bloßen Buchstaben- oder Zahlenfolgen Kennzeichnungseignung im Sinne des § 18 Abs. 1 HGB zukommt, ist umstritten. Erforderlich ist jedenfalls ein Mindestmaß an Sinngehalt oder Einprägsamkeit. Dies lässt sich bei der von B gewählten Firma „AAAA Schlüsselnotdienst“ trotz der gewählten Gattungsbezeichnung „Schlüsselnotdienst“ verneinen. Der Bezeichnung „AAAA“ kommt weder ein Sinngehalt zu noch besteht für den Rechtsverkehr ein Anlass, das Unternehmen des B mit dieser Bezeichnung in Verbindung zu bringen (vgl. etwa Heidinger, in: MüKo-HGB, 4. Auflage 2016, § 18 Rn. 20).

Aber auch das Firmenrecht entwickelt sich fort: Ob die Verwendung des Zeichens „@“, wie von A geplant, zulässig ist, war noch vor einigen Jahren umstritten. Die Vereinbarkeit mit dem Firmenrecht wurde von Teilen der Rechtsprechung ursprünglich verneint, da das Zeichen „@“ nicht eindeutig aussprechbar sei (vgl. etwa BayOblG NJW 2001, 2337). Seit einiger Zeit lassen die Registergerichte indes das @-Zeichen als Firmenbestandteil zu (vgl. LG Berlin NJW-RR 2004, 835; LG München I MittBayNot 2009, 315).Die Voranstellung eines der Firma vorangestellten „double slash“, also „//“, vor dem Wort „crash“ hält der BGH nicht für eine Kennzeichnung i.S.v. § 18 Abs. 1 HGB geeignet. Es lasse sich nicht feststellen, dass diese Sonderzeichen im allgemeinen Sprachgebrauch bereits als Wortersatz verwendet werden oder eine dem @-Zeichen vergleichbare Sprachbedeutung er- langt hätten. (BGH v. 25.01.2022, Az.: II ZB 15/21, NJW-RR 2022, 760).

D)

Frage 25

Der Gesetzeszweck der §§ 25 ff. HGB ist äußerst umstritten. Welche Theorien werden hierzu vertreten, und welche Einwände werden gegen die Theorien jeweils vorgebracht?

Nach der Erklärungs- und Rechtsscheinstheorie (die teilweise als jeweils eigenständige Theorie eingeordnet werden) stellt § 25 Abs. 1 HGB einen Fall der Vertrauenshaftung dar. Aus einer Erklärung des Erwerbers, die in der Firmenfortführung zu sehen sei, ergebe sich eine Rechtsscheinwirkung. – Gegen diese Theorie spricht, dass der Erwerber einen Nachfol- gezusatz in die Firma aufnehmen kann, und es damit an einer entsprechenden Erklärung fehlt, er aber trotzdem haften soll. Dies läuft dann auf eine bloße Willensfiktion hinaus.

Die Haftungsfondstheorie beruht auf dem Gedanken der Zusammengehörigkeit von Aktiva und Passiva. Denn das in Gestalt des Unternehmens übertragene Vermögen hafte auch für dessen Verbindlichkeiten, da ja das Vermögen auch der Erfüllung von Verbindlichkeiten die- ne. – Gegen diese Theorie spricht, dass sie nicht auf die Firmenfortführung, sondern allein auf die Fortführung des Unternehmens abstellt.

Die Theorie von der Haftungskontinuität geht davon aus, dass §§ 25 und 28 HGB einheit- lich zu betrachten seien und § 28 HGB ja nicht auf die Firmenfortführung abstellt. In den Fäl- len der §§ 25 und 28 HGB ergebe sich die Haftung daher aus der bloßen Tatsache der Fort- führung des Unternehmens. – Hiergegen spricht wiederum, dass der Erwerber die Haftung ausschließen kann, vgl. § 25 Abs. 2 HGB.

E)

Frage 25

Was ist unter einem Missbrauch der Vertretungsmacht zu verstehen? Welche Rechtsfolgen können in einem solchen Fall eingreifen?

Ausgangspunkt der Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht ist die Unterscheidung zwischen dem Innenverhältnis zwischen Vertretenem und Vertreter (= rechtliches Dürfen) und dem Außenverhältnis gegenüber einem Dritten (= rechtliches Können). Wie bereits gesagt, wir- ken sich bei der Prokura interne Beschränkungen des Geschäftsherrn (Kaufmanns) gegenüber dem Prokuristen gem. § 50 Abs. 1 HGB im Außenverhältnis gegenüber Dritten grundsätzlich nicht aus (siehe bereits oben Frage 19). Hält sich also beispielsweise ein Prokurist nicht an eine interne Beschränkung des Geschäftsherrn (Kaufmanns), so kann der Prokurist den Geschäfts- herrn gleichwohl im Außenverhältnis gegenüber einem Dritten wirksam vertreten.

Ausnahmsweise greifen jedoch die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht, die zur Folge haben können, dass sich doch eine Überschreitung des rechtlichen Dürfens auch auf das rechtliche Können auswirkt. Im Rahmen dieser Grundsätze wird grundsätzlich zwischen folgenden Fallkonstellationen unterschieden:

Ø Von einer sog. Kollusion spricht man im Falle eines bewussten Zusammenwirkens zwischen dem Vertreter und einem Dritten zum Nachteil des Vertretenen. Nach h.M. führt ein solches kollusives Zusammenwirken zwischen Vertreter und Drittem zum Nachteil des Vertretenen zur Nichtigkeit des Vertretergeschäfts gem. § 138 Abs. 1 BGB.

Ø Darüber hinaus können die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht zur Anwendung kommen, wenn zwar kein bewusstes Zusammenwirken zwischen Vertre- ter und dem Dritten zulasten des Vertretenen vorliegt, gleichwohl der Vertreter gegen interne Weisungen des Vertretenen handelt und der Dritte dieses pflichtwidrige Han- deln des Vertreters positiv kennt. Der Dritte ist in diesem Fall nicht schutzwürdig.

Ø Auch greifen die Grundsätze bei grob fahrlässiger Unkenntnis des Dritten vom pflichtwidrigen Handeln des Vertreters ein (so jedenfalls die herrschende Ansicht). Einzelheiten sind hier jedoch streitig, z.B. die Frage, ob dem Prokuristen die Pflicht- widrigkeit seines Handelns bewusst sein muss (vgl. BGH NJW 1990, 384, 385; Cana- ris, Handelsrecht, 24. Aufl. 2006, § 12 Rn. 37) oder ob allein auf die objektive Pflicht- widrigkeit des handelnden Vertreters abzustellen ist (vgl. Jung, Handelsrecht, 12. Aufl. 2019, § 25 Rn. 12; K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Aufl. 2014, § 16 Rn. 73).

Auch werden die Rechtsfolgen im Rahmen dieser Fallgruppe unterschiedlich beurteilt: Die Rechtsprechung geht bei einem Missbrauch der Vertretungsmacht von einem wirksamen Vertretergeschäft aus, gibt dem Vertretenen aber die Möglichkeit, dem An- spruch des Geschäftsgegners (des Dritten) die Einrede der unzulässigen Rechtsaus- übung nach § 242 BGB entgegenzuhalten; nach Auffassungen im Schrifttum sollen die §§ 177 ff. BGB entsprechend angewandt werden.

F)

Frage 5

Welche Tatsachen müssen und welche Tatsachen können in das Handelsregister eingetragen werden?

Obwohl dem Handelsregister Publizitäts- und Publikationsfunktion zukommt (vgl. Frage 2), soll das Handelsregister aus Gründen der Übersichtlichkeit auf die Dokumentation wesentlicher Tatsachen begrenzt bleiben. Das Handelsregister soll deshalb kein lückenloses Bild aller Tat- sachen liefern, die möglicherweise für den Handelsverkehr interessant sein könnten. Deshalb sind nur bestimmte Rechtstatsachen überhaupt eintragungsfähig.

Bei den Tatsachen, die in das Handelsregister eingetragen werden können, ist zwischen den eintragungspflichtigen und den eintragungsfähigen Tatsachen zu unterscheiden.

Zu den eintragungspflichtigen Tatsachen, die kraft Gesetzes eingetragen werden müssen, zäh- len z.B.

- die Firma des Kaufmanns (vgl. § 29 HGB),

- die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (vgl. § 32 HGB),

- die Erteilung und das Erlöschen einer Prokura (vgl. § 53 HGB) sowie

- die Handelsgesellschaften OHG (§ 106 HGB), KG (§ 161 Abs. 2 i.V.m. § 106 HGB),

AG (§ 36 AktG), GmbH (§ 7 GmbHG).

Von den eintragungspflichtigen Tatsachen sind die bloß eintragungsfähigen Tatsachen zu unterscheiden. Wie der Begriff bereits sagt: Eintragungsfähige Tatsachen können, müssen aber nicht in das Handelsregister eingetragen werden. Hierzu zählen beispielsweise

- der Ausschluss der Erwerberhaftung (vgl. § 25 Abs. 2 HGB) oder

- der Ausschluss der Haftung der Gesellschaft (vgl. § 28 Abs. 2 HGB).

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Jasmin T.

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